Kitabı oku: «Rachemokka», sayfa 3

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»Da sind sie schon wieder, deine Verdächtigungen!«

»Verdächtigungen? Tatsachen! Eine Deutsche ist sie obendrein!«

»Jetzt mach aber mal einen Punkt mit deinen Vorurteilen!«

»Ich könnte dir über deinen lieben Thomas noch viel mehr erzählen. Er trinkt unmäßig, und in der Schule scheint er auch Schwierigkeiten zu haben. Seine Verbesserungsarbeiten macht er bei uns oder beim Heurigen – mit einem Glas Bier oder Wein neben sich. Er vergnügt sich sicher wieder in diversen Spelunken, aus denen ich ihn früher hinausgezerrt habe. Dort müsstest du ihn einmal sehen, wenn er sich ein Pupperl anlacht … Erika?«

Leopold hatte sich so in seine Tirade hineingesteigert, dass er Erikas Abwesenheit gar nicht bemerkt hatte. Sie war einfach aufgestanden und ins Bad gegangen, um sich abzuschminken. Jetzt gab es nur zwei Möglichkeiten: Kampf bis aufs Messer oder klein beigeben. Leopold entschloss sich für die friedliche Variante. Der morgige Abend würde schwer genug werden.

»Ich pass schon auf, dass ihr bei der Besprechung euren Frieden habt«, sagte er kleinlaut durch die offene Badezimmertür.

»Das will ich dir auch geraten haben«, kam es zurück, und es klang sanfter, als der Wortlaut vermuten ließ.

*

Der restliche Arbeitstag war für Thomas Korber angenehm verlaufen; kurz gesagt, er hatte Monika Aberles Gegenwart genossen. Erwin Bader hatte einen regen Gedankenaustausch mit Walter Kohut, dem hiesigen Administrator, gepflegt und war den beiden nicht weiter in die Quere gekommen. Monika hatte zwar noch die Deutschstunden von zwei seiner Kolleginnen besucht, danach aber ein Schwätzchen mit ihm geführt, bei dem sie ihrer Freude auf den morgigen Abend noch einmal Ausdruck gegeben hatte.

Auf dem Nachhauseweg hatte er noch zwei weiße Spritzer beim Heurigen Fuhrmann gleich bei ihm ums Eck getrunken, dann war Korber aber brav hinauf in seine Wohnung gegangen. Er war zufrieden, beinahe glücklich, und morgen, das fühlte er, musste er seinen Mann stehen. Also begnügte er sich mit einer Flasche Bier vor dem Fernseher, um am nächsten Tag in Form zu sein.

Kaum hatte er sich gemütlich eingerichtet, läutete sein Handy. Auf dem Display leuchtete der Name »Rita« auf. Im ersten Augenblick konnte Korber nichts damit anfangen. Er glaubte, niemanden zu kennen, der so hieß. Aber aus irgendeinem Grund musste er die Frau ja abgespeichert haben.

»Hallo, Schmusekönig«, hörte er eine sanfte, heisere Stimme, als er das Gespräch entgegennahm.

Oh nein! Rita war also die Unbekannte aus dem Botafogo. »Ja?«, war alles, was er herausbrachte.

»Warum hast du dich nicht gemeldet? Du hast doch versprochen, mich anzurufen!« Rita klang enttäuscht.

»Ich hatte einen schweren Tag … Besuch aus Deutschland …«, stammelte Korber.

»Ich erinnere mich. Du hast gestern etwas in der Richtung erwähnt. Und es als Anlass genommen, dich im entscheidenden Moment zu verdrücken«, warf Rita ihm vor.

Ihr Gedächtnis funktionierte also perfekt. Damit war auch ihr Alkoholisierungsgrad geringer als der seine gewesen. Schlecht für ihn. »Ich musste weg, sonst wäre ich in der Früh nicht rechtzeitig aufgekommen«, druckste Korber herum.

»Dabei war ich schon sooo kribbelig«, geriet Rita ins Schwärmen. »Das ist mir auch noch nie passiert, dass mir einer inmitten so vieler anderer Menschen seelenruhig einen Knopf meiner Bluse öffnet und mir auf den nackten Busen greift. Und mit so viel Gefühl! Und dann das schummrige Licht und die Musik! Und deine Zunge in meinem Mund! Ich kann gar nicht beschreiben, was ich alles gespürt habe. Und plötzlich bist du abgehauen und hast mich ganz aufgewühlt allein gelassen. Das war echt fies.«

Korber versuchte krampfhaft, ein Bild zu Namen und Stimme zu bekommen. Wie sah Rita aus? War sie in seinem Alter, jünger oder älter? Sein Hirn war leer. Er hatte nur blasse, unzusammenhängende Eindrücke, die ihm nicht weiterhalfen. »Es war ein schöner Abend. Aber das war gestern, und …« Noch immer faselte Korber verworrenes Zeug daher, weil ihm nichts Besseres einfiel.

