Kitabı oku: «der Schatz im Acker», sayfa 4
Wir nannten das früher »Rampensau«. Heute meinen manche, es sei ADHS, nur weil Menschen auf sich aufmerksam machen und dabei äußerst bewegt und vital auftreten.
»Hey, Jens! Willst du uns einfach mal so besuchen oder wieder über ein christliches Thema interviewen?«
»Hallo. Nein, ich suche eure Kollegin Dari.«
Die drei jungen Leute werfen sich Blicke zu.
»Dari? Warum suchst du sie?«
»Eigentlich suche ich ihren Freund Tobias Bahn. Aber der ist verschwunden.«
Wieder schauen sich die drei gegenseitig an, als erwarten sie vom jeweils anderen Antworten. Kevin ergreift das Wort.
»Tobi? Den haben wir nur ein- oder zweimal gesehen. Dari ist seit langem nicht mehr mit ihm zusammen.«
»Ich weiß. Eure Kollegin wollte die Coronazeit mit euch als Team und hier in der Hausgemeinschaft verbringen. Ich würde Dari aber echt gerne sprechen.«
»Wir auch. Leider ist sie seit gestern Morgen in Urlaub.«
Es hört sich an, als gäbe es dazu mehr als diese reine Sachinformation zu sagen.
»Ihr betont das etwas merkwürdig.«
Kevin nickt. »Es ist merkwürdig. Wir wussten von nichts. Dari hat eigentlich niemanden. Als Auszubildende wohnt sie ja nicht hier bei uns, sondern drüben bei den Strombergs. Da kriegen wir natürlich nicht alles mit. Am Sonntag, beim regionalen Kirchentag, hat sie noch normal in der Küche mitgearbeitet. Aber irgendetwas muss passiert sein. Sie war extrem still. Am Montag hat sie sich dann abgemeldet, angeblich weil jemand im Bekanntenkreis gestorben ist.«
»Das könnte sogar stimmen«, Saskia mischt sich ein. »Gestern Vormittag hat hier ein Mann mit ausländischem Akzent angerufen. Er hat gesagt, er sei ein Verwandter von Dari und wolle sie sprechen. Aber Dari war bereits weg.«
»Sie ist mit Andreas in die Kreisstadt gefahren. Er ist Einkäufer und wir brauchten Nachschub für die Gruppe, die morgen anreist. Er hat Dari am Busbahnhof abgesetzt.«
Mehr weiß Kevin nicht. Ich sollte also Andreas noch befragen, der allerdings hat heute frei und ist nicht hier.
Mir fällt auf, dass Anna noch nichts gesagt hat, aber irgendwie besonders betroffen zu sein scheint. Vielleicht weiß sie mehr. Allerdings werde ich sie lieber separat befragen, noch vor Andreas, wenn möglich.
»Willst du einen Kaffee mit uns trinken? Und ein Stück von Saskias Nusskuchen probieren?«
Kevin hält mir schon eine leere Tasse hin.
Ich schaue auf die Uhr. Für heute reicht es, Schatz hin und Schatz her! Ich habe noch viel zu tun und wollte eigentlich längst auf dem Weg in den Südkreis sein. Mein Kollege Stein ist in Quarantäne. Er ist unser Sportreporter und hat einen Fußballtrainer interviewt, dessen Zöglinge eisern den letzten Platz in der 3. Kreisliga verteidigen. Der Trainer wurde am Tag nach dem Interview positiv auf Corona getestet und Steini, wie wir unseren Kollegen liebevoll nennen, muss nun für vierzehn Tage in Quarantäne. Wie es kam, dass der Verein ohne seinen Trainer am Sonntag im Spiel gegen den führenden Club der Liga drei Punkte gemacht hat, soll ich nun herausfinden. Ich vermute, es wird eine lustige Story: Ohne Trainer spielt sich’s besser!
Ich verabschiede mich also von diesen sympathischen jungen Menschen, stibitze noch ein paar Weintrauben und mache mich auf den Weg zu neuen Herausforderungen.
Mittwoch, 6. Oktober
Während der Autofahrt zur wöchentlichen Redaktionskonferenz in das Verlagshaus muss ich schmunzeln, weil ich an den Besuch beim trainerlosen Training der erstmals erfolgreichen Fußballer denke. Die waren echt goldig. »Ohne Trainer haben wir nicht so viel Angst«, bekannte einer der Spieler.
»Der pfeift uns immer nur zurück und quatscht was von Taktik«, »Der brüllt uns nur an«, ergänzten andere. Ich habe den Artikel noch nicht fertig.
