Kitabı oku: «Der Krieg», sayfa 6

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Intrigen

Söldner sind nach dem Krieg oft ein größeres Problem als im Krieg. Dort wird ihnen gerne ein gewisses Maß an praktischer Vernunft nachgesagt, das sie daran hindert, sich allzu kühn in jedes Gefecht zu stürzen. Oft verlangen sie für jedes Extra, etwa wirklich zu kämpfen, eine Bonuszahlung. Auch Kyros muss seinen Griechen den Sold anheben, als klar wird, dass es tatsächlich gegen seinen königlichen Bruder geht. Selbst Söldner, für die man vorher bezahlt hat, werden zum Ärgernis, wenn der Krieg vorbei ist, noch mehr solche im Dienst des geschlagenen Gegners. Anders als reguläre Truppen, die in ihre Garnisonen abmarschieren oder ausgehobene Milizen oder feudale Aufgebote, die froh sind, so schnell wie möglich ihre Felder, Werkstätten oder Adelssitze wiederzusehen und ihr ziviles Leben wieder aufzunehmen, haben Söldner schlicht keine Heimat, in die sie zurückkehren können, keinen Zivilberuf, der auf sie wartet. Zu allen Zeiten der Geschichte sehen sich Auftraggeber von Söldnern mit dem Problem konfrontiert, eine oft sehr große Zahl von sehr gefährlichen Männern irgendwie aus ihrem Land hinauskomplimentieren zu müssen. Wenn man Glück hat, findet sich rasch und in Reichweite ein neuer Kriegsherr, an den man sie weitervermitteln kann. Oder man bietet ihnen ein finanzielles Incentive, dass sie zumindest das Land verlassen und die Wirtshäuser im Herrschaftsgebiet des Nachbarn zu Kleinholz verarbeiten und deren mehr oder weniger ehrenwerte Damenwelt belästigen. Söldner – wie alle Männerbünde – haben notorisch schlechte Manieren, die durch lange Phasen der Langeweile, kurze Momente der Todesgefahr und die Gewissheit, Fremder unter Fremden zu sein, nicht besser werden. Auch einmal viel Geld zu haben, meist aber keines, fördert das Leben im Augenblick. Die Folgen der eigenen Handlungen haben dann wenig Bedeutung. Nichtsdestotrotz sehnen sich viele dieser Männer nach einem geordneten Leben, genug meist, um die gesamte Truppe vor dem Abgleiten in die Gesetzlosigkeit zu bewahren. Griechische Söldner verzehren sich nach dem bäuerlichen Idyll, aus dem viele durch die Not hinausgedrängt wurden. Ihnen ein Stück Land anzubieten, treibt sie meist zu Höchstleistungen an. Alexander der Große wird dies mit Erfolg umsetzen und die Landkarte des Nahen Ostens mit Alexandrias ausgedienten Söldnern überziehen. Von späteren Söldnerarmeen, wie denen des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648), weiß man, dass viele Söldner in recht stabilen Paarbeziehungen lebten, Frau und Kinder im Tross mithatten und von diesen ebenso versorgt wurden. Auch die ungeschlagenen Griechen bei Kunaxa müssen nicht nur um ihr eigenes Leben fürchten, sondern um das ihrer Diener und oft auch Familien. Eine vormoderne Armee ist eine Stadt auf dem Marsch, mit allen Problemen der Versorgung, Organisation und Entsorgung, die sich daraus ergeben. Naheliegenderweise ist also eine der ersten Zusicherungen, die die Griechen nun von den persischen Unterhändlern fordern, die Möglichkeit, sich auf einem Markt zu fairen Preisen zu versorgen. Keine örtliche Handelskammer ist erfreut, wenn 10.000 Bewaffnete zum Shopping kommen, und die Auswirkung der plötzlichen Bedarfsspitze auf die Marktpreise kann man sich mit etwas Fantasie ausmalen. Wieder tritt Tissaphernes in Erscheinung, der im Auftrag des Großkönigs den geordneten Abmarsch der Söldner organisieren soll. Er bietet den Männern Waffenstillstand und die Rückkehr in die Heimat an. Die Söldnerführer sind nicht abgeneigt, rasch richten einige ihr Mäntelchen nach dem neuen Wind: „Wir sind weder zusammengekommen, um gegen den Großkönig Krieg zu führen, noch sind wir gegen ihn ins Feld gezogen,“ rechtfertigt sich ausgerechnet Klearchos. Kyros habe sie getäuscht, doch verbot es die Ehre, ihn in der Schlacht in Stich zu lassen. Nun, noch knapper als an „im Stich lassen“, wie durch Klearchos Wandertag, während sein Auftraggeber von der Leibgarde des Großkönigs zerstückelt wurde, kann man eigentlich nicht vorbeischrammen.

