Kitabı oku: «Die Burg von Otranto», sayfa 3
Als Manfred zuerst die Gallerie verließ, Isabellen nachzueilen, ging er grade in das Gemach seiner Gemahlin, wohin er glaubte, daß sich die Prinzessin zurückgezogen habe. Hippolite, die seinen Tritt kannte, erhob sich mit ängstlicher Sorgfalt, ihrem Gemahl zu begegnen, den sie seit dem Tode ihres Sohnes nicht gesehen hatte. Sie hätte sich, in einem Ausbruch der Freude und des Schmerzes, ihm an den Busen geworfen, aber hart stieß er sie von sich, und fragte: wo ist Isabelle? Isabelle, mein Fürst? rief die erstaunte Hippolite. Ja, Isabelle! sprach Manfred gebieterisch, Isabellen such ich. Gnädigster Herr, versetzte Matilde, die ihre Mutter durch diese Begegnung gekränkt sah, sie war nicht bey uns, seit Ihre Hoheit sie zu sich rufen ließen. Ich will wissen wo sie ist, sagte Manfred, nicht wo sie war. Mein theurer Manfred, erwiederte Hippolite, Ihre Tochter weiß nicht mehr zu sagen. Isabelle verließ uns auf Ihren Befehl, und ist nicht zurückgekehrt. Fassen Sie sich, mein edler Gemahl, begeben Sie sich zur Ruhe. Dieser unglückliche Tag hat Sie verstört. Isabelle soll morgen früh Ihre Befehle vernehmen. Sie wissen also wo sie ist? rief Manfred. Gestehn sie mirs! Ich will keinen Augenblick verlieren; und schicken sie mir auf der Stelle ihren Capellan. Isabelle, antwortete Hippolite ruhig, hat sich wie ich glaube in ihr Schlafgemach begeben: so spät pflegt sie niemals aufzubleiben. Mein Fürst, fuhr sie fort, seyn Sie gelassen. Sagen Sie mir, was Sie aufbringt. Hat Isabelle sie beleidigt? Quälen Sie mich nicht mit Fragen, versetzte Manfred, sondern sagen Sie mir wo sie ist? Matilde soll sie rufen, erwiederte die Fürstin. Setzen sie sich, rufen Sie Ihre gewohnte Standhaftigkeit zurück. Sind Sie denn eifersüchtig auf Isabelle, fragte er, daß Sie bey unsrer Unterredung zugegen seyn wollen? Lieber Himmel! sagte Hippolite, wie meint Ihre Hoheit das? Sie sollen es bald erfahren, antwortete der Fürst. Schicken Sie mir Ihren Capellan, und erwarten Sie hier Bescheid. Mit diesen Worten verließ er eilig das Zimmer, um Isabellen zu suchen. Die bestürzten Damen waren wie vom Donner gerührt, über die Heftigkeit seiner Ausdrücke und seines Benehmens, und verloren sich in eitle Muthmassungen über sein Vorhaben.
Jetzt kehrte Manfred aus dem Kreuzgange zurück, der Bauer war mit ihm, und wenige Diener, die er zwang ihm zu folgen. Er stieg die Treppe hinauf, ohne still zu stehn, bis er zu der Gallerie kam, an deren Thüre er Hippoliten und ihrem Capellan begegnete. Als Jago von Manfred entlassen war, ging er gerade ins Gemach der Fürstin, und schrie über das was er gesehen hatte. Diese vortrefliche Frau zweifelte, so wenig als Manfred, an der Wahrheit der Erscheinung, doch stellte sie sich, als hielte sie den Bedienten für einen Träumer. Nur wünschte sie, ihrem Gemahl jede neue Erschütterung zu ersparen, und da langer Gram sie gelehrt hatte, vor keiner Vermehrung desselben zu zittern, so beschloß sie das erste Opfer zu werden, wenn das Schicksal die gegenwärtige Stunde zu ihrer Vernichtung bestimmt hätte. Sie sandte daher die zögernde Matilde zur Ruhe, die vergebens um Erlaubniß bat ihre Mutter zu begleiten, und besuchte, einzig in Gesellschaft ihres Capellans, die Gallerie und das große Zimmer. Jetzt begegnete sie, mit mehr Heiterkeit der Seele, als ihr seit einigen Stunden zu Theil geworden war, ihrem Gemahl, und versicherte ihn, die Erscheinung des Riesenbeins und Fußes sey ein Mährchen; sey unstreitig ein bloßer Eindruck der Furcht, und der finstern unheimlichen Stunde der Nacht, auf das Gemüth seiner Bedienten. Sie und der Capellan hatten das Zimmer untersucht, und alles in gehöriger Ordnung gefunden.
