Kitabı oku: «Swingerclub-Anekdoten», sayfa 2
4. Grabscher Kurt oder »Rette sich, wer kann«
Die Worte drangen nur rudimentär in meine Gedanken, endeten aber eindeutig mit Howard.
»Entschuldigung«, meinte ich und sah von den neuen Flyern auf. »Nochmal bitte!«
»Hast du überhaupt zugehört?«
»Ja!«, behauptete ich – und gleichzeitig hatte ich die neuen Flugzettel auf Fehler kontrolliert – sprach aber die andere Hälfte der Wahrheit nicht aus.
»Da ist jemand auf Parkplatz, der macht irgend nen Scheiß«, fasste meine Kollegin das Gespräch zwischen ihr und der jungen, empörten Frau zusammen, die vor ihr stand.
»Schon wieder der Thilo?«
Ich verdrehte die Augen.
»Tanzt er auf der Strasse nackig Lambada oder grillt er sein Würstchen?«
»Der war es nicht – Thilo kenne ich!«, echauffierte sich unser weiblicher Gast. »Ich bin kaum aus dem Auto raus und schon habe ich zwei Grabschpfoten an den Titten. Keine Frage, keine Anmache, einfach nur ein Griff von hinten aus dem Hinterhalt.«
»Haben sie erkennen können, wie der Grabscher ausgesehen hat?«
»Nein, es war total dunkel. Ich habe mich einfach erschrocken, bin sofort losgelaufen und zu euch gekommen.«
»Ich gehe gucken!«, gab ich zu Protokoll und machte mich – mit Handy und Taschenlampe bewaffnet – auf den Weg. Obwohl unser Parkplatz erleuchtet war und sich direkt an einer Bushaltestelle befand, gab es dunkle Ecken und vielleicht …
»Hei, Howard. Was machst du denn hier draußen?«
Eine dunkel gekleidete Gestalt, die sich nur durch die leuchtende Warnweste von den Schatten abhob, winkte mir gut gelaunt zu.
»’Nabend, Kurt«, grüßte ich unseren Einparkwart. »Wie lange bist du schon hier?«
»Vielleicht fünf Minuten, vielleicht kürzer.« Interessiert sah er mich an.
»Verflixt!«, fluchte ich leise. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er jemanden gesehen hätte. Aber Kurt begann erst mit seiner Einwinkaufgabe, wenn es bei uns wirklich losging. Also genau »jetzt«, wie ein Blick auf meine Uhr bewies.
«Hast du irgendetwas gesehen? Ein Mann, der sich auffällig verhalten hat, einen Solomann, der im Auto lauert?«
»Nein, wieso?«
»Jemand hat auf unserem Parkplatz eine junge Frau angegrabscht.«
»Werde auf Auffälliges achten.«
»Super. Lieben Dank!«
Ich stapfte zurück. Jetzt, wo Kurt da war, war nicht nur für eine geordnete Parkplatznutzung gesorgt, sondern auch indirekt für die Sicherheit der weiblichen Gäste.

»Gut, dass du wieder da bist«, begrüßte mich die Kollegin, und deutete auf eine junge Frau. »Wir haben hier eine Erstbesucherin. Also eine Führung bitte.«
»Aber klar!« Mit einem Lächeln wandte ich mich zu unserem Gast. »Howard«, stellte ich mich vor.
»Ich bin die Beate und ganz furchtbar aufgeregt.«
»Ah… nicht nur bei uns das erste Mal, sondern generell?«, riet ich.
»Jawoll! Sozusagen meine Entjungferung.«
»Prima! Da hast du dir den richtigen Club ausgesucht.« Ich schnappte mir Beates Spindschlüssel und hielt ihr meinen Arm hin. Sie hakte sich ein, sichtlich dankbar über die Unterstützung.
»Hier vorne haben wir deinen Spind, keine Sorge, ich bringe dich hinterher wieder hierher zurück.« Sie musterte den Raum kurz mit verhaltenem Interesse. »Sehr sauber.«
»Natürlich.« Ich zuckte mit den Achseln.
»Ein bisschen wie im Schwimmbad.«
»Das ist so ziemlich das Einzige, womit wir nicht aufwarten können.«
»Deswegen bin ich ja auch nicht hier.« Sie lachte leise und trotz ihrer Schüchternheit wurde mir klar, dass hier tatsächlich einmal eine Erstbesucherin sehr genau wusste, was sie wollte. Selten und ziemlich sexy.
