Kitabı oku: «Felsig, karg und hoffnungsgrün», sayfa 2

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Fester Halt

Was meine Eltern in jenen aufregenden Jahren über Wasser hielt, war ihre Liebe zueinander, aber auch ihr unerschütterlicher Glaube an Gott. Meine Mutter hatte sich schon vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr dafür entschieden, dass Jesus Christus der Herr über ihrem Leben sein sollte. Das war damals in einer Versammlung der Heilsarmee geschehen. Etwas später ließ sie sich in deren Reihen aufnehmen. Mein Vater kam erst durch Mutter mit dieser Bewegung in Berührung und traf als verheirateter Mann seine Entscheidung für Jesus Christus. Die Veranstaltungen der Heilsarmee fanden in Adelboden zunächst unter einem Zelt statt, später in dieser und jener Wohnstube, dann in einem gemieteten Raum des Restaurant Ochsen und seit 1949 im eigenen Haus am Ahornweg. Vor allem Mutter lehrte uns Kinder schon früh beten. Ihr bedeutete das Gebet sehr viel.


Hildi und Willi vor dem Elternhaus.

Ich selbst machte mit fünf, sechs Jahren meine ersten eigenen Erfahrungen mit dem Gebet. An einem kalten Winterabend sprang ich ohne Kappe draußen herum. In die warme Stube zurückgekehrt, spürte ich heftiges Ohrenweh. Spontan fing ich an zu beten und war dann doch etwas erstaunt, als die Schmerzen augenblicklich verschwanden. Dieses Erlebnis ermutigte mich, Gott immer wieder um Hilfe anzugehen, wenn eine Situation brenzlig wurde. Häufig antwortete er spontan. Später fand ich heraus, dass Gott nicht nur in Notsituationen da war. Auch in guten Zeiten teilt er sich uns Menschen mit.

Ferien im Engstligental
Ein Dorf wacht auf

Meine Eltern versuchten auf alle erdenkliche Art, ihre finanzielle Lage zu verbessern. Da der Fremdenverkehr den Menschen in Adelboden seit einiger Zeit ganz neue Möglichkeiten eröffnete, stellten sich meine Eltern die Frage, ob auch sie davon profitieren könnten.

Kurz nach der Jahrhundertwende, als Wilhelm und Rosina geboren wurden, war Adelboden daran, sich zu einem bedeutenden Kurort zu entwickeln.

Doch musste erst so manche schier unüberwindbare Hürde genommen werden, bis es so weit war. Der Weg vom unbekannten, weit abgelegenen, nur zu Fuß erreichbaren Ort im „Wald“ zuhinterst im Engstligental hin zum beliebten Kur- und Ferienort war weit.

Der Münster Pfarrer Karl Rohr aus Bern und seine Frau waren die Ersten, die Adelboden im Jahr 1872 für sich entdeckten. In den darauf folgenden Jahren verbrachte er seinen Urlaub mit seiner kinderreichen Familie im alten Haus des Lehrers Christian Hari auf dem Schlegeli. Der Fremdenverkehr hatte seinen Anfang genommen. Vorerst nur zur Sommerzeit, doch um die Jahrhundertwende wurde Adelboden auch dank des aufkommenden Wintersports international bekannt und begehrt. Von 1899 bis 1902 schossen sieben Hotels wie Pilze aus dem Boden. Im Tal veränderte sich einiges. Die Wirtschaft wurde angekurbelt. Eine mehrheitlich arme Bevölkerung von Bergbauern profitierte allmählich von neuen, zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten.

Vor 1884 musste man einen vierstündigen Fußmarsch auf einem unwegsamen Pfad über Achseten hinter sich bringen, um Adelboden zu erreichen. Wegen dieser – besonders im Winter – schwierigen Wegverhältnisse hatte sich Adelboden bereits im 15. Jahrhundert von der Kirchgemeinde Frutigen getrennt. Die Verhandlungen für eine neue Straße nach Adelboden waren zäh und zogen sich über Jahrzehnte hin. Von den Behörden in Bern war zwar einmal versprochen worden, die Lage vor Ort in Augenschein nehmen zu wollen, doch noch sechs Jahre später hatte sich niemand hierher bemüht.

