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KARRIERE IN SCHWEDEN
Der hoch qualifizierte Volkswirt dozierte ab 1934 an der Stockholmer Hochschule für Nationalökonomie und kam in seinem Heimatland in seiner beruflichen Laufbahn alsbald weiter voran. Schon 1932, noch mit seiner Doktorarbeit befasst, arbeitete er nebenher als Assistent des Finanzministers Ernst Wigforss, eines Vordenkers der schwedischen Sozialdemokratie.
Von 1936 bis 1945 war Hammarskjöld Staatssekretär im Finanzministerium; nie zuvor war einem Schweden in so jungen Jahren ein so hohes Amt übertragen worden. In den Jahren 1935 bis 1941 fungierte er zudem als Sekretär in der Schwedischen Reichsbank, in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Reichsbankdirektor Ivar Rooth, der in den 50er-Jahren Chef des Internationalen Währungsfonds in Washington wurde.
Von 1941 bis 1948 war Hammarskjöld neben seiner Tätigkeit im Finanz- und später im Außenministerium gleichzeitig Vorstandssprecher der Schwedischen Reichsbank, erstmalig in einer solchen Doppelfunktion. Als einer der führenden Ökonomen Schwedens hatte Dag Hammarskjöld im Laufe der Jahre auch maßgeblichen Einfluss auf die von den Wirtschaftstheoretikern Erik Lindahl, Gunnar Myrdal und Bertil Ohlin gegründete „Stockholmer Schule“. Myrdal selbst war ab 1947 ein Jahrzehnt lang Vorsitzender der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe). Als Finanzexperte kam Hammarskjöld 1946 ins Außenministerium. Schon seit 1937 war er Mitglied des Schwedischen Instituts für Konjunkturentwicklung, eine Tätigkeit, die er bis 1948 ebenfalls nebenberuflich ausübte.
Ökonomisch war Hammarskjöld ein Befürworter der sozialdemokratischen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des seinerzeit mustergültigen Sozialsystems in Schweden hatte. Das exportstarke Land wurde in den zweieinhalb Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine der wohlhabendsten Nationen der Erde und war so in der Lage, einen vorbildlichen Wohlfahrtsstaat zu finanzieren, der den schwedischen Bürgern eine solide soziale Absicherung bescherte. In den Jahren 1949 bis 1951 war Hammarskjöld Kabinettssekretär im Außenministerium, dann in der Ära des Sozialdemokraten Tage Erlander Regierungsberater im Ministerrang. In seiner Zuständigkeit lagen vor allem Fragen der internationalen Finanzpolitik; gleichzeitig wurde er stellvertretender Außenminister. Dabei lernte Hammarskjöld schon früh die Machtspiele auf internationalem Parkett im beginnenden Kalten Krieg nach 1945 kennen. Beispielsweise wurde er einmal in die US-Botschaft eingeladen, wo die Amerikaner vergeblich versuchten, ihn zu bewegen, sich für den Anschluss Schwedens an einen Handelsboykott der USA gegen die Ostblockländer einzusetzen.
Obwohl Hammarskjöld in mehreren sozialdemokratischen Regierungen mitgewirkt hatte, wurde er nie Parteimitglied. Dies hat er persönlich weder in der Öffentlichkeit noch in seinem Tagebuch je begründet. Er war ein aufgeschlossener Demokrat, in dessen politischer Orientierung die soziale Marktwirtschaft mit ihren Grundpfeilern Freiheit, Eigenverantwortung, Solidarität und Subsidiarität im Vordergrund stand. Politische Parteien sind bekanntlich gemeinsame Interessenvertretungen mehr oder weniger großer Teile der Bevölkerung, die in der Regierungsverantwortung Minderheiten und dem Einzelnen nur bedingt gerecht werden können. Hammarskjöld jedoch war an einem gesellschaftlichen Leben gelegen, in dem die berechtigten Interessen Andersdenkender möglichst gewahrt würden. Wahrscheinlich liegt hier der Grund dafür, dass er sich nie einer Partei anschloss. Grundsätzlich sah er aber in der Sozialdemokratie, ihrer Haushalts- und Verteilungspolitik die größte Schnittmenge mit seinen Auffassungen und seinem Denken verwirklicht. Wohl deshalb befürwortete und vertrat er diese Politik, ohne der Partei selbst beizutreten.