»Hier ist die Disco. Wenn du dich hier hinsetzt, nimm bitte eines der Handtücher und leg es dir unter.«
»Darf man hier auch spielen?«
»Ja, der einzige Raum, wo wir davon bitten abzusehen, ist tatsächlich der Essensraum. Ansonsten kann hier überall erotisch zur Sache gegangen werden.«
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ließ sich Beate die Räume zeigen, die Dunkelkammer, den Pranger, die Lustschaukel, unsere Fickmaschine, die sie minutenlang allein durch den Anblick zum Lachen brachte, den Gyn-Stuhl, aber auch das Buffet und die Duschen.
Gerade als ich sie wieder bei ihrem Spind ablieferte, hörte ich meinen Namen. Ich entschuldigte mich, erntete ein »Klar, man sieht sich.« und ging zur Theke.
»Howard, ein Mädel hat sich beschwert, dass sie im Sexos beim Sex angegrabscht worden ist.«
»Äähhh?« Die Verwirrung musste mir im Gesicht gestanden haben, denn meine Kollegin schüttelte den Kopf.
»Nein, nicht von dem Mann, mit dem sie gerade zugange war.«
»Uuunnnddd?«
Eine Hand auf der Schulter war durchaus als erste Kontaktaufnahme üblich – im Sexos, unserer Dunkelkammer, konnte besagte Hand schon einmal auf einem anderen Körperteil landen – beabsichtigt oder unbeabsichtigt lasse ich einfach einmal dahingestellt.
»Angegrabscht, wie von hinten mit beiden Händen an die Brüste gefasst und aus dem Hinterhalt heraus massiert.«
»Wer war es?«
»Wenn ich das wüsste, hätten sich die Jungs von der Sicherheit schon darum gekümmert.«
Ja, für solch einen Fehltritt war definitiv eine Verwarnung angesagt. Nur weil Frau im Swingerclub war, war sie ja noch lange kein Freiwild und musste jeden Mann an sich herumfummeln lassen. Vorsichtiges Herantasten war erwünscht, Grabschen unerhört. Und manchen Männern musste der Unterschied in einem kleinen, energischen Gespräch nähergebracht werden. Die meisten kapierten es beim ersten Mal, manche beim zweiten und die anderen durften gehen – bis sie die Spielregeln beherrschten.
Aber ehrlich? Manche kapierten es einfach nie. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es sich dieses Mal um genauso jemanden handelte. Unauffällig prüfte ich das Erdgeschoss und hielt nach verdächtig wirkenden Männern Ausschau. Nichts. Im ersten Obergeschoss ebenfalls … nichts. Nur die üblichen Pärchen, die sich miteinander, übereinander und durcheinander vergnügten.
Auf dem Weg zum Buffet kam mir eine Frau entgegen, die mitgenommen wirkte und sich die Wange hielt.
»Alles in Ordnung?«
»Ja«, nuschelte sie und ein kleiner Blutfaden lief ihr über die Lippe.
»Aber du blutest doch.«
»Deswegen ist ja alles in Ordnung«, sie lächelte mich an. Es kam von Herzen.
»Ist dir irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen?«, fragte ich und hätte mich im nächsten Moment am liebsten geohrfeigt. Hatte ich gerade echt eine Frau, die sich über ihr eigenes Blut freute, gefragt, ob sie etwas Merkwürdiges gesehen hatte?
Aber sie überraschte mich positiv. »Ja, so ein Spanner hat eben über meine Toilettentür geschaut, als ich auf dem Pott saß.«
»Und der hat dich gehauen?«
»Nein, nein. Den habe ich gehauen.« Sie klang sehr selbstsicher. Vor allem, wenn man das Blut auf ihrer aufgeplatzten Lippe bedachte. »Eine saftige Ohrfeige.«
»Gut gemacht!«, meinte ich und ging an ihr vorbei Richtung Toilette. Ein Mann mit einem Handabdruck auf der Wange sollte nicht so schwer zu finden sein.
»Ich würde ihn auch wiedererkennen!«, rief die hilfsbereite Frau mir hinterher und ich nickte grimmig. Dazu würden wir sicher gleich kommen.
Ein Schrei ließ mich schneller werden. Er kam eindeutig von einer legendären Transe, die scheinbar große Qualen litt. Drei Gänge weiter traf ich auf den Ursprung des infernalen Lautes. TV Gustl, ein langjähriger Stammgast, lag auf einer eindeutig benutzten Lustwiese, eine hysterisch wirkende Frau stand direkt neben ihr. Beate. Meine Erstbesucherin. Aber etwas stimmte nicht an dem Gesamtbild.
