Kitabı oku: «Die Burg von Otranto», sayfa 8
Fünfter Abschnitt
Jede Betrachtung, die Manfred über Geronimo’s Betragen anstellte, trug dazu bey, ihn zu überreden, der Mönch unterstütze einen Liebeshandel zwischen Isabellen und Theodoren. Aber Geronimo’s neuerliche Anmaaßlichkeit, die von seiner vorherigen Sanftmuth merklich abstach, ließ ihn noch unendlich mehr besorgen. Der Fürst argwöhnte sogar, der Mönch steife sich auf eine geheime Unterstützung Friedrichs, dessen Ankunft mit dem befremdenden Auftritt Theodors zusammentraf, und in Verbindung zu stehen schien. Noch verlegner machte ihn die Aehnlichkeit Theodors mit Alfonso’s Bildniß. Der letzte, wußte er, sey außer allem Zweifel ohne Nachkommen gestorben. Indessen hatte doch Friedrich ihm Isabellen zugesagt. Diese Widersprüche erfüllten sein Gemüth mit unzählichen Qualen. Er sah nur zwey Wege, sich aus diesen Schwierigkeiten zu ziehn. Der eine war, seine Herrschaft dem Markgrafen abzutreten. Stolz, Ehrgeiz und Vertrauen auf alle Weissagungen, die eine Möglichkeit anzudeuten schienen, sie für seine Nachkommen zu bewahren, bekämpften diesen Gedanken. Der andre war, seine Verbindung mit Isabellen zu beschleunigen. Lange schwebt’ er zwischen diesen ängstlichen Vorstellungen, und ging schweigend neben Hippoliten der Burg zu. Endlich besprach er sich mit dieser Fürstin über den Gegenstand seiner Unruhe, und bediente sich jedes einschmeichelnden und scheinbaren Grundes, sie in die Ehescheidung willigen, sie sogar versprechen zu lassen, sie zu befördern. Hippolite bedurfte wenig Ueberredung, sich nach seinem Gefallen zu lenken. Erst versuchte sie, ihn für die Maasregel einzunehmen, seiner Regierung zu entsagen: als sie aber fand, wie fruchtlos ihre Ermahnungen waren, versicherte sie ihm, so weit es mit ihrem Gewissen bestehen könne, wolle sie einer Trennung kein Hinderniß in den Weg legen; obgleich sie unmöglich sich thätig erweisen könne, darauf zu dringen, so lange er ihr keine bessere Gründe dafür anführen werde, als er bisher gethan.
Diese Gefälligkeit war freylich nicht ganz genügend, doch hinreichend, Manfreds Hofnungen zu erwecken. Er vertraute, seine Macht und Reichthum würden sein Gesuch am Römischen Hofe leichtlich fördern, daher nahm er sich vor, den Markgrafen zu bereden, dorthin zu reisen. Dieser Fürst hatte sich seine Neigung für Matilden so sehr merken lassen, daß Manfred alle seine Wünsche zu erlangen hofte, wenn er seiner Tochter Reize ihm bald näher brächte, bald entfernte, je nachdem der Markgraf mehr oder weniger geneigt scheinen würde, zu seinen Absichten mitzuwirken. Selbst durch Friedrichs Abwesenheit, würde er wesentlich gewinnen, indem er unterdessen Maasregeln für seine Sicherheit nehmen könne.
Er entließ Hippoliten in ihr Gemach, und ging zum Markgrafen; als er aber seinen Weg durch die große Halle nahm, stieß er auf Bianca. Das Mädchen, wuste er, besaß beyder Fräulein Vertrauen. Sogleich fiel es ihm ein, sie über Isabellen und Theodoren auf den Zahn zu fühlen. Er rief sie bey Seite in den Winkel des Fensterbogens der Halle, schmeichelte ihr mit viel freundlichen Worten und Versprechungen, und fragte sie endlich, ob sie nicht wisse, wie es mit Isabellens Herzen stehe? Ich? gnädiger Herr – nein, gnädiger Herr – ja, gnädiger Herr – das arme Fräulein! Sie ist so wundersamlich bekümmert um ihres Vaters Wunden. Aber ich sage ihr, er wird besser werden. Meynen Ihre Hoheit nicht auch? Ich frage dich nicht, wie sie über ihren Vater denkt, versetzte Manfred. Du bist ihre Vertraute. Komm, sey ein gutes Mädchen, und laß mich wissen; giebts irgend einen jungen Mann – He? – Du verstehst mich. – Heilige Mutter! ich solte Ihre Hoheit