Vielleicht frage ich meine Kollegin Elske um Rat. Wenn ich die Wahrheit über diesen Verein und das Verhältnis zwischen Spielern und Trainer schreibe, dann gibt es ganz sicher Ärger. Der allerdings könnte extrem heilsam sein und das zwischendurch trainerlose Team auf die Siegerstraße führen.
»Ihr schafft das!«
Der Mutmachsatz unseres Chefs beschließt die Redaktionskonferenz oder versucht es jedenfalls. Ich muss an den Fußballtrainer denken. Wenn der seinen Leuten, statt sie unter Druck zu setzen, mehr Mut zugesprochen hätte, sähe es für den Verein deutlich besser aus. Florian jedenfalls wäre vermutlich ein guter Trainer. Er vermag es, die positiven Seiten aus uns herauszukitzeln. Zugegeben, manchmal gelingt ihm dies auch nur durch »paradoxe Intervention«, wie Therapeuten es nennen. Dann klingt derselbe Satz gänzlich anders: »Ihr schafft das nie!« Weil wir ihm aber dann beweisen wollen, dass er Unrecht hat, strengen wir uns besonders an und schaffen es am Ende doch.
Zum Glück wählt unser Chef meistens die Mutmacherversion »Ihr schafft das!«. Jetzt allerdings bezieht er das auf die Arbeitsverteilung für die nächste Woche. Vier freie und zwei hauptamtliche Journalisten sind wegen Krankheit, Quarantäne oder Urlaub nicht einsatzfähig. Inzwischen gibt es wieder unzählige Veranstaltungen. Im September waren Wahlen und neue Politiker in der Region stolpern zurzeit durch jeden Fettnapf. Die Coronazahlen steigen. Aus Afghanistan kommen mehr und mehr Flüchtlinge. Auch von hier waren THW-Helfer in den Flutgebieten im Einsatz. Die Polizei fürchtet neue Einbruchserien, je kürzer die Tage werden ... aber wir schaffen das natürlich alles locker! Jeden Tag drei Termine, so sieht mein und unser aller Arbeitspensum für die nächste Zeit aus. Plus Schatzsuche.
»Chef, ich habe da noch was.«
Florian trommelt mit seinen wurstigen Fingern auf der massiven Platte des Konferenztisches herum.
Wenn jemand außer ihm etwas »hat«, wird er leicht nervös und fürchtet, seine eigenen Aufträge werden für weniger wichtig erachtet.
»Jens? Ich dachte, du hast bereits genug. Steini ersetzen, Gerichtsreporter spielen und dann noch die Politik – das reicht ja wohl. Überstunden werden jedenfalls nicht vergütet!«
Er schiebt seine massige Gestalt halb aus dem Chefsessel und deutet an, dass er gerne aufstehen und die Konferenz beenden will. Allerdings weiß er sehr gut, dass ich mich davon nicht einschüchtern lasse.
»Ja, das ist viel. Aber ich habe trotzdem noch etwas.«
»Was denn?« Nun klingt er genervt.
»Zwei Säcke mit Gold.«
Die Runde schaut mich an, als wäre ich betrunken. Elske reagiert am schnellsten, und das mit Humor.
»Bravo, Jens! Dann mal auf den Tisch mit den goldigen Säcken! Eine kleine Gehaltserhöhung wäre angesichts der Mehrarbeit in diesen Zeiten durchaus angebracht.«
Elske ist meine Lieblingskollegin. Die blonde Ostfriesin begann als Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit in unserer Redaktion. Inzwischen übernimmt sie mehr und mehr auch journalistische Aufgaben. Vor allem als Lektorin meiner Artikel schätze ich sie enorm, dann bei Recherchen wegen ihres Einfühlungsvermögens, beim Redigieren ... eigentlich ist Elske so vielfältig begabt, dass ihr die Säcke mit Gold ganz allein zuständen. Was unser Chef zwar weiß, aber nicht umsetzt.
»Jens Jahnke, haben Sie von meinem Whisky genascht?«
Wow, auch Florian hat nach zwei Stunden Sitzung noch Humor. Dabei gibt er sonst selten zu, dass er in seinem Büro immer eine Flasche Whisky der Marke Dimple deponiert hat. Davon dürfen wir Reporter bei herausragenden Leistungen kosten und er selbst nach Bedarf. »Jedem Simpel seinen Dimple«, intoniert er dann als Trinkspruch. Wobei er mit »Simpel« auch sich selbst meint. Nun schüttelt er mit dem Kopf.
