Kitabı oku: «Rettungskreuzer Ikarus 80: An den Horizont»
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Prolog
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Impressum
Eine Veröffentlichung des
Atlantis-Verlages, Stolberg
März 2021
Alle Rechte vorbehalten.
© Dirk van den Boom & Thorsten Pankau
Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin
Titelbild: Lothar Bauer
Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Endlektorat: André Piotrowski
ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-762-8
ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-775-8
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Prolog
Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …
Schweigend und in sich gekehrt, folgte Frasunlemart Tensoralur auf dem Weg zum Elayon. Der Sok ließ sich dabei Zeit. Ob das unbewusst geschah oder weil der andere ihn damit quälen wollte, indem er ihn seinen verzweifelten Gedanken überließ, wusste Frasunlemart nicht. Er konnte auch nicht darüber nachdenken. Die schrecklichen Bilder vom Tod Hadenberauts und Omsekaways standen ständig vor seinem inneren Auge.
Der alte Feind ist hart, doch er war nie grausam!, sagte er sich immer wieder. Nie hatte ihr Gegner einen Kesawain oder einen ihrer Vasallen nur um des Töten willens umgebracht. Der alte Feind verfolgte immer einen Zweck. Anders als den Kesawain waren ihm emotionale Gründe fremd. Zumindest hatte Frasunlemart das bislang geglaubt. Hadenberaut und Omsekaway zu ermorden, erschien ihm so … sinnlos! Es brachte dem Gegner keine Vorteile, er erreichte dadurch nichts, es diente einfach keinem Zweck. Warum also?
Tensoralur wusste, dass Frasunlemart hinter ihm war und dass der Kem durch die Ereignisse unter Schock stand. Aber er hatte kein Mitleid mit Frasunlemart. Dieser hatte sich selbst in die heikle Lage gebracht, weil er in seinem verzwickten und verrückten Plan, den alten Feind zu demütigen und ihn an das Elayon zu verfüttern, die Realität aus dem Blick verloren hatte.
Zugegeben, ich hätte den Kem warnen können, gestand er sich ein. Warum die Sok den anderen Kesawain verschwiegen hatten, wie viel sie über den alten Feind tatsächlich wussten, vermochte Tensoralur nicht genau zu sagen. Die Entscheidung war vom Rat getroffen worden und an diesen Beschluss mussten sich alle Sok halten. Die Wissenschaftler waren sich sehr wohl des Umstands bewusst, dass die Soldaten, so sie die Gelegenheit bekamen, die Sok ausschalten und von allen Schaltstellen der Macht im Imperium der Kesawain fernhalten würden. Vielleicht war das einer der Gründe, wenn auch nicht der Hauptgrund, weshalb die Sok nicht alles an Wissen preisgaben, was sie über den Gegner besaßen.
Für ihn selbst, Tensoralur, kam sicher noch seine persönliche Abneigung gegen Frasunlemart hinzu.
Er war vom Vorgehen des alten Feindes allerdings genauso überrascht wie der Kem, doch anders als dieser hatte Tensoralur zumindest die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen, dass ihr Gegner sich unerwartet zu verhalten mochte. Man durfte ihn nie unterschätzen. Auch die Sok wussten nicht alles über den alten Feind. Möglicherweise half ihm dieses erweiterte Wissen jedoch schneller über den Schock hinweg als dem Kem.
Doch letztlich verspürte Tensoralur nur leises Bedauern über den Tod Hadenberauts und Omsekaways. Auch wenn sie fern der Heimat waren, sie befanden sich im Krieg. Es war unausweichlich, dass ein Krieg Opfer forderte. Das war in der Heimat so, das war hier so. Letzten Endes trug Frasunlemart die Schuld, denn er hatte den alten Feind quasi eingeladen. Dass dieser, ohne sich zu wehren, in die gestellte Falle tappte … Das zu glauben, ja, auch nur in Betracht zu ziehen, grenzte an Wahnsinn.
Seit Frasunlemart ihnen eröffnet hatte, was er zu tun beabsichtigte, hatte Tensoralur die Geschehnisse beobachtet und analysiert. Er war zu dem Schluss gekommen, dass das Vorgehen des Kem einfach dumm war. Oder überheblich, was am Ende jedoch auf dasselbe hinauslief – und im Tod der beiden anderen endete.
