Kitabı oku: «Ohne Liebe - nichts», sayfa 2
|19| Gottes «Liebe» kommt erst spät
Das hebräische Wort für «lieben» (’ahab), das im Alten Testament über 200-mal verwendet wird, hat «ungefähr den Bedeutungsumfang wie im Deutschen» (Horst Seebaß, 129) – und dieser ist bekanntlich immens. Dass jedoch Gott sein Volk «liebt», ist in der biblischen Entstehungsgeschichte erstaunlicherweise eine verhältnismässig junge Aussage. Seine Liebe erweist sich vornehmlich in der Weise seines Tuns, auch ohne dass ein bestimmter Oberbegriff dafür gebraucht worden wäre; sie steckt in allen Werken Gottes. Das betreffende Stichwort brauchte es über viele Jahrhunderte nicht. «Die Liebe Gottes ist nach dem Zeugnis des Alten Testaments ganz und gar eine Tat, also nicht ein Gefühl, eine Gesinnung, Verhaltensweise und Einstellung Jahwes» (Karl Barth, 4/2, 863–864). Auf Menschen bezogen gilt Gottes Liebe allerdings fast immer einem Kollektiv: seinem Volk. Der Einzelne ist dabei Teil des Ganzen.
Einige markante Beispiele mögen dies verdeutlichen. In der biblischen Überlieferung ragt der folgende Appell besonders heraus: «Höre, Israel: Der HERR, unser Gott, ist der einzige HERR. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft» (Deuteronomium 6,4–5). Umgekehrt, vom Menschen aus betrachtet, sind Formulierungen wie «Ich liebe den HERRN» (Psalm 116,1) höchst selten. Es ist die Scheu, Gott in dieser sprachlichen Weise zu nahe zu treten, und darum werden lieber «der Name des HERRN», seine Gebote, sein Heil oder sein Heiligtum genannt. Die Liebe zum Mitmenschen gehört ebenso in den Bedeutungshorizont: «du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» (Leviticus 19,18), oder wie Martin Buber übersetzte: «… denn er ist wie du.» Und aus dem |20| Fundus der Lebensweisheit: «Besser ein Gericht von Gemüse mit Liebe, als ein gemästetes Rind mit Hass» (Sprüche 15,17).
Die Vokabel ’ahab hat im Alten Testament also noch längst nicht (wie dann später im Neuen Testament) den Rang eines charakteristischen Schlagwortes, das nicht nur das Verhältnis zu Gott, sondern alle Dimensionen verantwortlichen mitmenschlichen Verhaltens ausdrücken würde. Es bleibt in dieser Hinsicht ein gelegentlich fallender Ausdruck, dem die «Prominenz» noch fehlt.
Aus dem Aschenputtel agapē wird eine Königin
Bei der Übersetzung von ’ahab ins Griechische standen vor allem drei Wörter zur Verfügung: erōs (Verb: eraō), philia (Verb: phileō) und agapē (Verb: agapaō). eraō/erōs ist «das leidenschaftliche Lieben, das den andern für sich begehrt» (Ethelbert Stauffer, 34), und das nicht nur im «erotischen» Sinne, den es freilich auch einschliesst; erōs hat etwas Angreifendes, Energisches und für sich Beanspruchendes. Dagegen bezeichnet phileō/philia «zumeist die Neigung, die fürsorgliche Liebe […], nicht Trieb oder Rausch» (ebd., 36); es ist die zurückhaltende und aufs Gegenüber ausgerichtete Variante.
