Kitabı oku: «Die Burg von Otranto», sayfa 5
Dritter Abschnitt
Bange Ahndungen durchschauerten Manfreds Seele, als er den Federbusch der wundersamen Sturmhaube, bey dem Schall der ehernen Drommete erbeben sah. Vater, sprach er zu Geronimo, den er nicht länger als Grafen Falconara behandelte, was bedeuten diese Schreckenszeichen? Hab’ ich gesündigt – Die Federn bewegten sich heftiger als zuvor. Ich bin verloren! rief Manfred. Ehrwürdiger Vater, unterstützen Sie mich mit Ihrem Gebet. Gnädiger Herr, antwortete Geronimo, der Himmel ist ohne Zweifel aufgebracht, daß Sie seiner Diener spotten. Unterwerfen Sie sich der Kirche, und hören Sie auf, ihre Gesandten zu verfolgen. Entlassen Sie diesen unschuldigen Jüngling. Lernen Sie meinen heiligen Stand achten. Sie sehn, der Himmel läßt nicht mit sich scherzen. Ich erkenne meine Uebereilung, sprach Manfred. Vater, gehn Sie an das Pförtchen, und fragen Sie, wer vor dem Thor ist. Versprechen Sie mir Theodors Leben? versetzte der Mönch. Ich versprech’ es, antwortete Manfred, aber fragen Sie, wer draußen ist? Geronimo fiel um den Hals seines Sohnes, eine Thränenflut entströmte der Fülle seines Herzens. Sie versprachen mir an das Thor zu gehn, sagte Manfred. Ich dachte, erwiederte der Mönch, Ihre Hoheit würden mir verzeihen, daß ich Ihnen zuvor, durch den Zoll meines Herzens, dankte. Gehn Sie, theurer Vater, sagte Theodor, gehorchen Sie dem Fürsten. Ich verdiene nicht, daß Sie meinentwegen sein Verlangen verzögern.
Geronimo erhielt auf seine Frage: wer draußen sey? zur Antwort, ein Herold. Von wem? fragte er weiter. Von dem Ritter des Riesensäbels, sprach der Herold; zu dem muß ich reden, der unrechtmäßig Otranto besitzt. Geronimo kam zu dem Fürsten zurück, und unterließ nicht, ihm die Bothschaft in den Ausdrücken, wie er sie empfangen hatte, auszurichten. Die ersten Worte fielen Manfred fürchterlich auf, aber der Vorwurf des unrechtmässigen Besitzes, fachte seine Wuth wieder an, und belebte seinen Muth aufs neue. Unrechtmäßig! rief er – wer ist der Unverschämte, der meine Rechte anfechten darf? Gehn Sie Vater, dies ist keine Mönchsarbeit, ich selbst will mich dem Uebermüthigen entgegen stellen. Gehn Sie in Ihr Kloster, und bereiten sich, mir die Prinzessin zurück zu schicken. Ihr Sohn bleibt hier, als Geisel Ihrer Treue. Von Ihren Gehorsam hängt sein Leben ab. Guter Gott! gnädiger Herr! rief Geronimo, vor einem Augenblick vergaben Ihre Hoheit meinen Sohn unbedingt: haben Sie sobald der Zeichen des Himmels vergessen? Der Himmel, erwiederte Manfred, sendet keinen Herold, die Rechte eines gesetzmäßigen Fürsten in Anspruch zu nehmen. Ich zweifle sogar, ob er einem Klosterbruder aufträgt, seinen Willen kund zu thun; aber das ist Ihre Sache, nicht die meinige. Jetzt wissen Sie meinen Willen, und bringen Sie mir die Prinzessin nicht zurück, so rettet kein vorlauter Herold Ihren Sohn. Vergeblich versuchte der ehrwürdige Greis, etwas hierauf zu erwiedern. Manfred ließ ihn zum hintern Thor geleiten, und von der Burg ausschließen. Einigen seiner Bedienten befahl er, Theodoren in das obere Geschoß des schwarzen Thurms zu führen, und strenge zu bewachen. Kaum erlaubte er, daß sich Vater und Sohn beym Abschied umarmen durften. Dann begab er sich in die Halle, setzte sich nieder in fürstlichem Staat, und befahl, daß man den Herold vorführe.
Nun, Plaudermaul! sagte Manfred, was willst du von mir? Ich komme, erwiederte der Herold, zu Manfred, dem unrechtmässigen Besitzer des Fürstenthums Otranto, von Seiten des berühmten unüberwindlichen Ritters, Ritters vom Riesensäbel; im Namen seines Herrn, Friedrichs Markgrafen von Vicenza: er fordert die Prinzessin Isabelle, Tochter dieses Fürsten, deren du dich niederträchtiger und verrätherischer Weise bemächtigt hast, da du ihre treulosen Vormünder, in seiner Abwesenheit, bestachst; er fordert, daß du das Fürstenthum Otranto aufgebest, das du besagtem Fürsten Friedrich, dem nächsten Blutsverwandten seines letzten rechtmäßigen Besitzers, Alfonso des Guten, widerrechtlicher Weise vorenthältst. Thust du diesen gerechten Ansprüchen nicht augenblicklich Genüge, so fordert er dich auf zum Zweykampf, bis auf den letzten Tropfen deines Bluts. So sprach der Herold, und warf seinen Stab vor ihm hin.