Tensoralur hatte nicht die Absicht, denselben Fehler zu begehen. Der Feind war hier und sie mussten ihn daran hindern, dass er etwas gegen die Rückkehr in die Heimat unternahm. Im Grunde war Frasunlemarts Plan nicht einmal schlecht gewesen. Nur haperte es an der Umsetzung. Typisch Kem!
Darkwood stand neben Trooid und vermied jede verdächtige Bewegung. Nikosems Begleiter hielten die Waffen auf sie gerichtet. Für Darkwood stand außer Frage, dass die Strahler entsichert waren.
Die fast brutal zu nennende Vorgehensweise des Unbekannten, das den Droid beherrschte, hatte ihn überrascht. Natürlich, die Kesawain waren seine Feinde und zwischen ihnen herrschte Krieg, doch was versprach sich das Unbekannte – oder das Hier-ICH, wie es sich selbst nannte – vom Tod der beiden Kesawain?
Darkwood drehte den Kopf und sah durch die große Glasscheibe in den Saal, in dessen Mitte die schwarze Kugel des Elayon schwebte. Das Ziel der Begierde seines Begleiters. Über die nachtschwarze Oberfläche schienen gelegentlich Schlieren zu laufen, aber Darkwood hielt das für eine optische Täuschung. Das Schwarz war ohne jegliche Nuancen, sondern einfach nur … schwarz. Es gab keine Bewegung auf der Kugel.
Dann richtete er seinen Blick auf Nikosem. Frasunlemarts rechte Hand und Kommandant seines Schiffs, der Birolan, stand mit ausdrucksloser Miene da. Nichts an dem Mann verriet, was er über den Tod der beiden Kesawain dachte. Seine Waffe hielt er in der rechten Hand, doch der Arm war gesenkt. Gleichmütig, gelassen wartete er auf das, was weiter geschehen würde.
»Und jetzt?«, raunte er Trooid zu. »Da unten ist das Elayon. Wie geht es nun weiter?«
»Wir warten auf die beiden noch lebenden Kesawain«, gab der Droid zur Antwort. »Sie nähern sich und sind bald bei uns. Dann werden wir erfahren, wie es weitergeht.« Mit dem Kinn wies der Droid in Richtung der Glaswand, die sie vom Schwarzen Loch trennte. »Es ist bereit.«
Darkwood richtete seinen Blick erneut auf das Elayon. Was genau bedeutete bereit?
Nikosems Haltung versteifte sich und Darkwood drehte seinen Kopf in die Richtung, in die der Mann sah. Zwei Personen näherten sich. Die eine erkannte Darkwood sofort: Frasunlemart, immer noch in der Gestalt des Clanhändlers Axis Gambon.
Der andere Mann war Darkwood unbekannt. Groß, schlank, elegant gekleidet. Die Bewegungen und sein Gesichtsausdruck zeugten von einer großen Selbstsicherheit. Wenn Darkwood sich nicht irrte, war der Mann in einen Anzug gehüllt, dessen Schnitt und Farben gerade Mode im Gebiet des Commonwealth waren.
Die beiden Kesawain blieben ein paar Schritte vor ihnen stehen und Darkwood erwartete, dass Frasunlemart das Wort ergriff, doch es war der andere, der als Erster sprach.
»So treffen wir also endlich aufeinander.« Die Stimme war tief und durchaus angenehm.
Darkwood wusste, dass die Begrüßung nicht ihm galt, daher blieb er stumm.
»Ich bin Tensoralur und gehöre zu den Sok.« Auch das galt nicht ihm, sondern dem Unbekannten, das in Trooid steckte.
Doch dieser, der alte Feind der Kesawain, sagte nichts, wartete einfach reglos ab.
Darkwood musterte Frasunlemart.
Ihr Gastgeber zeigte eine ausdruckslose Miene. Lediglich sein Blick verriet etwas … Gehetztes. Jedenfalls schien er im Augenblick diesem Tensoralur das Reden zu überlassen.
Auf dessen Gesicht hatte sich ein arrogantes Lächeln geschlichen. »Nun, du wirst schon noch reden, wenn es so weit ist.« Er wandte sich Nikosem zu. »Die Bauteile sind bereit.« Eine Feststellung, keine Frage. »Gib deinen Leuten den Befehl, die Lager zu leeren und die Bauteile in die Tunnel zu bringen.«
Nikosems Blick suchte den Frasunlemarts.