Die Übersetzer vom Hebräischen ins Griechische wählten nun aber auffälligerweise agapaō/agapē, das dritte und «blasseste griechische Verb für den Bedeutungsbereich ‹lieben›, das nur die wenig feste Bedeutung ‹sich mit etwas zufrieden geben› hatte» (Oda Wischmeyer, 1981, 25). Ein Wort ohne Pathos, ohne grosse Tradition, allerdings auch ohne grosse Vorbelastungen; immerhin wurde Eros in der Antike als Gottheit verehrt. «Während der Eros das Denken der Dichter und Philosophen von Homer bis Plotin immer |21| neu beschäftigt hat, ist agapaō kaum jemals zum Gegenstand grundsätzlicher Betrachtung geworden» (Ethelbert Stauffer, 34). Diese Entscheidung bedeutete, dass ein Wort vom Rand der Alltagssprache nun in den Mittelpunkt einer Religion gerückt wurde und eine ganz neue Bedeutungsfülle bekam. «Dies Verb wurde in LXX Träger des gesamten Spektrums der ‹Liebe›, von der Liebe der Geschlechter über die Verwandten- und Nächstenliebe bis zur Feindesliebe – soweit der profane Gebrauch –, darüber hinaus aber der Liebe Gottes zu Israel und der Erwiderung dieser Erwählungsliebe durch Israel in Liebe und Gehorsam» (Oda Wischmeyer, 1981, 25). So machten die griechisch denkenden Juden das Wort agapē zu einem theologischen Begriff – und das mit einer bis dato unbekannten Breite verwendete und jetzt enorm aufgewertete Wort wurde Teil ihrer Glaubenssprache. Aus dem Aschenputtel agapē wurde durch die LXX eine Königin.
So war es selbstverständlich, dass agapē/agapaō später auch ins Neue Testament gelangte, und zwar nicht nur an den vielen Stellen, in denen aus dem Alten Testament zitiert wird (etwa bei der herausragenden Frage nach dem höchsten Gebot, Matthäus 22,34–40). In den ersten drei Evangelien kommt das Nomen agapē (die Liebe) allerdings nie vor, sondern nur das Verb agapaō (lieben), und das spärlich. Einige Beispiele: «Liebt eure Feinde», sagt Jesus (Matthäus 5,44). «Wenn ihr die liebt, die euch lieben, was für ein Dank steht euch dann zu? Auch die Sünder lieben ja die, von denen sie geliebt werden» (Lukas 6,32). Die Feindesliebe wird damit zum Prüfstein der Liebesbereitschaft und -fähigkeit schlechthin. Über die Frau, die ihn mit kostbarem Öl salbt und die buchstäblich zu seinen Füssen weint, sagt Jesus: «Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig» (Lukas 7,47). Es fällt auf, dass agapaō hier fast |22| ausschliesslich in radikalen Forderungen oder provokativen Feststellungen begegnet. So kann es in Bezug auf die Entscheidung für Gott oder Mammon heissen: «Niemand kann zwei Herren dienen. Denn entweder wird er diesen hassen und jenen lieben, oder er wird sich an jenen halten und diesen verachten» (Matthäus 6,24). Generell muss man jedoch sagen, dass in den ersten drei Evangelien andere Begriffe im Vordergrund stehen: Wörter wie «Barmherzigkeit» (Musterbeispiel: der barmherzige Samariter, Lukas 10,25–37), «Vergebung» und «Versöhnlichkeit». Wie im Alten Testament wird hier «Liebe» nicht mit einem bestimmten Wort ausgedrückt, sondern die Vorstellung steckt in der Aktion, im Tun und im Lassen.
Demgegenüber findet sich im Johannesevangelium eine ganze Flut von Belegen des Verbs agapaō. Berühmt ist der Spitzensatz: «Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn gab» (Johannes 3,16). Mit Christus ändert sich die Lage der Welt; dies gilt ohne Zutun der Menschen, ist am Sohn ablesbar und wird nun durch ihn verkündigt. Nun gilt sowohl «Der Vater liebt den Sohn» (3,35) als auch das Umgekehrte (14,31). Den Jüngern wird gesagt: «Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.» Dies soll sogar ihr Kennzeichen werden: «Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr bei euch der Liebe Raum gebt» (13,34–35).