Nach einigen Sekunden kam ich drauf: Gustl hielt sich den Fuß, nicht die Wange, trotz des schummrigen Lichts war Blut zu sehen. Beate wich langsam zurück.
»Was ist passiert?« Ich gab mir Mühe, meine Stimme ruhig zu halten, was angesichts der Situation nicht leicht war.
»Die dumme Kuh hat mir fast den Zeh abgebissen. Sie hat mich mit der Zunge an allen erdenklichen Körperstellen verwöhnt, wollte mir einen blasen und, ja, hat mir zum krönenden Abschluß in den Fuß gebissen«, jammerte Gustl.
Die »dumme Kuh« sagte gar nichts, sondern starrte unsere Premium-Transe mit großen Augen an. Was auch immer hier gelaufen war, es hatte definitiv nichts mit meinem Grabscher zu tun. Und es war wirklich viel Blut. Ich kniete mich neben Gustl nieder und prüfte den Fuß. »Der Zeh ist noch dran.«
»Entschuldigung«, murmelte Beate. »Das war keine Absicht.«
Gustl schimpfte los, es klang hysterisch. Schließlich prustete sie, ein wenig ehrfürchtig: »Was für ein Orgasmus!«
»Oh«, machte ich. »Beate, Du hast Gustl gebissen, als Du gekommen bist?«
»Ja?!«
Beate sah zweifelnd aus, als könne sie sich selbst nicht erklären, was eben vorgefallen war. Aber die Sache war wohl eindeutig. Kontrollverlust beim Sex.
»Lauf mal schnell los und hol den Erste-Hilfe-Koffer vom Eingang!«, befahl ich.
Dankbar sah mich Beate an und war so schnell weg, dass sie einen Rekord damit hätte brechen können. Zum Glück war sie genauso schnell wieder zurück. Gustl hatte derweil die ganze Spielwiese vollgeblutet und jedwede Erotik auf der Etage zum Erliegen gebracht. Sogar eine kleine Menge Schaulustiger hatte sich vor uns versammelt.
»Lass mich mal.« Die Frau mit der blutenden Lippe nahm mir den Koffer ab und legte innerhalb einer halben Minute einen perfekten Verband an. Sie hatte eindeutig Übung!
»Danke.«
»Gerne.« Sie zwinkerte mir zu und half der Verletzten auf die Beine. Offensichtlich war ich hier überflüssig geworden. Also zurück zu meinem Grabscher und der Suche nach ihm.
Auf dem Weg zur Theke lief ich meinem Chef über den Weg und berichtete kurz von allen Geschehnissen. Von Grabscher, Zehenbeißer und der hilfsbereiten Frau mit der blutigen Lippe.
»Ah, du meinst Britta.« Mein Chef strahlte.
»Du kennst sie?«
»Ja, wer hat ihr denn wohl eine geknallt?« Das Strahlen wurde intensiver.
»Du hast …«
»War schließlich ihr Geburtstagswunsch.« Er zuckte nonchalant mit den Schultern und ging Richtung Hintereingang.
Ich sah ihm nach. Manche Leute musste man nicht verstehen und manche SMler einfach so nehmen, wie sie waren. Aber ein Warnschild wäre schon nett gewesen.
Aber der Weg meines Chefs hatte mich immerhin auf eine Idee gebracht. Ich schlich durch den Hintereingang und nach draußen. Inzwischen war der Parkplatz so voll, dass dort niemand mehr parken konnte und sich die Fahrzeuge mit dem Straßenrand begnügen mussten. Kurt lungerte ein wenig gelangweilt mit leidender Mine auf seinem Stuhl herum.
»Alles in Ordnung mit dir.«
»Nein.« Unwillkürlich griff er sich an die Wange.
»Zahnschmerzen?«, fragte ich und verkniff mir ein fieses Grinsen.
»Die hatte einen ganz schönen Schmackes im Schlag!«, klagte Kurt.
»Voll verdient, oder?«
Der Parkplatzwächter nuschelte etwas Unverständliches.
»Muss ich dich abmahnen, oder hast du das Nein und die Regeln verstanden?«
»Verstanden!«, behauptete er.
Natürlich hatte Kurt rein gar nichts verstanden.
Zwei Stunden später musste ich ihn nicht nur abmahnen, sondern kündigen, weil er abermals einigen Frauen ohne Erlaubnis an den Busen gegangen war. So jemand hatte in einem Swingerclub nichts zu suchen – erst recht nicht als bezahlter Angestellter.