Söldner haben immer Konjunktur: Die französische Fremdenlegion erscheint da beinahe bieder, verglichen mit neuen „Sicherheitsunternehmen“ wie Blackwater.

Die beste Schlacht, das weiß jeder erfolgreiche Condottiere, ist die, bei der man tapfer zu kämpfen scheint, dabei aber nie wirklich in Gefahr ist.

Die Indizien verdichten sich, dass hier ein doppeltes Spiel aufgeführt wurde. Tissaphernes und die Söldnerführer einigen sich darauf, dass den Griechen freier Abzug gewährt wird und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich zu versorgen. Im Gegenzug sollen sie nicht plündern und auch sonst keine Schäden verursachen. Doch nach seiner Abreise, um den Großkönig diese Einigung zu überbringen, lässt der Perser sie warten. Zwanzig Tage sitzen sie in der Ebene Mesopotamiens fest, in ihrer Bewegung durch Bewässerungskanäle eingeschränkt, die – unüblich für die Jahreszeit – voller Wasser sind. Doch dann kehrt Tissaphernes zurück und der Marsch beginnt, begleitet von den üblichen Reibereien eines Heerzuges. Es gibt Schlägereien beim Holzsammeln, Streit um den Zugang zu Wasser und, wie immer, die Marktpreise. Das nächste seltsame Ereignis: Als sie an einigen Dörfern vorbeikommen, die zu den Ländereien der Mutter des Kyros gehören, überlässt Tissaphernes sie den Griechen zu Plünderung. Sie zögern keinen Moment. Tissaphernes kann das leicht als einen bedauerlichen Zwischenfall mit ausländischen Raufbolden hinstellen, Parysatis, die noch den Tod ihres Lieblingssohnes betrauert, wird die Spitze schon verstanden haben. Klearchos versucht sich inzwischen bei Tissaphernes beliebt zu machen. Ein guter Söldnerführer ist immer auf der Suche nach dem nächsten, finanziell potenten Auftraggeber, und Tissaphernes ist der kommende Mann in Kleinasien. Immerhin hat ihm der Großkönig eine seiner Töchter zur Frau gegeben. Klearchos ist klar, dass er, wenn er die außergewöhnlich große Söldnerarmee zusammenhalten kann, ein Machtfaktor in der Region werden könnte, was vor allem bedeutet: unendlich reich. Klearchos, so schreibt Xenophon eindeutig, wünschte, dass das ganze Heer sich ihm zuwende. Doch dazu muss er sicherstellen, dass die Unterführer und ihre Männer Aussicht auf einen weiteren lukrativen Auftrag unter seiner Führung haben, sonst suchen sie vielleicht auf eigene Faust ihr Glück anderswo. Klearchos braucht Tissaphernes. Doch braucht dieser ihn? Er lässt es zumindest durchblicken und mit diesem dünnen Versprechen versucht Klearchos den Coup in der Armee. Er lockt die griechischen Anführer, die sich ihm noch widersetzen, zu einer Unterredung in das Lager der Perser und lässt sie dort ermorden. Doch auch Klearchos ist am Ende dieser Nacht der langen Messer tot. Eine Gehaltsverhandlung, die aus dem Ruder gelaufen ist? Tissaphernes hat sich als der erfolgreichere Intrigant erwiesen. Als persische Unterhändler im Lager der Griechen erscheinen, um ihre Kapitulation zu verlangen, macht dann ausgerechnet ein kulturelles Missverständnis die Pläne des Tissaphernes zunichte: In der orientalischen Tradition sieht er die Söldner als „Sklaven“, als Untertanen, Hörige, Gefolgsleute des Klearchos und ihrer Anführer. Durch seinen Enthauptungsschlag meint er, ihnen jede weitere Motivation genommen zu haben, hofft vielleicht, dass sie ihre Loyalität einfach auf ihn übertragen. Die Griechen indes sehen sich als Gleiche, ihre Anführer nur als die Besten, oder die Besten halt, die man gerade hatte, und wählen flugs neue Kommandanten. Einer von ihnen wird der Athener Xenophon sein, Chronist der Geschichte und nicht unwesentlich mitverantwortlich, dass die Zehntausend den Weg nach Hause finden werden. Er selbst schafft den Absprung, läuft zu den Spartanern über und widmet sich der Schriftstellerei. Sein abschließendes Urteil über Klearchos: Ein harter, aber fähiger Kommandant, nur zu sehr verliebt in seine Rolle als Krieger; einer, der nach dem langen Krieg nicht mehr in die zivile Welt zurückgefunden hat. Material, aus dem zu allen Zeiten Söldner gemacht werden. Die wenigsten kaufen irgendwann den Bauernhof, von dem sie zeitlebens vielleicht fantasiert haben.