Dessen einzige Reaktion bestand in einem knappen, kaum merklichen Nicken.
Die beiden sind keine Freunde, attestierte Darkwood. Es gibt Spannungen zwischen den Kesawain! Und Nikosem wusste darum, anders ließ sich sein fragender Blick an Frasunlemart nicht deuten. Der Kommandant der Birolan akzeptierte die Befehlsgewalt dieses Sok nicht uneingeschränkt. Ließ sich das eventuell ausnutzen?
»Was genau habt ihr mit den Menschen vor?«, wollte er wissen. »Es heißt immer, sie würden verfüttert. Was muss ich mir darunter vorstellen?«
Tensoralurs Blick richtete sich mit einem Ausdruck auf ihn, als würde der Kesawain den Menschen jetzt zum ersten Mal sehen. Oder ihn überhaupt wahrnehmen.
»Wir werden sie ins Elayon schicken«, erklärte der Kesawain.
Eine nichtssagende Erklärung, wie Darkwood fand, denn das hatte er sich bereits gedacht.
»Und warum?«
Der Sok lächelte, sagte jedoch nichts. Stattdessen wandte er sich an Kluxen, der vor wenigen Sekunden zu der Gruppe gekommen war. »Ist alles bereit?«
»Ja, Meister. Doch wie ich schon Meister Frasunlemart sagte, ich halte es noch für zu früh für einen Probelauf. Einen Tag, vielleicht auch zwei, dann …«
»Heute, Sinaïs, jetzt!«, unterbrach Tensoralur den Wissenschaftler kalt. »Und es wird kein Probelauf.« Die Augen des Sok richteten sich für einen Augenblick auf Trooid, dann sah er wieder Kluxen an. »Es ist alles hier, was wir brauchen. Wenn du versagt hast, wirst du der Erste sein, der es zu spüren bekommt.«
Kluxen war anzusehen, dass er erschrak. Aus seinem Blick sprachen Verärgerung und Widerwillen. Er öffnete den Mund, vielleicht um Tensoralur zu widersprechen, doch dann schloss er ihn wieder und kniff die Augen zusammen. Nach ein paar Augenblicken des Nachdenkens presste der Wissenschaftler hervor: »Es ist ein Fehler, Herr.«
Wirklich interessant!, dachte Darkwood. Natürlich wusste er viel zu wenig über die Kultur der Kesawain, um sich ein Urteil erlauben zu können. Dennoch hatte er das Gefühl, dass Tensoralur nicht nur von Nikosem abgelehnt wurde, sondern ebenso von Kluxen.
Sonja DiMersis Aufmerksamkeit galt den Bildschirmen und den Ortungsanzeigen. Die vier Raumschiffe waren unerwartet aufgetaucht. Selbst die Scanner hatten sie nicht entdeckt. Sehr wahrscheinlich hatten sie sich im Ortungsschatten des Planeten aufgehalten, als die Ikarus eingetroffen war. Jedenfalls hatte sie sie jetzt, nachdem die KI wieder frei war und eigenständig denken und arbeiten konnte, entdeckt. Da auch das Problem mit Thorpa für den Augenblick weniger drängend war, hatten sie und die KI Zeit und Gelegenheit, mehr über die Schiffe herauszufinden.
Drei der Schiffe waren ihr völlig unbekannt und auch die Datenbank der KI hatte nichts ausgespuckt. Die äußere Form der Raumfahrzeuge ließ auch keine Vermutung darüber zu, welches Volk die Raumfahrzeuge gebaut hatte. Als ob … jedes Schiff nach individuellen Vorstellungen konstruiert worden ist!
Das vierte Schiff jedoch hatte sie einwandfrei identifizieren können. Sie waren ihm schon einmal begegnet, vor einiger Zeit im System von Valeran. Es war größer als die Ikarus, etwa so groß wie ein Zerstörer des Freien Raumcorps. Es hatte damals den Rettungskreuzer angegriffen und ein Behälter, den die Ikarus von Irenean auf den Planeten hatte befördern sollen, war entwendet worden. Gehörte dieser Aorakis zu dem alten Feind, von dem das Unbekannte gesprochen hatte?