»Wir können es doch jetzt nicht dabei bewenden lassen«, fiel ihm Rita ins Wort. »Das schreit nach einer Fortsetzung, bei der wir uns den weiter unten liegenden Gebieten unseres Körpers widmen sollten. Den besonders empfindlichen Punkten. Du wirst staunen, wie zärtlich ich da sein kann.«

»Im Augenblick habe ich wirklich viel um die Ohren mit dem Besuch«, versuchte Korber, sich herauszureden. Dabei wurde ihm abwechselnd heiß und kalt.

»Du bist einmal vor mir davongelaufen, ein zweites Mal gelingt dir das nicht«, ließ Rita ihn wissen. »Wir müssen zu Ende bringen, was wir begonnen haben, um mich von meinem Kribbeln zu erlösen. Vorher gebe ich keine Ruhe!«

»Es wäre besser, wenn … Ich meine, wie und wo stellst du dir das überhaupt vor?«, erkundigte sich Kober vorsichtig.

»In deiner Wohnung natürlich! Das hast du gestern selbst vorgeschlagen«, erinnerte Rita ihn unbarmherzig. »Kneif jetzt nicht, sonst werde ich ernstlich böse! Ich lasse niemanden nur zum Spaß an meinem Körper herumfummeln. Wenn ich es recht bedenke, ist das eine ausgemachte Sauerei, die man bei der Polizei anzeigen kann.«

Das wollte Korber nun auch wieder nicht. »Gib mir ein wenig Zeit! Ich melde mich wieder«, vertröstete er sie.

»Ich weiß, wo ich dich finden kann«, warnte Rita ihn. »Also überlege es dir nicht zu lange. Du brauchst es doch auch, oder?«, fuhr sie sanfter fort. »Willst du dich nicht von mir verwöhnen lassen? Ich zeige dir Dinge, die du in deinem Leben noch nicht ausprobiert hast.«

»Ich melde mich«, wiederholte Kober. Erneut wurde ihm erst heiß, dann wieder kalt.

»Dann tschüss, Schmusekönig«, verabschiedete Rita sich. »Vergiss nicht auf mich! Sonst wirst du eine böse Überraschung erleben.«

»Tschüss«, murmelte Korber kraftlos in sein Handy. Anschließend versuchte er noch einmal, die Ereignisse des gestrigen Abends zu rekonstruieren. Erfolglos. Geblieben waren sprunghafte, unscharfe Erinnerungen ohne Aussagekraft. Es gab kein verlässliches Bild zu Rita. Dabei hätte er zu gern gewusst, wen er da befummelt hatte.

Wenn er es recht bedachte, gab es nun plötzlich mehrere Frauen, die in seiner nahen Zukunft eine Rolle spielen konnten:

Da war einmal Leopolds uneheliche Tochter Sabine Patzak. Mit ihr hatte er einige Zeit zusammengelebt, doch seit sie bei ihm ausgezogen war, genoss sie ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Dabei war sie mit ihren Gefühlen zu ihm auf Distanz gegangen. Das hatte seine seelische Krise verursacht.

Dann hatte es die Wiederbegegnung mit Marion Kirchner gegeben. Sie war eine ehemalige Kollegin aus seiner Studienzeit in Heidelberg. Damals hatten sie ein unbeschwertes Verhältnis zueinander gehabt. Das war nun aber schon etliche Jahre her. Außerdem war sie wahrscheinlich gebunden. Er würde sie bei der Besprechung im Heller wiedersehen, doch musste er seine Chancen bei ihr als äußerst gering betrachten.

Eine neue Bekanntschaft hatte er mit Monika Aberle, ebenfalls aus Heidelberg, geschlossen. Seine kumpelhafte Deutsch-Kollegin hegte zweifellos Sympathien für ihn. Vielleicht ergab sich da etwas. Die Sache hatte ihren Reiz. Doch wenn, dann nur für kurze Zeit.

Somit war Rita zur aussichtsreichsten Kandidatin für ein sexuelles Abenteuer avanciert. Ihre Andeutungen am Telefon hatten Korbers Blut in Wallung gebracht. Allerdings war völlig ungewiss, wer die Frau war, wie sie aussah und ob er sie auch wieder loswerden würde.

Also beschloss Korber, zunächst einmal den kommenden Abend mit Monika Aberle im Café Heller abzuwarten. Mit Rita konnte er jederzeit in Kontakt treten, wenn sich da nichts ergab.