Ein Konservativer war er in der Verteidigung jener Werte, die für das Leben der Menschen nicht nur als Sozialwesen, sondern auch als Individuen mit persönlichen Rechten grundlegend sind. Den fortschreitenden Werteverfall in der Gesellschaft beobachtete er mit Sorge, er empfand diese Entwicklung als Katastrophe und fatal im Blick auf die Zukunft; ebenfalls beunruhigte ihn der immer weiter um sich greifende Atheismus mit seinen negativen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und auf Einzelne. Hammarskjölds Verständnis staatlicher Bürokratie und öffentlicher Verwaltung war von einem ganzheitlichen Denken geprägt: Der Staat sollte den Prinzipien der Solidarität und Subsidiarität gemäß für all seine Bürger sorgen, sie vor den Auswüchsen egoistischer Machtinteressen schützen und die für die Zivilgesellschaft grundlegenden Werte auf keinen Fall preisgeben. Im politischen Handeln lag ihm stets an Ausgewogenheit zwischen Tradition und Neuerungen, zwischen dem, was sich in der Vergangenheit bewährt hatte, und notwendigen Reformen in der jeweiligen Zeit. Traditionsverbundenheit verstand Hammarskjöld nicht als Bewahrung der Asche, sondern als Festhalten an überlieferten, für ihn unveräußerlichen Grundwerten.
Wissenschaftlich und fachlich verfügte er über enorme Kompetenz in unterschiedlichen Bereichen und ein differenziertes Urteilsvermögen. In seinem Handeln vertrat und verteidigte er begründete, reichlich durchdachte Positionen; er war kein politischer Hasardeur, aber wagte viel, wenn es ihm geboten schien.
Eine besondere Würdigung und Anerkennung seiner Leistungen als Wissenschaftler erfuhr er 1954 in seinem Heimatland durch die Aufnahme in die Schwedische Akademie in der Nachfolge seines Vaters. Während seiner Tätigkeit für die Vereinten Nationen wurde er mit Ehrendoktorwürden zahlreicher renommierter Universitäten ausgezeichnet, darunter Oxford in England, Harvard, Princeton und Yale in den USA sowie Uppsala, seiner Heimatstadt.
Seine Einstellung zum überlieferten Wertesystem, die sich im Laufe der Jahre festigte, stand in der Tradition des Lebens seiner Familie. Wesentlich gefördet haben dies auch die zahlreichen Kontakte mit namhaften Denkern und Persönlichkeiten seiner Zeit. In seiner Lektüre beschäftigte er sich intensiv mit Grundfragen der menschlichen Existenz, die auch den Inhalt seines Tagebuchs wesentlich bestimmen. In seinen offiziellen Reden finden sich Zitate vieler bedeutender Schriftsteller dieses Genres der Literatur; er konnte vieles auswendig zitieren und hatte jederzeit zahlreiche schwedische, aber auch fremdsprachige Gedichte im Gedächtnis parat.
Bevor Hammarskjöld sein Amt in New York antrat, bewegte er sich bereits seit fast einem Jahrzehnt für Schweden auf internationalem Parkett: Von 1944 bis 1948 nahm er als schwedischer Delegierter an den Wirtschaftsverhandlungen seines Landes mit Großbritannien und den USA teil. Bis 1953 war er Mitglied der schwedischen Delegation der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC, Organization for European Economic Cooperation) und ein Jahr stellvertretender Sprecher in dessen Exekutivkomitee. Dieser Wirtschaftsrat war 1948 im Blick auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas gegründet worden; auf seiner Tagesordnung stand damals der Marshall-Plan der USA, die gezielte finanzielle Förderung der westeuropäischen Länder mit dem Ziel ihrer Westbindung. Dies führte zu einer Verhärtung der Fronten im Kalten Krieg, zumal Gelder aus dem Marshall-Plan auch dem den Sowjets abtrünnig gewordenen Jugoslawien zuflossen. Durch den Beitritt der USA und Kanadas im Jahr 1961 wurde dieser Wirtschaftsrat zur OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
In den Jahren 1950 bis 1953 leitete Hammarskjöld die schwedische Delegation in der UNISCAN zur Förderung der Handelsbeziehungen der skandinavischen Länder mit Großbritannien. Während des 6. und 7. UNO-Gipfels stand er an der Spitze der schwedischen Delegierten, 1951 als stellvertretender Leiter und 1952 als Delegationschef. Aber im Besonderen durch seine Mitwirkung in der OEEC erwarb er sich in Diplomatenkreisen und unter Wirtschaftspolitikern international Ansehen. Für seinen weiteren beruflichen Werdegang war dies mit entscheidend, denn an den OEEC-Konferenzen nahmen neben vielen einflussreichen Politikern auch diplomatische Vertreter der Vereinten Nationen teil.
