Kitabı oku: «Lebendig alt sein»
Heribert Arens / Martino Machowiak
Lebendig alt sein
Franziskanische Akzente
herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel ofm
Band 26
HERIBERT ARENS
MARTINO MACHOWIAK
Lebendig alt sein
echter
Herzlicher Dank geht an Eva Kasper für die Unterstützung bei den Korrekturen sowie an die Provinz Sankt Elisabeth der Franziskaner-Minoriten OFMConv. in Deutschland für den finanziellen Support.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2020
© 2020 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Umschlagfoto: Elisabeth Wöhrle sf)
Satz: Crossmediabureau, Gerolzhofen
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05533-2
978-3-429-05107-5 (PDF)
978-3-429-06496-9 (ePub)
Inhalt
Wie alt bist du? – ein Vorwort
Meditation
1. Faszination Alter – „erst jetzt!“
Das Alter – eine faszinierende Lebensphase
Was will ich erst jetzt?
Was kann ich erst jetzt?
Biblische Vertiefung
Anregungen aus franziskanischer Spiritualität
Meditation
2. Zumutung Alter – „nicht mehr!“
Alterserscheinungen
„Jetzt bin ich nichts mehr!“
Die Krone deiner Würde reicht dir Gott, aber du selbst musst sie dir aufsetzen
Altersängste
Biblische Vertiefung
Anregungen aus der franziskanischen Spiritualität
Meditation
3. Altersweisheit – Leben ist Fragment
Fragment – eine befreiende Dimension
Die Entdeckung des Unvollendeten
„… fang den Tag nicht mit den Scherben von gestern an“
Das Fragmentarische bejahen
Sterben und Tod
Biblische Vertiefung
Paulus: „Stückwerk“
Fragmentarisches im Leben Jesu
Fragmentarisches im Leben Marias
Fragmentarisches im Leben des Petrus
Anregungen aus der franziskanischen Spiritualität
„Wir haben nichts fertiggebracht“
Erlösungs-bedürftig
Und der Tod?
Meditation
4. Altersreife – Loslassen und freigeben
Loslassen
Freigeben
Versöhnung mit den Wunden der eigenen Lebensgeschichte
Was beim Loslassen hilft und was hindert – Chancen und Fallen
„Rückwärtsblickend vorwärtsschauen“
„erst noch“
„Gleich-gern-ganz“
Stimmen von außen
Biblische Vertiefung
Anregungen aus der franziskanischen Spiritualität
Meditation
5. Altersglaube – Frömmigkeit und Gebet
Glauben im Alter
Gottesbild im Alter
Beten im Alter
Biblische Vertiefung
Anregungen aus der franziskanischen Spiritualität
Meditation
„… aber versuchen will ich ihn“ – ein Nachwort
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
LEBENDIG
alt sein
in allen Lebensphasen
mit Chancen und Begrenzungen
LEBENSLUST
Wie alt bist du? – ein Vorwort
Wann eigentlich beginnt das, was wir „Alter“ nennen? „Im hohen Alter von 92 Jahren“, sagen wir, aber auch „im zarten Alter von drei Monaten“. In jedem Lebensalter ist von „Alter“ die Rede, ganz gleich ob es neun Tage oder neunzig Jahre sind. Alter bemisst sich nicht nur nach dem Kalender. Sobald ich das Licht der Welt erblicke, fängt das Alter an. Fragst du den kleinen Knirps „Wie alt bist du?“, reckt er dir stolz drei kleine Fingerchen entgegen: „Drei!“ Fragst du einen an Jahren alten Menschen nach seinem Alter und hörst die Antwort „84“, kommt gern der Kommentar dazu: „Ich kann es selbst kaum glauben!“ Das Alter begleitet uns durch alle Jahre unseres Lebens. Immer sind wir alt.