5. Der Frauen-Verkauf … Sklavin abzugeben. Koffer inklusive.
Anrufe zu meinem Bürozeiten sind nichts Besonderes. Die meisten riefen an, um kurz zu checken, ob ihr Outfit geeignet ist, weil sie Fragen zum abendlichen Programm hatten oder zum laufenden Betrieb.
Solos, Paare, Neulinge, Fetischfreunde. Die meisten waren schon bei dem ersten »Hallo« vorhersehbar. Und da heute SM auf unserer Veranstaltungsliste stand, waren die Lack- und Lederfragen nahezu vorprogrammiert.
»’Nabend«, krähte ein Mann mit Ernie-Stimme ins Telefon, kaum dass ich abgehoben und meine Begrüßungsformel heruntergeleiert hatte.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich rüfe aus Erfurt an«, erklärte der Mann und brachte mit dieser Aussage Licht in die Ernie-Stimme. Die musste so!
»Ich hätte da ne Sklavin abzugeben, aber das fällt mir schon ganz schön schwer. So im Herzen, wissen ’Se?«
»Warum wollen ’Se se denn abgeben?« Ohne es zu wollen, verfiel ich in denselben Dialekt. Es war beinahe wie ein Selbstschutzreflex. Hilfe, die Sachsen (Anhalter) kommen.
»Ich kann dat nisch mehr. Dat wird mir zu deuer. De isst zu viel und trinkt zu viel. Und rauchen tut so ooch und ich läbe von Hartz 4. Der Mann hat sie ja immer verprüüjelt.«
»Ja und dann will’ste die Alte abgeben. Wie bist du jetzt auf uns gekommen?«
»Ihr habt doch immer sohne SM so schöne am Donnerstag. Da hab ich gedacht, ich komm mal vorbei und da gebe ich se euch ab. Ich will auch nix für se haben, aber da weiß ich is se jut undergebracht.«
»Du kennst uns doch gar nicht.«
»Des wird schon de Richtigkeit haben, die is ja ooch devot. Die könnt ihr auch mit drei Männern ins Bett oder auf en Strich schicken, da verdient se sogar noch Geld für euch.«
»Warum machst du das denn nicht?«
»Ne, det kann isch nisch. Die kennen mir ja hier alle. In Erfurt«
»Dann hättest du sie doch in irgendeinen Puff stecken können, wenn die so drauf ist.«
»Die wes doch noch gar nüscht davon.«
Ich schwankte zwischen Unglaube, Hohn und Lachen. Wieder so ein Freak, der meinte, mir einen vom Pferd erzählen zu müssen. Wahrscheinlich nahm er an, dass ich nur auf seinen Anruf gewartet hatte, und mir sonst langweilig wäre. Vermutlich holte er sich bei dem Gedanken an meine Erwartungshaltung und mein »Ich will die Alte haben« kräftisch einen runter, der Zonen-Frieder.
Bemüht neutral meinte ich: »Das klingt aber alles hochinteressant. Ob wir da ins Geschäft kommen, das kann ich dir aber so nicht versprechen.«
»Wichtisch ist nur, de Alte muss weck.«
»Hmhm«, machte ich und kämpfte wieder gegen ein Lachen an. Solche Leute musste man einfach auflaufen lassen.
»… die könnte ja ooch einen Unfall haben …«, fuhr mein Gesprächspartner fort. Es klang verdammt ernst.
Ich verschluckte mich beinahe an meinem letzten Lach-Ton und protestierte jetzt doch. »Moment mal!«
»Wie gesagt, so ren ämotionol find ich ’se ja nett, aber ’se kostet zu viel Schodder. De Alte muss also weck. Egol wie.«
Ich entschloss mich mitzuspielen. Für komplett ausgedacht war mir die Geschichte zu abgedreht. »Ist die denn SM-mäßig drauf?«
»Wat wes isch, aber die hat doch sowieso immer auf de Fresse gekriecht. Und wenn die jetze noch Jeld dafür kriech, wäre alles klar.«
»Dafür?«, murmelte ich leise und verdrehte die Augen. Nett, wirklich eine ganz ausgesprochen reizende Person. »Und du hast mit deiner Freundin gesprochen?«
»Jaja, habe ich schon. Ich habe auch schon enen Vertrag mit ihr gemacht. Einen Kaufvertrag von der Sklavenzentrale. Bringen wir dann ooch mit.«
Jetzt platzte mir endgültig der Kragen. Entweder war ich gerade live im Radio oder der Typ war blöder, als die Polizei erlaubt. Wie konnte man gleichzeitig so involviert sein, so mit Sklavenvertrag und allem Drum und Dran und dann doch so dämlich, bei einem Swingerclub anzurufen, weil man angeblich seine Alte loswerden wollte. Was war ich? Eine Verwahrstelle für ungewollte Frauen, Seelentröster oder der Live-Depp von Verstehen Sie Spaß?