Für DiMersi stand außer Frage, dass man auf der anderen Seite die Anwesenheit der Ikarus ebenfalls registriert haben musste und den Rettungskreuzer beobachtete. Eine Annäherung mochte als feindseliger Akt ausgelegt werden, und wenn sie etwas gerade gar nicht brauchen konnte, dann war das eine bewaffnete Auseinandersetzung. Die die Ikarus zudem zweifellos verlieren würde.
Sie kannte die Wirkung der Bordwaffen, die dem Rettungskreuzer vor einiger Zeit eingebaut worden waren, doch der Scan der vier Raumschiffe hatte sie bislang zu der Überzeugung geführt, dass diese wesentlich besser bestückt waren. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Rettungskreuzer durch die ganzen Verbesserungen, die er offiziell oder inoffiziell erfahren hatte, den meisten Schiffen des Freien Raumcorps einiges voraus hatte. Zudem wusste sie aus eigener Erfahrung, dass zumindest das Schiff bei Valeran schneller als die Ikarus war. DiMersi würde also, sollte es hart auf hart kommen, mit dem Rettungskreuzer nicht einfach davonlaufen können.
Also beschränkte sie sich darauf, Abstand von den anderen Schiffen zu halten und so viel wie möglich über die vier Raumfahrzeuge herauszufinden.
Während die Scans liefen und die KI die Daten sammelte und auswertete, dachte sie darüber nach, welche Optionen sie besaß. Was sie überhaupt tun konnte.
Sollte sie nach Vortex Outpost zurückkehren, Old Sally alles beichten, ihr die Situation schildern und sie um Hilfe bitten? Das erschien ihr das Naheliegendste. Sie war allein im Orbit um einen unbekannten Planeten, in der Nähe von zweifelsohne schwer bewaffneten Schiffen, deren Absichten aller Voraussicht nach nicht freundlich waren, und hatte vier Todkranke an Bord. Sie war in jeder Hinsicht überfordert.
Unwillkürlich musste sie bei diesem Gedanken bitter auflachen. Thorpa und sein eingebildeter Test kamen ihr in den Sinn. Ja, die Situation überforderte sie, in dem Punkt hatte der Pentakka durchaus recht, auch wenn er diese Erkenntnis aus völlig irrationalen Gründen heraus gewonnen hatte. Doch andererseits wäre in ihren Augen jeder mit der aktuellen Lage überfordert gewesen, auch Roderick, selbst Old Sally. Doch die Chefin des Geheimdienstes des Freien Raumcorps hatte Mittel, Möglichkeiten und Ressourcen, die Sonja im Augenblick nicht zu Verfügung standen.
Diese Alternative war jene, die DiMersi am erfolgversprechendsten schien. Doch zugleich war es die Option, vor der sie am meisten zurückschreckte. Old Sally konnte in manchen Dingen sehr … eigen sein. Sie liebte es ganz und gar nicht, wenn man Geheimnisse vor ihr hatte. Sofern es überhaupt noch Geheimnisse sind!
Sie traute der Geheimdienstchefin durchaus zu, dass diese längst über die KI, deren Outsider-Komponente und alles andere Bescheid wusste, nur bislang geschwiegen hatte. Entweder weil sie einfach abwarten wollte, bis Sentenza ihr alles offenbarte, oder weil sie so lange warten wollte, bis sie sich dieses Wissen zunutze machen konnte. Um die Besatzung der Ikarus für irgendetwas einzuspannen, was diese unter normalen Umständen nicht tun würde. Erpressung war McLennane nicht fremd. Und Sentenza und seine Crew besaßen keine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte, die sie davor schützte, ebenfalls zum Opfer einer solchen Erpressung zu werden, wenn Old Sally sich etwas davon versprach.
Aber welche anderen Möglichkeiten hatte sie? Im Orbit bleiben und abwarten? Worauf? Wie lange? Wozu?
Sie konnte auch versuchen, sich mit dem Planeten in Verbindung zu setzen. Etwas fordern, um etwas bitten. Aber was? Und wozu? Sie würde nicht das Geringste damit erreichen. Vorausgesetzt sie würde überhaupt jemanden erreichen und dieser Jemand wäre bereit, sie anzuhören. Das Unbekannte hatte so gut wie nichts über die erzählt, die er den alten Feind nannte.