»Das musst du uns erklären, Jens Jahnke.«
Ich gebe der Runde ein paar oberflächliche Details der Geschichte um den Schatz im Acker, ganz ohne Namen und mir bereits bekannten Details: Ein Bauer ist an mich herangetreten. Er hat beim Roden eines Wurzelballens auf seinem Acker zwei kleine Säckchen mit Gold gefunden. Die hat er im Gemeindebüro abgegeben. Jetzt ist das Gold verschwunden.
Elske meint sofort: »Der Schatz im Acker, das passt zum Gleichnis Jesu.«
Elske ist im EC, dem ‚Entschiedenen Christentum’, aufgewachsen und hat sich dort früher in der Jugendarbeit engagiert. Was den christlichen Glauben angeht, hatte ich bereits viele gute Gespräche mit ihr. Jetzt jedoch geht es um andere Dinge. Ich will die Schatzsuche nicht privat in meiner Freizeit betreiben, sondern ganz offiziell recherchieren dürfen. Dabei geht es mir nicht zuerst um die Arbeitszeit – darin fühle ich mich sowieso unabhängig – sondern darum, für meine Artikel immer genug Platz in der Zeitung zu bekommen.
»Ja, Elske, ich weiß«, erkläre ich. »Hier geht es aber nicht um eine Parabel aus der Bibel, hier geht es um einen realen Goldschatz. Und der wurde nicht irgendwo gefunden, sondern hier bei uns, auf einem Acker in der Lüneburger Heide! Sollte die Story stimmen, ist sie gewissermaßen Gold wert!«
Florian Heitmann wäre nicht Chefredakteur, wenn er das nicht auch erkennen würde. Ich weiß, dass er anbeißt.
»Du bist dir also noch nicht sicher, Jens?«
»Doch. Ich habe diesen Schatz zwar noch nicht mit eigenen Augen gesehen, aber ich glaube dem Finder.«
Dr. Mayer, unser Anwalt und eigentlich immer auf meiner Seite, meldet sich zu Wort: »Ist die Geschichte der Polizei bereits bekannt?«
»Nein. Im Moment habe ich nur den Bericht des Landwirtes. Ich will der Geschichte nachgehen, bevor die Behörden davon Wind kriegen.«
»Da müssen Sie natürlich aufpassen. Wer immer einen Schatz findet, muss das melden und ihn komplett abgeben.«
»Ja, danke, Herr Mayer. Mir ist das klar.«
»Bis wann willst du recherchieren, Jens? Oder anders gefragt, wann brauchst du Platz für die Artikel? Da ist ja auch noch viel Beiwerk: Schatzfunde in Deutschland, Sondengänger, Blicke in die Geschichte ... man kann was draus machen, wenn der Mann wirklich zwei Säcke mit Gold gefunden hat.«
Unser Chef redet sich selbst ein bisschen in Rage. Die Müdigkeit von vorhin ist verschwunden. Ich habe gewonnen.
*
Als ich an meinem Schreibtisch sitze, steht Elske plötzlich neben mir. Bevor ich sie sehe, umweht ein frischer Wind meine Nase, so als komme sie direkt von der Nordsee.
»Jens, du hast doch mehr als das von eben! Oder ich kenne dich immer noch nicht richtig.«
Vielleicht werde ich ein bisschen rot.
»Doch, Elske, du kennst mich richtig. Du weißt ja, wenn ich so etwas wie diese Geschichte höre, juckt meine Spürnase und ich muss sofort losrennen.«
Sie lacht ihr fröhliches Lachen. So stelle ich mir das »Lachen der Erlösten« vor, von dem die Bibel spricht. Elske hat immer so etwas wie Leben pur in ihren leuchtenden blauen Augen, besonders wenn sie lacht.
»Also doch. Erzähl!«
»Nicht hier. Lass uns in der Stadt einen Kaffee trinken gehen und nimm dein iPad mit.«
Ich habe längst beschlossen, Elske um Unterstützung bei dieser Story zu bitten. Sie ist die Einzige im Team, mit der ich mich blind verstehe und der ich mich deshalb auch völlig anvertrauen kann.
Eine halbe Stunde später sitzen wir bei »unserem« Inder. Elske hat sich einen Masala-Tee, ich einen Cappuccino bestellt. Das indische Restaurant gefällt uns, da es drinnen hell und geschmackvoll eingerichtet ist, man aber auch gut draußen sitzen kann.
Der Inder, dessen Personal wie oft in solchen Restaurants aus Pakistan kommt, hat sich auf europäische Bedürfnisse eingestellt und einen Cafébereich mit Eistheke angegliedert. Die Qualität des Essens ist prima, das Angebot reichhaltig. Jetzt sitzen wir mit Blick auf einen großen Platz unter einem Heizpilz, haben eine Decke über die Knie gelegt und schlürfen das heiße Getränk.