Wo ist der Prahlhans, der dich sendet? fragte Manfred. Eine Stunde von hier, antwortete der Herold; er kommt, seines Herrn Forderungen gegen dich zu behaupten, so wahr er ein rechtschaffener Ritter ist, du aber ein unrechtmässiger Besitzer und Räuber. So beleidigend diese Herausforderung war, überlegte Manfred doch, daß es nicht gut für ihn sey, den Markgrafen zu reizen. Er wuste, wie wohl gegründet Friedrichs Ansprüche waren, und hatte nicht erst jetzt das erste Wort davon gehört. Seit Alfonso der Gute, ohne Nachkommenschaft gestorben war, hatten Friedrichs Vorfahren den Titel, Fürsten von Otranto, angenommen. Nur waren Manfred, sein Vater, und Großvater zu mächtig gewesen, als daß das Haus von Vicenza sie aus dem Besitz hätte vertreiben können. Friedrich, ein tapfrer und verliebter junger Fürst, heirathete eine schöne junge Prinzessin, die er herzlich liebte. Sie starb im Kindbett mit Isabellen. Ihr Tod rührte ihn so sehr, daß er das Kreutz nahm, und ins gelobte Land ging, wo er in einem Treffen gegen die Ungläubigen verwundet, gefangen, und tod gesagt ward. Als diese Post zu Manfreds Ohren kam, bestach er die Vormünder der Donna Isabella, sie ihm, als Braut seines Sohnes Corrado, in die Hände zu liefern. Durch diese Verbindung nahm er sich vor, die Ansprüche beyder Häuser zu vereinigen. Dieser Bewegungsgrund hatte, da Corrado starb, seinen schleunigen Entschluß hervorgebracht, sie selbst zu heirathen; und eben diese Betrachtung bestimmte ihn jetzt, zu versuchen, ob er nicht Friedrichs Einwilligung zu dieser Heyrath erhalten könne. Eben diese Absicht gab ihm den Gedanken ein, Friedrichs Ritter in die Burg zu laden, damit er Isabellens Flucht nicht erführe, deren, gegen jemand aus des Ritters Gefolge, zu erwähnen, er seinen Hausleuten strenge verbot.
Herold, sprach Manfred, sobald seine Ueberlegung zur Reife gediehen war, kehre zurück zu deinem Herrn, und sag’ ihm, ehe wir mit dem Schwerdt unsern Zwiespalt schlichten, wolle Manfred sich mit ihm besprechen. Heiß ihn willkommen in meiner Burg, wo er bey meiner Treue, so wahr ich ein rechtschaffener Ritter bin, freundschaftliche Aufnahme finden soll, und völlige Sicherheit für sich und sein Gefolge. Können wir unsern Streit nicht friedlich vertragen, so schwör’ ich, er soll ungekränkt von dannen ziehn, und volle Genugthuung erhalten, nach Waffenrecht und Sitte. So helfe mir Gott und seine heilige Dreyfaltigkeit! Der Herold verbeugte sich dreymal und ging.
Während dieses Gehörs, ward Geronimo’s Seele durch tausend widersprechende Gefühle bekämpft. Er zitterte für das Leben seines Sohnes, und ließ sich zuerst einfallen, Isabellen zu bereden, in die Burg zurück zu kehren. Doch war er kaum weniger beunruhigt, wenn er sich ihre Verbindung mit Manfred dachte. Er fürchtete Hippolitens gränzenlose Ergebung in den Willen ihres Gemahls; und obwohl er nicht zweifelte, er möge, sobald man ihm Zutritt zu ihr gestatte, ihrer Frömmigkeit zur Sünde machen, in eine Ehescheidung zu willigen; so besorgte er doch, es könne Theodoren verderblich werden, wenn Manfred bemerkte, er gebe den Widerstand ein. Er war ungeduldig zu wissen, woher der Herold komme, der Manfreds Rechte mit so weniger Schonung in Zweifel zog; und wagte doch nicht, sich aus dem Kloster zu entfernen, damit es Isabelle nicht verlasse, und ihre Flucht ihm zugerechnet werde. Trostlos kehrte er zu seiner Klause zurück, unschlüssig, welche Maasregeln zu ergreifen. Ein Mönch, der ihm im Vorhause begegnete, bemerkte die Schwermuth auf seinem Gesicht, und fragte: Ach! Bruder, ist es denn wahr, daß wir unsere trefliche Fürstin Hippolite verloren haben? Der ehrwürdige Greis erschrack und rief: was meinst du Bruder? Ich komme diesen Augenblick von der Burg, und habe sie vollkommen gesund verlassen. Martelli, erwiederte der andre Klosterbruder, ging auf seinem Wege vom Schlosse, vor einer Viertelstunde das Kloster vorbey, und erzählte, daß Ihre Hoheit gestorben sey. Alle unsre Brüder sind auf dem Chor versammelt, einen glücklichen Hingang in jenes Leben für sie zu erbeten, und trugen mir auf, deiner Ankunft zu warten. Sie kennen deine heilige Liebe für die gute Dame, und sind sehr besorgt, wegen der Betrübniß, worin dich ihr Verlust versetzen wird. In der That, wir haben allerseits Ursache zu weinen, sie war eine Mutter gegen unser Haus. Aber dies Leben ist nichts als eine Pilgerreise, wir müssen nicht murren, wir folgen alle! unser Ende sey wie das ihre! Guter Bruder, du träumst, sprach Geronimo: ich sage dir, ich