Je länger sie über alles nachdachte, desto deutlicher wurde ihr, dass Old Sally aufzusuchen das Einzige war, was zu einem Ergebnis führen würde. Wie immer das auch aussehen mochte.
Ein Stöhnen in ihrem Rücken ließ sie herumfahren.
Roderick!, dachte sie.
Tatsächlich hatte ihr Mann sich bewegt und die Augen geöffnet, doch sein Blick verriet ihr sofort, dass er nichts registrierte. Er war … wach, ja, aber nicht anwesend. Seine Augen starrten ins Leere.
Dennoch sah sie in seiner Reaktion eine Verbesserung, doch sie hütete sich, erleichtert zu sein.
Wieder entrang sich ein Stöhnen seiner Kehle, von weit weg und unbewusst.
Etwas hat sich verändert! Aber was?
Inständig hoffte sie, dass es noch weitere Veränderung im Zustand ihres Mannes gab, Veränderungen zum Besseren hin.
Für den Augenblick verschob sie ihre Absicht, die KI anzuweisen, den Orbit zu verlassen und Kurs auf Vortex Outpost zu nehmen. Noch konnte sie ein wenig abwarten.
War er gescheitert? Hatte er versagt? Unablässig beschäftigte sich Frasunlemart mit diesen Gedanken. Der Schock über den Tod der beiden anderen saß tief in ihm. Und das Wissen, dass Tensoralur seinen Nutzen aus allem zu ziehen schien, nagte an seinem Selbstbewusstsein. Sein Blick fiel auf Darkwood, dann auf Trooid.
In dir steckt also unser alter Feind!, dachte er beim Anblick des Droid. Nichts an der unbeweglichen Miene Trooids verriet, was dieser dachte. Doch das war nicht verwunderlich. Die Denkschemata des alten Feindes und die des Droid ähnelten sich. So wie die Struktur der Ikarus-KI und die des Feindes gewisse Übereinstimmungen aufwiesen. Sehr wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass sich der alte Gegner der Kesawain zuerst die KI und dann Trooid als Gastkörper gesucht hatte.
Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als Tensoralur mit erhobener Stimme auf Kluxen einsprach. »Du wagst es, mir zu widersprechen, Sinaïs? Du vergisst dich! Befolge meine Anweisungen umgehend!«
Frasunlemart lächelte innerlich. Der Sok hatte noch nie verstanden, wie man mit den Dienervölkern umging. Keiner seiner Art wusste das. Sein Blick richtete sich wieder auf Trooid. Wie mochte ihr alter Feind darüber denken? Vielleicht war die Uneinigkeit der Kesawain untereinander der Grund, dass sie in der Heimat bislang noch nicht den Sieg errungen hatten.
»Ich werde tun, was du verlangst, Herr, doch ich halte es für einen Fehler«, hörte er Kluxen sagen.
»Deine Meinung interessiert mich nicht«, lautete Tensoralurs herablassende Antwort.
Frasunlemarts Blick suchte Nikosem.
Der Dileson stand mit ausdruckslosem Gesicht bei seinen Leuten. Der Kem wusste, dass der Kommandant seines Schiffes ihm weit über das Maß der Beeinflussung hinaus treu ergeben war. Nikosem diente Frasunlemart nicht nur, weil er es musste und nicht anders konnte. Er diente dem Kesawain auch, weil er es wollte. Allerdings half das im Augenblick nicht weiter. Passiver Widerstand, so wie Kluxen ihn zeigte, war für gewöhnlich das Äußerste, was ein Diener aufbrachte. Denn gegen einen ihrer Herren vorzugehen, womöglich sogar sein Leben zu bedrohen, lag nicht in ihrer Natur. Obwohl es durchaus solche Vorfälle gegeben hatte, doch noch nie bei jenen, die im direkten Dienst eines Kesawain standen. Wer dafür auserwählt war, etwa als Besatzungsmitglied eines Kesawain-Schiffes, dessen Loyalität war mehrfach auf Herz und Nieren geprüft.
Das Unbekannte, das in Trooid steckte, verfolgte aufmerksam, was sich tat. Natürlich war ihm die Spannung zwischen Tensoralur auf der einen Seite und den Dienern seiner Feinde auf der anderen Seite nicht entgangen. Es wusste schon lange um die internen Konflikte und Streitigkeiten der Kesawain untereinander und hatte sie sich mehr als einmal zunutze gemacht. In der Heimat. Doch dort war die Situation eine ganz andere als hier.