Ich erzähle meiner Kollegin die ganze Geschichte. Sie hört konzentriert zu und fragt nur gelegentlich etwas nach, um es besser zu verstehen. Am Ende sitzen wir schweigend da.
»Eine gute Geschichte«, ist ihr erster Kommentar. »Armer Fabian von Heimfeld.«
»Stimmt, der Landwirt ist zu bedauern. Aber vielleicht auch ‚armer Tobias Bahn’ oder gar ‚arme Dari’.«
»Wie heißt Dari eigentlich mit richtigem Namen?«
Mir fällt auf, dass ich noch viel zu wenig über die junge Frau weiß. Nicht einmal ihren richtigen Namen.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie ursprünglich aus der Ukraine kommt. Aber sie hat sich ja im Tagungshaus beworben. Also gibt es Unterlagen.«
Elske ruft den freundlichen jungen Kellner und bestellt einen weiteren Tee. Auch sie ist jetzt auf Schatzsuche.
»Ich nehme an, Jens, dass ich mein Tablet nicht umsonst mitgenommen habe. Wir schreiben also unsere Fragen auf?«
»Genau. Ich dachte, wir ordnen unsere Gedanken und planen eine Strategie für die weitere Recherche.«
»Also los!«
Die Liste der Fragen ist zunächst nicht besonders lang:
Wo ist der Schatz jetzt?
Wo sind Tobi und Dari?
Wer sind die zwei Typen im Mercedes?
»Machen wir doch zunächst einen Zeitplan und schreiben auf, wie die Sache abgelaufen ist«, schlägt Elske vor. »Vielleicht ergeben sich dann weitere wichtige Fragen.«
Gute Idee, finde ich. Wir bringen das Geschehen also in eine Reihenfolge und formulieren weitere Fragen.
14.9. Fabian von Heimfeld findet den Schatz.
17.9. Auf Druck seiner Frau geht er ins Bürgerbüro. Sein alter Schulkamerad Tobias Bahn betrügt ihn und stielt das nun in einen kleinen roten Blechkoffer verpackte Gold.
18.9. Tobias ist unterwegs. Was hat er gemacht? Versucht er, den Schatz zu verkaufen? Wo und an wen? Seine Wohnung wird während seiner Abwesenheit von den beiden Typen durchsucht. Wer sind diese Typen? Hehler? Wenn sie den Schatz gefunden hätten, wären sie später nicht wieder aufgetaucht. Tobias hatte den Schatz also mitgenommen oder gut versteckt.
Am Nachmittag kommt Tobi zurück, verlässt das Haus schnell wieder, übernachtet bei seinem Kumpel und sie buchen Flüge nach Mallorca. Tobias hat wegen der Durchsuchung Angst?!
19.9. Tobias taucht morgens in seiner Wohnung auf, verlässt das Haus schnell wieder und kommt erst nachts zurück. Wo war Tobias in dieser Zeit? War er bei seiner Ex-Freundin?
20.9. Tobias und Malte machen Urlaub auf Mallorca. Den Schatz kann Tobias nicht mitnehmen, hat ihn also versteckt. Wo?
Fabian von Heimfeld sucht erfolglos nach Tobias.
21.9. Fabian trifft Dari. Die weiß nicht, wo Tobias ist. Sie erfährt von Fabian von einem wertvollen Koffer im Besitz ihres Freundes. Hat Dari den Koffer gesucht und gefunden? Wenn ja, wo hat sie das Gold dann versteckt? In ihrer Wohnung? Irgendwo im Tagungshaus?
24.9. Fabian erstattet Anzeige bei der Polizei. Die glaubt ihm nicht, droht mit Strafe wegen Raubgrabung. Was hat die Polizei in dieser Sache bisher tatsächlich unternommen?
3.10. Zurück aus Mallorca wird Tobias am Morgen von Malte vor seiner Wohnung abgesetzt. Die zwei Typen erwarten ihn bereits. Sie haben zwischendurch das Haus beobachtet. Es wird laut. Kurz darauf fährt Tobias mit den beiden im Mercedes weg. Ist Tobias freiwillig mitgegangen, oder wurde er entführt?
In Himmelstal sind gegen Mittag ein grauer Mercedes und ein Typ mit Goldkette aufgetaucht. Der Typ hat im Tagungshaus nach jemandem gesucht. Dari hatte Dienst und hat die Festgäste versorgt. Hat der Typ Dari gesucht? Waren die Typen bei Dari in der Wohnung?