Hammarskjölds Zeit in Schweden bis 1953 mutet an wie eine einzige Erfolgsgeschichte, die dann durch die Berufung zum Generalsekretär der UNO gewissermaßen gekrönt wurde. Sein Tagebuch hingegen offenbart, dass sein Leben schon als Student von einem inneren Ringen gezeichnet war, dem er sich bewusst stellte. Auf diesem ganz persönlichen Weg ist er weit gegangen und gekommen, vor allem in den acht letzten Lebensjahren seiner Tätigkeit für die Vereinten Nationen. Diese letzte Phase führte ihn in neue Dimensionen politischen Wirkens und persönlicher Lebenserfahrung. Sie bescherte ihm beruflich Hürden von ganz anderer Tragweite, brachte aber auch eine nachhaltige innere Wende mit sich.
Von dieser geistlichen Dimension seines Lebens zeugt sein nach seinem Tod in den 60er-Jahren veröffentlichtes Tagebuch, auf das unten näher eingegangen wird (ab S. 91). In diesen Aufzeichnungen schimmert ein beginnender innerer Wandel schon vor seinem Amtsantritt in New York ein wenig durch; deutlicher erkennbar wird er in den beiden Einträgen zum Jahreswechsel 1953 und dann am Neujahrstag 1954. Da kommentiert er seine in jener Zeit übliche Einleitung seiner Tagebucheinträge zum Jahresbeginn („Bald naht die Nacht …“) anders als in den Jahren zuvor; die leicht resignierend anmutenden Untertöne sind geschwunden. Dieser Wandel hat seine letzten Jahre geprägt.
DIE UNO
In weiten Teilen der Welt hatte der Zweite Weltkrieg unermessliches Leid, Chaos und Zerstörung hinterlassen; die Apokalypse des Bösen hatte über 55 Millionen Menschen das Leben gekostet. In der Zeit danach wurden die Karten in der Weltpolitik neu gemischt, und die internationale Lage veränderte sich grundlegend. Schon auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 hatten Churchill, Roosevelt und Stalin die Gründung der Vereinten Nationen angedacht. Gleich nach dem Sieg der Alliierten wurden dann auf der Potsdamer Konferenz erste Weichen gestellt; der Frieden war eine Verhandlungsmasse der Mächtigen, und bereits in Potsdam kam es zu Differenzen zwischen Ost und West über die Besatzungspolitik, die den Beginn des Kalten Krieges markierten. Eine Woche danach warfen die Amerikaner ihre Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ab. Ein gigantisches Wettrüsten setzte ein, und die Entwicklung der Kernwaffentechnik wurde vorangetrieben. Im Sommer 1949 zündeten auch die Sowjets ihre erste Atombombe, Großbritannien im Oktober 1952.
Zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens wurden 1945 die Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Vorläufer waren der Weltfriedenskongress 1891 in Rom, die beiden Haager Friedenskonferenzen in den Jahren 1899 und 1907 sowie der nach dem Ersten Weltkrieg im April 1919 gegründete Völkerbund. Hauptziel der UNO war und ist die Bewahrung des Friedens, vor allem der Schutz kommender Generationen „vor der Geißel des Krieges“ durch Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Zusammenarbeit weltweit. Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust waren ein Höhepunkt des Grauens gewesen, aber nicht dessen Ende: In der Zeit danach bis in die Gegenwart wurden mehrere Hundert Millionen Menschen Opfer von Kriegen, von Vertreibung, von Terror, Hass und Gewalt jeder Art. Ein großer Teil der Menschheit hatte darunter zu leiden, und dieses Leid hat bis heute nicht aufgehört. Die vielerorts zu beobachtende Verachtung menschlichen Lebens und die der Natur, der Umwelt und dem Klima zugefügten Schäden haben ein unvorstellbares Ausmaß angenommen und geben Anlass zur Sorge für die Zukunft. Es gibt jedoch auch Signale neuer Hoffnung, darunter ein zunehmendes Bewusstsein hinsichtlich der Menschenrechte sowie verstärkte Anstrengungen im Umwelt-, Arten- und Klimaschutz. Im Januar 2021 trat ein UN-Abkommen in Kraft, das die permanente völkerrechtliche Ächtung der Nuklearwaffen auf den Weg bringt und die Lücke zum Verbot anderer Massenvernichtungswaffen schließt.