1884 war es dann aber so weit. Nach acht Jahren zum Teil sehr schwierigen Ausbaus konnte die neue Straße eröffnet werden. Vorerst wurde nur in den Sommermonaten eine Pferdepost in Betrieb genommen, ab 1890 das ganze Jahr hindurch. Diese mehrspännigen Pferdekutschen boten jeweils Platz für vier bis sechs Personen. Ab 1917, als mein Vater zwölf und meine Mutter acht Jahre alt waren, kam als große Neuerung der regelmäßige Automobilverkehr. Der war nicht in erster Linie für die einfachen Leute bestimmt, sondern für zahlungskräftige Gäste und betuchte Einheimische. Das gewöhnliche Fußvolk ging immer noch auf Schusters Rappen nach Frutigen und zurück. Zur Winterzeit mussten oft vorübergehend Pferdeschlitten als Ersatz einspringen, wegen der ungeheuren, kaum zu bewältigenden Schneemassen.

Die Reisenden erlebten von Frutigen her zunächst die beängstigende Enge des Engstligentales. Kurz nach Frutigen stieg das Land rechter Hand einige hundert Meter steil nach oben bis unter die Gipfel der Niesenkette. Wilde Bachtobel trennten die zahlreichen Spissen. Links von der Straße floss tief unten die Engstlige und auf der anderen Seite erhoben sich wieder steile Hänge bis unters Elsighorn, die vorwiegend mit dunkelgrünen, ernst wirkenden Rottannen bewachsen waren oder stotziges, steiles Weideland zeigten.

Auf halbem Weg nach Adelboden führte die Fahrt über den Hohen Steg auf die andere Talseite. Dies war eine Hochbrücke aus Holz, die später durch eine Eisenkonstruktion ersetzt wurde. Anschließend wand sich der Weg hinauf bis auf die Höhe des Hirzbodens, etwa sechs Kilometer vor Adelboden. Jetzt gab das Tal mehr und mehr den Blick frei auf eine wohltuende Weite mit ebenen Matten. Die fünf Täler von Adelboden, für jeden Finger der rechten Hand eines, waren dabei nicht alle gleichzeitig sichtbar.

Hinten im Tal sah man das Wahrzeichen von Adelboden aufragen, den 3225 Meter hohen Wildstrubel mit seinem ewigen Schnee. Die topfebene Engstligenalp davor mit ihren mehreren hundert Tieren, die im Sommer hier weiden, konnte nur erahnt werden. Von ihr gelangt man über den Kindbettipass und die Gemmi ins Wallis. Der Kindbettipass soll seinen Namen einer Walliserin verdanken, die hier beim Überqueren ihr Kind geboren hat.

Was beim Betrachten der Gegend des Engstligentales auf Anhieb ins Auge sticht, ist der weiß schäumende Wasserfall. Die gewaltigen Wassermassen stürzen sich in zwei Etappen rund 600 Meter in die Tiefe.

Vor lauter Schauen und Staunen kamen die Gäste schließlich mühelos, aber gut durchgeschüttelt nach unzähligen Kurven auf der 1353 Meter gelegenen Sonnenterrasse an. Nur wenige verstreute Häuser gehörten um die Jahrhundertwende zum Dorf.


Hildi (etwa 12 Jahre alt) mit Cousin Hansjörg.


Willi und Hildi.

Ferienwohnung Wäfler

Weil nun die Feriengäste immer zahlreicher nach Adelboden kamen, überlegten auch meine Eltern, ob sie das Interesse der Urlauber an einer passenden Unterkunft für sich nutzen könnten. Diese Frage wurde gründlich abgewogen.