komme aus der Burg, und verließ die Fürstin gesund. Wo ist Fräulein Isabelle? Die arme Dame! versetzte der Klosterbruder. Ich erzählte ihr die traurige Nachricht, und bot ihr geistlichen Trost an. Ich erinnerte sie, wie flüchtig das Leben sey, und rieth ihr, sich einzukleiden. Ich verwieß sie, auf das Beyspiel, der heiligen Fürstin Sancia von Arragonien. – Dein Eifer ist zu loben, erwiederte Geronimo mit Ungeduld, aber jetzt war er unnöthig. Hippolite ist wohl, wenigstens hoffe ich das zu Gott, ich vernahm nichts vom Gegentheil – freylich könnte das Verlangen des Fürsten – wohl, Bruder, wo ist Donna Isabella? Ich weiß nicht, antwortete der Klosterbruder, sie weinte sehr, und sprach, sie wolle auf ihr Zimmer gehn. Sogleich verließ Geronimo seinen Mitbruder, und eilte zur Prinzessin, allein sie war nicht auf ihrem Zimmer. Er fragte die Bedienten des Klosters, konnte aber nichts von ihr erfahren. Vergeblich suchte er die klösterlichen Gebäude und die Kirche durch, und schickte Boten in der Nachbarschaft herum, zu erforschen, ob man sie gesehn habe. Es war alles umsonst. Nichts glich der Verlegenheit des guten Alten. Er urtheilte, daß Isabelle, argwöhnend, Manfred habe seiner Gemahlin Tod befördert, fortgeschreckt sey, und eine geheime Stäte gesucht habe, sich dort zu verbergen. Diese neue Flucht werde die Wuth des Fürsten aufs höchste treiben. Die Nachricht von Hippolitens Tode, wiewohl sie beynahe unglaublich schien, vermehrte seine Bestürzung: und obgleich Isabellens Entweichung ihre Abneigung gegen Manfreds Hand bewies, konnte Geronimo darüber keinen Trost empfinden, weil sie seines Sohnes Leben in Gefahr setzte. Er entschloß sich, zu der Burg zurück zu kehren, von mehreren seiner Brüder begleitet, um seine Unschuld vor Manfred zu bezeugen, und im Fall der Noth, mit ihm für Theodor zu reden.
Unterdes war der Fürst in den Hof hinabgegangen, und hatte befohlen, die Thore der Burg zu öfnen, zum Empfang des fremden Ritters und seines Gefolges. Wenige Minuten darauf kam der Zug heran. Zuerst erschienen zwey Quartiermeister mit Stäben. Darauf der Herold mit zwey Edelknaben und zwey Trompetern. Darauf hundert Fußknechte, dann hundert Reiter. Hinter ihnen funfzig Bediente, gekleidet in des Ritters Livrey, scharlach und schwarz. Dann ein Handpferd. Ein Cavalier zu Pferde, mit zwey Herolden an jeder Seite, ein Panier mit den verbundenen Wapen von Vicenza und Otranto tragend. – Dieser Umstand war für Manfred sehr beleidigend, doch unterdrückte er seine Empfindlichkeit. Des Ritters Beichtvater, der seinen Rosenkranz betete. Funfzig andre Bediente, gekleidet wie die ersten. Zween Ritter in völliger Waffenrüstung, das Visir niedergeschlagen, Gefährten des vornehmsten Ritters. Ihre Waffenträger, mit Schilden und Waffenzeichen. Des Ritters Waffenträger. Hundert Männer, die ein ungeheures Schwerd trugen, und unter seinem Gewicht fast zu erliegen schienen. Der Ritter selbst, auf einem kastanienbraunen Zelter, vom Kopf bis zu Fuß bewafnet, den Speer in Ruhe, das Antlitz vom Visir ganz bedeckt, auf seinem Helm einen breiten Busch scharlachrother und schwarzer Federn. Funfzig Fußknechte mit Trommeln und Trompeten schlossen den Zug, der sich rechts und links schwenkte, um dem vornehmsten Ritter Platz zu machen.
Wie er an das Thor kam, hielt er inne, der Herold ritt vor, und laß die Worte der Aufforderung noch einmal. Manfreds Augen starrten hin auf das Riesenschwerd, kaum schien er das Cartel zu achten. Aber bald ward seine Aufmerksamkeit durch einen Sturmwind unterbrochen, der sich hinter ihm erhob. Er wandte sich, und sah die Federn des bezauberten Helms eben so seltsamlich geschüttelt als zuvor. Nur Manfreds Unerschrockenheit vermogte, unter einem Zusammenfluß von Umständen nicht zu erliegen, die seinen Untergang zu verkündigen schienen. Er aber verschmähte, in Gegenwart fremder Leute, dem Muth untreu zu werden, welchen er immer bewiesen hatte, und sprach kühnlich: Herr Ritter, wer du auch seyst, ich heisse dich willkommen. Bist du von sterblichem Gehalt, so soll deine Tapferkeit ihres Gleichen finden. Und bist du ein rechtschaffener Ritter, so wirst du keine Zaubermittel anwenden wollen, zu deinem Zweck zu gelangen. Mag Himmel oder Hölle diese Vorbedeutungen senden, Manfred traut der Gerechtigkeit seiner Sache, und der Hülfe des heiligen Niklas, der von jeher sein Haus beschützte. Steig vom Pferde, Herr Ritter, und raste dich. Morgen sollen dir Schranken sonder Gefährde offen stehn, und der Himmel segne die gute Sache!