Dennoch hat das Wort „Alter“ einen besonderen Klang, wird es doch bevorzugt verwendet, wenn viele Lebensjahre zusammengekommen sind. Bei der derzeitigen demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft reicht es nicht mehr, von der dritten oder vierten Lebensphase zu sprechen. Inzwischen nehmen wir bewusst die Phase der Hochaltrigkeit wahr,1 beginnend so um die Lebensjahre +/–85.
Das objektive Alter, gemessen an Jahren, sagt einiges, aber nicht alles über einen Menschen. Manche sind mit 45 Jahren innerlich vergreist, andere sind mit 90 geistig frisch – und nicht selten auch körperlich fit. Beides macht den Menschen zwar nicht an Jahren jünger oder älter, aber es gibt den Jahren eine eigene Qualität: Frische, Energie, Lebenslust auf der älteren, Initiativlosigkeit, Trägheit, Unbeweglichkeit auf der jüngeren Seite. Alter definiert sich nach der Anzahl der Jahre, aber das ist nicht die einzige Definition.
„Man kann nicht früh genug anfangen, alt zu werden“, sagt der Volksmund. Das will nicht sagen, dass ich als Kind schon lernen soll, ein Greis zu sein. Vielmehr ist es die beste Vorbereitung auf die hochbetagten Lebensjahre, wenn der Mensch der Phase gemäß lebt, in der er sich befindet: Bist du ein Kind, lebe wie ein Kind. Bist du ein Jugendlicher, lebe wie ein Jugendlicher. Bist du in der Lebensmitte, lebe diese Phase. Einüben ins hohe Lebensalter geschieht dadurch, dass ich einfach jede Lebensphase im Hier und Heute so lebe, wie es ihr angemessen ist. Dann bin ich vorbereitet, auch im Altsein entsprechend zu leben.
Die Altersforschung kennt für diese Phase viel Anregendes. Dabei geht es nicht nur um Pragmatisches, sondern auch um Spirituelles, um Nahrung für Geist und Seele. Dazu haben wir Nachdenkenswertes in der Hl. Schrift und auch rund um das Leben des heiligen Franziskus entdeckt. In diesem Dreiklang – Lebenshilfe, Biblisches, Franziskanisches – sind die Überlegungen des vorliegenden Bandes entstanden.
Dieses Buch haben wir zu zweit in folgender Arbeitsweise geschrieben:
Gemeinsam haben wir Kurse zum Thema „Alter“ erarbeitet und mit zahlreichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen durchgeführt. Viele Früchte sind aus der Kursarbeit entstanden und in die Überlegungen dieses Buches eingeflossen. Wichtige Stichworte aus unserem Buch „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt“ – siehe Literaturhinweise „zum Weiterlesen“ – haben wir aufgegriffen, weitergeführt und vertieft, denn sie sind uns für die Behandlung des Themas wichtig. P. Heribert Arens schrieb die ersten Textentwürfe, Sr. Martino Machowiak hat sie durchgearbeitet, gekürzt oder erweitert – und zu einem Gedanken aus jedem Kapitel eine kurze vertiefende Meditation geschrieben.
Lange haben wir in der Entstehung dieses Buches vom „Altwerden“ gesprochen. Die Reflexion des eigenen Lebensalters ließ uns spüren: Es geht nicht um Altwerden, sondern um Altsein. Diese Sichtweise unterstreicht James Hillmann in seinem Buch „Vom Sinn des langen Lebens“2. Er entfaltet, dass wir Dinge gerade deshalb schätzen, weil sie alt sind. Das sollte auch für den alten Menschen gelten. Dazu braucht es ein Umdenken. Wir sprechen, so Hillmann, zu viel von „altern“. Altern aber meint einen Prozess mit einem Abwärtssog, der im Tod endet. Hier und heute alt sein aber bedeutet einen großen Wert, denn es weiß um den Reichtum an Leben und Erfahrung. Um das zu erkennen und zu bejahen, braucht es den Mut, alt zu sein.
Diese Lebensphase „Altsein“ soll uns nicht ächzend und depressiv vorfinden, sondern lebendig und mit Lust am Leben. So entstand der Titel: „Lebendig alt sein“. Mit Freude übergeben wir Ihnen unsere Gedanken.