Diese Linie wird dann im 1. Johannesbrief fortgesetzt; dabei geht es nahezu immer um den unauflöslichen Zusammenhang zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu den «Brüdern», also zu den Glaubensgeschwistern innerhalb der Gemeinde. «Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, und er hasst seinen Bruder, […] kann [er] nicht Gott lieben» (1. Johannes 4,20). Immer wieder werden die Leser als «ihr Lieben» angesprochen, |23| nämlich als Geliebte Gottes. Sie haben Anteil an einer himmlischen Wirklichkeit, die sich zur Erde neigt. «Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt hätten, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühne für unsere Sünden. Ihr Lieben, wenn Gott uns so geliebt hat, sind auch wir verpflichtet, einander zu lieben» (4,10–11). So wird das Gebot der Liebe «in grossartiger Monotonie immer von neuem wiederholt und vor den Leser hingestellt», allerdings «kaum dass einmal die Forderung näher umschrieben wird» (Ethelbert Stauffer, 53). Es sind somit vor allem zwei, die im Neuen Testament Agape zum zentralen Thema machen und die hier – wenn auch auf ganz verschiedene Weise – weitergedacht haben: zum einen die johanneischen Schriften, zum andern Paulus, von dem nun zu reden ist.
agapē: Bei Paulus vom Anfang an ein Hauptwort
Der 1. Thessalonicherbrief des Paulus ist nicht nur der älteste von ihm erhaltene Brief, es ist auch die älteste Schrift im Neuen Testament. Es ist wohl geradezu programmatisch zu nennen, dass Paulus bereits ganz am Anfang das Schlüsselwort agapē braucht, und es fällt schon hier eingebettet in die später auch gegenüber den Korinthern gebrauchte Kurzformel «Glaube, Hoffnung, Liebe». Er erinnert sich nämlich dankbar «an euer Werk im Glauben [griechisch: pistis], eure Arbeit in der Liebe [agapē], eure Geduld in der Hoffnung [elpis] auf unseren Herrn Jesus Christus» (1. Thessalonicher 1,3). Dass Glaube aufs Äusserste verbunden ist mit der Agape – diese seine Überzeugung wird er von nun an immer wieder, bei den verschiedensten Gelegenheiten, in den unterschiedlichsten Tonlagen in Erinnerung rufen, ans Herz legen, einklagen oder schlicht und einfach feststellen. «Liebe als geistgeschenkte |24| Verhaltensweise gehört für Paulus von Anfang an zum Leben der Christen» (Oda Wischmeyer, 1991, 142). Kern und Ausgangspunkt ist dabei die «Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn»; von ihr «vermag uns [nichts] zu scheiden» (Römer 8,39). Gott «zeigt seine Liebe zu uns gerade dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren» (Römer 5,8). Er ist die Sonne, von der alles Licht ausgeht; Gottes Welt ist, was sie ist, einzig in seinem Licht. Von ihm geht alles aus, was Agape heissen darf; an ihm muss sich alles messen, was Agape heissen will.
Gott ist «der Gott der Liebe» (2. Korinther 13,11), freilich nicht in dem Sinne, wie bei den Griechen Eros der «Gott der Liebe» genannt wurde. Die Liebe ist hier kein Gott, sondern Gottes Wesen ist Liebe. Im Kommen Jesu Christi ist sie nicht nur demonstrativ da gewesen, sondern im mehrfachen Sinne des Wortes «eingetreten»: gekommen, in Kraft gesetzt und jetzt ein gültiger Zustand, in den alle eingeschlossen sind. Das ist für Paulus wie die Luft, die er atmet, und der Boden, auf dem er steht. Überall und ohne jede Ausnahme gilt diese Zuwendung Gottes; von hier aus ist darum alles zu sagen, was es zu sagen gibt, alles zu verkündigen, was es zu verkündigen gibt – und dann eben auch alles zu tun, was es zu tun gibt.