Doch zurück zur Anfangszeit: Am 26. Juni 1945 unterzeichneten zum Abschluss einer Konferenz in San Francisco 50 Gründungsstaaten die Grundcharta der UN; Polen wurde bald darauf 51. Gründungsmitglied. Diese Verfassung der Vereinten Nationen trat am 24. Oktober in Kraft. Im Prinzip kann jedes Land, das sich für den Frieden in der Welt einsetzen will, auf Empfehlung des Sicherheitsrats Mitglied werden; derzeit sind 193 Staaten der Erde der UNO angeschlossen. Sie hatte zunächst Büros im Empire State Building in New York und bezog dann ihr Hauptquartier in dem 1950 fertiggestellten, für die damalige Zeit supermodernen gläsernen Wolkenkratzer, der wie ein überdimensionaler Dominostein am East River in Manhattan in den Himmel ragt.
Ihr wichtigstes Organ ist der Weltsicherheitsrat mit 15 Mitgliedern (bis Ende der 60er-Jahre waren es nur elf), davon fünf ständige, die das entscheidende Gremium bilden. Zur Zeit Hammarskjölds waren die USA, die Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und die kleine Republik China (Formosa, später Taiwan) ständige Mitglieder. Sie haben ein Vetorecht, von dem bis 1984 die Sowjetunion am meisten Gebrauch machte; allein bis 1961 legten die Sowjets 95 Vetos ein. Seit Mitte der 80er-Jahre haben die USA dieses Recht am häufigsten in Anspruch genommen. Zu den weiteren wichtigen Organen der UNO gehören die Generalversammlung, die normalerweise mindestens einmal jährlich zusammentritt, und nicht zuletzt das Generalsekretariat, dessen Aufgaben in den Artikeln 97–101 der Charta der Vereinten Nationen geregelt sind.
Gegenwärtig gehören zur UNO insgesamt 19 Sonderorganisationen, darunter die UNESCO für Erziehung, Wissenschaft und Kultur in Paris, die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf, die Welternährungsorganisation FAO in Rom sowie der Internationale Währungsfonds mit der Weltbank-Gruppe. Das Ganze wird vom Wirtschafts- und Sozialrat ECOSOC mit vielen Fachkommissionen koordiniert, ebenso die weiteren Unterorganisationen sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Mit den ehrgeizigen Zielen der „Agenda 2030“ für nachhaltige Entwicklung wollen die Vereinten Nationen in diesem Jahrzehnt die Situation der Menschen weltweit wesentlich verbessern, nicht zuletzt durch Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten und Analphabetismus. Die Corona-Pandemie hat mehr denn je deutlich gemacht, dass internationale Zusammenarbeit unerlässlich ist. Die offizielle Entwicklungshilfe der einkommensstarken Nationen reicht bei Weitem noch immer nicht aus. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lage leisten Nichtregierungsorganisationen sowie zahllose private Initiativen und Projekte.
An der Spitze der Verwaltung der ganzen Organisation steht der Generalsekretär, der auf Empfehlung des Sicherheitsrates ernannt und dann von der Generalversammlung in dieses Amt gewählt wird. Er ist gewissermaßen der ranghöchste Beamte der Welt und nimmt an den Sitzungen des Sicherheitsrats teil. Ihm obliegt im Wesentlichen die Rolle eines Vermittlers und Organisators. Im Gegensatz zum Generalsekretär des Völkerbundes wurde der Amtsinhaber der UNO mit beachtlichem politischem Handlungsspielraum ausgestattet, der auf Artikel 99 der UN-Charta basiert: „Der Generalsekretär kann die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf jede Angelegenheit lenken, die nach seinem Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden.“
Diese formal dürftige, aber offene Formulierung bot Hammarskjöld die Möglichkeit zu eigener Interpretation und Ausgestaltung. Dadurch wusste er sich in seinen politischen Entscheidungen die ihm geboten scheinende Souveränität zu schaffen, beispielsweise während der Suezkrise oder auch in der Zeit der Kongokrise. Durch sein resolutes Auftreten etablierte er in seiner Amtszeit eine eigene Handlungsvollmacht. Allein schon damit hat er für die Arbeit der Vereinten Nationen Entscheidendes geleistet, auch wenn ihm diese Freiheit immer wieder streitig gemacht wurde. Der jeweilige Amtsträger ist auch für die Personalentwicklung und die Haushaltspläne zuständig; darüber hinaus repräsentiert er die Vereinten Nationen in der ganzen Welt und kann durch seine Jahresberichte Einfluss auf die Orientierungen der Weltpolitik nehmen, wozu Hammarskjöld sie mehr als einmal auch energisch genutzt hat.