Dieses Manuskript konnten wir Ende März abschließen. Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie geben wir es aus der Hand. Der alte Mensch ist durch dieses Virus besonders gefährdet, weil sein Immunsystem an Stärke verloren hat und in Konfliktsituationen dem Leben von Jüngeren ein Vorrang eingeräumt wird. Unser Wunsch ist es, dass viele alte Menschen die Pandemie überleben und auch weiterhin ein Schatz unserer Gesellschaft sind.
Dorsten/Neuenbeken, März 2020
P. Heribert Arens ofm – Sr. Martino Machowiak cps
Meditation
ich bin alt
ich
werde alt
oft zu hören
bei betagten menschen
aber wieso
ich werde alt –
nein
ich bin alt
ich darf alt sein
in gelassenheit
und
in dankbarkeit
für alles
was erst jetzt möglich wird
1. Faszination Alter – „erst jetzt!“
Das Alter – eine faszinierende Lebensphase
Auch wenn jeder weiß, dass sich im Altsein Mühsal und Beschwerden einstellen können, lenken wir den Blick zunächst bewusst in eine andere Richtung: Das Alter ist eine spannende Lebensphase, ganz gleich ob ein Mensch die dritte, die vierte oder gar die Phase der Langlebigkeit/Hochaltrigkeit erreicht hat. Alter kann faszinierend sein – nicht erst seit dem fantastischen Roman von Jonas Jonasson: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“3. Auch wenn nicht jeder alte Mensch die Abenteuerlust des hundertjährigen Allan Karlsson hat: Im älter werdenden Menschen steckt immer noch viel an Lebenslust, an Kreativität, an Lebensenergie und Lebenssattheit, die einfach Freude an jedem neu geschenkten Tag erleben lässt.
Nur bedingt gültig ist darum heute die Weisheit des Psalm 90, in dem es heißt: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer“ (Ps 90,9–10).
Für manche mag dieses Psalmwort ja stimmen. Aber auch das stimmt: Alter kann zwar Last sein, aber auch Lust; Alter bedeutet nicht Kranksein, auch wenn der alte Mensch krank sein kann, sondern auch Gesundheit und Vitalität; Alter verbindet sich nicht in erster Linie mit Demenz und Alzheimer, sondern auch mit geistiger Frische, Interesse und Teilnahme am Leben der Umgebung und der Welt.
Samuel Ullmann, amerikanischer Dichter, vor allem bekannt durch sein Buch „Youth“ (Jugend), findet dafür treffende Worte, deren deutsche Übersetzung dem „Urwalddoktor“ Albert Schweitzer zugeschrieben wird (in Auszügen):4
Du bist so jung wie deine Zuversicht
„Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt, sie ist ein Geisteszustand.
Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit und Fantasie, Stärke der Gefühle,
Sieg des Mutes über die Feigheit, Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit.
Niemand wird alt, weil er eine Anzahl Jahre hinter sich gebracht hat.
Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt.
Mit den Jahren runzelt die Haut,
mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele.
Sorgen, Zweifel, Mangel an Selbstvertrauen, Angst und Hoffnungslosigkeit,
das sind die langen, langen Jahre, die das Haupt zur Erde ziehen
und den aufrechten Gang in den Staub beugen. …
Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel,
so jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit. Solange die Botschaft der Schönheit, Freude und Kühnheit,
der Größe der Erde, des Menschen und des Unendlichen dein Herz erreicht, so lange bist du jung.
Erst wenn die Flügel nach unten hängen und das Innere deines Herzens
vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus bedeckt ist,
dann erst bist du wahrhaftig alt geworden.“
Gelingendes Alter ist eine Frage der Lebendigkeit und der Freude am Leben. Es ist die Kunst, auch da, wo sich Einschränkungen melden, dem Leben den Vorrang zu geben, Chancen und Möglichkeiten, die da sind, wahrzunehmen und ihrer Einladung zu folgen.
Was will ich erst jetzt?