Die Lage unseres Hauses war mit Blick auf den Wildstrubel und den Wasserfall einzigartig. Abends versetzten die glühenden Sonnenuntergänge und die wechselnden Stimmungen am Lohner und der Bonderspitze den Betrachter in immer neues Staunen. Die Umgebung war absolut ruhig. Vom Wohnhaus in der Oey führte ein steiler, achtzig Meter hoher Rain bis unters Hotel Nevada Palace. Vor dem Wohnhaus breitete sich eine lange, breite und ebene Wiese aus, an deren Ende einige Meter Abhang mit Bödeli, dem „Hangi“, direkt zum Allenbach führte.

„Wo im Haus könnten wohl Feriengäste untergebracht werden?“, war die Frage meiner Eltern. Das Haus war ja nicht sehr groß: Eine Zweizimmerwohnung im ersten Stock, unter dem Dach eine abgeschrägte, kleine Wohnung, die von einem kinderlosen Ehepaar bewohnt wurde, und im Parterre Waschküche, Keller und eine Bude für Vaters Arbeiten. Doch Mutter war ernsthaft entschlossen, die finanzielle Lage der Familie zu verbessern, und so wurde das Unmögliche möglich gemacht. Mutter setzte sich ein und war bereit, den Preis dafür zu bezahlen.

Heraus kam folgende Lösung: Im Winter wohnten wir als Familie im mittleren Stockwerk, im Sommer zogen wir in die unteren Räume um. Die Waschküche wurde notdürftig in eine Küche umfunktioniert und die Schreinerbude in ein Wohn- und Schlafzimmer verwandelt. Als unsere Familie später mehr Platz brauchte, musste auch die Remise in der Scheune als Schlafstätte herhalten.

Unsere eigentliche Wohnung wurde im Sommer vermietet – vorwiegend an Basler, Aargauer, Berner, Zürcher, Luzerner und ab und zu an Französisch sprechende Gäste. Mutter nähte weiße Bettwäsche, denn die weiße war damals sehr vornehm, im Gegensatz zu der eigenen bunt karierten. Sie legte großen Wert auf peinliche Sauberkeit, gestärkte Vorhänge an den blank geputzten Fenstern, saubere Böden, glänzend polierte Messingknöpfe am Kochherd, Blumen in den Kisten vor den Fenstern, einen Feldblumenstrauß auf dem Tisch. Alles sollte dazu dienen, den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.


Das Wohnhaus in der Oey mit Scheune und Hühnerhof.

Mutters Anstrengungen lohnten sich. Die meisten der Ruhebedürftigen kamen gerne wieder. Sie empfahlen die Wohnung weiter und die Wochen im Sommer waren lückenlos besetzt, ohne große Werbung zu betreiben. So kam es zu langjährigen Urlaubern, die sich mit der Familie auch durchs Jahr hindurch verbunden fühlten. Ein Ehepaar aus dem Baselbiet schickte während vieler Jahre das von den Kindern oft heiß ersehnte Osterpäckli mit köstlichen Süßigkeiten. Es kamen Grüße zu Weihnachten und Neujahr. Ich selbst durfte einmal zehn Tage Ferien in der Stadt Basel verbringen bei Heidi, einem Mädchen ungefähr im gleichen Alter. Wie habe ich gestaunt über das Leben in der Stadt, den zoologischen Garten oder die Aussicht vom Turm des Basler Münsters aus über das Häusermeer! Damals machte ich im Eglisee meine ersten Schwimmversuche. Noch heute bestehen Verbindungen zu der Tochter, die längst Großmutter ist.

Mit ihrer fließenden, schönen Schrift erledigte Mutter sämtliche Korrespondenz, denn zu jener Zeit kam das Telefon ja nur für Leute infrage, die es aus beruflichen Gründen benötigten, der Arzt, die Hoteliers oder mancher Gewerbetreibende. Diese waren meist auch im Besitz eines Autos.

Schon damals war es ratsam, die Verträge für Ferienwohnungen schriftlich zu bestätigen. Pro Nacht und Bett verlangte Mutter lange Zeit einen Franken, achtzig Rappen und für die Benutzung der Küche pauschal einen Franken und fünfzig Rappen pro Tag. Dazu kamen noch die Kosten für Holz und Strom nach Verbrauch.