Mehr und mehr spürte das Hier-ICH, wie es sich aufzulösen begann. Es blieb nicht mehr viel Zeit, bis es endgültig verging. Zu lange war es schon von Boomium getrennt. Es wusste, dass es die Dinge beschleunigen musste. In seinem eigenen Interesse, auch wenn es damit im ersten Moment den Kesawain in die Hände spielte.
Das Hier-ICH ließ den Droid-Körper einen Schritt nach vorn machen und trat vor den Sok. »Ich weiß, was du willst. Ich bin dazu bereit.«
Als Trooid nach vorn trat und Tensoralur ansprach, war Darkwood für einen Moment überrascht. Doch seine Überraschung währte nicht lang, dann fing er an, darüber nachzudenken, was das Unbekannte damit bezweckte. Er hatte einiges auf dem Weg von ihrer Zelle bis zu ihrer Gefangennahme erfahren, aber noch lange nicht genug, um sich ein genaues Bild machen zu können.
Allerdings war Darkwood sich über eines im Klaren: Was auch immer jetzt geschehen würde, es stand das Leben von Tausenden von Menschen auf dem Spiel. Er hatte keinesfalls die Absicht, deren Tod einfach tatenlos hinzunehmen. Auch nicht, wenn es seinen Tod bedeuten würde.
Sein Blick fiel auf das Schwarze Loch, das Elayon, hinter der Glasscheibe. Ohne dieses Monster würde der Plan, den die Kesawain geschmiedet hatten, nicht erfolgreich sein. Konnte er es zerstören? Oder wenigstens ausschalten?
Immer wieder wanderte DiMersis Blick zu ihrem Mann, doch außer einem gelegentlichen Stöhnen gab er keinen Laut von sich. Und seine Bewegungen wirkten fahrig, ziellos, unkoordiniert. Wie jemand, der sich im Schlaf bewegt! Vielleicht war es auch nichts anderes als ein Schlaf, trotz der geöffneten Augen, die sie anzusehen schienen, aber sie nicht wahrnahmen.
Ihre Hauptaufmerksamkeit galt jedoch vordringlich den vier Raumschiffen. DiMersi hatte die KI angewiesen, den Abstand zu den Schiffen konstant zu halten und so viel wie möglich über sie herauszufinden. So wusste sie inzwischen, dass die Raumfahrzeuge, was die Konstruktion anging, zwar nicht von Menschen erdacht worden waren, was hingegen die Baukomponenten betraf, konnten sie durchaus auf Werften der Menschheit gebaut worden sein. Vielleicht des Commonwealths oder des Multimperiums.
»Ich registriere Triebwerkstätigkeit«, meldete die KI unvermittelt.
DiMersi sah auf die Anzeigen.
Tatsächlich! Energieausbrüche, wie sie für laufende Antriebe typisch waren. Jedoch arbeiteten die Triebwerke der Schiffe nicht mit hoher Leistung, denn die Ausschläge waren minimal. Eher als ob …
Sie hob den Kopf und blickte auf den Bildschirm. Positionsveränderung!
Langsam, kaum merklich veränderten die Raumschiffe ihre Position zueinander. Bislang hatten sie zwar zusammen, aber in keiner festen Formation ihren Standort im Orbit gehalten. Das änderte sich jetzt und sie begannen, ein Quadrat zu bilden. Zumindest wenn Sonja die Zahlen und Koordinaten, die am Rand des Bildschirms entlangliefen, richtig deutete.
Ihre Vermutung wurde von der KI bestätigt. »Sie formieren sich in einem gleichseitigen Viereck. Abstände der Schiffe zueinander zehn Kilometer.« Und nach einer winzigen Pause: »Energieausstoß erhöht sich, doch es handelt sich nicht um Triebwerkstätigkeit. Möglicherweise Waffen.«
Aber daran glaubte DiMersi nicht. Wen sollten die Schiffe angreifen? Die Ikarus? Das hätten sie längst tun können, auch ohne erst diese Formation einzunehmen. Die Entfernung zwischen dem Rettungskreuzer und den vier Raumschiffen betrug etwa fünftausend Kilometer. Ein kurzer Beschleunigungsschub, und sie hätten diese Distanz überbrückt.