Der Ritter antwortete nicht, aber stieg ab, und Manfred führte ihn in die große Halle der Burg. Als sie durch den Hof gingen, stand der Ritter still, die große Wunderhaube anzustaunen, kniete nieder, und schien einige Minuten lang innerlich zu beten. Dann stand er auf, und winkte dem Fürsten, ihn weiter zu führen. Sobald sie in die Halle traten, schlug Manfred dem Fremdling vor, sich zu entwafnen, aber der Ritter schüttelte den Kopf, in abschlägiger Antwort. Herr Ritter sprach Manfred, das ist nicht höflich; aber bey meiner Rittertreue, ich will Ihnen nichts in den Weg legen; noch sollen Sie Ursach haben, sich über Otranto’s Fürsten zu beschweren. Ich hege keine verrätherische Absicht, und hoffe Sie gleichfalls sind rein davon. Nehmen Sie hier mein Pfand! (er gab ihm seinen Ring) Sie und Ihre Freunde sollen aller Rechte der Gastfreundschaft genießen. Ruhen Sie sich hier, bis man Erfrischungen herbeyträgt. Ich sorge nur für die Aufnahme Ihres Gefolges, und kehre zu Ihnen zurück. Die drey Ritter beugten sich, als nähmen sie seine Gastfreundschaft an. Manfred befahl, die Leute des Fremden zu einem naheliegenden Gasthause zu führen, von Fürstin Hippoliten zur Aufnahme der Pilgrimme gestiftet. Wie sie den Hof durchgingen, um zu dem Thor zu gelangen, entriß sich das Riesenschwerd seinen Trägern, fiel neben dem Helm zu Boden, und blieb unbeweglich liegen. Manfred, nach gerade gegen übernatürliche Erscheinungen abgehärtet, besiegte auch den Anfall dieses neuen Wunderzeichens, kehrte in die Halle zurück, wo um diese Zeit das Mahl bereit war, und lud seine schweigenden Gäste ein, Platz zu nehmen. Sein hohes Herz war voll Kummer, doch suchte er die Fremden aufzuheitern. Er legte ihnen verschiedene Fragen vor, sie antworteten blos durch Zeichen. Sie erhoben ihre Visire nur so weit, daß sie wenig Speise zu sich nehmen konnten. Meine Herren, sprach der Fürst, von allen Gästen, die ich jemals innerhalb dieser Mauren bewirthete, sind Sie die ersten, die alle Unterredung mit mir ausschlagen. Ich meine, es mag sich wohl nicht oft zugetragen haben, daß Fürsten ihren Stand und ihre Würde, gegen Fremde und Stumme, wagen. Sie sagen, Sie kommen im Namen Friedrichs von Vicenza. Den hab’ ich immer als einen wackern höflichen Ritter rühmen hören. Ich bin so dreist zu sagen, er würde sich nicht zu vornehm achten, ein gesellschaftliches Gespräch mit einem Fürsten zu führen, der seines Gleichen ist, und durch ritterliche Thaten nicht unbekannt. Sie verharren im Schweigen? Wohl, es sey darum! die Gesetze der Gastfreundschaft und Ritterehre machen Sie zu Herren unter diesem Dache. Verfahren Sie nach Ihrem Gefallen. Kommt! füllt mir einen Becher Weins! Sie werden doch nicht abschlagen, mir auf die Gesundheit Ihrer schönen Damen Bescheid zu thun? Der vornehmste Ritter seufzte, schlug das Zeichen des Kreuzes, und wollte vom Tisch aufstehn. – Herr Ritter, sagte Manfred, ich sprach nur im Scherz. Ich will Sie zu nichts zwingen. Thun Sie was Ihnen beliebt. Sind Sie zur Fröhlichkeit nicht gestimmt, so laß uns traurig seyn. Es steht Ihnen vielleicht besser an, von Geschäften zu reden? Wir wollen uns von hier begeben. Hören Sie dann, ob das, was ich Ihnen vorzuschlagen habe, vielleicht mehr nach Ihrem Geschmack ist, als meine vergeblichen Versuche, Ihnen die Zeit zu vertreiben.
Darauf führte Manfred die drey Ritter in ein inneres Zimmer, machte die Thür hinter ihnen zu, nöthigte sie zu sitzen, und wandte sich an den ersten unter ihnen.