Im Herbst, nach Wegzug der letzten Gäste, wurden die altvertrauten Räume wieder eingenommen. War das ein Fest! Jedes Ding erhielt erneut seinen Platz. Ein geregeltes Leben konnte beginnen. Wen wundert es, dass sich meine Mutter schon bald nach einem Ort sehnte, an dem sie bleiben konnte. Zu mühsam war der ständige Umzug.


Wilhelm und Rosina Wäfler mit Willi, Fredi und Hildi.

Unterwegs
Große Leute, kleine Leute

Der Winter 1943 war hart und kalt. Auf den Auen lag sehr viel Schnee. Das Feuer spretzelte fast ununterbrochen im Holzofen. Für den Wintersport herrschten ideale Verhältnisse, doch unsere Familie im kleinen Haus in der Oey beschäftigte jetzt ein ganz anderes Thema. Schon seit einiger Zeit hatte Mutter uns zwei Kinder darauf vorbereitet, dass wir ein Geschwisterchen bekommen sollten. Unsere Vorfreude war groß.

Ende Februar war es endlich so weit. Adelboden war in jenen Tagen in Hochstimmung: Bei diesen guten Schneeverhältnissen und sonnigem Wetter wurden während einer Woche die Armeemeisterschaften des Militärs ausgetragen. Sogar General Guisan, der schweizerische Heerführer während des Zweiten Weltkrieges, erschien höchst persönlich auf der Zuschauertribüne, flankiert von Offizieren, Fahnen und Militärmusik. Im Dorf hatte man eifrig Vorbereitungen zu seiner Begrüßung getroffen. Die Straßen waren geschmückt worden und überall hingen Fahnen. Am Dorfeingang hatte man zu seinen Ehren Willkommensworte aus Tannenreisig angebracht, die er wahrscheinlich gar nicht zu sehen bekam. Er hatte sich auf direktem Wege zum Schauplatz der sportlichen Wettkämpfe bringen lassen.

Das Abfahrtsrennen wurde am steilen Hang des Chuenisbärgli ausgetragen, wo auch seit 1967 fast jedes Jahr die Weltcuprennen im Slalom stattfinden.

Kaum mehr als einen Kilometer von diesem bunten Treiben entfernt, gab Mutter am frühen Sonntagmorgen, dem letzten Tag im Februar, einem pausbackigen, gesunden Buben das Leben. Aus Leibeskräften fing er an zu schreien. Mein Bruder und ich schliefen nebenan und merkten nichts von alle dem. In der Nacht war die Hebamme gerufen worden. Zu Fuß hatte sie sich durch Schnee und Kälte gekämpft, um rechtzeitig da zu sein. Marie, eine von Mutters Schwestern, hielt sich zum „Abwarten“ bereit, hatte für heißes Wasser auf dem Holzherd gesorgt und saubere Wäsche bereitgelegt. Seit Willis Geburt waren fast sieben Jahre vergangen. Weil meine Eltern sich noch gut an die damaligen Worte des Arztes erinnerten, sahen sie dem Ereignis nicht ohne Bangen entgegen. Jetzt kam es zu einer komplizierten Entbindung, vor allem bei der Nachgeburt. Auch der Dorfarzt war am Ende seines Lateins.

Nachdem mein Bruder und ich am Morgen das Neugeborene bewundert hatten, wurde ich ins Dorf geschickt, um einen Schnuller zu besorgen. So stapfte ich gut zwanzig Minuten bergauf zum Krämer. Der Schnee knirschte nach der klaren, kalten Nacht unter meinen Füßen und mein Atem schien fast in der Luft hängen zu bleiben. Tausende von Schneeflocken glitzerten in der eben aufgegangenen Sonne. Der Krämer, ein liebenswürdiger älterer Mann, ließ sich gerne stören in seiner Sonntagsruhe. Er zeigte sich erfreut über die Neuigkeit, die ich ihm erzählte, und suchte im Lebensmittelladen unter dem Sortiment Kurzwaren nach dem Gefragten. Es dauerte nicht lange und ich rannte wieder bergab nach Hause. Dort herrschte trotz der Freude über die Geburt eine gedrückte Stimmung.