verstehn? Nein, nein, das untersteh’ ich mich nicht – Ich sagte ihr einige schmerzenstillende Kräuter, und Schlaf – Wer spricht mit dir von ihrem Vater? versetzte der Fürst ungeduldig. Ich weiß, er wird besser werden. – Gottlob! daß Ihre Hoheit das sagen. Ich wolte nur dem jungen Fräulein nicht den Muth benehmen, sonst schien es mir selbst, als sähen Seine Hoheit sehr bleich aus, und hätten so etwas – Ihre Hoheit erinnern sich noch wohl, als Don Fernando von dem Venetianer verwundet war – Du antwortest nie, was man dich fragt, unterbrach sie Manfred. Da, nimm diesen Ring, vielleicht wird der deine Gedanken besser zusammenhalten. Mach keine Umstände. Damit soll meine Gunst sich nicht begnügen. Aber nun antworte mir auch ehrlich: wie stehts mit Isabellens Herzen? Ihre Hoheit können was Sie wollen, antwortete Bianca. Sicher und gewiß. Aber können Ihre Hoheit auch schweigen? wenn mich Ihre Hoheit je verriethen. – Das werd’ ich nicht, sprach Manfred. – Ja, wenn ich verlangen dürfte, daß mirs Ihre Hoheit zuschwüren. Heilige Mutter! wenn man jemals dahinterkäme, ich habe so etwas gesagt. Nun, Wahrheit bleibt Wahrheit! Ich glaube nicht, daß Fräulein Isabelle jemals den gnädigen Junker, Ihrer Hoheit Herrn Sohn, von Herzen lieb gehabt hat. Es war doch so ein hübscher, junger Herr. Gewiß und wahrhaftig! wär’ ich eine Prinzessin – aber Gott sey mir gnädig! ich muß Fräulein Matilden aufwarten, sie wird sich wundern, was aus mir geworden ist. – Halt! rief Manfred, du hast meiner Frage nicht genug gethan. Hast du je eine Bestellung ausgerichtet? Briefe getragen? – Ach! du lieber Himmel! rief Bianca. Ich solte Briefe tragen? Das wollt’ ich nicht, wenn ich eine Königin werden könnte. Ich bin arm, aber ich hoffe, Ihre Hoheit halten mich für ehrlich! Haben Ihre Hoheit nicht gehört, was mir Graf Marsigli bieten ließ, als er um Fräulein Matilden anhielt? Ich habe keine Zeit, deine Historien anzuhören, sprach Manfred. Ich zweifle an deiner Ehrlichkeit nicht. Aber eben um der Ehrlichkeit willen, bist du verpflichtet, mir nichts zu verhehlen. Wie lange ist Isabelle mit Theodoren bekannt? Ihre Hoheit wissen auch alles! rief Bianca. Nur ich weiß leider ganz und gar nichts. Theodor ist freylich ein wackrer junger Mann, und, wie Fräulein Matilde sagt, das wahre Ebenbild Alfonso des Guten. Haben’s Ihre Hoheit auch bemerkt? – Ja, ja – nein – Quäle mich nicht, sprach Manfred. Wo hat sie ihn gesehn? und wann? – Wer? Fräulein Matilde? fragte Bianca. Nein, nein, nicht Matilde, Isabelle. Wann hat Isabelle Theodoren zuerst kennen lernen? Heilige Mutter! antwortete Bianca, wie soll ich das wissen? Du weißt es, erwiederte Manfred, und ich will, ich muß es wissen. – Gott bewahre! Ihre Hoheit ist doch nicht eifersüchtig auf den jungen Theodor? fragte Bianca. – Eifersüchtig? warum solte ich eifersüchtig seyn? Nein, nein, vielleicht geb’ ich sie zusammen, wenn Isabelle nichts dawider hat. – Dawider? Nein, dafür steh’ ich, sagte Bianca. Es ist ein so hübscher Junge, als jemals einen christlichen Boden betreten hat. Wir mögen ihn alle gern leiden. Es ist keine Seele von uns in der Burg, die ihn nicht gern zu unserm Fürsten hätte, – ich meine, wenn es dem Himmel gefallen solte, Ihre Hoheit abzufordern. – In der That? sprach Manfred, geht das so weit? Der verfluchte Pfaff! Ich darf keine Zeit verlieren. Geh, Bianca, bediene Isabellen: aber ich befehle dir, kein Wort von dem zu verrathen, was unter uns vorgefallen ist. Such ein wenig auszuspähen, wie sie gegen Theodor gesinnt ist. Bring mir gute Neuigkeiten, und wo der Ring war, sind mehr. Erwarte mich am Fuß der Windeltreppe. Ich gehe jetzt, den Markgrafen zu besuchen: wenn ich wiederkomme, reden wir weiter.