Sie kommen, hör’ ich, Herr Ritter, im Namen des Markgrafen von Vicenza, Donna Isabella, seine Tochter, wieder zu fordern, die mit Einwilligung ihrer gesetzmäßigen Vormünder, an heiliger Stäte, meinem Sohn verlobt ward. Sie verlangen von mir, daß ich meine Besitzthümer Ihrem Oberherrn aufgebe, der sich den nächsten Blutsverwandten des hochseligen Fürsten Alfonso nennt. Ueber den letzten Punkt Ihres Antrages, will ich mich zuerst erklären. Sie müssen wissen, was Ihr Herr weiß: ich erhielt das Fürstenthum Otranto von meinem Vater Don Manuel, dem es sein Vater Don Riccardo hinterließ. Unser Vorgänger, Alfonso, starb kinderlos im gelobten Lande, und vermachte seine Staaten meinem Großvater, Don Riccardo, in Rücksicht seiner treugeleisteten Dienste. – Der Fremdling schüttelte den Kopf. – Herr Ritter, sprach Manfred mit Wärme, Riccardo war ein tapfrer aufrichtiger Mann, ein gottesfürchtiger Mann: das beweist seine prächtige Stiftung, der nah gelegenen Kirche und zweyer Klöster. Der heilige Niklas war sein besonderer Schutzpatron. Mein Großvater war unfähig, – Herr, sag’ ich, Don Riccardo war unfähig, – Verzeihen Sie, Sie haben mich unterbrochen, und dadurch außer Fassung gebracht. – Ich verehre das Andenken meines Großvaters. Wohl, meine Herren; er besaß dieses Fürstenthum, er besaß es durch sein gutes Schwerd, und durch die Gnade des heiligen Niklas. So besaß es mein Vater, und so werde ich es besitzen, komme was kommen will! Friedrich, Ihr Herr, ist der nächste Blutsverwandte? Ich bin zufrieden, über mein Recht das Schwerd entscheiden zu lassen. Geht darum meinem Recht etwas ab? Ich könnte fragen: wo ist Friedrich, Ihr Herr? Das Gerücht sagt, er sey in der Gefangenschaft gestorben. Sie sagen, Ihr Benehmen sagt, er lebt. Ich zweifle nicht daran. Ich könnte zwar, meine Herren, ich könnte. Aber ich zweifle nicht. Andre Fürsten würden Friedrich auffordern, sein Erbtheil mit Gewalt hinzunehmen, wenn ers vermögte: sie würden ihren Stand nicht als Preis eines Zweikampfes aussetzen; ihn nicht der Entscheidung unbekannter Stummen überlassen! – Verzeihn Sie, meine Herren, ich werde zu heftig. Aber setzen Sie sich an meine Stelle. Sind Sie mannhafte Ritter, so muß es Ihren Zorn reizen, wenn man Ihre und Ihrer Vorfahren Ehre in Zweifel zieht. Aber zum Zweck. Sie verlangen, daß ich Donna Isabella herausgebe. Meine Herren, ich muß fragen, haben Sie Vollmacht sie in Empfang zu nehmen? Der Ritter nickte mit dem Kopf. Sie in Empfang zu nehmen, fuhr Manfred fort, wohl! Sie haben Vollmacht, Sie in Empfang zu nehmen! aber, lieber Herr Ritter, darf ich fragen, ist diese Vollmacht auch hinreichend? Der Ritter nickte. Gut, sagte Manfred, so hören Sie mein Anerbieten. Sie sehn, meine Herren, den allerunglücklichsten Menschen vor sich. (Thränen traten in seine Augen) Schenken Sie mir Ihr Mitleid. Ich verdien’ es. Ich habe ein Recht darauf. Wissen Sie, meine einzige Hofnung, meine Freude, die Stütze meines Hauses ist dahin. Corrado starb gestern Abend. – Die Ritter bezeugten Verwunderung. Ja, meine Herren, das Schicksal hat meinen Sohn hinweggenommen. Isabelle ist frey – Sie geben Sie zurück? rief der erste Ritter, und brach das Schweigen. Vergönnen Sie mir Geduld, sprach Manfred. Ich freue mich, an diesem Beweise Ihres guten Willens zu erkennen, daß sich die Sache ohne Blutvergießen beylegen läßt. Das wenige, was ich noch zu sagen habe, giebt mir kein Eigennutz ein. Sie sehn in mir einen Mann, der der Welt überdrüssig ist. Der Verlust meines Sohnes hat mich irdischen Sorgen entwendet. Macht und Größe sind nicht länger reizend in meinen Augen. Ich wünschte den Scepter, welchen ich von meinen Vorfahren mit Ehren empfangen hatte, auf meinen Sohn zu übertragen: – aber das ist vorbey. Selbst mein Leben ist mir so gleichgültig, daß ich Ihre Herausforderung mit Freuden annahm: ein guter Ritter kann sich dem Grabe nicht zufriedner nähern, als wenn er fällt in seinem Beruf. Ich unterwerfe mich dem Willen des Himmels, denn ach! meine Herren, ich bin mit vielem Kummer vermählt. Manfred ist kein Ziel des Neides. – Doch meine Geschichte ist Ihnen sicherlich bekannt? Der Ritter bezeugte seine Unwissenheit, und schien zu wünschen, daß Manfred fortfahren mögte. Ist es möglich, meine Herren, hub der Fürst wieder an, daß mein Schicksal Ihnen verborgen bleiben konnte? Haben Sie nichts von mir und der Fürstin Hippolite gehört? Sie schüttelten die Köpfe. – Nicht? Nun, so verhält sich die Sache. Sie halten mich für ehrgeizig? Ehrgeiz ist leider aus rauherem Stof zusammen gesetzt. Wär’ ich ehrgeizig, ich hätte nicht, so viele Jahre hindurch, die ganze Hölle der Gewissenszweifel in meinem Busen getragen! Aber ich ermüde Ihre Geduld. Ich will kurz seyn. Wissen Sie also, lange hab’ ich über meine Verbindung, mit der Prinzessin Hippolite, innere Anfechtung erduldet. O, meine Herren, daß Sie diese vortrefliche Dame kennten! daß Sie wüßten, wie ich sie anbete, gleich einer Geliebten, und ehre gleich einer Freundin! Aber der Mensch ward nicht zu vollkommenem Glück gebohren! Sie