Erster Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde der norwegische Diplomat Trygve Lie. Während seiner Amtszeit wurde 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet. Im November 1952 trat Lie zurück, denn er hatte schon zu Beginn des Koreakriegs den Kurs der USA befürwortet und war deshalb zum Feind Stalins geworden, der auf seine Absetzung drängte. Als Lie dann immer mehr auch die Unterstützung enger Mitarbeiter in seiner eigenen Organisation schwinden sah, gab er resigniert auf. Widerstand, Skepsis und Polemik von vielen Seiten prägten schon die Anfangsjahre der UNO und hatten ihn mürbe gemacht. Die Vereinten Nationen haben bis in die Gegenwart mit Anfeindungen und völlig unterschiedlichen Machtinteressen zu kämpfen, zunehmend wieder seit den 90er-Jahren. Es war vor allem Kofi Annan, der sich wie Hammarskjöld in diesem schwierigen Umfeld zu behaupten wusste und so zur weltweiten Anerkennung der UNO wesentlich beigetragen hat. Auch der gegenwärtige Generalsekretär, der Portugiese António Guterrez, genießt international hohes Ansehen.
Die häufige Uneinigkeit im Sicherheitsrat mit dem Vetorecht seiner ständigen Mitglieder und die Blockade von Resolutionen ist eines ihrer Hauptprobleme. Darüber hinaus haben Staaten gelegentlich indirekt ein Vetorecht wahrgenommen, indem sie die finanzielle Abhängigkeit der Weltorganisation ausnutzten, um deren Entscheidungen zu beeinflussen und Druck auszuüben.
DER NEUE GENERALSEKRETÄR
Nach Lies Ausscheiden aus dem Amt begann die Suche nach einem Nachfolger. Es kursierten zunächst vier Namen, u. a. wurde der international erfahrene belgische Politiker Paul-Henri Spaak genannt. Dieser hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg durch sein Engagement für die europäische Einigung einen Namen gemacht und war im Januar 1946 Präsident der ersten UN-Generalversammlung in London gewesen. Auf der Liste stand auch der kanadische Außenminister Lester Pearson, der 1952 den Vorsitz der Generalversammlung hatte. Keiner der vorgeschlagenen Kandidaten fand die Unterstützung aller damaligen Mitglieder im Sicherheitsrat; die Sowjets lehnten alle ab. Dann kam in dem Gremium durch den damaligen britischen Außenminister Anthony Eden der Name Dag Hammarskjöld ins Spiel. Am 31. März 1953 einigte sich der Sicherheitsrat erstaunlicherweise und nominierte ihn zum Kandidaten für das vakante Amt. Hammarskjöld war wie erwähnt in diplomatischen Kreisen international kein Unbekannter mehr; in der breiten Öffentlichkeit jedoch wusste so gut wie niemand, wer da nun auf die Bühne der Weltpolitik trat. Das Angebot, Generalsekretär der UNO zu werden, war auch für ihn selbst und für seine Landsleute in Schweden, die ihn am besten kannten und schätzten, eine enorme Überraschung.