Manfred, obwohl eben so überzeugt als seine Gemahlin, diese Erscheinung sey kein Werk der Einbildungskraft, erholte sich ein wenig von dem Sturm, womit so viel befremdende Auftritte seine Seele bekämpften. Auch schämt’ er sich, einer Fürstin so unmenschlich begegnet zu haben, die jede Beleidigung durch neue Beweise der Zärtlichkeit und Tugend erwiederte; und fühlte, daß rückkehrende Liebe sich in seine Augen dränge – aber nicht minder schämte er sich auch, derentwegen Gewissensbisse zu fühlen, der sein Gemüth eine viel herbere Schmach bereitete: darum unterdrückte er die Reue seines Herzens, und wagte nicht einmal, dem Mitleid Gehör zu geben. Bald ging seine Seele zu ausgesuchtem Frevel über. So sehr rechnete er auf Hippolitens unerschütterliche Nachgiebigkeit, daß er sich schmeicheln durfte, sie würde sich eine Scheidung nicht nur geduldig gefallen lassen, sondern wenn es sein Wille sey, ihm sogar darin gehorchen, daß sie selbst Isabellen beredete, ihm ihre Hand zu geben. In der Mitte dieser abscheulichen Hoffnung, fiel ihm ein, Isabelle sey nicht zu finden. Er erwachte aus seinen Ueberlegungen, befahl jeden Zugang der Burg strenge zu bewachen, und gebot seinen Dienern bey Lebensstrafe, niemanden herauszulassen. Mit dem jungen Bauer sprach er freundlich, befahl ihm in einer kleinen Kammer neben der Treppe zu bleiben, worin ein Ruhebett stand, und deren Schlüssel er zu sich steckte, indem er dem Jüngling sagte, er wolle morgen früh mit ihm reden. Darauf entließ er sein Gefolge, nickte Hippoliten eine kurze unwillige Bewegung des Hauptes zu, und begab sich auf sein Zimmer.
Zweiter Abschnitt
Matilde hatte sich auf Hippolitens Befehl in ihr Gemach verfügt, aber zur Ruhe war sie wenig aufgelegt. Ihres Bruders schreckliches Schicksal rührte sie tief. Sie war verwundert, Isabellen nicht zu sehn. Die seltsamen Reden ihres Vaters, dessen unverständliche Drohungen gegen seine fürstliche Gemahlin, und wütendes Betragen, erfüllten ihre sanfte Seele mit Schrecken und Besorgniß. Aengstlich wartete sie, daß Bianca zurück kommen mögte, ein junges Mädchen in ihren Diensten, das sie abgeschickt hatte, zu erfahren, wo Isabelle hingekommen sey. Bianca erschien bald, und berichtete ihrer Gebieterin, sie habe von den Bedienten vernommen, Isabelle sey nirgends zu finden. Sie erzählte das Abentheuer des jungen Bauren, den man im Kreuzgange entdeckt hatte, obgleich mit manchem einfältigen Zusatz, aus den unzusammenhängenden Berichten der Hausleute; und vornemlich hielt sie sich bey dem Riesenbein und Fuß auf, die man im Galleriezimmer gesehen hatte. Dieser letzte Umstand hatte Bianca so erschreckt, daß sie froh war, als Matilde ihr erklärte, sie wolle nicht schlafen gehen, sondern wachen bis die Fürstin aufstände.
Die junge Prinzessin quälte sich mit Vermuthungen über Isabellens Flucht, und Manfreds Drohungen gegen ihre Mutter. Was konnt’ er so nothwendig mit dem Capellan zu schaffen haben? Will er meines Bruders Leichnam in der Stille beysetzen lassen? O gnädiges Fräulein, ich errathe es, sagte Bianca. Sie sind seine Erbin geworden, jetzt kann er die Zeit nicht erwarten, Sie verheirathet zu wissen. Ihn hat immer nach mehr Söhnen gelüstet, jetzt gelüstet ihn nach Enkeln. So wahr ich lebe, gnädiges Fräulein, endlich seh’ ich Sie als Braut. Liebes gnädiges Fräulein, Sie werden doch Ihre getreue Bianca nicht verstoßen? Sie werden Donna Rosaura nicht über mich setzen, nun Sie eine große Fürstin sind? Arme Bianca, sagte Matilde, wie fliegen deine Gedanken! Ich, eine große Fürstin? Hat Manfreds Betragen, seit meines Bruders Tod, dir bewiesen, daß seine Zärtlichkeit gegen mich vermehrt sey? Nein, Bianca, sein