»Energieausstoß erhöht sich weiter.«
Sie sah genau hin, konnte aber keine Anzeichen entdecken, was mit der Energie geschah, die von den Raumfahrzeugen ausging.
»Was tut sich dort?«, fragte sie sich leise.
Die KI nahm diese Frage jedoch auf. »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es findet ein Energiefluss statt, der aber keine sichtbaren Auswirkungen hat.«
Ob sie ihre Vorsicht über Bord werfen und näher an die Schiffe herangehen sollte? Die konnten das allerdings als feindseligen Akt auslegen. Bislang schienen sie der Ikarus jedoch keine Aufmerksamkeit zu schenken, aber das würde sich sofort ändern, wenn der Rettungskreuzer ihnen zu nahe kommen sollte. DiMersi beschloss daher, den sicheren Abstand beizubehalten.
»Was macht Thorpa?«, fragte sie nach einer Weile. Sie hatte der KI aufgetragen, den Pentakka im Auge zu behalten, allerdings darauf verzichtet, ihn selbst über einen Monitor zu beobachten.
»Er sitzt regungslos in dem Raum, in den du ihn eingesperrt hast. In den vergangenen Stunden hat er sich so gut wie nicht bewegt. Seine Lebenszeichen sind jedoch gleichbleibend kräftig.«
Ob nun bei Thorpa die Apathie einsetzte, die die anderen schon sehr viel länger befallen hatte?
»Gib mir Bescheid, sobald sich etwas bei ihm verändert«, befahl sie.
»Bestätige.«
Sie warf noch einmal einen Blick auf den Bildschirm, der die vier Raumschiffe zeigte. Die Zahlen verrieten, dass der Energiefluss ständig an Stärke zunahm, mehr sich jedoch nicht tat. Sie stand auf.
»Und wenn sich bei den Schiffen etwas tut, will ich es ebenfalls wissen.«
»Bestätige.«
Es wurde Zeit, dass sie nach Weenderveen, Anande und An’ta sah. Viel konnte sie nicht tun, aber zumindest dafür sorgen, dass der Ingenieur und der Arzt Flüssigkeit und Nahrung zu sich nahmen. Wie ihr Mann auch taten sie das – wenn man es ihnen reichte und sie zum Essen und Trinken aufforderte. Von sich aus wären die Kranken nie auf den Gedanken gekommen, dergleichen zu tun.
Mit einem letzten Blick auf Sentenza verließ sie die Zentrale.
Thorpa saß in dem Raum, in den DiMersi ihn eingesperrt hatte. Apathisch, wie sie annahm, war er jedoch nicht. Die Krankheit zeigte bei ihm völlig andere Auswirkungen als bei denen, die zu den humanoiden Spezies gehörten. Körperlich war er zwar ruhig und regte sich kaum, seine Gedanken hingegen rasten.
Wie konnte er sich aus seiner Lage befreien?
Er hatte sehr schnell feststellen müssen, dass die Zugänge alle versperrt waren und er sie nicht öffnen konnte. Auch alle Geräte in dem Raum waren abgeschaltet. Wobei er es anfangs für sehr … seltsam gehalten hatte, dass Anande seine Unterkunft auf Vortex Outpost wie ein Intensivkrankenzimmer gestaltet hatte. Für den verwirrten Geist des Pentakka war das ein eindeutiges Zeichen gewesen, dass der Arzt der Ikarus ebenso wie DiMersi langsam, aber sicher Anzeichen für eine Psychose entwickelt hatte. Der lange Dienst auf dem Rettungskreuzer mit allen Gefahren und Ereignissen, die sie durchlebt hatten, hatte offensichtlich auch bei Anande seine Spuren hinterlassen.
Doch dann hatte sich etwas verändert. Irgendetwas … war geschehen.
Zuerst registrierte Thorpa es nicht bewusst, doch dann fing er langsam an zu begreifen, dass er nicht in der Unterkunft seines Freundes und nicht auf Vortex Outpost war, sondern in der Krankenstation der Ikarus. Genauer gesagt: Er bildete sich ein, dort zu sein.