Bei der «Liebe» geht es also nicht um ein ethisches Programm oder eine emotionale Befindlichkeit, sondern um die Beschreibung eines durch Gott gegebenen Zustandes, den der Mensch vorfindet, den er selbst also nicht erst noch schaffen muss: «Gott liebt das Wesen, das ohne ihn gar nicht da wäre, das nur durch ihn ist» (Karl Barth, 3/1, 105) und nun durch Christus auch angenommen, versöhnt und berufen ist, dieser Liebe Gottes entsprechend zu leben. Das geschieht keineswegs automatisch, als wäre mit einem grossen |25| Glauben auch eine grosse Liebe gegeben; mit einem gewissen Quantum Christlichkeit ist demnach nicht auch schon die tätige Nächstenliebe in Kraft gesetzt – die Nächstenliebe ist «Frucht des Geistes» (Galater 5,22). So ist sie einerseits nicht abrufbar als antrainierte Haltung, sondern sie ist empfangene Gabe; andererseits ist sie ein Auftrag, an den immer wieder erinnert werden muss: «Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe» (1. Korinther 16,14). Nur das ist Glaube, wenn er «sich durch die Liebe als wirksam erweist» (Galater 5,6). Und «wenn ich allen Glauben habe, Berge zu versetzen, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts» (1. Korinther 13,2). Und das in einem universalen Sinn: «Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu. Des Gesetzes Erfüllung also ist die Liebe» (Römer 13,10).
Nicht zu vergessen ist dabei, dass Paulus dies in Briefen an Gemeinden schreibt; es sind keine Briefe an die Weltöffentlichkeit, die an ein allseits bekanntes Weltethos appellierten. Paulus kann von «Liebe» nicht sprechen, ohne sie gebunden zu sehen an Christus und an die ihm nachfolgende Gemeinde. «Agape ist für Paulus grundsätzlich die Lebensform innerhalb der christlichen Gemeinde und wird von ihm auch nur als solche entfaltet» (Oda Wischmeyer, 1991, 142). Damit ist jedoch keine Grenzziehung zur aussergemeindlichen «Welt» gemeint, sondern nur der direkte Ansprechpartner beschrieben. Wie die Agape Gottes in Christus universal ist, so kann sie auch im menschlichen Tun keine Schranken kennen; sie kann immer nur Abbild und Entsprechung sein. In diesem Sinne ist sie menschlicher Dienst, der auf Gottes Liebe antwortet und so «in tätiger Hingabe» dem Mitmenschen «als Gottes Zeuge» begegnet (Karl Barth, 4/2, 825). Mehr kann sie nicht sein, und weniger darf sie nicht sein. Damit ist sie «die einzig sachgemässe |26| und die einzig zukunftsstarke Haltung in dieser ganzen Entscheidungszeit zwischen Kreuz und telos [Ziel und Vollendung der Welt]. Sie steht im Zeichen des Kreuzes. Sie ist Willigkeit zum Dienst und Opfer, zum Vergeben und Rücksichtnehmen, zum Mittragen und Mitleiden, zur Aufrichtung der Gestürzten und zum Aufbau der Zerbrochenen in einer Gemeinschaft, die ihre ganze Existenz der Barmherzigkeit Gottes und dem Opfertod seines Christus verdankt» (Ethelbert Stauffer, 51).
Was Paulus als Agape bezeichnet, steht also zwischen zwei Polen: dem Woher und dem Wohin. Das Woher ist die in Christus erschienene Liebe Gottes, das Wohin ist das Reich Gottes, die Vollendung der Welt; aus beidem ergibt sich das Warum und Wie. «In der Liebe sind Glaube und Hoffnung tätig, und in der Liebe geschieht das Christliche der christlichen Liebestat. Darum ist die Liebe ‹die grösste von ihnen›. Sie ist das in der Gegenwart leuchtende künftige, ewige Licht. […] So ist sie das Kontinuum. […] So ist sie jetzt schon des Christen ewiges Tun. Darum besteht die Liebe» (Karl Barth, 4/2, 953). Und darum kann Paulus sagen: «Die Liebe kommt niemals zu Fall» (1. Korinther 13,8).