Herz war mir von jeher entfremdet; aber er ist mein Vater, ich darf nicht klagen. Wenn der Himmel meines Vaters Herz gegen mich verschließt, so bezahlt er mein kleines Verdienst tausendfach, durch die Zärtlichkeit meiner Mutter. Meine theure Mutter! Ihrentwegen, Bianca, fühl’ ich Manfreds rauhe Gemüthsart. Seine Strenge gegen mich kann ich geduldig ertragen, aber es verwundet meine Seele, wenn ich Zeuge bin, wie ohne Ursach hart er gegen sie ist. O gnädiges Fräulein, sagte Bianca, alle Männer sind so gegen ihre Frauen, wenn sie ihrer satt sind! Und doch wünschtest du mir Glück,
erwiederte Matilde, weil du dir einbildetest, mein Vater werde mich vermählen? Sie müssen eine große Frau werden, versetzte Bianca, es mag kommen wie es will. Ich wünsche nicht, daß Sie in einem Kloster versauren, wie Sie werden, wenn man Ihnen Ihren Willen läßt, und Ihre gnädige Frau Mutter nicht dazu thut, die wohl weiß, daß ein schlechter Mann besser ist, als kein Mann. – Gott sey bey uns! was rührt sich da? Heiliger Niklas vergieb mir! Ich scherzte nur. Es ist der Wind, sprach Matilde, der durch die Zinnen des Thurmes seufzt. Du hast das tausendmal gehört. Ich habe ja auch nichts böses gesagt, erwiederte Bianca, es ist keine Sünde von Heirathen zu sprechen. Also gnädiges Fräulein, wie ich sagte, wenn ihr fürstlicher Vater Ihnen einen hübschen jungen Prinzen als Bräutigam vorstellt, werden Sie sich höflich verneigen, und sprechen, ich bitte lieber um den Schleyer? Dem Himmel sey Dank! in der Gefahr bin ich nicht, antwortete Matilde. Du weist, wie viel Bewerbungen um mich er ausgeschlagen hat. – Und dafür danken Sie ihm als eine gehorsame Tochter? danken Sie ihm, gnädiges Fräulein? Nehmen Sie nur einmal an, er schickte morgen nach Ihnen, im großen Audienzzimmer, und ihm zur Seite stände ein liebenswürdiger junger Prinz, mit großen schwarzen Augen, einer glatten weißen Stirn, und krausen männlichen Locken, wie Wasserstrahlen; kurz gnädiges Fräulein, ein junger Held, der so aussähe wie das Bild Alfonso des Guten in der Gallerie, vor dem Sie Stunden lang sitzen und es anstaunen. – Sprich nicht leichtsinnig von dem Bilde, unterbrach sie seufzend Matilde. Ich weiß, die Anbetung, mit der ich dies Gemälde betrachte, ist ungewöhnlich, aber in die bemalte Leinwand bin ich nicht verliebt. Die Tugenden dieses erhabenen Fürsten; die Ehrfurcht welche meine Mutter mir für sein Gedächtniß eingeflößt hat; dies Gebet, das sie mir, ich weiß nicht warum, befahl, an seinem Grabe abzulegen, alles trifft zusammen, mich zu bereden, daß mein Schicksal auf irgend eine Weise mit etwas, das ihm angehört, verbunden sey. Herr Gott! gnädiges Fräulein, wie könnte das zugehen? fragte Bianca. Ich habe immer gehört, Ihr Geschlecht sey dem seinigen nicht verwand; und, wahrhaftig, ich kann nicht begreifen, warum Ihre Hoheit die Fürstin, Ihre Gnaden an kalten Morgen oder feuchten Abenden an seinem Grabe beten läßt? Er ist doch kein Calenderheiliger? Wenn Sie beten sollen, warum wenden Sie sich nicht lieber an unsern heiligen Sankt Niklas? Ich weiß wohl, das ist der Heilige, den ich um einen Mann anrufe. Vielleicht wäre mein Gemüth wieder beruhigt, sagte Matilde, wenn meine Mutter mir ihre Ursache erklären wollte. Aber eben dies Geheimnißvolle ihrer Winke, erweckt das Gefühl in mir, das ich nicht zu nennen weiß. Da sie niemals nach Launen handelt, so bin ich gewiß, irgend ein verborgener Zusammenhang liegt darunter versteckt; ich bin davon überzeugt. In der heftigsten Qual ihres Schmerzes, über den Tod meines Bruders, ließ sie einige Worte fallen, die mich dessen versichern. – O liebes gnädiges Fräulein! rief Bianca, was waren das