»Willst du mir wirklich so einen Scheiß erzählen? Lass mich einfach in Ruhe! – Frohes Fest!« Energisch legte ich auf und hoffte, dass all meine nicht ausgesprochenen Flüche trotzdem beim Empfänger ankamen.

Kurz bevor wir einige Stunden später offiziell unsere Pforte für die Gäste öffneten, klingelte es an der Tür. Mein erster Verdacht fiel auf Thilo, der zweite auf Britta und der dritte auf meinen Chef, der wieder einmal seinen Schlüssel irgendwo vergessen hatte.
Aber die Realität war noch besser als meine Fantasie.
Vor der Tür standen zwei reale Trantüten. Ein Mann und eine Frau, so richtig im Ossi-Design, als wäre die Wende nie vollzogen worden und sie direkt einem Vorurteilskatalog entsprungen. Innerhalb weniger Sekunden nahm mein Gehirn die Erich-Honecker-Gedächtnisbrille und die VEB-Karojacke wahr. Ob das seltsame Pärchen vierzig, fünfzig, oder gar sechzig Jahre alt war, konnte ich unmöglich feststellen, die Mimik der beiden schien festgefroren zu sein, die Gesichtsfarbe rangierte irgendwo zwischen grau und graubraun und die Frau wirkte unglücklich, müde und alt. Verhärmt. Als sei der Papp-Koffer, an den sie sich klammerte, das Einzige was sie noch aufrecht hielt.
Ach du Scheiße!
Plötzlich wusste ich ganz genau, wer vor mir stand. Und mindestens einer von beiden meinte das hier verdammt todernst.
»Kommt doch erst einmal herein«, bat ich und manövrierte die beiden ungebetenen Gäste in mein Büro.
»Gudrun, setzt dich hinn, hald de Fresse!«, befahl der Ossi, dann wandte er sich zu mir.
»Hier sind die Papiere.«
Er reichte mir einige Dokumente und sah mich erwartungsvoll an. Ich überflog die Seiten. Es war tatsächlich ein Sklavenvertrag. Waschecht und komplett ausgefüllt. Analstute Gudrun wurde uns darin zur vollständigen Verfügung gestellt. Inklusive von »Verprügelungen aller Art«, »sexueller Handlungen« etc. pp.
Gruselig!
Auf der letzten Seite sollte ich den Erhalt und den ordentlichen Zustand der Ware bestätigen.
Die Ware.
»Und was hält Gudrun davon?«, erkundigte ich mich. Ich sah sie an. »Weißt du, was hier passiert?«
»Der hat mich verkooft«, jammerte sie in einem angemessen weinerlichen Tonfall. »Das ist sowieso ein ganz großer Tunichtgut.«
»Sei nett anständig hier, sonst wirste verprieschelt!«, warnte Gudruns Möchtegern-Dom.
Ich meinte ein wenig pikiert: »Ja, hier werden ständig alle Frauen verprügelt und danach selbstverständlich zum Sex gezwungen.«
Der Ossi strahlte mich an. Offensichtlich hatte er weder meinen Sarkasmus erkannt, noch verstanden, dass SM im Grunde nur ein Spiel ist. Ein intimes, sinnliches Spiel, bei dem es um Erotik geht, um Lustschmerz und vor allem darum, dass BEIDE Spaß an der Sache haben.
»Wissen ’Se«, fuhr der Verkäufer fort. »Se macht ja nicht viel Unrath un so. Und stubenrein ist se och… aber se isst enfach zu viel. Beim bümsen isse aber glasse.«
Ich schüttelte den Kopf über so viel Dummheit und Naivität.