In unseren Kursen zur Dritten und Vierten Lebensphase wurde die Fragestellung: „Was will ich erst jetzt?“ zum Schlüssel, über lebendiges Altsein nachzudenken. Die Antworten lesen sich eindrucksvoll. Sie sind Zeugnisse, dass das Alter reich sein kann an zunehmender Kompetenz und zunehmenden Möglichkeiten. Voraussetzung ist, den Blick vom Starren auf das „nicht mehr“ zum achtsamen Hinsehen auf das „erst jetzt“ zu wenden. Im Folgenden zitieren und bedenken wir Antworten von (wohlgemerkt alten) Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern auf diese Frage nach dem „erst jetzt“:
„Ich bin dankbar, weil ich jetzt Zeit habe(n darf) für Erlebnisse, zu denen mir vorher die Zeit fehlte: die Natur erleben, Musik hören, Sport, Lesen …“
Da merkt jemand, dass das Alter nicht nur Türen zuschlägt, sondern Türen öffnet. Die im Beruf oft eingeengte und zwanghafte Welt wird weit. Bisher verdrängte Möglichkeiten bekommen die Chance sich zu entfalten:
Das fasziniert!
„Ich kann mein Leben entschleunigen. Dabei hilft mir auch, dass ich langsamer werde und nicht mehr alles kann, was ich früher konnte.“
Verlangsamung ist eine Begleiterscheinung des Alters. Aus dem zitierten Satz spricht ein alter Mensch, der das nicht als Eingrenzung sieht, sondern als Chance. Der Lebensrhythmus des modernen Menschen ist oft unruhig und gehetzt. Hier sieht ein Mensch sein Langsamer-Werden als Chance zur Entschleunigung – und damit auch zu einem bewussteren Leben, das den Augenblick genießen will. Weitere Aussagen gehen in eine ähnliche Richtung:
„Ich gönne mir Räume der Stille, um ganz bei mir sein zu können.“ Räume der Stille sind Geschenke, die der oft gestresste Alltag des Erwachsenen kaum noch oder viel zu selten kennt. Das entschleunigte Alter hat die Chance, zur Ruhe und zur Stille zu kommen, diese Geschenke zu genießen und auszukosten. Keiner sitzt im Nacken, höchstens der Sklaventreiber im eigenen Inneren, der sagt: „Eigentlich müsstest du!“ Befreiend!
„Ich will genießen, was das Leben mir schenkt – das muss gar nicht viel sein.“ „Ich spüre, dass ich sensibler werde für kleine Dinge, für Schönheit und Begegnung im Alltag.“
Das Leben ist gespickt mit „Blumen am Wegrand“, die ich nur zu leicht übersehe, weil ich durch das Leben jage, weil ich viel zu oft nur auf die großen Ziele starre und das Gespür für das Kleine und Nächstliegende verliere. Das Alter bietet die Chance, wacher und sensibler dafür zu werden – Einsichten und Erfahrungen, die die Jugend kaum kennt: Das fasziniert!
„Ich mache mich frei von Zwängen, etwa von dem Zwang, alles hundertprozentig machen zu müssen.“
Manche leben in Umständen, die sie zwingen, hundertprozentig zu funktionieren. Manche sind aber auch ihre eigenen Zwingherren. Sie überfordern sich. Alles muss stimmen. Und jetzt bist du alt und merkst, wie viel in deinem Leben bruchstückhaft geblieben ist trotz allen guten Willens. Der Druck hat manchen nicht selten die Luft zum Atmen genommen. Jetzt verrät die Weisheit des Alters: Es muss nicht alles vollkommen, perfekt, sein. Vieles darf Fragment sein und bleiben – und die Erde dreht sich trotzdem weiter. Das Vollenden, die Rundung des Lebens, überlasse ich getrost dem, zu dessen Wesen das Vollenden gehört: Gott. Darüber werden wir noch in einem eigenen Kapitel nachdenken.
Diese „späte“ Einsicht schenkt befreites Leben, lässt auf- und durchatmen. Das gibt Gelassenheit auch angesichts des Unvollendeten: Das fasziniert!