Nach einigen allgemeinen Gesprächen ersuchte Manfred Friedrichen, die beyden Ritter aus seiner Gesellschaft zu entlassen, weil er über dringende Geschäfte mit ihm zu reden habe. Sobald sie allein waren, begann er auf eine schlaue Weise den Markgrafen über Matilden auszuforschen. Da er ihn nach seinem Wunsche gestimmt fand, ließ er einige Winke fallen, wie schwer es halten würde, die Heyrath zu vollziehn, bis – Indem stürzte Bianca ins Zimmer mit so wilden Blicken und Gebehrden, daß sie den höchsten Grad des Schreckens verriethen. O! gnädiger Herr! gnädiger Herr! rief sie; wir sind alle verlohren! Er ist wieder da! er ist wieder da! Wer ist wieder da? fragte Manfred Erstaunens voll. O der Riese! seine Faust! sein Handschuh! Gott steh mir bey! Ich verliere noch den Verstand darüber! rief Bianca. In der Burg bleib ich keine Nacht länger. Wo soll ich hin? Meine Sachen können morgen nachgeschickt werden! Wär’ ich nur Francesco’s Frau! Das kommt davon, wenn man zu hochmüthig ist! Was hat dich so erschreckt, armes Mädchen? sagte der Markgraf. Hier bist du sicher: fürchte nichts. O! Ihre Hoheit sind aus der Maaßen gütig, antwortete Bianca, aber ich wage nicht, – Ich bitte, lassen Sie mich gehn. Ich will lieber nackend in die Welt hinaus, als eine Stunde länger unter diesem Dach bleiben. Du bist nicht gescheut, sprach Manfred. Unterbrich uns nicht, wir sprechen hier von wichtigen Dingen. Mein Fürst, dies Mädchen hat hysterische Zufälle. Geh hinaus, Bianca. – O bey allen Heiligen, nein! sagte Bianca. Er kommt sicherlich, Ihre Hoheit zu warnen? Warum solte er mir sonst erscheinen? Ich bete alle Morgen meine drei Abendsegen. O! wenn Ihre Hoheit nur dem Jago hätten glauben wollen. Dies ist die Hand, die zu dem Fuß gehört, im Galleriezimmer! Vater Geronimo hat uns oft gesagt, in diesen Tagen würde die Weissagung wahr werden. Bianca, sprach er, merk auf meine Worte – Du bist toll, sprach Manfred wüthend, deinen Cameraden kannst du solche Possen glauben machen. – Ihre Hoheit meynen wohl, ich hätte nichts gesehn? rief Bianca. Gehn Sie nur selbst die Treppe hinunter. So wahr ich lebe, ich sah ihn! Wen sahst du, gutes Mädchen? fragte Friedrich. Wie mag nur Ihre Hoheit, sprach Manfred, auf das Fiebergeschwätz einer albernen Dirne hören wollen, der man so lange Gespenstermährchen vorerzählt hat, bis sie glaubt. Dies ist mehr als Einbildung, sagte der Markgraf, ihr Schrecken ist zu natürlich und zu heftig, für ein Werk der Phantasie. Sag’ uns, schönes Kind, was dich so sehr erschüttert hat. Ja, gnädiger Herr, ich danke Ihre Hoheit, sagte Bianca. Ich sehe wohl recht blaß aus, wenn ich mich erholt habe, wird das schon besser werden. Ich ging nach dem Zimmer der Fräulein Isabelle, wie mir Seine Hoheit befohlen hatten. – Das brauchen wir alles nicht! unterbrach sie Manfred. Nach der Erscheinung fragt der Fürst, von der sprich, und sey kurz. Ihre Hoheit fahren einen immer so an! versetzte Bianca. Mein Haar mag in einer schönen Unordnung seyn – so muß ich in meinem Leben nicht – Recht! wie ich die Ehre hatte, Ihrer Hoheit zu sagen, Seine Hoheit befahlen mir, mich zu Fräulein Isabellen zu begeben. Sie wohnt im blaßblauen Zimmer, eine Treppe hoch, rechter Hand. Als ich nun an die große Treppe kam, und eben den Ring betrachtete, den mir Seine Hoheit geschenkt haben – Zur Sache, Mensch! fuhr sie Manfred an. Was soll es dem Markgrafen, zu wissen, daß ich dir für die treue Bedienung meiner Tochter eine Kleinigkeit schenkte? Was du sahst, wollen wir wissen! Dabey bin ich grade, sagte Bianca, aber Ihre Hoheit lassen einen nicht ausreden! Ich rieb just den Ring ein wenig, und war gewiß noch nicht drey Stufen hinaufgestiegen, so hört’ ich ein Geklirr wie Eisen, als ob Küraß und Schwerdt zusammenschlügen. Liebster Welt, wie Jago sagt, daß der Riese im Galleriezimmer gegen ihn angegangen sey. – Was meynt sie damit, mein Fürst? sagte der Markgraf. Hausen Riesen und Poltergeister in dieser Burg? Ey du mein lieber Heyland! Haben Ihre Hoheit die schöne Geschichte, von dem Riesen aus dem Galleriezimmer, noch nicht