Kapitel 4

Donnerstag, 25. Juni, abends

Am zweiten Tag ihres Besuches im Floridsdorfer Gymnasium hörte sich Monika Aberle wieder eine Reihe von Deutschstunden an. Anschließend wurden in einer Fachgruppensitzung am Nachmittag Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Unterricht an beiden Schulen erörtert. Ferner wurde ein gemeinschaftliches Projekt zum romantischen Dichter Joseph von Eichendorff mit seinem Bezug zu Heidelberg und Wien, besonders zum Bisamberg in der Nähe Floridsdorfs, beschlossen. Man betraute Thomas Korber und Monika Aberle mit der Erstellung eines Konzepts. Schließlich lud Direktor Marksteiner Frau Aberle und Herrn Bader noch zu einer Besprechung und einem kleinen Umtrunk in seine Kanzlei.

»Bis heute Abend«, verabschiedete Monika sich von Korber. Sie richtete ihm aus, dass sie sich nach der kleinen Konferenz im Hotel noch ein wenig frischmachen und dann erneut zum Gymnasium kommen würde, um sich dort mit ihm zu treffen. Deshalb wartete Korber vor dem Eingang zur Schule mit gespannter Vorfreude auf seine Heidelberger Kollegin. Die kräftigen Strahlen der Abendsonne, die einen schönen, warmen Frühsommertag beendeten, versetzten ihn dabei in eine gute Stimmung.

Als er so erwartungsvoll dastand, war auf einmal Sabine Patzak bei ihm und küsste ihn leicht auf die Wange. »Wo kommst du denn her?«, fragte er erstaunt.

»Vom Papa«, teilte sie ihm mit und deutete in Richtung Kaffeehaus. »Ab und zu muss ich ihn ja besuchen.« Früher hatte sie manchmal sogar im Heller gearbeitet, um Leopold zu entlasten, in letzter Zeit war sie allerdings kaum mehr dort gewesen.

»Was treibst du so?«, erkundigte Korber sich.

»Studieren, fortgehen, Spaß haben«, antwortete Sabine ihm. »Das Leben genießen. Jetzt schau mich nicht gleich wieder böse an. Ich möchte frei sein. Und das kann man nun einmal nicht, wenn man mit jemandem zusammenlebt, auch wenn man es sich noch so einredet.«

»Ich bin dir also im Weg! Schon gut«, bemerkte Korber trotzig.

»Ich habe dir immer gesagt, dass ich mich derzeit nicht binden will«, setzte Sabine ihm auseinander. »Am Anfang hattest du dafür auch volles Verständnis. Du hast sogar von deinen eigenen Freiheiten gesprochen, die du nicht aufgeben möchtest. Jetzt bist du eingeschnappt und willst nicht einsehen, dass ich von dir wegmusste. Dabei war es immer so abgemacht.«

»Habe ich denn gar keine Chance mehr?«

»Frag nicht so viel, das macht die Sache nur schwieriger. Wir stehen miteinander in Kontakt und werden uns wiedersehen. Das muss vorläufig genügen.«

In diesem Augenblick kam Monika Aberle vom Bahnhof her auf die beiden zu getrippelt. Sie winkte Korber schon von Weitem. Da machte er ein paar Schritte in ihre Richtung, umarmte sie demonstrativ und drückte ihr einen Schmatz auf den Mund.

»Du bisch ganz schee schdürmisch«, rutschte es Monika Aberle in ihrer Mundart heraus, während sie Korber den Kuss zurückgab. Sie war immer noch heiter vom Umtrunk in der Direktion. »Aber heute ist schon alles egal. Ich habe geglaubt, die Trinkerei hört nie auf. Euer Direktor verträgt ganz schön viel. Er wollte uns wohin verschleppen, ich bin gerade noch entkommen. Jetzt muss ihm der arme Erwin Gesellschaft leisten.« Sie bemerkte Sabine Patzak, die ungeduldig mit der Fußspitze auf den Asphalt klopfte und fragte: »Störe ich?«

»Überhaupt nicht«, erwiderte Sabine mürrisch. »Eigentlich bin ich schon weg. »Wie ich sehe, nimmst du dir gerade wieder ein paar Freiheiten«, schnauzte sie Korber an. »Ich finde es nur unfair, dass du den Armen spielst und mich anjammerst. Das solltest du dir gefälligst sparen!«

Sie wandte sich zum Gehen, hielt aber kurz inne. »Papa wartet schon auf dich«, teilte sie ihm noch mit. »Du hast, glaube ich, einen Tisch reserviert. Da geht es ziemlich zu.« Dann entfernte sie sich grußlos.