theilt meine Gewissenszweifel, und mit ihrer Einwilligung, habe ich unser Verhältniß der Kirche vorgelegt. Wir sind im verbotnen Grade verwandt. Jeden Augenblick erwarte ich das Endurtheil, das uns auf immer scheiden muß. Sie fühlen meinen Schmerz, ich sehe, Sie fühlen ihn, verzeihen Sie diese Thränen. Die Ritter sahen einander verwundert an, und begriffen nicht, wo das hinaus sollte. Manfred fuhr fort. Da mich in dieser Kümmerniß des Gemüths, der Tod meines Sohnes überraschte, dachte ich daran, meiner Regierung zu entsagen, und mich dem menschlichen Anblick auf ewig zu entziehn. Nichts machte mir Schwierigkeit dabey, als die Ernennung eines Nachfolgers, der mein Volk lieben würde, und die Versorgung der Prinzessin Isabelle, die mir theuer wie mein eignes Blut ist. Ich war willens, Alfonso’s Stamm in seinem entferntesten Zweige wieder herzustellen. Da es aber, mit Ihrer Erlaubniß gesagt, einmal sein Wille war, Riccardo’s Abkömmlinge an die Stelle seiner Verwandten zu setzen, wo soll ich jetzt diese Verwandten aufsuchen? Ich kenne nur einen, Friedrich, Ihren Herrn. Er ist ein Gefangener der Ungläubigen, oder tod. Lebte er aber auch, und wäre zu Hause, würde er den blühenden Staat Vicenza, um das unbedeutende Fürstenthum Otranto aufgeben? Wenn er es nicht würde, könnt’ ich den Gedanken ertragen, einen harten fühllosen Statthalter, über mein armes treues Volk, gesetzt zu sehn? Ich liebe mein Volk, meine Herren, und bin, dem Himmel sey Dank! von ihm geliebt. Sie fragen, wohin diese lange Rede hinausläuft? Mit kurzen Worten, meine Herren, grade in dem Augenblick Ihrer Ankunft, scheint mir der Himmel einen Weg anzudeuten, allen diesen Schwierigkeiten und meinem Unglück abzuhelfen. Donna Isabella ist frey: bald bin ich es auch. Für das Glück meines Volks laß’ ich mir alles gefallen. Wäre es nicht das beste, das einzige Mittel, der Fehde unter unsern Geschlechtern ein Ende zu machen, wenn Donna Isabella meine Gemahlin würde? Sie stutzen. Hippolitens Tugenden werden mir immer theuer bleiben, aber ein Fürst muß nicht auf seine Person sehn. Für sein Volk gebohren, – Indem trat ein Bedienter ins Zimmer, Manfred anzusagen, daß Geronimo und verschiedne seiner Ordensbrüder augenblicklich vorgelassen zu werden begehrten.
Diese Unterbrechung mißfiel dem Fürsten. Er besorgte, der Mönch mögte den Fremden entdecken, daß sich Isabelle an heilige Stäte geflüchtet habe, und wollte schon Geronimo den Eintritt untersagen lassen. Da fiel ihm ein, er sey sicherlich gekommen, der Prinzessin Rückkehr zu berichten, und so fing Manfred an, sich gegen die Ritter zu entschuldigen, daß er sie auf einige Augenblicke verlassen müsse, als die Mönche zu ihnen hereintraten. Manfred fuhr sie für diese Zudringlichkeit zornig an, und hätte sie gern wieder aus dem Zimmer heraus gedrängt, aber Geronimo war zu sehr bewegt, sich zurück stoßen zu lassen. Laut erklärt’ er Isabellens Flucht, und betheuerte, er sey unschuldig daran. Manfred, außer sich über diese Nachricht, wie nicht minder darüber, daß sie den Fremden zu Ohren kam, stieß nun unzusammenhängende Reden aus: bald Vorwürfe gegen den Mönch, bald Entschuldigungen gegen die Ritter. Er brannte zu wissen, was aus Isabellen geworden sey, und war eben so besorgt, daß jene etwas davon erfahren mögten. Er war ungeduldig, ihr nachzusetzen, und fürchtete sehr, Gefährten seiner Verfolgung zu bekommen. Er versprach, ihr Boten nachzusenden, – aber der vornehmste Ritter brach nunmehr das Schweigen, warf Manfred in bittern Ausdrücken sein geheimnißvolles zweideutiges Betragen vor, und fragte: warum Isabelle zuerst die Burg verlassen habe? Manfred warf einen gebieterischen Blick auf Geronimo, der ihm zu schweigen befahl, und wandte vor, er habe sie nach Corrado’s Tod an heilige Stäte gebracht, bis er über ihre anderweitige Versorgung einen Entschluß fassen könne. Geronimo, der für seines Sohnes Leben zitterte, wagte dieser Unwahrheit nicht zu widersprechen; aber einer seiner Ordensbrüder, dem eine solche Besorgniß nicht oblag, erklärte frei heraus, sie habe sich die vergangene Nacht in ihre Kirche geflüchtet. Vergebens strebte der Fürst eine Entdeckung zu unterdrücken, die ihn mit Scham und Verwirrung überhäufte. Der vornehmste Fremde, erstaunt über alle Widersprüche, die er vernommen hatte, und mehr als halb überzeugt, Manfred halte die Prinzessin verborgen, ohngeachtet er sich über ihre Flucht so bestürzt stellte, eilte auf die Thür zu, und rief: Verrätherischer Fürst! Isabelle wird sich finden lassen! Manfred versuchte ihn zurückzuhalten, aber mit dem Beistand seiner ritterlichen Gefährten, riß er sich von ihm los, stürzte auf den Hof, und fragte nach seinem Gefolge. Da Manfred ihn von der Nachsetzung abzuhalten nicht vermogte, erbot er sich, ihn zu begleiten, rief seine Diener auf, nahm Geronimo und einige Mönche zu Wegweisern, und so verließen sie die Burg. Heimlich gab Manfred Befehl, des Ritters Leute zu bewachen; vor dem Ritter gab er sich das Ansehn, als sende er einen Boten, ihren Beystand zu erheischen.