gehört? fragte Bianca. Das soll mich ja Wunder nehmen, wenn der gnädige Herr davon nichts erzählt hat. So wissen Ihre Hoheit auch wohl nicht einmal, von der prächtigen Prophezeihung? – Das ist nicht auszuhalten, unterbrach sie Manfred. Laß uns das alberne Mädchen fortschicken, mein Fürst. Wir haben wichtigere Gegenstände abzumachen. Erlauben Sie mir, sprach Friedrich, dies sind auch keine Kleinigkeiten. Das ungeheure Schwerdt, das mir im Walde angewiesen ward; der Helm, zu dem es sich gesellt: sind auch das Träume dieses unschuldigen Mädchens? So denkt Diego auch, mit Ihrer Hoheit Wohlnehmen, sagte Bianca. Er spricht, der Mond geht nicht zu Ende, bis wir eine große Veränderung erleben. Mich solls nicht Wunder nehmen, wenn die morgen im Tage eintrift: denn, wie gesagt, als ich das Waffengerassel hörte, lief mir der kalte Schweis über den ganzen Leib. Ich blickte in die Höhe, und Ihre Hoheit mögen mir glauben, ich erblickte auf dem obern Geländer der großen Treppe eine geharnischte Hand, so groß und dick – Ich dachte, ich müste in Ohnmacht fallen: ich bin in einem Satz hieher gelaufen. Wolte Gott, ich wäre mit heiler Haut aus der Burg! Fräulein Matilde sagte mir noch gestern Morgen, unsre gnädige Fürstin wisse etwas – Unverschämte! hieß sie Manfred schweigen. Herr Markgraf, eine bittre Ahndung überfällt mich, daß dieser Auftritt abgeredet sey, mich zu beleidigen. Sind meine eignen Leute bestochen, ehrenrührige Mährchen von mir auszubringen? Machen Sie Ihre Ansprüche durch männliche Tapferkeit geltend; oder lassen Sie uns, meinem Vorschlage gemäß, unsre Fehde durch die Wechselheyrath unsrer Kinder begraben: aber glauben Sie mir, es ziemt keinem Fürsten, Mägde zu erkaufen. – Der Vorwurf ist unter mir, sagte Friedrich. Bis diese Stunde hab’ ich diese Jungfrau nie gesehn. Ich schenkt’ ihr keinen Edelstein. Manfred, Manfred, Ihr Gewissen, Ihre Verschuldung klagt Sie an, und mögte gern den Verdacht auf mich werfen. Behalten Sie Ihre Tochter, und denken Sie nicht mehr an Isabellen. Die Gerichte, die schon über Ihr Haus ergangen sind, verbieten mir, mich mit ihm zu verbinden.
Manfreden beunruhigte der entschlossene Ton, mit dem Friedrich diese Worte sprach, also suchte er ihn zufrieden zu reden. Er schickte Bianca fort, und war so nachgebend gegen den Markgrafen, wußte Matildens Vorzüge so geschickt herauszustreichen, daß Friedrich noch einmal wankte. Doch konnte eine so junge Leidenschaft, wie die seinige, die Gewissenszweifel, die in ihm aufgestiegen waren, nicht sogleich überwinden. Bianca’s Reden gaben ihm genugsam zu verstehn, daß der Himmel selbst sich gegen Manfred erklärt habe. Die vorgeschlagenen Vermählungen schoben seine Ansprüche weit hinaus: und der gegenwärtige Besitz des Fürstenthums Otranto reizte ihn mehr, als die Möglichkeit, es dereinst durch Matilden zu erben. Doch wolte er die Unterhandlung nicht ganz abbrechen, sondern Zeit gewinnen; und so fragte er: ob Hippolite wirklich in die Ehescheidung willige? Manfred war entzückt, kein andres Hinderniß zu finden, und versicherte den Markgrafen, im Vertrauen auf seinen Einfluß über seine Gemahlin, dem sey also, er könne sich aus ihrem eignen Munde von der Wahrheit überzeugen.
Indem berichtete man ihnen, die Tafel sey aufgetragen. Manfred führte Friedrichen zur großen Halle, wo Hippolite und die jungen Prinzessinnen sie empfingen. Manfred setzte den Markgrafen neben Matilden, sich selbst zwischen seine Gemahlin und Isabellen. Hippolite bezeigte einen gefälligen Ernst; die jungen Damen waren still und schwermüthig. Manfred war entschlossen, diesen Abend noch mit dem Markgrafen weiter zu kommen, ließ das Mahl lange dauern, stellte sich über die Maassen frölich, und brachte Friedrichen unablässig volle Becher zu. Dieser war mehr auf seiner Hut, als Manfred wünschte; und schlug, unter dem Vorwande seines neulichen Blutverlustes die überhäuften Anforderungen aus. Der Fürst aber, um seine eignen verwirrten Lebensgeister zu erwecken, und unbesorgt zu scheinen, erlaubte sich viel zu trinken; doch ging er nicht bis zum Rausch.