»Wer war das?«, wollte Monika Aberle wissen.

»Diese junge Frau? Ach, das war bloß die Tochter von Leopold, dem Oberkellner«, stellte Korber die Situation möglichst harmlos dar.

»Den ich heute noch näher kennenlernen werde?«, erkundigte sich Monika neugierig.

»Genau«, bestätigte Korber.

»Er wartet offenbar schon ungeduldig auf dich. Ich weiß zwar nicht, was du angestellt hast, aber wir sollten uns beeilen«, drängte ihn Monika daraufhin in Richtung Café Heller.

*

Als sie dort ankamen, standen Leopold die Schweißperlen auf der Stirn. Wie ein Gehetzter lief er hin und her. Dabei erhielt er immer wieder aufgeregte Anweisungen von Frau Heller. »Endlich bist du da«, begrüßte er Korber sichtlich mitgenommen. »Sag einmal, wie viele Leute hast du eingeladen?«

»Das habe ich doch bei der Reservierung angegeben. Ungefähr zehn, vielleicht ein, zwei mehr …« Korber fühlte, dass sich etwas Unangenehmes über ihm zusammenbraute.

»Da hinten tummeln sich mittlerweile mindestens doppelt so viele!« Leopolds Zeigefinger wies auf das Eck im Anschluss an die Billardtische, wo eine Traube von Menschen zusammengekommen war. »Darunter eine Menge Damen. Ob du es wohl schaffst, sie alle gleichzeitig zu vernaschen?«

Korber wurde rot im Gesicht und genierte sich vor seiner Begleiterin. »Lass bitte diese unqualifizierten Bemerkungen«, fuhr er Leopold an.

Monika Aberle gab ihm einen leichten Stoß. »Deesch do luschdig«, gluckste sie auf Schwäbisch.

»Dann erklär mir endlich, was los ist«, forderte Leopold. »Wer sind diese Leute? Ich kenne kein einziges Gesicht.«

»Warte bitte kurz, ich rede einmal mit Marion«, ersuchte Korber seinen Freund. Er hatte sie in dem Gedränge erblickt und machte sie auf sich aufmerksam. Beide gingen aufeinander zu. »Warum seid ihr so viele?«, fragte er sie.

Marion strahlte übers ganze Gesicht. »Das ist doch ein gutes Zeichen«, befand sie. »Unsere Sache interessiert eine große Anzahl von Menschen, und täglich werden es mehr. Ich finde das toll, du nicht?«

»Es ist aber hier herinnen nicht für alle Platz«, wandte Korber ein.

»Warum nicht? Das ist ein großes Kaffeehaus«, hielt Marion arglos dagegen.

»Ihr seid nicht die Einzigen hier«, machte ihr Korber klar. »Dieser Bereich gehört in erster Linie den Kartenspielern, Schachspielern …«

»Und eine zweite Gesellschaft ist ebenfalls vorgemerkt«, betonte Leopold, der ihm nachgeeilt war und auf eine Gruppe von Tischen in der anderen Ecke zeigte. »Eine geschäftliche Besprechung. Da muss Ruhe herrschen.«

Bei Marions Anhängern zeigte sich Unmut. Die Stimmen gingen durcheinander. »Was gibt es für Schwierigkeiten?« – »Will man uns etwa hinauswerfen?« – »Welcher Armleuchter hat den Mist mit der Reservierung gebaut?« Schließlich kam von vielen Seiten der Vorschlag, das Lokal zu wechseln.

Marion Kirchner musste aufpassen, dass sie die Kontrolle behielt. Sie überlegte. »Ich glaube nicht, dass wir woanders um diese Uhrzeit Platz für so viele Personen bekommen«, schlussfolgerte sie. »Ich freue mich irrsinnig über die große Beteiligung, aber wir werden einen Kompromiss eingehen müssen. Alle können nicht dableiben, also werden wir uns aufteilen. Am besten scheint es mir, wenn du, Frankie, dir ein paar Leute schnappst und mit ihnen weiter vorne beim Bahnhof oder im Bezirkszentrum beim Floridsdorfer Spitz ein Lokal suchst. Dort besprecht ihr ausführlich die Punkte drei und vier unserer Tagesordnung.«

Der Angesprochene, ein Mann etwa Mitte 30 mit schwarzem, gewelltem schulterlangem Haar, zeigte sich überhaupt nicht einverstanden. »Mich schickst du also weg. Ist das der Dank dafür, dass ich mich so für unsere Sache einsetze?«, redete er Marion aufgebracht an.