Einmal kniete Vater unverhofft neben mir nieder, nahm mich wortlos in die Arme und weinte herzzerbrechend. Es lag in der Luft, dass das Leben der Mutter an einem seidenen Faden hing. Schließlich mischte sich sogar noch das Militär ein, denn zwei oder drei Tage nach der Geburt lag auf dem Tablar in der Küche ein mit Kordeln verziertes Offiziers-Käppi. Ein Offizier, Frauenarzt von Beruf, war direkt von den Festlichkeiten gekommen, um sich um das Leben meiner Mutter und das Wohl der einheimischen Familie zu kümmern.

Kaum war er weg, erhielt ich den Auftrag, Eis zu besorgen. Das war leicht möglich, auch ohne Tiefkühlgerät. Mit einem kleinen Kessel und einem Hammer ausgerüstet, machte ich mich auf den Weg dem nahen Bach entlang. Nach mehreren hundert Metern fand ich, was ich gesucht hatte: einen zu Eis gefrorenen Zufluss des Allenbachs. Ich schlug die Eiszapfen herunter und trug sie im Kessel nach Hause. Die Kühlung half, Mutters Blutungen zu stillen.

Abschied für immer?

Die folgende Zeit war sehr kritisch und ungewiss. Eines Tages wurde ich zu Mutter ins Zimmer gerufen. Der Raum war leicht verdunkelt, auf dem Nachttischchen stand eine Azalee in voller Blüte. Es sollten wohl die Abschiedsworte meiner Mutter an ihre Tochter sein, verbunden mit einigen Anliegen und Ratschlägen. Das Bild steht mir noch deutlich vor Augen: Mutter lag bleich in den Kissen und fing mit leiser Stimme an zu sprechen: „Mein liebes Hildi … ich muss Abschied nehmen von dir … Ich bin mit meinen Kräften … am Ende und gehe nun … in den Himmel. Stell’ dich tapfer und … steh deinem Vater bei …, so gut du kannst … Die Tante … nimmt Fredi zu sich. Du kannst … ihr bei der Betreuung … helfen. Komm aber am … Abend zu Vater … und Willi nach Hause, damit … sie nicht so alleine sind.“ Mir wurde das Herz zu schwer. Ich brach in Tränen aus und rief immerzu: „Du darfst nicht sterben, Muetti, du darfst nicht sterben!“ Aus Rücksicht auf Mutter führte man mich aus dem Zimmer. Doch mein Entschluss stand fest: Ich würde noch viel mehr für meine Mutter beten! Sie selbst hatte doch so oft gesagt, dass man alle Dinge vor Gott bringen dürfe und ihm nichts unmöglich sei. Gott erhörte die Gebete. Nach Wochen und Monaten erholte sich meine Mutter langsam. Bis zum Sommer waren ihre Kräfte zum großen Teil wieder hergestellt.