Nachlese

Die „Anabasis“ des Xenophon liegt in zahlreichen Ausgaben und Übersetzungen vor. Manche Leserin und mancher Leser hat vielleicht noch seine alte griechische Schulausgabe im Bücherschrank. Wer seine Kenntnisse der alten Sprachen auffrischen will, ist mit einer zweisprachigen Edition, wie der bei Artemis & Winkler 1994, gut beraten. Natürlich ist der Klassiker auch online heute leicht zu finden. Das gegenwärtig maßgebliche Werk zu den griechischen Söldnern ist Matthew Trundles: „Greek Mercenaries from the Late Archaic Period to Alexander“ bei Routledge 2004 erschienen. Interessante Überlegungen zu den Motivlagen und zum möglichen Verlauf der Schlacht von Kunaxa finden sich bei Jeffrey Rop: „All the Kings Greeks: Mercenaries, Poleis, and Empires in the Fourth Century BCE“ Dissertation Penn. State 2013 und bei Harvey F. Miller: „The Practical and Economic Background to the Greek Mercenary Explosion“ in Greece & Rome 31.2 (1984) S. 153–160.

Carneiros Theorie zum Ursprung der altorientalischen Staaten findet sich in: Carneiro, R. L.: „A Theory of the Origin of the State”. Science. 169 (3947) 1970; S. 733–738 und ist seitdem viel diskutiert worden. Auf die griechischen Verhältnisse angewandt, wird die Theorie in dem Beitrag von Berent Moshe: „Greece: The Stateless Polis (11th–4th Centuries B.C.)“ in: Grinin L. E. u.a. (Hg.): „The Early State, Its Alternatives and Analogues“ (Volgograd 2004 ), S. 364–387 bzw bei: E. van der Vliet: „Polis. The Problem of Statehood“ in Social Evolution & History 4(2), September 2005, S. 120–150. Wer sich für die inneren Verhältnisse der Poleis und Stadtstaaten allgemein interessiert, dem seien die Veröffentlichungen des Kopenhagen Polis Center – mehrheitlich unter der Federführung von Mogens Herman Hansen – ans Herz gelegt. Die enge Beziehung zwischen Kriegsführung, bäuerlichem Leben und politischer Beteiligung schildert Victor Davis Hanson: „Warfare and Agriculture in Classical Greece“ University of California Press, 1983, der auch weitere Werke zu diesem Themenkomplex verfasst oder herausgegeben hat.