»Das ist keine Herabwürdigung deiner Leistungen, im Gegenteil«, versuchte sie, ihn zu beruhigen. »Euer Gespräch in der kleinen Gruppe kann äußerst fruchtbringend sein. Vielleicht kommen dabei Dinge zur Sprache, für die in der großen Runde kein Platz ist.«

»Trotzdem würde ich gern wissen, warum ausgerechnet ich es bin, der gehen muss!«

»Gegenfrage: Wer außer dir ist in der Lage, eine solche Diskussion zu leiten? Dafür brauche ich jetzt meinen besten Mann.« Indem Marion Frankie so langsam friedlicher stimmte, nahm sie ihn zur Seite und raunte ihm zu: »Im Augenblick geht es nicht anders, versteh das doch. Tu bitte, was ich dir sage, damit es kein Aufsehen gibt. Wir verständigen uns über das Handy und treffen uns später unter vier Augen, okay?« Zur Bekräftigung ihres Angebots berührte sie Frankie kurz sanft an der Schulter.

»Na schön«, grummelte er und tat murrend, wie ihm geheißen. Nach ein paar Minuten hatte er seine Leute beisammen.

Monika Aberle erkannte darunter ein bekanntes Gesicht. »Schau, der Kohut«, machte sie Korber mit gedämpfter Stimme aufmerksam.

»Der ist auch dabei? Nicht schlecht!« Korber pfiff durch die Zähne. »Ich hoffe, dir ist das Ganze nicht unangenehm.«

»Des isch doch klasse«, zerstreute Monika seine Bedenken. Sie war weiterhin ausnehmend guter Laune.

Der Rest der Gruppe rückte inzwischen so dicht zusammen, dass mit ein paar zusätzlichen Stühlen im Nu alles seine Ordnung hatte. Korber nahm mit Monika Aberle am Tisch daneben Platz. Da zitierte ihn Leopold nochmals zu sich. »Eine Erklärung bist du mir noch schuldig«, forderte er von ihm. »Wie kommst du dazu, mit deiner Reservierung ein derartiges Durcheinander anzurichten? Diese Leute gehören doch nicht zu dir. Normalerweise werfe ich die alle hinaus. Kein Benehmen, keine Disziplin. Und in der anderen Gesellschaft sitzt die Chefin höchstpersönlich!«

»Ich wollte einzig und allein Marion helfen«, verriet ihm Korber. »Ich habe sie damals während meines Studiums in Heidelberg kennengelernt. Auf einmal taucht sie hier auf und bittet mich um diesen Gefallen. Da konnte ich nicht nein sagen. Ich hatte doch keine Ahnung, dass es so kompliziert wird.«

»Und was wollen sie? Dass das keine Feier ist, sieht ja ein Blinder. Die haben etwas vor«, drang Leopold weiter in ihn.

Korber zögerte. Schließlich rückte er doch mit der Wahrheit heraus: »Du erinnerst dich sicher noch, wie wir uns unlängst über das Eichendorff-Projekt unterhalten haben. Deswegen sind sie da. Weil’s ihnen nicht passt! Sie bereden, was sie dagegen tun können.«

»Deswegen?« Leopold erhob seine Stimme und sah seinen Freund streng an.

»Ja, deswegen«, gab Korber kleinlaut zu.

»Großartig«, zischte Leopold und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Das hast du ausnahmsweise sehr gut gemacht. Zuerst dachte ich, du wolltest nur deinem Laster mit den Weibern frönen.«

Korber betrachtete seinen Freund argwöhnisch. Diesen Sinneswandel hatte er nicht vermutet. »Du bist also gar nicht gegen dieses Treffen?«, fragte er.

»Überhaupt nicht! Ich war nur dagegen, wie diese Leute sich benommen haben. Das war eines Kaffeehauses nicht würdig«, belehrte Leopold ihn. »Jetzt sitzen alle brav und friedfertig da, in überschaubarer Zahl. Was will man mehr?«

»Da stimmt doch etwas nicht«, rätselte Korber. Dann ging ihm ein Licht auf: »Moment einmal! In der anderen Partie sitzt die Chefin? Geht es da etwa auch um das Eichendorff-Projekt? Nur mit der völlig gegensätzlichen Interessenslage?«

»Du hast es erraten! Diese Sitzung stößt mir sauer auf«, redete sich Leopold seinen Frust von der Seele. »Alle denken nur an ihren Profit und nicht an den Schaden, der der Landschaft wahrscheinlich zugefügt wird. Aber ich bin machtlos. Erika ist auch dabei. Jedes kritische Wort wurde mir von ihr untersagt. Dafür sind heute Gott sei Dank andere da, die mich vertreten. Sehr engagiert, sehr sympathisch! Das lob ich mir.«

Korber wollte noch etwas anmerken, aber Leopold ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich muss wieder arbeiten«, beendete er das Gespräch. »Geh zu deinem neuen Schatzi, sie macht im Augenblick einen einsamen Eindruck. Und sag meinen Freunden, ich bin gleich da, ihre Bestellung aufnehmen.«

Korber schüttelte den Kopf. Jetzt bezeichnete Leopold diejenigen Leute, die er vorhin hinauswerfen hatte wollen, bereits als seine Freunde. Da sollte sich wer auskennen.