»Puh, das sind nun ja doch ganz schön viele Fragen!«
Elske streicht sich über die Stirn. »Wenn wir nicht schon vom Chef bis zum Anschlag mit Arbeit vollgestopft wären, würde ich sagen, dies hier wird ein Fulltime-Job.«
»Stimmt. Wir müssen es eben klug aufteilen. Immer ein bisschen.«
»Aber Tobias und Dari sind verschwunden. Vielleicht sind sie in Gefahr. Dann bleibt uns keine Zeit.«
»Genauso sehe ich das auch. Wir müssen uns also beeilen mit den Recherchen.«
»Und wer macht unsere offizielle Arbeit?«
»Na, wir – und ein paar Hilfsarbeiter.«
Ich sehe vermutlich nicht besonders attraktiv aus, wenn ich grinse. Jedenfalls schaut sie mich zweifelnd an.
»Du meinst freie Mitarbeiter? Die stehen aber ja wohl kaum zur Verfügung.«
»Dann müssen wir eben ein paar Neue finden!«
Zugegeben, die Idee ist mutig. Trotzdem steigt Elske darauf ein. Wir werden nachher als Erstes versuchen, unsere Termine an Bekannte abzugeben, denen wir das zutrauen.
»Wenn wir jemanden finden, der oder die zu den Veranstaltungen geht, sich Notizen macht und ein paar Fotos schießt, dann müssten wir nur noch die Artikel schreiben und würden enorm viel Zeit einsparen.«
Elske ist nun fast begeistert.
»Nebenbei entdecken wir womöglich noch neue Talente! Eine meiner Aufgaben ist ja auch die Anwerbung von freien Chronisten. Nichts anderes machen wir ja dann.« Sie lacht.
Wir teilen uns auf. Sie will mit der Polizei in der Kreisstadt sprechen und herauskriegen, was die in Sache Schatzfund unternommen haben. Außerdem will Elske versuchen, die Halter des Mercedes zu ermitteln. Ich übernehme alles, was mit Himmelstal zu tun hat, also vor allem mit Dari. Sobald wir etwas Neues wissen, wollen wir uns gegenseitig informieren.
*
Als ich an der Polizeiwache der Kreisstadt vorbeifahre, erschrecken mich Sirenen. Ich halte am Straßenrand. Zwei Polizeifahrzeuge schießen mit Blaulicht aus der Einfahrt der Behörde. Kurz vor dem Ortsausgang passiert mir ähnliches mit einem Krankenwagen. Er kommt aus der Straße zum Kreiskrankenhaus gerast und setzt sich vor mich. Ich hoffe nur, auf der Strecke gibt es keinen Unfall. Das würde mich ziemlich ausbremsen. Selbst wenn ich direkt vom Ort des Geschehens berichten könnte, meine Recherche wegen des Schatzes müsste ich dann zunächst hinten anstellen.
Als ich das Bürgerbüro erreiche, sind Kranken- und Polizeifahrzeuge längst verschwunden. Unterwegs war alles frei. Ich will hier nur kurz halten, um die Kollegen von Tobias zu fragen, ob es im Gemeindebüro einen Keller oder Dachboden gibt oder sonst eine Möglichkeit, den roten Koffer zu verste-cken. Es kann ja durchaus sein, dass Bahn den Schatz gleich hier im Gebäude in Sicherheit gebracht hat, statt ihn mit durch die Gegend zu schleppen.
»Mittwochs geschlossen«. Das hatte ich vergessen. Also werde ich hier jetzt nicht weiterkommen.
Ich bin aber nun mal im Ort, also kann ich auch noch einmal den Nachbarn von Tobias Bahn aufsuchen. Vielleicht gibt es einen Hausmeister, der mich in die Wohnung lässt. Wenn dort irgendwo der Schlüssel zum X1 herumliegt, könnte ich im Kofferraum nachschauen. Auch der ist noch ein potenzielles Versteck für den roten Koffer mit den Goldsäcken.
Ich klingle also wieder bei Herrn K. Meyer. Ob er Karl oder Klaus heißt? Diesmal summt es sofort. Ich vermute, der Alte hat mich bereits durch die Gardine gesehen, als ich am Parkstreifen unter seinem Fenster aus dem Golf stieg. Der Türspalt ist nun größer als beim letzten Mal. Das Pfefferspray bleibt in der Tasche. Man kennt sich.
»Ach, der Reporter. Sie suchen meinen Nachbarn vermutlich immer noch. Er war noch nicht wieder hier.«
Herr Meyer trägt dieselben Sachen wie beim letzten Mal. Allerdings hat er sich jetzt gekämmt und seinen Bart gestutzt. Vielleicht war sogar ein Frisör bei ihm.