„Ich erinnere mich an vieles, was in meinem Leben gelungen ist. Ich kann in der Rückschau Gottes Weg mit mir entdecken und dankbar weitergehen.“
Das Alter ist Erntezeit. Momente der Erinnerung können ein „Erntedankfest“ sein. Erinnerungen müssen den Menschen nicht auf Vergangenes fixieren, auch wenn das gerade im Alter eine Versuchung ist. Manche ältere Menschen, unzufrieden mit der Gegenwart, flüchten sich gern in die guten Erfahrungen von gestern, verherrlichen sie, selbst wenn sie gar nicht so herrlich waren. Sie leben „vergangenheitsverliebt“. Mit dieser Haltung, vor allem mit dem dauernden Reden darüber, gehen sie schnell ihrer Umgebung auf die Nerven. Das tut nicht gut! Keiner hat Lust, immer nur die Geschichten und Heldentaten von gestern zu hören. Wer sich so verhält, wird sehr schnell sehr einsam!
Erinnerung will vielmehr eine Kraft für die Zukunft sein. Wenn alte Menschen auf Gelungenes und Erfreuliches zurückblicken, kann ihnen das zur Quelle des Lebensmutes und der Energie für morgen und übermorgen werden, weil sie „rückwärts blickend vorwärts schauen“5.
Solche Erinnerung ist nicht zuletzt dem glaubenden alten Menschen eine Quelle des Gottvertrauens und der Hoffnung. Denn gute Erfahrungen sind für viele die Handschrift Gottes in ihrem Leben. Dieses Geheimnis enthüllt sich erst in der Rückschau. „Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden und nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden“ (nach Kierkegaard). Sich in der Gegenwart an Vergangenes erinnern, um dem Leben und der Zukunft zu trauen, das lässt Leben auch im Alter gelingen: Das fasziniert!
„Die Lebenserfahrung hilft mir, auf vieles anders zu reagieren: nüchterner, gelassener, humorvoller.“ „Ich spüre, dass eine Reifung stattgefunden hat, die mich mehr Verständnis für andere haben lässt.“
Wer solche Sätze sprechen kann, gehört zu den liebenswürdigen Seniorinnen und Senioren. Gern werden sie auch „positive Oma“, „positiver Opa“ genannt. Sie sind offen für die Menschen um sie herum, vor allem für die nachrückenden Jüngeren. Sie leben nicht ein krampfhaftes „ich auch!“. Sie schauen mit Gelassenheit in ihre Umgebung und kennen das wohlwollende, humorgetränkte Schmunzeln: „Ich will und kann öfter über mich lachen.“ Solches Lächeln befreit mich zu mir selbst. Wer über sich selbst lachen kann, gestattet es sich, der Mensch zu sein, der sie oder er ist.
Das Alter ist eine Lebensphase, in der sich kein Mensch mehr etwas beweisen muss. Ich lebe einfach mit dem, was ich kann, aber auch mit dem, was ich nicht kann. Das bin ich – und so darf ich sein: „Ich lebe mein Leben mit den Möglichkeiten, die mir jetzt gegeben sind.“ Das lockt und fasziniert!