In keinem anderen Brief hat Paulus sich so grundsätzlich und so ausführlich zur Agape geäussert wie im 1. Korinther. Er hatte seine Gründe dafür, und wer diese kennt, liest das Kapitel 13 mit anderen Augen. Ernst Käsemann hat recht, wenn er sagt, dass es gerade in diesem Bibelkapitel allerhand zu «verlernen» gibt, um Neues zu lernen.
Auch hier ist ein Wort «in Bewegung»: Es ist damals von A (Paulus) nach B (Gemeinde in Korinth) gereist. Jetzt hat es seine Reise – über viele andere Stationen und Generationen, die vor der jetzigen waren – nach C fortgesetzt und steht, vor uns aufgeschlagen, da: Agape.
|27| III. Paulus schreibt nach Korinth
Paulus tritt uns entgegen als Briefschreiber. Was wir an direkter Kenntnis von ihm haben, stammt in ganz elementarem Sinne aus Wörtern «in Bewegung» – aus dem Briefverkehr zwischen ihm und verschiedenen Gemeinden, wobei uns allerdings weder deren mögliche Anfragen noch Antworten überliefert sind. Auf langen Reisen wurden die Schreiben von Gemeindegliedern transportiert, meist zu Fuss, teils per Schiff. Man besuchte sich, man schrieb sich, man wusste voneinander. In den Zusammenkünften wurden die Briefe verlesen und besprochen, danach auch weitergeleitet an andere Gemeinden.
«Meine geliebten Kinder»
Paulus kam in diesem Briefverkehr eine besondere Rolle zu: Er war der erste Apostel, der als Missionar den Schritt weit über das Land Israel und das Judentum hinaus tat. Auf seinen Missionsreisen – er soll Schätzungen zufolge im Laufe seines Lebens etwa 16 000 Kilometer zurückgelegt haben – gründete er etliche Gemeinden. Eine von ihnen war Korinth. Von etwa Anfang 50 bis Mitte 51 nach Christus hielt er sich in der Stadt auf, also anderthalb Jahre. Den 1. Korintherbrief schrieb er vier bis fünf Jahre später, im Frühjahr 54 oder 55, und zwar von Ephesus aus, wo ihn eine Dreierdelegation der Gemeinde besuchte, bestehend aus Stephanas, Fortunatus und Achaikus (vgl. 1. Korinther 16,17).
Zur Gemeinde hatte er ein ausgesprochen väterliches Verhältnis. Er nennt sie «meine geliebten Kinder» (z. B. 1. Korinther 4,14–15). Er sieht sich als den, der die Gemeinde «gepflanzt» und der «als kundiger Baumeister das Fundament gelegt» hat, korrigiert aber sofort wieder und tritt vor Gottes |28| Wirken zurück: Es zählt ja «weder der, der pflanzt, noch der, der bewässert, sondern Gott, der wachsen lässt»; und «ein anderes Fundament kann niemand legen als das, welches gelegt ist: Jesus Christus» (3,6–7.10–11). Die Gründung der Gemeinde ist also nicht sein Werk; er sieht sich «als Diener des Christus und als Verwalter der Geheimnisse Gottes» (4,1).
Der Kern dessen, was Paulus als «das Evangelium verkündigt» (1. Korinther 1,17; 15,1), ist, dass «Christus von den Toten auferweckt worden ist, als Erstling derer, die entschlafenen sind» (15,20); Christus hat sich gerade als «der Gekreuzigte» (1,23) erwiesen und als «Gottes Kraft und Gottes Weisheit» (1,24). Das hat universale Gültigkeit und gilt jedem Menschen: «Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus auch alle zum Leben erweckt werden» (15,22). Es ist eine neue Zeit, eine neue Zukunft angebrochen. In das Jetzt ragt hinein das Ziel der Zeit, das Ziel der Welt, «wenn er alle Herrschaft, alle Gewalt und Macht zunichte gemacht hat»; «als letzter Feind wird der Tod vernichtet» (15,24.26) – und mit diesem letzten auch der grösste Feind des Menschen, dem dieser als aus dem Garten Eden Vertriebener tagtäglich ins Auge sehen muss. Der «Stachel» (15,55–56), also das Schmerzhafte des Todes, ist, dass er auf die schärfste Weise zum Ausdruck bringt, dass wir von Gott getrennt sind. Das ist der innere Zusammenhang zwischen unserer Sterblichkeit und unserer Sündhaftigkeit, ebenso die allen Menschen eigene Adams-Natur.