»Sie haben Recht, Herr Meyer. Ich habe ihn noch nicht gefunden. Nun wollte ich Sie fragen, ob es eine Chance gibt, irgendwie in seine Wohnung zu kommen.«
»Wäre das nicht illegal?«
Ich setze meine unschuldigste Mine auf, zumindest mache ich ein Gesicht, das ich dafür halte.
»Nicht, wenn Gefahr im Verzug ist.«
»Aber Sie sind ja nicht die Polizei.«
»Stimmt. Aber ich arbeite in gewisser Weise mit der zusammen. Sie wissen ja, Presse und Polizei.«
Was rede ich da? Presse und Polizei sind meistens Konkurrenten, nicht Partner. Aber der Alte nickt. Vielleicht freut er sich auch über die Abwechslung.
»Ich habe einen Schlüssel.«
Was hat er eben gesagt? »Wie, einen Schlüssel?«
»Na, wenn Sie in die Wohnung wollen, brauchen Sie einen Schlüssel. Den habe ich.«
Er rollt etwas nach hinten in den Flur. Ich trete einen Schritt vor und sehe ihn in einer Schublade unter der Garderobe kramen. Triumphierend hält er einen Schlüssel hoch.
»Da ist er! Den hat mir Herr Bahn für den Notfall anvertraut. Zweimal hat das schon geholfen. Mein Nachbar hatte seinen eigenen Schlüssel in der Wohnung gelassen und die Tür zugeschlagen. Da ist es gut, ein jederzeit erreichbarer Nachbar hat einen Reserveschlüssel!«
Genial. Ich habe mehr Glück als erwartet.
Kurz darauf stehe ich vor der Wohnung von Tobias Bahn. Das Schloss ist bis auf ein paar Kratzspuren unversehrt. Die Männer, die zwischendurch hier waren, haben also einen Dietrich benutzt oder einen Nachschlüssel gehabt. Ich drehe den Notfall-Schlüssel. Es ist nicht abgeschlossen, sondern die Tür wurde nur zugezogen.
Nun stehe ich im Flur der kleinen Wohnung. Auf dem Garderobentisch liegt ein Schlüsselbund. Tobias muss sehr unter Druck gewesen sein, wenn er es einfach liegen ließ. Der gesuchte Autoschlüssel ist dabei. Ich stecke den gesamten Schlüsselbund ein.
Der Alte ist mitgekommen und schaut sich ebenfalls um. Die Wohnung ist vermutlich ähnlich geschnitten wie seine.
»Dort hinten ist das Schlafzimmer und hier gegenüber die Stube«, informiert er mich und zeigt auf eine Tür. »Machen Sie ruhig, ich laufe nicht weg.« Humor hat er auch.
Als ich ins Wohnzimmer schaue, sehe ich sofort, dass hier etwas passiert ist. Ein Sessel und ein Stuhl sind umgekippt. Schubladen und deren Inhalt liegen am Boden. Ich meine sogar, etwas Blut an dem Stuhl zu sehen.
»Ich sage doch, es hat gepoltert wie verrückt!« Herr Meyer sitzt hinter mir in seinem Rollstuhl. »Das waren bestimmt die zwei Typen aus dem Mercedes.«
Davon gehe auch ich aus. Den Schatz allerdings haben sie nicht gefunden, als sie in Abwesenheit von Tobias die Wohnung auf den Kopf gestellt haben. Sonst hätten sie Tobias nicht mitgenommen. Ich vermute, sie haben ihn auf dem Stuhl gefoltert, um das Versteck des Schatzes zu erfahren. Auf dem Boden liegen zerschnittene Kabelbinder. Er war also gefesselt. Ob die Gangster Erfolg mit der Folter hatten? Ich vermute es.
Ich rühre nichts an. Das ist Sache der Polizei. Aber ich will mir den BMW genauer ansehen. Ich werfe einen kurzen Blick in das Schlafzimmer und die Küche. Überall Chaos.«
»Kommen Sie! Hier ist etwas passiert und ich werde die Polizei informieren. Wir dürfen keine Spuren verwischen.«
Der Alte nickt begeistert.
»Wie dumm, dass ich ausgerechnet heute von meiner Enkelin abgeholt werde! Da verpasse ich den Polizeieinsatz womöglich noch.«
»Keine Angst. Die Polizei wird Sie als Ersten befragen. Sie sind ein hervorragender Zeuge!«
Man sieht ihm seinen Stolz an.