für Worte? Nein, sagte Matilde, einen Ausdruck der Mutter, den sie wieder zurück zu nehmen wünschte, darf ihr Kind nicht wiederholen. Ey, fragte Bianca, that es ihr leid, was sie gesagt hatte? Gnädiges Fräulein, mir können sie trauen! Mit meinen eignen kleinen Geheimnissen, wenn ich ihrer habe, kann ich das wohl, sprach Matilde, aber nie mit den Geheimnissen meiner Mutter. Eine Tochter muß weder Augen noch Ohren haben, als nach dem Willen ihrer Mutter. Nun gewiß, gnädiges Fräulein, rief Bianca, Sie sind zur Heiligen gebohren, und seinem Beruf kann niemand wiederstehn! Sie kommen doch noch am Ende ins Kloster. Fräulein Isabelle würde nicht so hinterm Berge gegen mich halten; sie hört gern, wenn ich ihr von jungen Herrn vorschwatze; und so oft ein schmucker Ritter ins Schloß kam, gestand sie mir, wie sehr sie wünsche, Junker Corrado mögte ihm ähnlich sehn. Bianca, sagte die Prinzessin, ich erlaube dir nicht, die Achtung gegen meine Freundin zu vergessen. Isabelle ist geneigt zum Scherzen, aber ihre Seele ist so rein, als die Tugend selbst. Sie weiß, welch ein Plaudermaul du bist, und hat dich vielleicht zuweilen zum Schwazen aufgemuntert, um sich der Schwermuth zu entreissen, und die Einsamkeit zu beleben, worin uns mein Vater hält. – Heilige Mutter! rief Bianca, und fuhr zusammen, da ist es wieder! Hören Sie nichts gnädiges Fräulein? Es spukt sicherlich in dieser Burg! – Still, sprach Matilde, und horch auf! ich glaube eine Stimme zu vernehmen. Aber es muß Einbildung seyn, deine Schreckhaftigkeit wird mich angesteckt haben. Warlich, warlich, gnädiges Fräulein, sagte Bianca, halbweinend vor Angst, ich habe gewiß eine Stimme gehört. Liegt jemand in der untern Kammer? fragte die Prinzessin. Das hat sich niemand unterstanden, antwortete Bianca, seit der große Sterndeuter, Ihres Bruders Hofmeister, sich ersäufte. Sicherlich, gnädiges Fräulein, besucht unsers jungen Prinzen Geist den seinigen in der Kammer unter uns. Ums Himmels willen, lassen Sie uns in das Gemach Ihrer gnädigen Mutter flüchten! Ich befehle dir, bleib, sprach Matilde. Sind dies leidende Geister, so müssen wir sie befragen, ob ihre Qualen zu lindern stehn? Sie können uns nicht schaden wollen, denn wir haben sie nicht beleidigt; und wollen sie schaden, so sind wir nicht mehr sicher in einem Zimmer, als in dem andern. Gieb mir meinen Rosenkranz; erst will ich beten, und dann zu ihnen reden. O! gnädiges Fräulein, rief Bianca, ich spräche nicht zu einem Geist, und wenn ich die ganze Welt dadurch gewönne! – Als sie dies sagte, hörten sie die Fensterrahmen der kleinen Kammer unter Matilden öffnen. Sie horchten wohl zu, und bald däuchte es ihnen, als vernähmen sie jemand singen, aber die Worte konnten sie nicht verstehn. Dies kann kein böser Geist seyn, sagte die Prinzessin leise: es ist ohne Zweifel jemand von unsern Leuten. Mach’ das Fenster auf, wir werden die Stimme kennen. Ich unterstehe michs nicht, gnädiges Fräulein, sagte Bianca. Du bist eine rechte Närrin, versetzte Matilde, und öfnete sanft das Fenster. Doch bemerkte die Person die unten war, das Geräusch welches die Prinzessin machte, und hielt ein. Sie schlossen daraus, man habe die Eröfnung des Geschosses bemerkt. Ist jemand unten? fragte die Prinzessin. Wer da ist, antworte! Ja, sagte eine unbekannte Stimme. Wer ist es? fragte Matilde. Ein Fremder, antwortete die Stimme. Welcher Fremde? fragte sie; und wer kann zu dieser ungewöhnlichen Stunde hieher kommen, wo alle Thore der Burg verschlossen sind? Ich bin nicht mit meinem Willen hieher gekommen, erwiederte die Stimme. Verzeihn Sie mir, Signora, wenn ich Ihre Ruhe gestört habe; ich wuste nicht, daß man mich