Cilt 70 sayfalar
Kitap hakkında
In meinem neuen Buch «Die Götter würfeln nicht» wage ich mich in die Literatur. Es sind fiktive Dialoge, zuweilen auch Monologe mit und über Mythen der griechischen Antike. Schon immer haben diese Geschichten uns Menschen bewegt und belehrt. Aber die Zeit wetzte sich an ihnen, wie an Münzen, die von Hand zu Hand gehen. Daher ist es womöglich so weit ihnen neue Bedeutungen und neue Interpretationen zuzuordnen. Ich möchte hier dieses Buch eurem Urteil übergeben.
"Schreiben ist öffentliches Denken. Immer wird sich jemand finden später, der überzeugt ist, diese Sätze, diese Gedanken besser hätte formen zu können. Aber dann ist es zu spät, dann steht die Reihenfolge und die Auswahl fest und darin liegt der Frevel des Schreibers. Das wirft der Leser ihm, wann immer möglich, vor.
Falscher Raum. Falsche Zeit. Zurück noch einmal.
Noch einmal hinaus und vorbei an all den Zeiten, in denen Kinder gezeugt, Mädchen zu Frauen erwachsen und Söhne zu Soldaten, viel zu oft, deren Stiefel die Steine der Straßen wetzen. Keine Klischees, auch keine tragischen. Weiter, durch die Zeit, weiter. Keine Stiefel; Sandalen sollen es sein und Helden. Helden, Sandalen, Götter und Mythen.
Also doch Klischees. Halt andere nur. So kann es werden. So kann man das Unaussprechliche erträglich schreiben. Das Unerträgliche abstrakt machen und verdaulich für den Verstand.
Kein «Ja, aber…» sollte am Ende als Spielraum übrigbleiben. Genauigkeit ist gefragt, wie bei anderem Handwerk auch.
Jetzt kommen die Worte rasch und drängen sich in die Sätze. Jetzt lassen sich die Gedanken zu Texten formen und in Reihe bringen. Es wird, was es werden soll, oder besser werden kann, und die Seiten füllen sich."
Auszug aus Kassandra:
"So hattest du erfahren, dass Menelaos sich sein Weib niemals von einem verwöhnten Knaben nehmen lassen würde. Gesehen hattest du es und gewarnt hattest du. Wieder und wieder hattest du es ihnen gesagt. Hütet euch vor den Griechen, sollst du gerufen haben, gestammelt eher in einem dieser Anfälle, auch wenn sie Geschenke bringen. Aber sie hatten dir nicht geglaubt. Der Fluch des Apolls wirkte längst gegen dich.
Gestraft hatte dich dein Vater für diese Worte. Nicht zuträglich seien sie für Troja, hatte er gesagt. Im Krieg sei die Wahrheit wenig dienlich. Und Zweifel, ob begründet oder nicht, nützen sie immer nur dem Feind. Du musstest diese Worte lernen, Krieg und Feind und davor noch Überfall. Das schien das wichtigste Wort geworden zu sein in Troja: «Überfall», oder besser «feiger Überfall».
Mit voller Wucht traf dich danach seine Frage, ob du denn den Sieg der Griechen wolltest und den Untergang Trojas. Wie eine Axt traf sie dich und spaltete dir den Verstand. Wie hatte er die Frage nur denken können? Wie hatte er sie dann sogar aussprechen können?
Hatte er deine Liebe zu ihm, zu den deinen, dir in diesem Moment abgesprochen? Wirklich? Ob so, oder anders gestellt, diese Frage brachte dich zum Schweigen für immer. Nie mehr hast du laut dich geäußert gegenüber anderen. Nie mehr hast du dich anderen wirklich anvertraut. Andeutungen, Bruchstücke bestenfalls, um dann sofort wieder zu schweigen.
Du hattest sie oft belauscht, Kassandra, hattest sie reden hören, wenn sie miteinander berieten, wenn sie sich beratschlagten im Palast. Du konntest dich noch frei bewegen. Du gehörtest schließlich zu ihnen. So war es bis zu dem Punkt, als du das erste Mal laut ihnen widersprachst.
Du hörtest, dass sie wussten, dass deines Vaters Schwester Hesione nicht geraubt war von den Griechen, sondern bereitwillig die Gattin Telamons wurde. Du hörtest, dass diese Ehe, ohne des Königs Einverständnis Verrat war in deines Vaters Augen. Nicht zulassen konnte er, dass ein Grieche mit einer Troerin ihres Standes ohne seine Zustimmung übereinkamen. Das musste als Beleidigung gesehen werden.
So wurde ein Raub herbeigeredet, den es nie gab.