Fünf Minuten später bin ich in der Tiefgarage. Wieder ist sie fast leer. Es hallt von Decke und Wänden. Das Fahrzeug reagiert auf den Schlüssel. Ich nehme ein Tempotaschentuch, um keine Spuren zu verwischen und zu hinterlassen. Der Innenraum des BMW ist leer. Nur eine halbvolle Wasserflasche und zwei medizinische Masken liegen vorn. Der X1 ist mehr Kombi als SUV. Vom Innenraum aus kann ich wegen der Sitze und einer Abdeckung allerdings nicht in den Kofferraum schauen. Ich gehe um das Auto herum zur Heckklappe. Mein Herz pocht vermutlich lauter als sonst. Was, wenn ich jetzt den »Schatz im Acker« finde? Oder in diesem Fall den »Schatz im Kofferraum«? Bleibe ich dann stark? Oder wäre ich auch so ein Tobias Bahn, der meint, die Chance seines Lebens zu bekommen und es stattdessen ruiniert?
Die Heckklappe schwingt nach oben. Der Kofferraum ist leer. Also Fehlanzeige. Meine »Versuchung« findet nicht statt.
Nachdenklich steige ich in meinen Golf. Oben am Fenster winkt Herr K. Meyer. Sollte ich ihn noch einmal treffen, werde ich nach seinem Vornamen fragen. Der alte Mann macht auf mich einen überaus ausgeglichenen Eindruck. Etwas schrullig, aber zufrieden und ziemlich helle. Was mag Herr Meyer alles erlebt haben? Ob er den »Schatz seines Lebens« gefunden hat? Ich vermute, dieser auf den ersten Blick einsame alte Mann hat mehr und Größeres entdeckt als Fabian und Tobias zusammen. Oder auch als Jens Jahnke?
*
Bereits als ich bei der Landbäckerei in Himmelstal um die Kurve biege, weiß ich, wo wie Blaulichter und Sirenen geblieben sind. Hinter der Kirche und schräg gegenüber dem Tagungshaus wirbeln mindestens vier blaue Lichter durch den Nachmittag. Langsam fahre ich näher. Vor der Kirche beim Bushaltehäuschen stelle ich meinen Golf ab. Die Kamera gezückt, gehe ich entlang der Straße auf den Ort des Geschehens zu – wobei ich keine Ahnung habe, was hier geschehen ist.
Teile des Hausteams stehen an der schmalen Gartenpforte. Ich erkenne Anna, Andreas und Saskia. Gegenüber, vor dem grünen Lastwagen haben sich etwa zehn Anwohner versammelt. Sie versuchen, einen Blick auf das Grundstück hinter den Einsatzfahrzeugen zu erhaschen. Zwei Uniformierte kontrollieren die Absperrung und niemand kommt an den Fahrzeugen vorbei.
Auch Axel, unser Sportwart, gehört zu den Neugierigen. Ich frage ihn, was dort los ist.
»Keine Ahnung. Irgendwer hat was von einem Toten gesagt und dass jemand bereits bei Hendrik angerufen hat. Der ist aber noch nicht da.«
Hendrik Meyer ist der Bestatter unseres Dorfes. Ich mache einige Fotos. Einer der Beamten, ein junger Mann mit viel zu großer Mütze, wird nervös.
»Packen Sie Ihre Kamera ein! Hier gibt es nichts zu sehen.«
Ich zeige ihm meinen Presseausweis.
»Ich bin von der Presse. Bitte holen Sie Ihren Vorgesetzen. Ich bin der Öffentlichkeit verpflichtet.«
Der junge Mann kontert: »Und ich bin dem Opfer verpflichtet.«
»Es ist hier also ein Verbrechen geschehen?«
»Darüber werde ich nichts sagen. Wir warten auf die Kripo. Vorher kommt hier niemand durch.«
Ein Leichenwagen fährt vor. Hendrik steigt aus und spricht mit den Polizisten. Dann fährt er auf den Hof des Anwesens.
»Niemand kommt durch? Sie haben gerade jemanden durchgelassen!« Ich beschwere mich bei dem Polizisten.
»Für später. Wenn die Kripo hier ist, wird dieses Fahrzeug erforderlich sein.«
Also stimmt, was Axel gehört hat. Es gibt einen Toten. Ich gebe es zunächst auf, den Beamten zu bearbeiten. Wenn die Kripo aus Lüneburg kommt und ein Kapitalverbrechen vorliegt, habe ich eine gute Chance.
Zuerst dachte ich, das schmucke alte Fachwerkhaus an der Ecke ist betroffen. Die Besitzer kenne ich.