Während sich Leopold, dessen Laune sich deutlich gebessert hatte, auf den Weg zu Marion Kirchners Gruppe machte, sah er Othmar Demmer zur Tür hereinkommen. Er winkte ihn freudig zu sich. »Setz dich gleich dort auf den Tisch neben dem reservierten Bereich«, trug er ihm auf. »Der ideale Platz zum Mithören!«

*

»Leopold! Kommen Sie bitte an unseren Tisch, wir sind durstig«, rief Frau Heller ihren Oberkellner herbei. Sie hatte mit ihren Gästen noch einen Begrüßungstrunk an der Theke eingenommen, ehe nun alle auf den für sie vorgesehenen Plätzen saßen.

»Bitte sehr, bitte gleich«, meldete sich Leopold zur Stelle, nachdem er Marion Kirchners Gruppe versorgt hatte. »Ich habe nur gewartet, bis die Gesellschaft vollzählig ist.«

»Sie haben unseren Tisch bevorzugt zu behandeln«, mahnte ihn Frau Heller. »Noch dazu, wo heute Herr Bezirksrat Mandl unter uns weilt. Was soll der sich denn denken?«

»Lassen Sie nur, Frau Heller«, gab sich Mandl bescheiden. »Zu warten, bis alle beisammen sind, gilt als Akt der Höflichkeit. Wir sind tatsächlich noch nicht komplett. Ein Freund von mir … ah, da ist er ja!«

Mandl, der selbst etwa 40 Jahre alt war, begrüßte einen eilig hereinstürmenden, sehr großen, sportlichen, jünger wirkenden Mann. »Entschuldige mein Zuspätkommen, Mathias! Ich habe im Augenblick viel zu tun«, setzte der Neuankömmling ihm auseinander, ohne die anderen eines Blickes zu würdigen.

Eine neugierige Unruhe entstand, da niemand den Mann zu kennen schien. Mandl hielt es deshalb für das Beste, ihn kurz vorzustellen: »Das ist Herr Ludwig Bergmann, eine neue, aufstrebende Persönlichkeit unter den Floridsdorfer Geschäftsleuten, die ihren Weg machen wird, jung, innovativ und dynamisch. Er bildet eine wichtige Schaltstelle in dem Projekt, das wir gleich näher erörtern werden.«

Frau Heller konnte ihre Wissbegierde nicht im Zaum halten und hakte nach: »In welcher Branche arbeiten Sie denn, Herr Bergmann?«

»Ich bin Buchhändler«, kam es herablassend von weit oben. Bergmann stand nach wie vor, er hatte noch nicht Platz genommen.

Leopold, der die Getränkebestellungen notierte, merkte, wie die Farbe aus dem Gesicht seiner Erika wich. Doch nach einer kurzen Schrecksekunde hatte sie sich wieder gefangen und ergriff sogleich das Wort: »Verzeihen Sie, aber das interessiert mich jetzt schon sehr. Was verstehen Sie unter Schaltstelle?«

»Dass alles, was Bücher und verwandte Produkte zu Eichendorff betrifft, in erster Linie über mich laufen wird«, kündigte Bergmann an. »Meine Buchhandlung, die ich demnächst eröffne, wird in Strebersdorf, also in unmittelbarer Nähe des Bisambergs, liegen. Zusätzlich werde ich auf der Erlebniswiese ebenso einen Kiosk betreiben wie in dem geplanten Feriendorf. Buch, Kultur, Eichendorff und Floridsdorf werden mit dem Namen Bergmann eng verbunden sein. Aber warum fragen Sie so ungeduldig? Ich werde das später ohnehin detailliert erörtern.«

»Weil ich auch Buchhändlerin bin«, kam es grimmig von Erika. »Mir gehört die Buchhandlung Lederer hier im Zentrum. Die existiert übrigens bereits im Gegensatz zu der Ihrigen. Sie erobern also absolut kein Neuland. Eichendorff und die Romantik haben in Floridsdorf einen festen Platz gefunden, und zwar bei mir!«

»Sie behaupten also, etwas von Eichendorff zu verstehen?« Verächtlich blickte Bergmann auf Erika hinunter.