Unterdessen hatte Matilde tiefe Theilnahme an dem Schicksal des jungen Landmanns empfunden, seit sie ihn in der Halle zum Tode verurtheilen sah, und immer auf Mittel zu seiner Rettung gesonnen. Jetzt erfuhr sie, sobald die Gesellschaft die Burg verlassen hatte, durch einige ihrer weiblichen Bedienten, Manfred habe alle seine Diener auf verschiednen Wegen fortgeschickt. In seiner Eile gab er den Befehl in allgemeinen Ausdrücken; er meinte nicht, ihn auf die Wache auszudehnen, die er über Theodor gesetzt hatte, aber er vergaß sie. Die Bedienten waren sehr zuvorkommend, gegen die Gebote eines strengaufsehenden Fürsten. Auch trieb sie eigne Neugier und Sucht nach seltnen Vorfällen, an jeder übereilten Hetze Theil zu nehmen. So verließen sie sammt und sonders die Burg. Matilde machte sich los von ihren Frauenzimmern, schlich zum schwarzen Thurm, zog den Riegel von der Thür hinweg, und zeigte sich dem erstaunten Theodor. Junger Mann, sprach sie, kindlicher Gehorsam und jungfräuliche Bescheidenheit verdammen diesen Schritt, den ich wage, aber heiliges Erbarmen, stärker als alle Bande, rechtfertigt meine That. Fliehn Sie. Die Thore Ihres Kerkers stehn offen. Mein Vater und seine Diener sind abwesend, sie können bald zurück kehren. Ziehn Sie hin in Frieden, Engel des Himmels leiten Ihren Pfad! Sie sind sicherlich einer dieser Engel! sprach Theodor mit Entzücken. Nur eine Heilige Gottes kann reden, kann handeln, kann blicken wie Sie! Darf ich den Namen meiner himmlischen Beschützerin nicht erfahren? Sie nannten einen Vater? Ist es möglich? Kann Manfreds Blut heiliges Erbarmen fühlen? Sie antworten mir nicht, schöne Dame? Wie kommen Sie selbst hieher? Warum vergessen Sie Ihrer eignen Sicherheit, und verlieren sich im Gedächtniß an den unglücklichen Theodor? Lassen Sie uns zusammen entfliehn. Das Leben, das Sie mir schenken, widm’ ich Ihrer Vertheidigung. Ach! Sie irren, sprach Matilde seufzend, ich bin Manfreds Tochter, ich schwebe in keiner Gefahr. Ich erstaune, sprach Theodor. Noch in der verwichenen Nacht fühlt’ ich mich selig, Ihrer Hoheit den Dienst leisten zu können, den Ihr gnädiges Erbarmen mir jetzt so mitleidig vergilt. Sie sind immer noch irrig, sagte die Prinzessin, aber dies ist keine Zeit zur Erklärung. Fliehn Sie, tugendhafter Jüngling, weil es noch in meiner Macht steht, Sie zu retten. Käme mein Vater zurück, so würden wir beyde, Sie und ich, Ursach haben zu zittern. Wie? sprach Theodor, können Ihre Hoheit glauben, ich werde mein Leben annehmen, wenn Sie irgend ein Unglück dadurch befahren? Besser leid’ ich tausendmal den Tod! Für mich ist keine Gefahr, sagte Matilde, außer in Ihrer Zögerung. Eilen Sie. Niemand kann wissen, daß ich Ihrer Flucht beygestanden habe. Schwören Sie bey den Heiligen des Himmels, sprach Theodor, daß man Sie nicht in Verdacht haben kann: sonst gelob’ ich, hier alles abzuwarten, was mich betreffen kann. O, Sie sind zu großmüthig! sagte Matilde. Aber seyn Sie versichert, daß mich kein Argwohn berühren wird. Geben Sie mir Ihre schöne Hand, zum Zeichen, daß Sie mich nicht hintergehn, sprach Theodor, und lassen Sie mich sie baden mit heißen Zähren. – Halten Sie ein, sprach die Prinzessin, das darf nicht geschehn! Ach! rief Theodor, erst in diesem Augenblicke lern’ ich, was Unglück ist! Vielleicht kommt mir das Glück nie wieder nah! Geben Sie dem unschuldigen Entzücken heiliger Dankbarkeit Raum! Meine Seele wünscht, ihre Empfindungen auf Ihre Hand zu drücken. Lassen Sie mich, und gehn Sie! sprach Matilde. Was würde Isabelle sagen, Sie zu meinen Füßen zu sehn? Wer ist Isabelle? fragte der junge Mann verwundert. Weh mir! sprach die Prinzessin. Ich fürchte, ich diene einem