Es war spät, die Tafel ward aufgehoben. Manfred wolte Friedrichen mit sich nehmen. Dieser gab vor, schwach und ruhbedürftig zu seyn, und sein Zimmer suchen zu müssen; doch, setzt’ er verbindlich hinzu, soll meine Tochter Ihrer Hoheit Gesellschaft leisten, so lange ich mich dessen nicht fähig fühle. Manfred nahm das Anerbieten an, und begleitete Isabellen, zu ihrem nicht geringen Kummer, in ihr Gemach. Matilde folgte ihrer Mutter auf den Wällen der Burg, die Kühlung des Abends zu genießen. Sobald die Gesellschaft aus einander gegangen war, verließ Friedrich sein Zimmer, und fragte, ob Hippolite allein sey. Einer ihrer Bedienten, der nicht bemerkt hatte, daß sie ausgegangen war, antwortete ihm: um diese Zeit pflege sie sich gewöhnlich in ihre Betcapelle zu begeben, wo er sie wahrscheinlich finden werde. Der Markgraf hatte während des Mahls Matilden mit zunehmender Neigung betrachtet. Er wünschte jetzt Hippoliten in der Stimmung zu finden, die ihr Gemahl ihm versprochen hatte. Die Schreckenszeichen, die ihn beunruhigten, waren über seine Begierden vergessen. Leise und unbemerkt stahl er sich zu Hippolitens Gemach, entschlossen, sie zur Einwilligung in die Ehescheidung aufzumuntern, weil er bemerkt hatte, daß Manfred des festen Vorsatzes sey, den Besitz Isabellens als eine unwandelbare Bedingung festzusetzen, ehe er Matilden seinen Wünschen zusagen werde.
Der Markgraf wunderte sich nicht, alles still im Gemach der Fürstin zu finden. Er schloß, sie sey in ihrem Betzimmer, wie man ihm berichtet hatte, und ging vorwärts. Die Thür war angelehnt; die Erleuchtung dunkel und beschattet. Da er die Thür sanft zurückdrückte, sah er eine Person vor dem Altar knien. Er trat näher, es war kein Frauenzimmer, sondern jemand in langem härnen Gewande, den Rücken gegen ihn gekehrt. Er schien im Gebet versunken. Eben wolte der Markgraf wieder gehn, als die Gestalt sich erhob, eine kurze Weile nachdenkend da stand, und sich nicht umsah. Der Markgraf erwartete, der heilige Mann würde etwa herauskommen, und wolte sich entschuldigen, ihn vielleicht gestört zu haben. Ehrwürdiger Vater, sprach er, ich suchte die Fürstin Hippolite – Hippolite? antwortete die Stimme: kamst du in diese Burg, Hippoliten zu suchen? – Indem wandte die Gestalt sich langsam herum, und Friedrich sah die fleischlosen Kinnladen und leeren Zahnlücken eines Gerippes, in eine Mönchskutte gehüllt. Er prallte zurück. Engel der Gnade, beschützt mich! Verdiene ihren Schutz, sprach das Gespenst. Friedrich fiel auf seine Knie, und beschwor das Schattenbild, sich seiner zu erbarmen. Kennst du mich nicht mehr? sprach die Erscheinung. Entsinne dich des Waldes von Joppe! Bist du der heilige Einsiedler? rief Friedrich zitternd. Was kann ich thun für die Ruhe deiner Seele? Wardst du darum aus der Sclaverey befreyt, fragte ihn das Gespenst, um Fleischeslüsten nachzugehn? Bist du des vergrabenen Schwerdts, und seiner himmlischen Inschrift nicht mehr eingedenk? Das bin ich noch, sprach Friedrich, aber sage mir, seliger Geist, was ist dein Auftrag an mich? Was soll ich weiter thun? Matilden vergessen! antwortete die Erscheinung, und verschwand.