»Okay, lass uns mal Tacheles reden: Du kannst doch Deine Freundin nicht einfach so hier abgeben. Wenn Du sie nicht mehr willst und die Frau nicht auf eigenen Füßen stehen kann, dafür gibt es Frauenhäuser, Caritas, Diakonie.«
»Aber da kriesch ich ja ken Geld dafür«, protestierte der geschäftigstüchtige Verkäufer. »Und mir ist auch egal, wozu Se se benutzen und ich stelle och kene Fragen!«
»Meine Güte!« Ich fasste mir an den Kopf. Konnte der wirklich echt sein? »Ihr hättet ja auch an einen Perversen aus dem Internet geraten können. Jemanden, der wirklich auf Extremspiele steht … und hier steht ihr ganz unschuldig vor mir, kennt mich gar nicht und wisst auch gar nicht, was ich mit der Gudrun machen würde.«
»Das wird schon alles sene Richtischket haben. Schließlich führen Sie hier einen schönen, großen Club un so …«
»Im Grunde sagst Du doch: Gibt mir Geld. Wenn sie hinterher verschwunden ist, ich sag nichts!«, appellierte ich an das Gewissen des Mannes.
Der strahlte mich ungerührt an. »Genau! Ich nüm ene kleene Abschlagzahlung und kann dann auch nach Hause fahren.«
»Moment mal …« So langsam ging mir ein Kronleuchter auf. »Erst dann kannst Du nach Hause fahren?«
»Ja, klor. Benzin is deuer.«
»Also ich gebe Dir eine Kleinigkeit für die Gudrun, damit Du Benzingeld hast und tanken kannst?«
»Ja!«
»Aber ehrlich? Ich will die Gudrun gar nicht kaufen. So etwas machen wir nicht. Wir kaufen und verkaufen keine Menschen. Auch keine Sklaven.«
Auch keine mit Dachschaden, dachte ich, sprach es aber nicht laut aus. Schließlich hatten auch Sklaven mit Dachschaden Gefühle. Wenn auch nicht unbedingt welche von der nachvollziehbaren Art.
»Wieso? Es war doch schon alles klar?!« Der Ossi sprang auf und sah mich verzweifelt an. »Wenn et an der Abschlagzahlung liescht. Ich will wirklich nur genug, um nach Hause zu kommen.« Langsam setzte er sich wieder. »Vielleicht könnde ich auch einfach das Geld nehmen, dass die Alde heude im Club verdient?«
»Die Gudrun verdient aber nichts in unserem Club. Wir nehmen Eintritt und verkaufen keine Frauen!«
»Aber …« Er sah Gudrun an, als sei die gesamte Situation ihre persönliche Schuld. »Ich dachte, Se begutachten de Ware und wenn die kenen Schaden hat, nehmen Se se. De Tidden sind doch gut. Ken Schaden.«
Hat sie aber. Genau wie der Verkäufer. Mega-Dachschaden.
Ich schüttelte abermals den Kopf. »Das ist eine Frau, ein Mensch, keine Ware.«
»Ja, was soll isch denn jetze machen?«
»Weißt Du was? Ich gebe Dir fünfzig Euro und Du bringst die Gudrun in das nächste Frauenhaus.«
Zweifelnd sah mich das seltsame Pärchen an, fügte sich aber meinem Willen. Die ostdeutsche Jammer-Prozession nebst Koffer zog – der Herr sei gepreisen - ihres Weges.

Kaum waren die beiden gegangen, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Was, wenn der Typ die Gudrun NICHT in ein Frauenhaus brachte. Was, wenn er tatsächlich an einen irren, sadistischen Freak aus dem Internet geriet und dem die arme Frau verkaufte. Auf das sie nie wieder gesehen wurde?
Verdammt!
Ich griff zum Telefon.

Als »mein« Ossi von der Polizei aufgegriffen wurde, war von Gudrun weit und breit keine Spur.
Der Verhörte gab zu Protokoll, dass er mit DIESEN SMlern nix am Hut habe, aber DIESER Club wollte seine Alte unbedingt kaufen … Jetzt wäre man sich aber nicht handelseinig geworden. Der Typ (ich) hätte Papiere haben wollen, und jetzt doch nicht und bei der Alten hätte er (ich) es sich ja anders überlegt. Total unzuverlässig. Scheiss Wessies!
Die Gudrun habe er irgendwo in der Pampa ausgesetzt, mit Papp-Koffer natürlich. Zum Glück wurde sie kurz darauf von der Polizei in einer Bahnhofskneipe aufgegriffen und in die Obhut des zuständigen Landeskrankenhauses übergeben.
»Mein« undankbarer Ossi schaffte es auf diesem Weg ebenfalls problemlos bis in die Psychiatrie und ich war um eine seltsame, denkwürdige Geschichte reicher.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.