vernehmen könnte. Mich flieht der Schlaf; und ich verließ mein rastloses Lager, ungeduldig aus dieser Burg entlassen zu werden, um die peinliche Zeit damit zu verbringen, daß ich dem schönen Morgen entgegen sähe. Ihre Sprache und Ihre Stimme, versetzte Matilde, haben einen Anstrich von Schwermuth. Sind Sie unglücklich, so bedaure ich Sie. Leiden Sie aus Armuth, so lassen Sie mich’s wissen. Ich will der Fürstin davon sagen, deren wohlthätige Seele gegen jede Noth empfindlich ist; sie wird Ihnen aufhelfen. Ich bin in der That unglücklich, sagte der Fremde, und kenne den Wohlstand nicht: aber ich klage das Loos nicht an, das der Himmel mir zutheilte. Ich bin jung und stark, und schäme mich nicht, für meinen Unterhalt zu arbeiten. Halten Sie mich nicht für so übermüthig, daß ich Ihr großmüthiges Anbieten verachten könne. Ich will Ihrer in meinem Gebet gedenken, und den Segen des Himmels für Sie, die Sie so gnädig sind, und für Ihre edle Gebieterin erflehen. Ich seufze, Signora, aber um andre, nicht um mich. Nun hab’ ichs, gnädiges Fräulein, zischelte Bianca der Prinzessin zu, dies ist sicherlich der Bauerjunge, und auf mein Gewissen! er ist verliebt. Das ist ein himmlisches Abentheuer! Liebes gnädiges Fräulein, lassen Sie uns ihn ausholen. Er kennt Ihre Gnaden nicht, er hält Sie für ein Kammerfräulein der Fürstin Hippolite. Schämst du dich nicht, Bianca? sagte die Prinzessin. Wer giebt mir das Recht, den Herzens Geheimnissen dieses jungen Mannes nachzuforschen? Er scheint rechtschaffen und aufrichtig, und sagt uns er sey unglücklich. Sollen diese Eigenschaften ihn uns Preis geben? Welchen Anspruch haben wir auf sein Vertrauen? Herr Gott! rief Bianca, wie wenig verstehn sich Ihre Gnaden auf Liebe? Ein Liebhaber hat ja keine größere Freude, als wenn er von seinem Herzens Schatz reden kann. Und mich willst du zur Vertrauten eines Bauren machen? fragte die Prinzessin. Wohl, so lassen Sie mich mit ihm reden, sagte Bianca. Obschon ich jetzt die Ehre habe, Ihrer Gnaden Ehrenfräulein zu seyn, so war ich nicht immer so vornehm. Zudem, wenn Liebe alle Stände gleich macht, so erhebt sie ja auch alle Stände. Ich habe Achtung für jeden jungen Mann, der verliebt ist. – Schweig, Gimpel! unterbrach sie die Prinzessin. Er nannte sich unglücklich. Folgt daraus, daß er verliebt sey? Bedenk’ was alles heute vorgefallen ist, und dann sprich, ob es kein ander Unglück giebt, als was von Liebe kommt. Fremdling, begann die Prinzessin von neuem, wenn Sie nicht unglücklich sind durch eigne Schuld, und die Fürstin Hippolite Ihnen helfen kann, so nehme ich es auf mich, dafür zu haften, daß ihr Schutz Ihnen nicht entstehn soll. Entläßt man Sie aus dieser Burg, so wenden Sie sich an den ehrwürdigen Vater Geronimo, in dem Kloster hart an der Kirche Sanct Nicola, und entdecken sich ihm so weit Sie gut finden. Er wird die Fürstin sicherlich davon unterrichten, die aller Hülflosen Mutter ist. Leben Sie wohl! Es ist nicht ziemlich, daß ich, zu dieser ungewöhnlichen Stunde, mich mit einem Mann länger unterhalte. Die Heiligen schützen Sie für diese Gnade, Signora! sagte der Bauer, aber o! wenn ein armer verdienstloser Fremdling, um einen Augenblick länger Gehör bitten dürfte, – darf er es wagen? – Sie schließen das Fenster nicht? – Bin ich so glücklich, daß Sie mirs gestatten? – Sprechen Sie kurz, versetzte Matilde, der Morgen dämmert schon heran; die Arbeiter dürfen nicht ihr Feld zu bestellen kommen, und uns gewahr werden. Was begehren Sie? – Ich weiß nicht wie, – ich weiß nicht ob ich darf, sagte der junge Fremde stammelnd, aber das Erbarmen Ihrer Worte giebt mir Herz. Darf ich Ihnen trauen, Signora? – Himmel! sprach