„ Ich tue mir selbst etwas Gutes, gönne mir etwas.“
Das ist ein wunderbares Wort. Es spricht von einer Lebenskunst, die erlernt sein will! Dazu hat Edith Hess für ihr eigenes Leben wertvolle Leitsätze wie die drei folgenden entwickelt:
– „Ich tue meinem Leib Gutes
Ich freue mich meiner Leiblichkeit trotz abnehmender Schönheit und Frische. Ich kümmere mich liebevoll um meinen Leib, trainiere, pflege und salbe ihn. Es tut mir gut, mit Tieren und Pflanzen in zärtlichem Körperkontakt zu sein …
– Ich lege die Hände in den Schoß
Ich freue mich an der Befreiung von vielen Aufgaben und nehme mir mit gutem Gewissen Zeit zum Sinnieren, Träumen und Nichtstun. Ich betrachte mein Lebenswerk und freue mich über alles, was gelungen ist. In einer lauten Welt achte ich auf leise Stimmen und Töne …
– Ich setze mich an die echten Lebensquellen
Ich schaufle mir den Zugang zu meinen inneren Kraftquellen immer wieder frei. Ich stärke mich mit der Erfahrung von Freundschaft; ich liebe und lasse mich lieben. Ich lasse mich immer wieder verzaubern von der Schönheit der Natur und des Sternenhimmels, der Musik und anderen Werken schöpferischer Menschen.“6
Das sind Chancen des an Lebensjahren alten Menschen, sich selbst Gutes zu tun, sich selbst etwas zu gönnen, das Wort des hl. Bernhard mit Leben zu füllen, das er an seinen Schüler Papst Eugen III. geschrieben hat: „Gönne dich dir selbst!“ Da macht es Freude, alt zu sein: Das fasziniert!
„Ich will am Leben teilnehmen – bis zum Schluss.“
Das sagt ein alter Mensch, der nicht an einer Blickverengung leidet. Mancher kennt, wenn die Jahre kommen, nur noch Themen wie Arztbesuche, Pillen, Krankheiten, Essen und Trinken … Mancher kennt die Wartezimmer der Ärzte besser als die eigene Küche. Da wird die Welt ganz klein, das Interessante im Leben reduziert sich auf das, was in meiner kleinen Welt geschieht. Schade, denn die Welt ist so groß!
„Ich will am Leben teilnehmen …“ – es ist beeindruckend, was der alte Mensch mit diesem Satz ausdrückt: „Ich interessiere mich für das, was über meinen Tellerrand hinausgeht.“ Es berührt mich, was in der Welt geschieht. Ich nehme an den Erfolgen meiner Kinder, Enkel und Urenkelinnen teil. Ich will mich aufregen, wenn Politiker und Politikerinnen uns betrügen, um Stimmen zu fangen. Ich will mich freuen, wenn im Frühling die Natur wieder aufblüht! Ich will nicht mehr das Tanzbein schwingen, aber ich genieße den Anblick junger Paare auf der Tanzfläche. Ich will betroffen sein, wenn ich vom Hunger in der Dritten Welt höre und sehe. Ich will neugierig bleiben, die Umwelt nicht mit meinen „alt-klugen“ Antworten überschütten, stattdessen fragen, schauen, einfach dabei sein: mitlachen, mitweinen, Anteil nehmen. Bei alledem mache ich mir bewusst, „dass ich nicht allein bin. Andere erleben Ähnliches, sitzen mit mir im gleichen Boot.“ Das fasziniert!
Was kann ich erst jetzt?
Das ist die Schlüsselfrage zu gelingendem und zufriedenem Altsein. Sie lenkt den Blick auf die Kompetenz des Alters, auf Fähigkeiten, die erst mit den Jahren richtig aufblühen, auf Chancen, die ich in mir trage, auf Möglichkeiten, die mir gerade das Alter ermöglicht.
In diesem Zusammenhang hat Alt-Bischof Joachim Wanke aus Erfurt fünf Antworten formuliert auf die Frage „Was mir im Alter wertvoll ist?“, von denen wir einige gekürzt wiedergeben.7
„Unterbrechen können
Ich merke, dass ich Freude daran gewinne, Zeit zu haben, mich von aufdringlicher Kommunikation zu ‚entkabeln‘. Es ist für mich ein Geschenk, Zeit für mich und Zeit für Menschen an meiner Seite zu gewinnen. Hören, Zuhören und Nachdenken können werden mir wichtiger als früher.
Anknüpfen können
Ich mache die Erfahrung, dass mir die Wiederholung hilft und Sicherheit gibt. Damit meine ich die Alltagsrituale (des geregelten Tages) bis hin zu den liturgischen Ritualen, in denen die Seele sich festmachen kann. Dort kann ich immer neu anknüpfen und innerlich dankbar bleiben.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.