»Ganz gewiss«, beteuerte Erika kämpferisch.

»Dann sagen Sie mir doch etwa bitte, wie der einzige Roman heißt, den Eichendorff verfasste.«

»Ahnung und Gegenwart«, antwortete Leopold, der gerade mit der Entgegennahme der Bestellungen fertig war, zur Überraschung aller wie aus der Pistole geschossen. »Das ist Allgemeinwissen, nichts Besonderes. Damit können Sie niemanden beeindrucken!«

»Vielleicht überzeugt es die lieben Anwesenden, dass ich sämtliche Spaziergänge Eichendorffs in der Gegend des Bisambergs nachvollzogen habe und hier wahrscheinlich öfter unterwegs war als er selbst; dass ich auf den Pfaden des Taugenichts durch Deutschland und Österreich nach Wien gewandelt bin; dass ich, aufgrund meines Studiums der Romantik, nachempfunden habe, welche Blumen der Taugenichts in seinem Gärtlein pflanzte, und auf dieser Basis den Entwurf für einen Schaugarten erstellt habe …« Giftig und irritiert warf Bergmann mit derlei Aussagen um sich.

»Beruhigen Sie sich doch beide bitte, damit wir endlich mit unserem Gedankenaustausch beginnen können«, ersuchte Mandl. »Wir werden alles zu gegebener Zeit besprechen. Zuerst müssen wir sehen, dass der Kuchen gebacken wird, dann können wir uns um eine gerechte Verteilung bemühen. Eines muss ich Ihnen allerdings schon sagen, liebe Frau …«

»Haller«, erwiderte Erika tonlos.

»Frau Haller, ja! Wir haben strategische Vorüberlegungen getroffen. Herr Bergmann und seine neue Buchhandlung werden nicht ohne Grund eine wesentliche Bedeutung bei der Umsetzung unserer Pläne haben. Ich sage das jetzt wertfrei und ohne die Qualität Ihres Geschäftes herabmindern zu wollen. Das ist so, weil …«

»Das ist so, weil er Ihr Freund ist«, unterbrach ihn Leopold, der immer noch dabeistand und zuhörte.

»Wie meinen Sie das?«, entgegnete Bezirksrat Mandl konsterniert.

»Ich meine das so, wie Sie es vorhin gesagt haben«, erklärte Leopold. »Sie haben diesen Buchhändler selbst als Ihren Freund bezeichnet.«

»Ein Mann wie ich, der viele Feinde besitzt, hat Gott sei Dank auch einige Freunde«, reagierte Mandl nervös. »Das sind private Angelegenheiten, die nichts mit politischen Entscheidungen zu tun haben. Ich hoffe, ich habe das hiermit klargestellt.«

»Bringen Sie uns sofort unsere Getränke, Leopold, und unterlassen Sie Ihre geschmacklosen Bemerkungen«, ereiferte sich Frau Heller. »Es ist eine Schande, was Sie sich gegenüber unserem Ehrengast herausnehmen. An die Arbeit, husch, husch!«

Mandl hatte sich schnell wieder im Griff. »Lassen Sie ihn nur«, bat er seine Gastgeberin. »Es ist immer gut, die Meinung des einfachen Volkes zu hören. Leute wie Ihr Oberkellner schnappen Dinge auf und geben sie unreflektiert wieder. Das ist nun einmal so, und ich empfinde es auch nicht weiter tragisch. Lassen Sie uns aber endlich zu unserer eigentlichen Besprechung kommen!«

Während die Debatte begann, ging Leopold erhobenen Herzens nach vorn. Erika hatte ihm kurz wohlwollend zugezwinkert. Das hieß, dass sie sein Eingreifen geschätzt hatte und ihm vielleicht gar nicht mehr so böse war, wenn er sich dem Eichendorff-Projekt gegenüber kritisch äußerte. Wer konnte schon sagen, wie lange sie selbst die Sache guthieß, wenn sie einmal merkte, dass Freunderlwirtschaft und Gegengeschäfte darüber entschieden, wer bei einer solchen Unternehmung das Sagen hatte und den Rahm abschöpfte.

Bei der Theke erwartete ihn Herr Heller bereits sehnsüchtig. »Gut, dass Sie kommen«, teilte er Leopold mit. »Da sitzt ein Gast, den ich einfach nicht verstehe. Vielleicht können Sie mir beim Übersetzen helfen. In den Fremdsprachen sind Sie bewanderter als ich.«

»Haben Sie eine Ahnung, wo er herkommt?«, erkundigte sich Leopold beiläufig. Er musste sich in erster Linie um die rasche Lieferung der Getränke zu den Geschäftsleuten um Frau Heller kümmern.