Matilde, was meinen Sie? Was wollen Sie mir vertrauen? Was die Unschuld hören kann, dürfen Sie mir nicht verhehlen. Ich wollte fragen, sagte der Bauer, der sich gefaßt hatte, ob es wahr ist was ich von den Bedienten gehört habe, daß die Prinzessin in der Burg nicht zu finden sey? Was geht Sie das an? erwiederte Matilde. Ihre ersten Reden waren weiser und schicklicher. Sind Sie hergekommen, Fürsten Angelegenheiten auszuspähen? Ich habe mich in Ihnen geirrt. Leben Sie wohl. Mit diesen Worten schlug sie eilig das Fenster zu, ohne dem jungen Mann Zeit zur Antwort zu lassen. Ich hätte weißlicher gethan, sagte die Prinzessin etwas bitter gegen Bianca, dich mit dem Bauren reden zu lassen. Seine Fragsucht ist wie es scheint mit der deinigen aus einem Stück. Ich darf mit Ihren Gnaden nicht rechten, erwiederte Bianca, aber die Fragen die ich ihm vorgelegt haben würde, mögten leicht mehr zum Zweck geführt haben, als die welche Sie zu thun geruhten. O, sonder Zweifel! sprach Matilde, du bist ein schlauer Diebesfänger! Darf ich wissen, was du gefragt haben würdest? Wer in die Charten sieht, antwortete Bianca, begreift oft mehr vom Spiel, als wer sie hält. Glauben denn Ihr Gnaden etwa, er habe aus bloßer Neugier Fräulein Isabellen nachgefragt? Nein, nein, gnädiges Fräulein, da steckt mehr dahinter, als Sie vornehmen Leute sich einbilden. Lopez erzählt mir, alle Bedienten glauben, der junge Bursche habe Fräulein Isabellen fortgeholfen; nun bitte ich Sie zu bemerken, gnädiges Fräulein, wir beyde wissen ja wohl, daß Fräulein Isabelle niemals sonderliches Behagen an Ihrem hochseeligen Herrn Bruder fand, – gut, er ist gerade zur rechten Zeit aus der Welt gegangen, – ich klage niemanden an. Ein Helm fällt aus der Luft, so sagen Seine Hoheit, Ihr Herr Vater; aber Lopez und alle Bedienten sagen, dieser junge Springinsfeld sey ein Hexenmeister, und habe ihn dem steinernen Alfonso weggemaust. – Wirst du aufhören, ungereimtes Zeug zu reden? fragte Matilde. Sobald Ihre Gnaden befehlen, erwiederte Bianca. – Sonderbar aber bleibt es immer, daß Fräulein Isabelle noch an dem nemlichen Tage davon läuft, wo dieser junge Zauberer gerade am Eingang der Fallthüre gefunden wird – ich klage niemanden an – wenn unser gnädiger Junker aber mit rechten Dingen zu Tode gekommen ist, – Ich befehle dir, sagte Matilde, keinen Argwohn gegen den unbefleckten Ruf meiner Isabelle zu wagen. – Unbefleckt oder nicht unbefleckt, antwortete Bianca, fort ist sie, ein Fremder findet sich den niemand kennt, Sie selbst befragen ihn, er sagt er sey verliebt, oder unglücklich, das ist einerley – richtig, er sagt er sey unglücklich um andre; nun frag’ ich: wer ist unglücklich um andre? Antwort, der in andre verliebt ist. Und gleich darauf meint die unschuldige Seele: ob Fräulein Isabelle nicht zu finden sey? – Deine Bemerkungen, sprach Matilde, sind freylich nicht ganz ohne Grund. Isabellens Flucht setzt mich in Erstaunen. Des Fremden Neugier ist auffallend, doch hat Isabelle nie einen ihrer Gedanken mir verborgen. – Das gab sie vor, sagte Bianca, um Ihrer Gnaden Geheimnisse herauszulocken. Wer weiß, gnädiges Fräulein, ob dieser Fremde nicht irgend ein verkleideter Prinz ist? Lassen Sie mich das Fenster wieder öfnen, gnädiges Fräulein, ich will ich noch ein wenig vernehmen. Nein, erwiederte Matilde, ich frage mit einem Wort, ob er etwas von Isabellen weiß? einer längern Unterhaltung mit mir, ist er nicht werth. Schon wollte sie das Geschoß ihres Fensters eröfnen, als sie an dem Pförtchen der Burg schellen hörte, das dem Thurm, wo Mathildens Zimmer war, zur Rechten lag. Dies verhinderte die Prinzessin, den Fremden aufs neue anzureden.