Von rezenten Komikverfilmungen der Konfrontation zwischen Persern und Griechen ist eher abzuraten. Das Mittelmeer ist gewiss nicht Mittelerde und Gut und Böse sind selten so einfach an ihrem Äußeren zu erkennen, geschweige denn einer Seite in einem Krieg zuzuordnen. Wer den zweifellos vorhandenen Schauwert der „300“ trotzdem genießen möchte, kann als Antidot Aischylos „Perser“ lesen, in dem der Zeitgenosse dem Feind mehr Menschlichkeit und Anstand zugesteht, als es Hollywood anscheinend bewerkstelligen kann. Oliver Stones „Alexander“ zeigt die Schlacht von Gaugamela, für die Kunaxa sozusagen die Generalprobe war, in recht beeindruckenden Bildern, wurde aber wegen der Besetzung und deren schauspielerischen Leistung von der Kritik eher verrissen.



DER LEGIONÄR

Gaius Julius Cäsar

* 13. Juli 100 v. Chr.

T 15., die Iden des März, 44 v. Chr., Rom

Auf seinem Weg nach Spanien, 69 v. Chr., überkommt den designierten Quästor Gaius Julius Cäsar beim Anblick einer Statue des großen Makedonenkönigs eine düstere Stimmung. „Alexander,“ so soll er seinen Begleitern anvertraut haben, „hatte in meinem Alter schon die gesamte Welt erobert.“ Für seine Reisegenossen mochte das pompös klingen; ein Ausdruck der überzogenen Meinung, welche dieser Mann von sich selbst zu haben schien. Für die antiken Geschichtsschreiber, die Vorahnungen genauso liebten wie heute mittelmäßige Drehbuchautoren, wurde der melancholische Seufzer zum prophetischen Moment. Dabei hätte der gerade einmal Dreißigjährige genug und weitaus handfestere Gründe gehabt, um sich in dunklen Gedanken zu ergehen. Gaius Julius Cäsar hatte Schulden. Hohe Schulden. Dieser „schlampig gekleidete junge Mann“ – so der Diktator Sulla über ihn – hatte sich kopfüber in das gefährliche, vor allem aber kostspielige Machtspiel der römischen Republik gestürzt. Doch um dort richtig mitzumischen, fehlten dem aus alter, aber verarmter Familie stammenden Jungpolitiker einfach die Mittel. Deswegen machte er Politik auf Pump. Nachdem ihm der unverhohlene Stimmenkauf, auf den die Wahlkämpfe der späten römischen Republik zwangsläufig hinausliefen, einen Platz in der Führungsriege des Senats verschafft hatten, war es nun an der Zeit, Geld zu machen. Das bewährte Mittel dazu war die Verwaltung – sprich Plünderung – einer der Provinzen des Römischen Reichs. Nun wollte er sich in Spanien sanieren, wo er sich im Kampf gegen die unruhigen Eingeborenen auch den Ruf eines fähigen Befehlshabers erwerben sollte. Dann, nach weiteren Jahren des üblichen politischen Manövrierens, um die Regeln der römischen Staatsverfassung zu umgehen, endlich das ersehnte Amt eines Prokonsuls. Sein Wirkungsbereich: Gallien. Was es jetzt noch brauchte, war ein Krieg. Doch um Cäsars Ehrgeiz zu befriedigen, musste ganz Gallien bluten!