»Aus Deutschland. Zumindest klingt es so«, gab ihm Herr Heller unbeholfen zur Antwort.

Leopolds Blick erfasste sofort ein wohlbekanntes Gesicht. Der Mann winkte ihm zu und rief provokant »Hallo«.

Leopold hatte keine Zeit für eine Kulturdebatte. »Kännchen Kaffe?«, schnauzte er den Gast an.

Der nickte erfreut. »Oder wie heißt das schnell bei euch? Häferl…«

Leopold überging ihn einfach. »Einen Häferlkaffee aus der Filtertüte«, machte er Herrn Heller begreiflich. »Das kann aber warten. Vorher bekomme ich noch jede Menge Erfrischungen für die Chefin und ihre Gäste. Sehr heikel!«

»Dass Sie so schnell gewusst haben, was der Mann wollte«, staunte Herr Heller. »Man kann über Sie sagen, was man will, aber in Fremdsprachen kennen Sie sich aus!«

*

»Ich glaube, Leopold wirst du heute doch nicht näher kennenlernen«, vertraute Thomas Korber Monika Aberle an. »Er hat einfach zu viel zu tun.«

»Des isch do koi Problem«, beruhigte ihn Monika, der in ihrem heiteren Zustand immer wieder ein paar Brocken auf Schwäbisch herausrutschten. »Wir sind doch in erster Linie hier, um uns näher kennenzulernen. Oder ned?«

Sie legte dabei ihre Hand kurz auf die von Korber. Beide tranken gemeinsam von einer Flasche Rotwein. Während Monika sich dabei keine Zurückhaltung auferlegte, blieb Korber vorsichtig. Die Dinge entwickelten sich günstig, seine Kollegin war in der richtigen Stimmung, um bei ihr einen Schritt nach vorn zu wagen. Aber er durfte sich, ermuntert vom Alkohol, nicht gehen lassen. Das war keine Zufallsbekanntschaft in einem schummrigen Nachtlokal. Das war eine Lehrerin aus Heidelberg auf offiziellem Besuch in Wien. Jede gewagte Berührung, jedes Angebot, das zu weit ging, konnte für ihn fatale Folgen haben.

»Natürlich«, pflichtete er ihr bei. »Ich hoffe nur, wir haben dabei unsere Ruhe. Wenn die einmal merken, dass ihnen der Feind direkt gegenübersitzt, kann es hier schnell drunter und drüber gehen. Vorhin dachte ich schon einmal, es sei so weit, aber es ist noch einmal gut gegangen. Was nicht heißt, dass es so friedlich bleiben muss.«

»Denk nicht zu viel darüber nach«, riet Monika ihm. »Einstweilen ist es doch saugemütlich da. Und wenns uns ned bassd, dann genga mr äba woandersch hin!«

»Das wollte ich auch vorschlagen«, stimmte Korber zu. »Du kannst ja förmlich in meinen Gedanken lesen.«

»Siehste«, grinste Monika ihn an.

Das Unwetter, das Korber fürchtete, braute sich allerdings nicht in seiner unmittelbaren Nähe, sondern beim Eingang des Café Heller zusammen. Eine kleine, resolute Frau mit schwarzem Haar, schwarzem Blouson, schwarzem Rock und hochhackigen schwarzen Stiefeln wechselte ein paar Worte mit Leopold, der sie sofort mit der ausgestreckten Hand als Wegweiser zu ihm schickte. Daraufhin stapfte sie zügig drauflos, bis sie vor seinem Tisch zu stehen kam.

Korber hatte einen Verdacht. »Wenn es das ist, was ich vermute, wird es jetzt ein bisschen unangenehm«, raunte er Monika zu.

»Ich weiß nicht, was du hast«, schüttelte sie amüsiert den Kopf und machte einen Schluck vom Wein. »Ich unterhalte mich blendend.«

»Hallo, Schmusekönig«, rief die Gewitterwolke Korber indes zu.

Das also war Rita. Auffällige Kleidung, aber unscheinbares Gesicht. Schwarzes Haar, kleine, funkelnde Augen, schmale Lippen. Zierliche Gestalt mit eher flachem Brustkorb. Sie sah jünger aus, als sie es vermutlich war. Korber schätzte sie in seinem Alter, Ende 30. Jedenfalls blieb seine Erinnerung nebulos. Der springende Punkt war jedoch, dass er sich mit ihr auf etwas eingelassen hatte. »Hallo, Rita«, grüßte er sie.

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
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ISBN:
9783839269749
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