Sie blieb eine Zeitlang schweigend, und wandte dann sich gegen Bianca: Ich bin überzeugt, Isabellens Flucht hat keine unwürdige Ursache. Nahm dieser Fremdling Theil daran, so muste sie seiner Treue und Rechtschaffenheit gewiß seyn. Bemerktest du nicht, Bianca, wie ich, daß seine Worte ein ungewöhnliches Gepräge von Frömmigkeit trugen? So spricht kein Missethäter. Seine Ausdrücke würden einem Manne von edler Geburt geziemen. Sagt’ ich nicht, gnädiges Fräulein, fragte Bianca, es sey sicherlich ein verkleideter Prinz? Wenn sie ihn aber zu ihrer Flucht gebrauchte, sagte Matilde, wie willst du das erklären, daß er sie nicht dabey begleitete? Warum setzt er sich ohne Noth und tollkühn, der Rache meines Vaters aus? O gnädiges Fräulein, erwiederte Bianca, ist er unter der Sturmhaube weggekommen, so wird er auch Wege finden, dem Zorn Ihres Herrn Vaters zu entgehn. Wer weiß, wie viel Talismane der in der Tasche hat? Du hilfst dir aus aller Noth mit Zaubermitteln, sprach Matilde: wer sich aber mit höllischen Geistern abgiebt, darf die gottgesegneten Namen nicht aussprechen, wie er that. Hörtest du nicht, wie andächtig er gelobte, meiner im Gebet an die Heiligen des Himmels zu denken? Isabelle war unstreitig von seiner Gottesfurcht überzeugt. Verlassen Sie sich auf die Gottesfurcht eines jungen Burschen, und eines Fräuleins, die mit einander entlaufen wollen! rief Bianca. Nein, nein, gnädiges Fräulein, Donna Isabelle ist aus ganz anderm Thon geformt, als Sie sich einbilden. In Ihrer Gesellschaft konnte sie freylich seufzen und die Augen verdrehen, weil sie weiß, Sie sind eine Heilige, aber sobald Sie den Rücken drehten – Du thust ihr Unrecht, sprach Matilde, Isabelle ist keine Heuchlerin. Es fehlt ihr nicht an Frömmigkeit, aber nie prahlte sie mit einem Beruf, den sie nicht empfand. Im Gegentheil bestritt sie immer meine Neigung für das Kloster. Und obschon ich bekenne, daß mich das Geheimniß das sie mir aus ihrer Flucht machte, in Verlegenheit setzt; obwohl es scheint, als bestehe das nicht mit unsrer Freundschaft; so kann ich doch den uneigennützigen Eifer nicht vergessen, mit dem sie mich immer abhielt, den Schleyer zu ergreifen. Sie wünschte mich verheyrathet zu sehn, wenn gleich mein Leibgedinge, für ihre und meines Bruders Kinder, ein Verlust gewesen wäre. Ihrentwegen will ich gut von diesem jungen Bauren denken. Ihre Gnaden glauben also, es könne wohl einige Liebe unter ihnen Statt finden? fragte Bianca. Indem trat ein Bedienter eilig in das Zimmer, der Prinzessin zu melden, daß Fräulein Isabelle gefunden sey. Wo? fragte Matilde. Sie hat sich in die Kirche Sanct Nicola geflüchtet, antwortete der Bediente. Vater Geronimo hat die Nachricht selbst überbracht; er ist unten bey Seiner Hoheit. Wo ist meine Mutter? sagte Matilde. In ihrem Zimmer, sie fragt nach Ihren Gnaden.
Manfred war mit Tages Anbruch aufgestanden, und in Hippolitens Gemach gegangen, um zu erforschen, ob sie etwas von Isabellen wisse. Während er sie ausfragte, benachrichtigte man ihn, daß Geronimo ihn zu sprechen verlange. Manfred ließ sich von der Ursache nichts träumen, die den Mönch herbrachte. Er wuste, daß ihn Hippolite als ihren Almosenier gebrauchte, und befahl ihm hereinzukommen, weil er beyde zusammen lassen wollte, um indessen seine Nachforschungen nach Isabellen fortzusetzen. Gilt Ihr Besuch mir oder der Fürstin? fragte Manfred. Beiden, antwortete der ehrwürdige Mann. Fräulein Isabelle – Was wissen Sie von ihr? unterbrach ihn Manfred eifrig – Sie steht am Altar Sankt Nicola, erwiederte Geronimo. Das geht meine Gemahlin nicht an, sprach Manfred bestürzt; folgen Sie mir in mein Zimmer, Vater, und belehren Sie mich, wie sie dorthin gekommen ist? Nein, gnädiger Herr, antwortete der gute Alte, mit einem Ausdruck von Festigkeit und Ansehn, das selbst dem entschlossenen Manfred Einhalt that, der nicht umhin konnte, Geronimo’s Heiligen gleiche Tugenden zu verehren: mein Auftrag geht Sie beyde an, und Ihre Hoheit werden mir erlauben, ihn in Ihrer beyder Gegenwart auszurichten. Erst aber, gnädiger Herr, muß ich die Fürstin fragen, ob ihr die Ursache von Fräulein Isabellens Entfernung aus der Burg bekannt ist? – Nein, auf meine Seele, sprach Hippolite. Beschuldigt mich Isabelle, daß ich darum gewußt habe? – Vater, unterbrach sie Manfred, ich hege