Rom, so stellte Marcus Tullius Cicero, Cäsars Zeitgenosse und politischer Mitbewerber, fest, verdankte sein Imperium der Verteidigung seiner Verbündeten. Auf sympathieheischende Art brachte er damit das Dilemma aller Imperialisten auf den Punkt: Die Überwindung eines Feindes an den Grenzen des Imperiums brachte einem zwangsläufig eine Hand voll neuer Anrainer ein, die alles andere als geneigt waren, den Friedensschwüren jener imperialen Kriegsmaschine Glauben zu schenken, die gerade ihren einstigen Nachbarn verschlungen hatte. Auf diese Weise waren alle Imperien gewachsen und wahrscheinlich der antike Staat an sich ins Leben gerufen worden. Rom gilt nicht umsonst als End- und Höhepunkt dieser Entwicklung und die späte Republik, die Zeit Cäsars, als der Schlussstein in der römischen Eroberung der Alten Welt.

Die Republik hatte das Imperium geschaffen. Das Kaiserreich verwaltete es nur mehr; rundete es maximal an exponierten Stellen im Interesse einer effektiveren Defensive ab. Cäsars Neffe und Nachfolger, Augustus, wird die Expansion Roms an Rhein und Donau für beendet erklären. Die kaiserlichen Alleinherrscher hatten keine Veranlassung mehr zu spektakulären – und kostspieligen – Feldzügen; stellten sich lieber als Sicherer von Frieden und Wohlstand dar. Es waren die Machtkämpfe der republikanischen Senatoren gewesen, die die Eroberungen vorantrieben. Der römische Senat war eine Schlangengrube voll Parteienhader und individuellem Ehrgeiz. Die römische Republik war die Maschinerie, die die dreihundert Senatoren – die wahren „Herren der Welt“ – mit den dafür notwendigen Mitteln versorgte. Die Legionen waren ihr starker Arm, und sie folgten dem, der ihnen Sieg und Beute versprach.

„Quo usque tandem …“ Cicero spricht im römischen Senat. Nicht mehr lange: Bald wird diese illustre Versammlung willfähriges Instrument des Diktators Cäsar sein.

Verschwörung des Catilina, Fresko von Cesare Maccari (1840–1919), 1889; Rom, Palazzo Madama

Nicht an einem Tag erbaut

Es hatte klein angefangen. Rom war einer jener mittelitalischen Stadtstaaten gewesen, die sich im Dunstkreis der etruskischen Kultur entwickelten, die ihren Schwerpunkt in der Toskana – Tuscien, dem Land der Tursa, wie sich die Etrusker selbst nannten – hatte. Die halbmythische Erinnerung an die Vorzeit bewahrt die Namen etruskischer Könige, deren letzter von den Römern seines Hochmutes wegen vertrieben worden sein soll. An die Stelle der Monarchie trat eine Adelsherrschaft und nach turbulenten Permutationen jene römische Republik mit ihrem Senat, ihren Wahlämtern und Kollegien, welche Verfassungsrechtler bis in die Neuzeit in Entzücken versetzen sollte. Cicero nannte sie unverhohlen die beste aller möglichen Staatsformen und meinte es damit den Griechen, allen voran Aristoteles, dem Lehrer Alexanders, gezeigt zu haben, die an dieser Frage immer gescheitert waren. Die ewig zerstrittenen Bünde der hellenischen Stadtstaaten und die prunksüchtigen Monarchien in der Nachfolge des Welteroberers Alexander bildeten das politische und kulturelle Umfeld Roms, dem gegenüber man sich als Newcomer von der Peripherie behaupten musste. Rom erlebte seine Bewährungsprobe in drei Kriegen gegen die Punier – phönizische Kolonisten in Nordafrika, die ebenfalls die Vormachtstellung im westlichen Mittelmeer beanspruchten. Mit Zähigkeit, Sturheit und Brutalität rangen die Römer ihre Gegner in mehreren Kriegen nieder und säten Salz auf den verwundeten Feldern des zerstörten Karthago aus. So schafften sie die Einigung Italiens, von wo aus sie nun zur ernstzunehmenden Macht wurden, die mit den vormals karthagischen Besitzungen in Afrika, Spanien, den Balearen, Sardinien und Sizilien nun ihrerseits ein Imperium besaß. Die neuen Herren des Westens haderten gegenüber der älteren Zivilisation des Ostens immer ein wenig mit dem Minderwertigkeitskomplex des Emporkömmlings, den sie einerseits durch Verachtung östlicher Dekadenz zu überspielen versuchten, andererseits dadurch kompensierten, dass sie alles größer, effizienter und besser zu machen versuchten als ihre griechischen Lehrmeister. Was sie diesen aber vor allem voraus hatten, und darin hatte Cicero recht, war eine Staatsführung, die sich bei allem inneren Hader in einer Sache einig war: Rom musste bestehen. Das System Rom war ein Erfolgsmodell und es war, unwissentlich gewiss aber unaufhaltsam, auf Imperium getrimmt.