Als Kandidat sprach für ihn, dass er nie einer politischen Partei beigetreten war. Zudem verfügte er über reiche Erfahrungen in der schwedischen Politik und auch bereits auf dem Parkett der internationalen Diplomatie. Der ausgewiesene Wirtschafts- und Finanzexperte mit juristischer Zusatzqualifikation hatte sich schon einiges Geschick auf der Klaviatur diplomatischer Besonnenheit angeeignet. Nicht zuletzt stammte er aus Schweden, einem neutralen Land. Seit 1814 hat die einstige europäische Großmacht keinen Krieg mehr geführt, und Neutralität ist von 1855 an Grundsatz schwedischer Außenpolitik. Die Schweden hatten, um verschont zu werden, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg abermals ihre Neutralität ausdrücklich neu erklärt, was sie pragmatisch handhabten. So hatten sie nach dem Überfall der Deutschen auf Dänemark und Norwegen im Krieg vorsichtshalber Zugeständnisse an Nazi-Deutschland gemacht, weil sie erkannt hatten, dass im Machtwahn Hitlers völkerrechtliche Konventionen, Neutralitätserklärungen oder Nichtangriffspakte nichts galten. Deshalb hatten sie beispielsweise der Verlegung einer deutschen Division aus Norwegen über schwedisches Territorium nach Finnland an die russische Front zugestimmt. Im Übrigen hat ihr reger Außenhandel mit Deutschland eine lange Tradition; in Kiruna gefördertes schwedisches Erz wurde für die Rüstungsproduktion der Nazis über den Hafen Narvik im Norden Norwegens nach Deutschland verschifft. Dies fiel aber damals offensichtlich nicht ins Gewicht, als der Schwede für das höchste Amt der UNO nominiert wurde. Für die Sowjets war entscheidend, dass Hammarskjöld selbst sich immer strikt gegen eine NATO-Mitgliedschaft seines Landes zur Wehr gesetzt hatte. Schweden hat sich diesem Militärbündnis nie angeschlossen, kooperiert aber seit Mitte der 90er-Jahre.
In seiner Zeit als Generalsekretär entwickelte Hammarskjöld selbst im Blick auf sein Verhalten in Konfliktsituationen eine klare Position. Er sah sich in seiner internationalen Verantwortung ganz persönlich in der Pflicht; wenn er in Kontroversen Stellung zu beziehen hatte, hielt er sich zum einen streng an Recht und Gesetz, im Besonderen an die UN-Charta. In seinen Entscheidungen folgte er zum anderen aber auch konsequent seinem Gewissen und dem, was er als Wahrheit erkannt hatte. So vermochte er seine eigenen Standpunkte souverän zu vertreten, dabei seine persönliche Integrität zu wahren und sich durch Kritik nicht beirren zu lassen. Diese Grundeinstellung und seine Neutralität verschafften ihm Autorität und gaben ihm die Freiheit, so zu handeln, wie er es für richtig und angemessen hielt.
In der Zeit des Kalten Krieges mit aufgeladener ideologischer Polarisierung war Dag Hammarskjöld ein typischer Kompromisskandidat im positiven Sinne. Seine Sprachkenntnisse waren ein weiteres Plus: Neben seiner Muttersprache beherrschte er fließend Englisch, Französisch und Deutsch. Man hatte ihn selbst im Klärungsprozess der Kandidatenkür nicht kontaktiert und gefragt. Vor allem deshalb war er höchst überrascht, als er die Nachricht bekam; doch er war bereit und willigte ein. In seiner Antwort an den Vorsitzenden des Sicherheitsrates schrieb er: „Im vollen Bewusstsein meiner Unzulänglichkeit zögere ich, die Kandidatur anzunehmen …, habe jedoch nicht den Eindruck, dass ich die mir angetragene Aufgabe ablehnen kann.“
Am 7. April 1953 wurde Hammarskjöld von der Generalversammlung mit 57 von 59 Stimmen gewählt, bei einer Enthaltung und einer Nein-Stimme. Nach einer Pressekonferenz in Stockholm machte er sich zwei Tage später auf den Weg nach New York. Dort wurde er auf dem Flughafen von Trygve Lie persönlich begrüßt, der erfreut war, dass ihm ein Schwede im Amt folgen sollte. Als er die Gangway des Flugzeugs heruntergestiegen war, sagte ihm der Norweger gleich bei der Begrüßung: „Sie übernehmen den unmöglichsten Job der Welt“ – und Lie wusste, was er sagte. In einer Presseerklärung am Flughafen äußerte sich Hammarskjöld u.a. so: „In meiner neuen offiziellen Rolle soll sich der Privatmann ganz zurücknehmen und an seine Stelle der der internationalen Öffentlichkeit Dienende treten.“ Am 10. April legte der neue Generalsekretär seinen Amtseid ab. Seine fast einmütige Wahl zum Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde damals als Hoffnungsschimmer für eine Entspannung im Kalten Krieg gewertet; dazu trug seinerzeit auch die Beendigung des Koreakrieges ein wenig bei. Für Hammarskjöld selbst war die Wahl die größte Zäsur in seinem Leben, nicht nur wegen der neuen internationalen Verantwortung; diese Wende hatte auch Einfluss auf seinen inneren Weg.