Nomadenleben im Bärenschwand

Als das Heu endlich in der neu erbauten, geräumigeren Scheune in der Oey eingebracht war, konnte es losgehen. Die Eltern und wir Kinder freuten uns schon lange auf das Nomadenleben, das nun wieder vor uns lag. Mit Ferien konnten diese Wochen zwar nicht verglichen werden, doch es haftete ihnen etwas Abenteuerliches, Romantisches an. Mutter packte den Leiterwagen mit Decken, Kleidern, Kochausrüstung, Essgeschirr, Lebensmitteln und dem Nötigsten für das jüngste Familienmitglied, das gerade vier Monate zählte. Auch Fredi sollte in die Familientradition eingeweiht werden. In seiner zufriedenen, pflegeleichten Art war er ja kaum aus der Ruhe zu bringen. Unser Ziel war unsere Scheune im Bärenschwand. Da die beiden Kühe – später waren es drei – und das Kleinvieh den Sommer auf der Sillerenalp verbrachten, stand die Scheune leer. Das Gebäude mit einer Inschrift aus dem Jahre 1824 war von einem weiten, ebenen Landstück und dem hinter der Scheune ansteigenden Hügel umgeben. Auf gleicher Höhe und weiter oben standen einzelne Häuser, die nur zeitweise bewohnt waren. Nur in einem der Gebäude wohnte während des ganzen Jahres eine Familie. Im Frühling und Herbst diente das Land als Weide für das Vieh und musste im Sommer geheuet werden. Jetzt war der Stall gereinigt, mit Stroh belegt und mit Tüchern bezogen worden. Das sollte für die nächsten Wochen die Schlafstätte für die ganze Familie werden. Vater zog den Leiterwagen mit einer vollgestopften Hutte am Rücken. Wir Kinder trugen jedes sein Rucksäckli und Mutter folgte mit dem Jüngsten auf dem Arm. So ging es in gemäßigtem Tempo eine Stunde bergauf. In einer zweiten Fuhre kamen später die Hühner nach und alles, was wir noch vergessen hatten. Die Heuerwerkzeuge waren im Voraus hinauf gebracht worden. Oben angekommen, bestaunten wir die Berggipfel, die sich in ihrer ganzen Größe direkt vor unseren Augen ausbreiteten, das Albristhorn und das Gsür. Wenn wir uns umdrehten, sahen wir den Lohner und die Bonderspitze.

Hier oben war das Leben einfach. Gekocht wurde auf einer überdeckten Feuerstelle im Freien. Meist gab es Eintopfgerichte, womöglich mit einem Stück geräuchertem Speck oder gekochtem Schinken bereichert oder mit Eier und Käse als Ersatz. Das Jahr hindurch kam nur selten Fleisch auf den Tisch. Beim Heuen war jedoch kräftigere Nahrung angesagt.

Je nach Wetter blies der Wind den Rauch mitten ins Gesicht. Das führte zu feuchten Augen und Hustenanfällen. Frisches Wasser holten wir in Kesseln beim Brunnen. Elektrischen Strom gab es nicht. Die Windeln spülten wir entweder im kalten Wasser oder kochten sie in einem Topf aus.

In der Hauptsache kümmerte ich mich um den kleinen Fredi. Daneben half ich aber auch beim Heuen und Kochen. Säuglingsbetreuung unter diesen Umständen, wie soll man sich das vorstellen? Die Not machte mich erfinderisch. Einmal kam meine Mutter dazu, als ich mein Brüderchen gerade auf den harten Heustoppeln wickelte. Voller Entrüstung rief sie: „Was kommt dir denn hier in den Sinn, Hildi? Das darfst du nicht tun! Denk dir, die Haut ist in diesem Alter noch sehr empfindlich.“ Für das nächste Mal suchte und fand ich anstelle der fehlenden Wickelkommode eine weiche Unterlage für den zarten Po. Aber vielleicht hat meinem Bruder diese herzhafte Behandlung auch gar nicht geschadet.

Ob wohl unter diesen harten Bedingungen die Voraussetzungen für den späteren Gebirgsgrenadier und Skimarathonläufer gelegt wurden? Viele Jahre später zeigte Fredi, dass er es bei Zeiten gelernt hatte, auch schwierigste Umstände auszuhalten. Gemeinsam mit seinem Freund „Loch-Peter“ wagte er nämlich die Lohnerbesteigung im Winter, bei viel Schnee und eisigen Temperaturen. Ein waghalsiges Unternehmen, das noch lange für viel Gesprächsstoff in Adelboden sorgte.

Während der Wochen im Bärenschwand mussten wir uns jedenfalls immer wieder den Gegebenheiten anpassen und manches Mal schnell auf Unvorhergesehenes reagieren. Dazu brauchte es stets Offenheit für Neues, Fantasie und die Fähigkeit, zu improvisieren.

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