Friedrichs Blut erstarrte in seinen Adern. Einige Minuten lang blieb er ohne Bewegung. Dann sank er nieder Antlitz vor dem Altar, und rief die Vermittelung jedes Heiligen an, ihm Verzeihung zu erwerben. Dieser Angst folgte ein Strom von Zähren. Aber wider seinen Willen drang sich das Bildniß der schönen Matilde vor seine Seele, und während er am Boden lag, stritten Buße und Leidenschaft um sein Herz. Noch dauerte die Beängstigung seiner Sinnen, als die Fürstin Hippolite, allein, eine Kerze in der Hand, in das Betgemach trat. Sie schrie auf vor Schrecken, einen Mann ohne Bewegung hingestreckt zu sehen, den sie für todt hielt. Ihre Furcht brachte Friedrichen wieder zu sich. Er richtete schnell sich auf, das Angesicht naß von Thränen, und wolte ihrer Gegenwart entrinnen; aber Hippolite hielt ihn zurück, und bat ihn mit klagender Stimme, die Ursache seiner Verwirrung zu erklären, und durch welch einen sonderbaren Zufall sie ihn dort, in der Lage, finden müssen? Tugendhafte Fürstin! sprach der Markgraf von Gram übernommen, und schwieg. Um des Himmels willen! mein Fürst, sagte Hippolite, enthüllen Sie mir die Ursach dieser Betrübniß. Wozu diese Trauertöne, dieser unruhvolle Ausruf meines Nahmens? Welchen neuen Kummer bereitet das Schicksal der unglücklichen Hippolite? Sie schweigen noch? Bey den Engeln des Erbarmens, beschwör’ ich Sie, edler Fürst, fuhr sie fort, und warf sich zu seinen Füßen, mir das zu entdecken, was Sie in Ihrem Herzen verschließen. Ich sehe Sie fühlen für mich. Sie fühlen die bittre Wunde, die Sie verursachen. – Reden Sie aus Mitleid! Wissen Sie etwas, das mein Kind betrift? O Matilde! rief Friedrich, ich kann nicht reden! und riß sich los.
So schnell verließ er die Fürstin, und eilte in sein Gemach. An der Thür desselben traf er Manfreden, der, von Liebe und Wein begeistert, gekommen war, ihn aufzusuchen, und ihm vorzuschlagen, ob er nicht noch einige Stunden der Nacht mit Saitenklang und Schwärmen verbringen wolle? Eine Einladung dieser Art stimmte so übel zu Friedrichs Gefühlen, daß sie ihn beleidigte; er stieß seinen Wirth unhöflich bey Seite, ging in sein Zimmer, schlug die Thür heftig zu, und schob den Riegel vor. Der stolze Manfred ergrimmte über ein so unerklärliches Betragen, und begab sich von dort in einem Zustande des Gemüths, der den verderblichsten Ausbruch möglich machte. Als er über den Hof ging, stieß er auf den Bedienten, den er in der Nähe des Klosters gelassen hatte, Geronimo und Theodoren nachzuspühren. Dieser hatte sich ganz außer Athem gelaufen, und erzählte seinem Herrn, Theodor und eine Dame aus der Burg hielten in diesem Augenblick eine geheime Unterredung an Alfonso’s Grabe, in der Kirche San Nicola. Theodoren hatte er bis dahin nachgespürt, aber die Dunkelheit der Nacht verhinderte ihn, zu entdecken, wer das Frauenzimmer war.
Manfreds Seele war entbrannt. Isabelle hatte ihn entfernt, da er ihr seine Leidenschaft mit zu wenigem Rückhalt aufdrang; er zweifelte nicht, sie deswegen so unruhig gefunden zu haben, weil sie ungeduldig gewesen sey, mit Theodoren zusammen zu kommen. Aufgebracht durch diese Vermuthung, wüthend gemacht durch ihren Vater, ging er heimlich und eilends zum Dom. Leise schlich er sich durch die Bänke. Ein schwacher Mondesschimmer warf sein undeutliches Licht durch bemahlte Fensterscheiben: aber das unverständliche Zischeln der Personen, die er suchte, führte ihn endlich zum Grabmal Alfonso’s. Nun verstand er einige Worte. Das hängt von mir nicht ab. Manfred willigt nie in unsre Verbindung. Nein! dies verhindert sie auf ewig! rief der Tyrann, zog seinen Dolch, und stieß ihn über die Schulter dem sprechenden Mädchen in die Brust. Weh mir! Ich sterbe! rief Matilde sinkend. Gott nimm meinen Geist auf! – Ungeheuer! was hast du gethan? rief Theodor, rannte auf Manfred zu, und entriß ihm den Dolch – O halt ein! seufzte Matilde. Es ist mein Vater! Manfred erwachte wie aus einer Vergeisterung, schlug an seine Brust, raufte sich das Haar, und versuchte, Theodoren den Dolch zu entwinden, um sich selbst ein Ende zu machen. Theodor war nicht viel weniger außer sich, und bekämpfte nur die Heftigkeit seines Schmerzes, um Matilden beyzustehn. Sein Geschrey zog mehrere Mönche herbey. Ein Theil von ihnen versuchte mit dem betrübten Theodor, das Blut der sterbenden Prinzessin zurückzuhalten: die übrigen verhinderten Manfreden, gewaltsame Hand an sich selbst zu legen.