Aber der Hof, auf dem sich das Ganze jetzt abspielt, steht links daneben. Das mit rotem Klinker gemauerte Wohnhaus wurde vermutlich noch vor dem Krieg direkt an der Straße errichtet. Links des Hauses befindet sich die Einfahrt zu einem teilweise gepflasterten Hof, der von Scheunen und Garagen umgeben ist. Ich frage Axel, wer hier wohnt.
»Seit etwa zwei Jahren gehört das Anwesen Isa und Markus Stromberg. Der Vorbesitzer war zuletzt Witwer. Als er eine Frau aus Schleswig-Holstein kennenlernte, hat er verkauft und ist zu seinem neuen Schatz gezogen. Schade, Manni war bei allen hier sehr beliebt.«
Ich erinnere mich an Manni. Er ist ein hilfsbereiter, fröhlicher und an allem interessierter Mann um die Fünfzig. Das Ehepaar Stromberg dagegen kenne ich nicht.
»Wohnen die Strombergs allein hier? Und bewirtschaften sie den Hof noch?«
»Ja, die beiden wohnen hier. Zwei Zimmer in dem für sie allein viel zu großen Haus haben sie allerdings vermietet. Manni hatte in einer der Scheunen eine Art Kneipe mit Tanzsaal eingerichtet. Er war ein echt geselliger Typ. Die zwei Neuen eifern ihm nach und hatten das Dorf vor Corona zum Hoffest eingeladen. Durch die Pandemie wurden sie jedoch total ausgebremst.«
»Und meinst du, einem von beiden ist jetzt etwas zugestoßen?«
Axel zuckt mit den Achseln. »Keine Ahnung. Vermutlich lese ich das erst morgen in der Zeitung.« Jetzt checkt er den Zusammenhang. »Mann, dich müssen die da unbedingt reinlassen. Sonst bleiben wir alle völlig ahnungslos!«
Endlich mal einer, der es begriffen hat!
Ein schwarzer Audi rollt auf die Absperrung zu. In Kombination mit dem Nummernschild LG-PD weiß ich, wer drinsitzt. Mein alter Pfadfinderfreund Georg Martens leitet die Mordkommission der Polizeidirektion Lüneburg. Ich hoffe, er sitzt selbst im Audi und hat nicht einen seiner Kollegen geschickt.
Immerhin weiß ich jetzt, dass es möglicherweise um ein Kapitalverbrechen geht. Sonst wäre die Polizei aus der Kreisstadt hier. Der Audi hält direkt hinter der Absperrung. Der Fahrer und ein uniformierter Polizist steigen aus. Die Frau, die den Audi dann verlässt, wuchtet mit Hilfe des Fahrers eine Alukiste aus dem Kofferraum. Es ist Frau Dr. Fuhrmann, die Gerichtsmedizinerin. Wir haben uns bereits kennengelernt. Zeitgleich taucht Schorse aus der Tiefe des Fahrzeuges in voller Lebensgröße auf und präsentiert sich mit seinen 1,90 Metern, der abgewetzten braunen Lederjacke, den braunen Augen und dem braun gelockten Haar. Als Kontrast zum Braun trägt mein Freund eine blaue Jeans und ein rotes Sporthemd. Er ist alles andere als »Braun«!
Bereits bei Erreichen der Absperrung hat mich Schorse vom Auto aus gesehen. Nun kommt er zu mir ans Flatterband.
»Jens Jahnke! Dass du hier bist, hätte ich mir denken können. Ist ja dein Revier!«
Ich lache. Er weiß natürlich, dass ich große Hoffnungen in ihn setze. »Revier ist gut. Ich hoffe, du lädst mich zur Jagd ein.«
Schorse lacht und zeigt dabei gleichmäßige weiße Zähne, für einen Mittfünfziger beachtlich.
»Um Wölfe geht es diesmal ja nicht! Vielleicht aber ja um menschliche Raubtiere.«
Wir diskutieren manchmal über den Umgang mit Wölfen. Die richten in unserer Region bei Tierhaltern große Schäden an. Schorse ist für den Abschuss, ich nur eingeschränkt.
»Ich kann also mit?«
Schorse schaut den Polizisten an, dem es sichtlich unangenehm ist, dass ich den Kripochef persönlich kenne.
»Ist Julius Siepermann bereits eingetroffen?«
Siepermann ist Pressesprecher der Lüneburger Polizeidirektion. Was immer die Polizei veröffentlichen will, er bringt es in die Presseverteiler. Doch nun ist er nicht da. Dabei wohnt er sogar in Himmelstal. Ich habe also Glück.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.