alle schuldige Ehrerbietung gegen Ihren heiligen Stand; aber hier bin ich Herr, und werde nie zugeben, daß sich ein pfäffischer Unterhändler in meine häußlichen Angelegenheiten mische. Haben Sie etwas zu bestellen, so folgen Sie mir auf mein Zimmer. Ich bin nicht gewohnt, meine Gemahlin um geheime Staatsgeschäfte wissen zu lassen. Darum hat sich keine Frau zu bekümmern. Gnädiger Herr, antwortete der ehrwürdige Mann, ich dränge mich nie zu Familiengeheimnissen. Mein Amt ist Frieden zu verbreiten, Zwiespalt zu heilen, Buße zu predigen, und den Menschen zu lehren, daß er seine ungezähmten Leidenschaften bändige. Ich verzeihe Ihrer Hoheit, daß Sie mich so unfreundlich angeredet haben, ich weiß meine Schuldigkeit, und bin der Diener eines mächtigern Herrn als Manfred. Hören Sie, was der zu Ihnen spricht, durch meinen Mund. Manfred bebte vor Wuth und Schaam. Auf Hippolitens Antlitz lag Erstaunen und Ungeduld, zu erfahren wo dies hinauslaufen würde, und ihr Stillschweigen bewies deutlich, wie gehorsam sie gegen Manfred sey. Fräulein Isabelle, hub Geronimo wieder an, empfiehlt sich Ihren Hoheiten beiderseits; beiden dankt sie für die Liebe, die Sie ihr in dieser Burg erwiesen haben. Sie beklagt den Verlust Ihres Sohnes, und ihr eignes Unglück, daß sie nun nicht die Tochter so weiser und edler Fürsten wird, die sie immer als Eltern verehren will; sie betet, daß Ihre Eintracht und Glückseligkeit untereinander nie unterbrochen werde. (Manfred veränderte die Farbe) Da es ihr nun aber nicht länger möglich ist, Ihnen anzugehören, so ersucht sie um Ihre Einwilligung, daß sie an heiliger Stäte bleiben möge, bis sie Nachricht von ihrem Vater bekommen kann, oder durch die Gewißheit seines Todes, die Freyheit erhält, mit Einwilligung ihrer Vormünder, eine schickliche Heirath für sich zu treffen. Diese Einwilligung geb’ ich niemals, sagte der Fürst; ich bestehe darauf, daß sie ohne Verzug in die Burg zurück kehre: ich muß ihren Vormündern für sie stehn, und werde sie in niemandes Gewahrsam dulden, als in der meinigen. Ihre Hoheit geruhen sich zu erinnern, versetzte der Mönch, ob das mit einigem Anstande hinführo geschehen kann? Ich brauche keinen Hofmeister, sagte Manfred erröthend. Isabellens Betragen giebt zu seltsamen Argwohn Anlaß, und der junge Bube, wenigstens ein Mitschuldiger ihrer Flucht, wo nicht deren Ursach – Deren Ursach? unterbrach ihn Geronimo. War ein junger Mann deren Ursach? Ich ertrag’ es nicht länger! rief Manfred. Darf ein unverschämter Pfaff, mir in meinem eignen Pallast Trotz bieten? Ich wette, Sie sind der Vertraute ihrer Liebeshändel. Wäre Ihre Hoheit nicht in Ihrem Gewissen überzeugt, sprach Geronimo, wie ungerecht Sie mich anklagen, so würd’ ich zum Himmel beten, daß er Ihren lieblosen Verdacht aufkläre. Jetzt bete ich zum Himmel, daß er diese Lieblosigkeit vergebe. Und Ihre Hoheit beschwöre ich, die Prinzessin friedlich an der heiligen Stäte zu lassen, wo sie der Störung nicht ausgesetzt ist, so eitles und weltliches Geschwätz anhören zu müssen, als die Liebeserklärungen eines Mannes sind. Predige mir nicht, sprach Manfred, sondern geh, und führe die Prinzessin zu ihrer Pflicht zurück. Es ist meine Pflicht, antwortete Geronimo, mich ihrer Rückkehr hieher zu widersetzen. Wo sie ist, sind Waisen und Jungfrauen am besten verwahrt, vor den Schlingen und Tücken dieser Welt; und keine Macht, als die eines Vaters, soll sie von dort hinwegnehmen. Ich bin ihr Vater, schrie Manfred, und fordre sie! Sie wünschte Ihre Hoheit zum Vater zu haben, erwiederte der Mönch, aber der Himmel, der dieses Band untersagte, hat jede Verbindung unter Ihnen auf ewig zerrissen, und ich erkläre Ihnen, gnädiger Herr – Halt ein, Verwegner, unterbrach ihn Manfred, und fürchte meinen Zorn! Ehrwürdiger Vater, sprach Hippolite, es ist Ihr Amt, niemands zu schonen. Sie reden nach Ihrer Pflicht. Meine Pflicht aber ist es, nichts zu hören, als was mein Gemahl will, daß ich hören soll. Folgen Sie dem Fürsten auf sein Zimmer. Ich will mich im Gebet nieder werfen, und die hochgebenedeyte Jungfrau anrufen, Sie mit ihrem heiligen Rath zu erfüllen, und dem Herzen meines gütigen Gebieters, seinen gewohnten Frieden und Sanftmuth wieder zu geben. Gott segne Ihre Hoheit, antwortete der Mönch. – Gnädiger Herr, ich folge Ihnen, wohin Sie befehlen.