Matilde ergab sich geduldig in ihr Schicksal, und erkannte Theodors Eifer mit Blicken liebenden Dankes. So oft aber ihre Schwachheit ihr zu sprechen erlaubte, bat sie die Umstehenden, ihren Vater zu trösten. Um diese Zeit hatte Geronimo die Trauerbotschaft vernommen, und trat in die Kirche. Seine Blicke machten Theodoren Vorwürfe. Zu Manfred sprach er: Nun Tyrann, sind die Flüche auf dein ruchloses geweihtes Haupt erfüllt. Alfonso’s Blut schrie zum Himmel um Rache, und der Himmel hat seinen Altar durch Meuchelmord beflecken lassen, damit du dein eignes Blut am Fuß des fürstlichen Grabes vergößest! – Wer kann meines Vaters Gram vermehren wollen? rief Matilde. Gott segne Sie, mein Vater, und vergebe Ihnen, wie ich. Mein Vater, mein Fürst, vergeben Sie Ihrem Kinde auch? Gott ist mein Zeuge, ich kam nicht hieher, Theodoren zu treffen! Ich fand ihn betend an diesem Grabmal, zu dem meine Mutter mich sandte, für Sie den Himmel anzurufen, und für sich. Segnen Sie mich, mein Vater, und verzeihn Sie mir. – Ich dir? sprach Manfred. Hat ein Mörder Segen? Ich hielt dich für Isabellen; und der Himmel leitete meine blutige Faust in die Brust meines Kindes. O Matilde! kannst du meiner blinden Wuth verzeihn? Ich kann, ich will, ich thu’es von ganzem Herzen, rief Matilde. Aber, o meine Mutter! Trösten Sie die, mein Vater, verstoßen Sie die nicht, sie liebt Sie, wie ich. – Ich bin schwach. Tragt mich in die Burg! Laßt mich sie noch einmal sehn!
Theodor und die Mönche baten sie dringend, sich ins Kloster tragen zu lassen, aber sie jammerte so sehr nach der Burg, daß man sie auf eine Bahre legte, und dorthin trug. Theodor stützte ihr Haupt mit seiner Hand, hing über ihr mit der Angst verzweifelnder Liebe, und suchte noch ihr Hofnungen des Lebens zuzuflüstern. Geronimo sprach ihr auf der andern Seite Trost des Himmels ein, hielt ein Crucifix hin, das sie mit unschuldigen Thränen benetzte, und bereitete sie zum Hingange in die Unsterblichkeit. Manfred, schmerzversunken, folgte der Bahre in dumpfer Verzweiflung.
Ehe sie die Burg erreichten, hatte Hippolite die schreckliche Begebenheit schon vernommen, und floh ihrer gemordeten Tochter entgegen; als sie aber den Trauerzug erblickte, übernahm die Gewalt des Schmerzes ihre Sinne, sie stürzte ohnmächtig und leblos zu Boden. Isabelle und Friedrich, die ihr zu Hülfe eilten, waren beynahe nicht minder von Gram übernommen. Nur Matilde selbst schien ihren Zustand nicht fühlen, jeder ihrer Gedanken verlor sich in kindliche Zärtlichkeit. Sie ließ die Bahre stillhalten. Sobald Hippolite zu sich gekommen war, fragte sie nach ihrem Vater. Er trat sprachlos herzu. Matilde ergrif seine Hand und die Hand ihrer Mutter, schloß sie in die ihrige zusammen, und drückte sie dann an ihr Herz. Dieser Ausdruck kindlicher Liebe war mehr als Manfred ertragen konnte. Er warf sich wüthend zur Erde, und verfluchte den Tag seiner Geburt. Isabelle besorgte, der Kampf dieser Gefühle werde Matilden zu sehr erschüttern, und nahm es auf sich, ihn in sein Gemach tragen zu lassen, während man Matilden ins nächste Zimmer brachte. Hippolite hatte wenig Leben mehr als ihre Tochter, und achtete auf nichts als auf sie. Als aber der zärtlichen Isabelle Sorgfalt auch sie entfernen wolte, während die Wundärzte Matildens Wunde untersuchten, rief sie: Nein! nein! ich bleibe! Ich lebte nur in meiner Tochter, mit ihr will ich sterben. Matilde schlug vor der mütterlichen Stimme die Augen auf, und schloß sie wieder ohne Worte. Ihr Pulsschlag sank, ihre Hand ward kalt und feucht, alle Hofnung der Genesung entfloh. Theodor folgte den Aerzten in ein äußeres Zimmer, sie sprachen das Urtheil des Todes, seine Wuth stieg zum Wahnsinn empor. Sie kann nicht für mich leben, rief er, wenigstens sey sie mein im Tode! Geronimo! mein Vater! wollen Sie unsre Hände nicht zusammen geben? Der Mönch und der Markgraf hatten die Wundärzte begleitet. Was soll dieser wilde Unsinn? sprach Geronimo. Ist dies