Betrüger. Haben Sie Ihre Neugier von diesem Morgen her vergessen? Ihre Blicke, Ihr Betragen, alle diese Schönheit um Sie her, erwiederte Theodor, scheinen ein Ausfluß der Gottheit, aber Ihre Worte sind dunkel und geheimnißvoll. Reden Sie, Signora, reden Sie, daß Ihr Knecht Sie verstehe. – Sie verstehn mich nur zu wohl! sprach Matilde. Aber noch einmal befehle ich Ihnen, gehn Sie! Ihr Blut, das ich erhalten kann, kommt über meinen Kopf, wenn ich die Zeit mit unnützen Gesprächen verbringe. Ich gehe, Signora, antwortete Theodor, weil Sie es befehlen, und weil ich nicht, das graue Haar meines Vaters, mit Schmerzen in die Grube bringen will. Nur sagen Sie mir, Sie, die ich anbete, daß Sie sich meiner erbarmen. – Halten Sie, sprach Matilde, ich will Sie zu dem unterirrdischen Gewölbe führen, durch welches Isabelle entrann. Es wird Sie in die Kirche San Nicola bringen, die eine heilige Freystäte für Sie seyn kann. Wie? sprach Theodor, so war es eine andre, waren Sie es nicht, in Ihrer Schönheit, der ich den unterirrdischen Durchgang finden half? Ich war es nicht, antwortete Matilde, aber fragen Sie nicht weiter. Ich zittre, Sie immer noch hier verweilen zu sehn. Fliehen Sie zum Altar! – Zum Altar? rief Theodor. Nein, Prinzessin, hülflose Jungfrauen oder Verbrecher mögen die Hörner des Altars ergreifen! Meine Seele ist frey von Schuld, und wird nie den Anschein der Schuld auf sich nehmen. Geben Sie mir ein Schwerd, Signora, und Ihr Vater lerne, daß Theodor eine schändliche Flucht verschmäht. Rascher Jüngling! sprach Matilde, dürften Sie wagen, den vermeßnen Arm gegen Otranto’s Fürsten zu erheben? Nicht gegen Ihren Vater, nein, das darf ich nicht! antwortete Theodor. Verzeihn Sie mir, Signora, ich vergaß – aber wer kann Sie sehn, und sich erinnern, daß Sie des tyrannischen Manfred Tochter sind? Er ist Ihr Vater. Von diesem Augenblick an begrab’ ich sein Unrecht in Vergessenheit. Tiefes, holes Aechzen schien von oben herab zu tönen. Theodor und die Prinzessin erschraken. Guter Himmel! wir werden belauscht! rief die Prinzessin. Sie horchten, sie vernahmen kein weiteres Geräusch, und beyde hielten, was sie vernommen hatten, für den Ausbruch eingeschlossener Dünste. Die Prinzessin ging leise vor Theodor her, führte ihn in ihres Vaters Waffenkammer, wo er sich völlig ausrüstete, und leitete ihn dann zum Pförtchen. Vermeiden Sie die Stadt, sprach die Prinzessin, und die ganze westliche Seite der Burg. Dort müssen Manfred und die Fremden ihre Nachsuchungen anstellen: eilen Sie der entgegen gesetzten Seite zu. Hinter jenem Walde, gegen Osten, erstreckt sich eine Felsenkette, unter welcher, ausgehöhlte Gänge, bis an die Seeküste reichen. Dort mögen Sie in Verborgenheit sich aufhalten, bis Sie einem Schiffe winken können, Sie aufzunehmen fortzuführen. Gehn Sie, der Himmel sey ihr Geleitsmann, und gedenken Sie zuweilen in Ihrem Gebet Matildens! Theodor warf sich zu ihren Füßen, ergrif die lilienweiße Hand, die er trotz ihres Sträubens küßte, gelobte bey der ersten Gelegenheit sich zum Ritter schlagen zu lassen, und bat sie dringend um die Erlaubniß, sich ihren ewigen Ritter schwören zu dürfen. Da erschütterte, ehe die Prinzessin antworten konnte, ein plötzlicher Donnerschlag die Festen der Burg. Theodor achtete des Ungewitters nicht, und drang in sie, ihn zu erhören; aber die Prinzessin eilte verstört in das Schloß zurück, und mit einem Blicke, der unwiderstehlich war, befahl sie dem Jüngling, zu gehn. Er gehorchte seufzend, aber seine Augen starrten auf die Pforte, bis Matilde sie schloß, und einer Zusammenkunft ein Ende machte, in welcher zwey Herzen sich von einem Gefühl berauschten, das beyde zum erstenmal empfanden.