Der neue Mann an der Spitze der Vereinten Nationen war angetreten, um Probleme zu lösen, und sah sich aufgrund der weltpolitischen Lage vor enormen Herausforderungen. Er sagte einmal mit dem ihm eigenen subtilen Humor, die UNO sei nicht ins Leben gerufen worden, „um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu bewahren“. Die Ausgangssituation bei seinem Amtsantritt in New York war keineswegs rosig. Das Wettrüsten zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt war in vollem Gang. Im November 1952 war Dwight D. Eisenhower zum neuen Präsidenten der USA gewählt worden. Nach der Containment-Politik seines Vorgängers Truman, der einen weiteren Weltkrieg auf jeden Fall vermeiden wollte, vollzog Eisenhower einen Kurswechsel (rollback) und erhöhte den Druck auf die Sowjetunion, u.a. durch den Aufbau eines ganzen Arsenals psychologischer und ideologischer Kriegsführung. So gründete beispielsweise das „Amerikanische Komitee für die Befreiung der Völker Russlands“ 1953 nach dem Vorbild von Radio Free Europe die Schwesterstation Radio Liberation (später Radio Liberty), die damals von Lampertheim aus Propagandaprogramme in russischer Sprache ausstrahlte. Mit der gegen die Sowjets gerichteten Eisenhower-Doktrin wurden später – im Jahre 1957 – auch die Spannungen im Nahen Osten enorm angeheizt.
Anfang März 1953 war Stalin an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Nach dem Abtritt dieses Diktators von der weltpolitischen Bühne, dem Zusammenbruch des Mythos seiner „allwissenden Kompetenz“ und der Aufdeckung seiner Verbrechen änderten die Sowjets in den folgenden Jahren schrittweise die Strategie in ihrem Machtbereich, was zur Entstalinisierung führte. Gleichwohl rüsteten auch sie weiter auf und zündeten 1955, ein Jahr nach den Amerikanern, ihre erste Wasserstoffbombe; ihren Führungsanspruch im Ostblock stellten die Machthaber im Kreml nie zur Debatte. Die zahlreichen ungelösten Probleme in den Ländern der Dritten Welt waren zur damaligen Zeit kaum im Blickfeld der Weltpolitik, jedenfalls standen sie nicht auf der Tagesordnung der Mächtigen.
Die Lage im UN-Generalsekretariat war angespannt, es fehlte an Orientierung und Führungsstärke. In den Vereinigten Staaten war zu jener Zeit die McCarthy-Hysterie auf dem Höhepunkt: Die Suche nach mutmaßlichen Kommunisten in der Verwaltung und im öffentlichen Leben der USA artete zu einer antikommunistischen Hetzjagd aus. Trygve Lie hatte Agenten der Bundespolizei FBI ins Haus gelassen; auf Hammarskjölds Anordnung mussten sie das Gebäude räumen. Er schärfte seinen Mitarbeitern ein, auf Fragen von Außenstehenden nicht zu antworten, solange kein begründeter Verdacht auf kriminelle Machenschaften bestehe. Darüber hinaus legte er durch personelle Umbesetzungen und Straffung seiner Organisation die Basis für eine bessere interne Zusammenarbeit, wodurch er nebenbei eine beachtliche Kostensenkung erzielte.
Nach außen hielt er es für geboten, seine Spielräume in der neuen Aufgabe zunächst gründlich auszuloten; deshalb bewegte er sich in der ersten Zeit mit Vorsicht und Zurückhaltung. Manchen seiner Mitarbeiter vermittelte dies anfänglich den Eindruck, er sei ein wenig zögerlich oder gar schüchtern, aber sie schätzten seine unaufdringliche Autorität, seine Kompetenz, seine Höflichkeit und Freundlichkeit. Er hatte beispielsweise die Gewohnheit, seine Mitarbeiter persönlich mit einem Händedruck zu grüßen. In seiner ersten Ansprache an die Bediensteten sagte er: „Ich bin gekommen, um Ihnen allen zu dienen. Es ist mein Wunsch, alle Probleme unvoreingenommen anzugehen. Ihre Aufgabe ist es zu beurteilen, wie mir diese Arbeit gelingt, und mich bei Misserfolgen zu korrigieren.“ Für seine Mitarbeiter und Gäste ließ er Ende 1957 im UNO-Gebäude am East River einen eigenen Meditationsraum einrichten, auf dessen künstlerische Gestaltung er persönlich Einfluss nahm. Dieser Raum ist auch durch die Lichtgebung und betonte Schlichtheit beeindruckend, und Hammarskjöld legte sehr umsichtig besonderen Wert darauf, dass sich beim Betreten niemand in seinen religiösen Gefühlen verletzt sah.