eine hochzeitliche Stunde? Sie ist es allerdings, antwortete Theodor, es giebt leider keine andre. Lassen Sie sich rathen, junger Mann, sagte Friedrich. Können wir in dieser schrecklichen Zeit auf die Schwärmereyen der Liebe achten? Was für Ansprüche haben Sie auf die Prinzessin? Fürsten—Ansprüche, sprach Theodor. Ich bin Herr von Otranto. Dieser ehrwürdige Geistliche, mein Vater, hat mich gelehrt, wer ich bin. Sie sind nicht gescheut, erwiederte der Markgraf, es giebt keinen Fürsten von Otranto, als mich; denn Manfred hat durch Mord, durch Kirchen entweihenden Mord, seine Rechte verlohren. Gnädiger Herr, sprach Geronimo mit stolzem Blick, er sagt Ihnen die Wahrheit. Es war meine Absicht nicht, das Geheimniß so früh zu offenbaren, aber das Schicksal stürmt zur Vollendung seines Werks. Was seine entbrannte Leidenschaft offenbarte, bestätigt meine Zunge. Wissen Sie, gnädiger Herr, als Alfonso dem gelobten Lande zusegelte – Ist dies eine Zeit für Erzählungen? fragte Theodor. Eilen Sie, mein Vater, mich mit der Prinzessin zu verbinden; sie soll mein seyn. In jedem andern Stück will ich Ihnen pflichtschuldigst gehorchen! Mein Leben! meine angebetete Matilde! rief Theodor, und rannte in das innere Zimmer zurück. Wollen Sie nicht mir gehören? Wollen Sie mich nicht segnen? – Isabelle winkte ihm zu schweigen; sie fürchtete, die Prinzessin sey ihrem Ende nahe. Ist sie todt? rief Theodor. Muß sie sterben? Sein lautes Geschrey brachte Matilden wieder zu sich. Sie schlug ihre Augen auf, und sah sich nach ihrer Mutter um. Leben meiner Seele! ich bin hier, sprach Hippolite. Fürchte nicht, daß ich dich verlasse! Sie sind zu gut, Mutter, sagte Matilde; aber weinen Sie nicht um mich: wo ich hingehe, fließen keine Thränen. Isabelle, du hast mich geliebt, du wirst statt meiner diese Mutter pflegen? Weh mir! ich bin schwach! O mein Kind, mein Kind, jammerte Hippolite in einer Thränenfluth, kann ich dich keinen Augenblick aufhalten? Es ist nicht möglich, sprach Matilde. Beten Sie für mich. Wo ist mein Vater? Vergeben Sie ihm, theure Mutter, vergeben Sie ihm meinen Tod. Er war hintergangen. Ich vergaß – Liebe Mutter, ich gelobte, Theodoren nicht wieder zu sehn: vielleicht hat meine Unterredung mit ihm mich in dies Unglück gestürzt, aber ich suchte sie nicht. Können Sie mir verzeihn? Beuge mich nicht noch tiefer, sprach Hippolite, du hast mich nie beleidigt. Sie stirbt! helft! helft! Ich wolte noch etwas sagen, sprach Matilde im Todeskampf, aber ich kann nicht. Isabelle – Theodor – um meinent willen – O! – Sie verstummte. Isabelle und die Dienerinnen entrissen Hippolite dem Leichnam, aber Theodor drohte den zu tödten, der versuchen würde, ihn zu entfernen. Er drückte tausend Küsse auf ihre eiskalten Hände, und sprach Worte verzweifelnder Liebe.
Unterdessen begleitete Isabelle die betrübte Hippolite in ihr Gemach. Auf der Mitte des Hofraums begegnete ihnen Manfred, zerrissen von seinen Gefühlen, ängstlich seine Tochter noch einmal zu erblicken, und dem Zimmer zueilend wo sie lag. Der Mond, in seiner glanzreichesten Höhe, zeigte ihm auf den Gesichtern dieser unglücklichen Gesellschaft, den Ausgang den er scheute. Ist sie todt? rief er in wilder Verstörung. Ein Donnerschlag erschütterte die Burg in ihren Grundfesten, die Erde erbebte, und ein Laut überirrdischer Waffen stieg empor. Friedrich und Geronimo dachten, es nahe der jüngste Tag. Auch sie stürzten in den Hof, und rissen Theodoren mit sich fort. In dem Augenblick, da Theodor dazu trat, wurden die Mauern der Burg hinter Manfred mit mächtiger Gewalt danieder geworfen, und Alfonso’s Gestalt zu unermeßlicher Größe ausgedehnt, stand auf der Mitte der Trümmer. Theodor ist der wahre Erbe Alfonso’s! sprach das Gesicht. Ein Donnerschlag folgte der Rede, und feyerlich schwebt’ es zum Himmel empor. Die Wolken theilten sich. Des heiligen Niklas Gestalt umarmte Alfonso’s Schatten. Die Ausstrahlung ihrer Glorie entriß sie sterblichen Augen.