Das «Wort vom Kreuz» wird in Korinth «angenommen»
Das «Wort vom Kreuz» (1. Korinther 1,18) ist für Paulus die Richtschnur nicht nur dafür gewesen, was zu verkündigen sei als Evangelium, sondern auch in der Art, wie es weiterzugeben |29| sei: Man könnte es «kreuzweise» nennen. «Ich kam in Schwachheit und mit Furcht und Zittern zu euch, und meine Rede und meine Verkündigung baute nicht auf kluge Überredungskunst» (2,3–4). Starpredigertum, geniale Rhetorik und glänzende Auftritte sieht Paulus im Widerspruch zum «Wort vom Kreuz». Schliesslich hat Paulus selbst nur «empfangen» (15,3), was er verkündigt. Und die in Korinth haben es «angenommen», «stehen in ihm fest» und sollen es nun auch in Zukunft «genau so festhalten, wie ich [Paulus] es euch verkündigt habe» (15,1–2).
Zu diesem «Annehmen» der Botschaft gehört die Taufe. Sie bedeutet «abgewaschen», «geheiligt» und «gerecht gemacht worden [sein] durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes» (6,11). Paulus betont, er selbst habe in Korinth nur wenige getauft: «[…] niemanden von euch […] ausser Krispus und Gaius – so kann niemand sagen, ihr wärt auf meinen Namen getauft worden. Das Haus des Stephanas habe ich zwar auch noch getauft, im Übrigen aber wüsste ich nicht, dass ich noch jemanden getauft hätte. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkündigen» (1,14–17). So sind sie in Korinth nicht vereinzelte Menschen, die für sich im Glauben sagen: «Herr ist Jesus!» (12,3), sondern es ist dort «die Gemeinde Gottes» aus «in Christus Jesus Geheiligten» und «zu Heiligen Berufenen» (1,2). Diese Christuswirklichkeit verbindet sie stärker als alle anderen kulturellen, sozialen und geschichtlichen Wirklichkeiten ihres bisherigen Lebens. «Denn durch einen Geist wurden wir ja alle in einen Leib hineingetauft» (12,13). Von diesem Geist (griechisch pneuma), in dem Christus in der Gemeinde lebendig ist, lebt die Gemeinde. Es ist «ein und derselbe Geist, der jedem auf besondere Weise zuteilt, wie er es will» (12,11).
|30| Genau dieses «Zuteilen» von Geistesgaben (griechisch charismata), die bei der Gemeinde in Korinth hoch im Kurs stehen, wird von Paulus kritisch beleuchtet. «Jene Gemeinde damals in Korinth war keine kümmerlich dahinvegetierende oder gar tote Gemeinde, sondern eine nach unsern Vorstellungen bis in die unerhört bewegte und leidenschaftliche Atmosphäre ihrer Gottesdienste hinein höchst lebendige Gemeinde mit ihren Gruppen der Gnostiker und Ekstatiker, mit den eindrucksvollen Erscheinungen von Zungenrede, mit der Bereitschaft zu wirklichen Opfern, ja zum Martyrium» (Günter Jacob, 103). Für Paulus bleiben noch einige Fragezeichen; die Weise, wie das Christentum in Korinth floriert, ist ihm unheimlich. Dieses «Unheimliche» sieht Paulus im Defizit an Agape, Liebe.
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