Sein vorrangiges Anliegen und die Hauptaufgabe im neuen Amt war und blieb stets die Bewahrung des Weltfriedens. Der rasante Rüstungswettlauf konnte nach seiner Auffassung nur durch einen Abbau der internationalen Spannungen eingedämmt werden. Zudem betrachtete er Frieden und Gerechtigkeit als grundlegend für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in der ganzen Welt. Sein Friedenskonzept beruhte auf zwei Grundsätzen: die Achtung der Menschenrechte mehr zur Geltung bringen und Konflikte durch internationale Überwachung seitens der Vereinten Nationen lösen, und zwar mit friedlichen Mitteln nach den Grundsätzen des Völkerrechts.
Wie sehr er dabei jeden Einzelnen und zunächst sich ganz persönlich in der Pflicht sah, wird in seinem Bekenntnis in einer UNO-Rundfunkansprache zum Jahresschluss 1953 deutlich: „Unsere Friedensarbeit muss im persönlichen Innern eines jeden von uns beginnen. Wenn wir eine Welt ohne Angst aufbauen wollen, dürfen wir keine Angst haben. Wenn wir an einer gerechten Welt mitwirken wollen, müssen wir gerecht sein. Wie können wir für Freiheit kämpfen, wenn wir innerlich nicht frei sind? Wie können wir Opfer von anderen verlangen, wenn wir selbst nicht dazu bereit sind? Nur in aufrichtiger Hingabe im Interesse aller finden wir Kraft und Unabhängigkeit, Einigkeit im Blick auf die Ziele und ein ausgewogenes Urteilsvermögen. Dies ist von uns als Verpflichtung für die Zukunft gefordert, von uns, Menschen einer Generation, denen die Chance zuteil wurde, eine Welt des Friedens in der Zeit aufzubauen.“
Der Friede als Werk der Gerechtigkeit (vgl. Jes 32,17) war eine Maxime im Denken Hammarskjölds. In einem persönlichen Brief schrieb er 1953: „Das Wissen, dass das Ziel von so hoher Bedeutung ist, dass alles andere dahinter zurücktreten muss, vermittelt ein starkes Gefühl der Befreiung und macht einen unabhängig von dem, was einem selbst widerfahren mag.“
Für die Unterstützung der Entwicklungsländer verfügte die UNO in den 50er-Jahren nur über beschränkte Mittel; die finanzstarken Länder hatten damals andere Prioritäten. Die Europäer standen mitten im Wiederaufbau, die USA verfolgten ihre Weltmachtinteressen und rüsteten stark auf; auch im gesamten Ostblock wurde enorm viel in die Rüstung investiert; zudem hatten die kommunistischen Regierungen reichlich innenpolitische Probleme, vor allem mit der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Länder und mit ständigen Versorgungsengpässen. Hammarskjöld aber war ein erfahrener, langfristig denkender Ökonom, der in der Weltwirtschaft und im internationalen Handel mehr in Bewegung bringen wollte; gezielte Entwicklungshilfe war für ihn ein Gebot der Gerechtigkeit und ein Dienst am Frieden. Dadurch sollten auch die Menschen in den armen Ländern den ihnen zustehenden Anteil an den Ressourcen bekommen, wodurch zugleich dauerhaft neue Märkte zum Vorteil aller entstehen können; Industrialisierung und Produktivität schaffen neue Arbeitsplätze und Existenzmöglichkeiten. Dieser Aspekt der Friedensarbeit durch Fortschritte in der internationalen Zusammenarbeit wurde zu einem der Schwerpunkte seiner Tätigkeit. Außerdem sah Hammarskjöld in der Förderung der ausgebeuteten Länder auch Möglichkeiten, den im Gang befindlichen Entkolonialisierungsprozess zu beschleunigen, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Trotz der angespannten finanziellen Situation der UNO war seine Kursorientierung eine wichtige moralische Unterstützung für viele Menschen in den Ländern mit großer Armut.
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