Thorpa begann, sich selbst zu analysieren. Er fing an zu verstehen, dass er sich in den letzten Stunden abnormal verhalten hatte. Da er sich körperlich völlig gesund fühlte, konnte es nur eine Ursache geben: Er war ein Opfer der Krankheit geworden, die auch die anderen befallen hatte. Sie hatte dazu geführt, dass er einer Illusion nachhing, nämlich der, DiMersi einem Test zu unterziehen, der ihre Eignung als Besatzungsmitglied der Ikarus überprüfen sollte. Diesen Test hatten er und die Frau als Vorwand bei McLennane verwendet, um die Erlaubnis zu erhalten, mit dem Rettungskreuzer einen Flug nach Peinecke zu unternehmen.
Aber diesen Test gab es nicht. Nicht in Wirklichkeit und nicht einmal in der Theorie. Er war eine freie und reine Erfindung.
Er, Thorpa, war krank wie die anderen. Dass er sich langsam besser fühlte und seine Gedanken in die Vernunft zurückzukehren begannen, änderte daran nichts.
Die Frage war, warum das geschah. Was war passiert, dass sich sein Zustand verbesserte? Und würde dieser Fortschritt zum Guten anhalten?
Das wollte er herausfinden, ehe er versuchte, sich mit DiMersi in Verbindung zu setzen. Er wollte ihr keine falsche Hoffnung machen, dass es auch den anderen besser gehen könnte.
»Du bist also bereit zu sterben?« Tensoralurs Tonfall klang überheblich. »Du erkennst deine Niederlage an?«
»Ich erkenne gar nichts an, Kesawain«, gab das Unbekannte mit Trooids Stimme und Mund zurück. »Doch sag mir, was du von mir erwartest.«
Tensoralur lachte. »Es ist genau das, was ich von dir erwarte. Zu sterben.« Er zeigte auf das Elayon. »Dort! Deine Anwesenheit wird dem Elayon die nötige Stabilität verleihen.«
Für einen Moment keimte in Darkwood Hoffnung auf, dass die Menschen als Futter nicht mehr benötigt würden, doch die nächsten Worte Tensoralurs machten diese Hoffnung zunichte.
»Frasunlemart hat die Bauteile vorbereitet«, erklärte der Kesawain, »und sie sind auf dem Weg hierher. Sobald sie im Elayon aufgehen, wird die Verbindung etabliert. Wir werden das Loakeron aktivieren und den Tunnel in die Heimat öffnen. Doch der Kem ist dumm.«
Darkwood sah Frasunlemart bei diesen Worten zusammenzucken.
»Ja, wir werden die Heimat erreichen können. Deine Anwesenheit wird die Brücke noch mehr stärken und ich werde die temporalen Varianzen nach meinem Willen beeinflussen können.« Er lachte. »Ich werde unsere Rückkehr auf einen Zeitpunkt setzen, der kurz nach unserem Weggang liegt. So, als seien wir nie weg gewesen. Wir werden Zeit gewinnen!«
Nun meldete sich auch Frasunlemart zu Wort. Verärgerte Überraschung lag in seiner Stimme. »Du hast das alles so geplant, Sok«, stieß er hervor. »Du hast mich, Omsekaway und Hadenberaut getäuscht.«
»Ja.« Tensoralurs sagte es in einem Ton der Genugtuung, als er Frasunlemart ansah. »Im Gegensatz zu dir, Kem, bin ich nicht dumm. Denkst du, ich weiß nicht, was ein Sieg über unseren alten Feind für dich und deinesgleichen bedeuten würde? Der Krieg wäre zu Ende und ihr würdet uns Sok danach als überflüssig ansehen. Oder zumindest als bedeutungslos. Ihr würdet uns unterdrücken, vielleicht sogar versuchen, uns zu beseitigen. Und nachdem euch das gelungen wäre, würdet ihr euch den Gal zuwenden. Ihnen würde dasselbe Schicksal drohen. Euer Ziel ist es, eine Herrschaft des Militärs zu etablieren. Denkst du wirklich, dass uns diese Gedanken und Pläne deiner Kaste fremd sind? Jeder Sok ist mit diesen Gedankenspielen vertraut. Und daher arbeiten wir im Geheimen schon seit langer Zeit an einem Plan, der uns von den Kem und vielleicht auch von den Gal befreit.« Er richtete seinen Blick wieder auf Trooid. »Doch genug der Worte. Sinaïs, wie ist die Situation?«
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