Rom war eine Republik. Res publica sind die „öffentlichen Angelegenheiten“, das also, was alle angeht, die am politischen Leben teilnehmen. Natürlich war die Teilhabe an diesen öffentlichen Angelegenheiten im italischen Flächenstaat – anders als in den kleinräumigen, griechischen Stadtstaaten – nicht allen Bürgern möglich, sondern beschränkte sich von Anfang an auf eine schmale Adelsschicht aus einigen Dutzend Clans, aus denen sich die etwa dreihundert Mitglieder des Senats rekrutierten. Die römische Elite war, wie alle Eliten zu allen Zeiten, konservativ und auf die Erhaltung ihres sozialen Status bedacht. Sie war aber – wie die anderer erfolgreicher Imperien – offen genug, um Aufsteigern – homines novi, „Neuen Männern“ – Zugang zu gewähren, wenn diese ihre Beherrschung der Spielregeln unter Beweis gestellt hatten und über die nötige finanzielle Potenz verfügten. Cicero, der berühmte Redner, Politiker und Philosoph, war selbst so ein Neueinsteiger.

Die Voraussetzung für die Aufnahme in den Club war die erfolgreiche Bewerbung um ein Staatsamt. Der Senat war nämlich keine repräsentative Institution wie moderne Parlamente, sondern ein Club von ehemaligen Magistraten. Um an ein solches zu gelangen, musste eine Wahl gewonnen werden, in der die große Mehrheit der römischen Bürger ihre Möglichkeit zur politischen Beteiligung hatten. Zwar waren die Wahlkollegien durch die Bevorzugung der Stimmen der oberen Klassen alles andere als demokratisch, doch erforderten sie zumindest, dass die Adeligen sich einer möglichst großen Wahlgefolgschaft versicherten. Dies geschah anfangs durch ein umfangreiches Klientelsystem, in dem mächtige Adelsfamilien sich die Unterstützung einzelner Personen oder ganzer Bevölkerungsgruppen – Gemeinden, Regionen, Wirtschaftszweige – sicherten, indem sie deren Interessen im Senat vertraten und ihnen auch sonst Wohltaten – Posten, Geschenke, Privilegien – zukommen ließen, zu denen ihre erhabene Position sie ermächtigte. Lobbying auf römische Art sozusagen. Mit der fortschreitenden Verstädterung, dem Wachstum der Metropole Rom und der Ausdehnung des römischen Herrschaftsbereiches wurde die stadtrömische Bevölkerung zunehmend zur entscheidenden Wählergruppe, und das System glitt immer rascher in Richtung einer politischen Maschinerie ab, in der Stimmenkauf, Erpressung und Einschüchterung der Wähler über den Ausgang der Wahlen und damit über den Zugang zu den Staatsämtern für die Mitglieder der Oberschicht entschieden.

Politik war indes keine Karriere, die gut bezahlt wurde, sondern eine, durch die man sich bereichern konnte – und bereichern musste –, um weiterhin mitspielen zu können. Die Quelle des notwendigen Reichtums war traditionell Grundbesitz, doch reichten die Erträge der ausgedehnten, zunehmend mit Sklaven bewirtschafteten Latifundien der Senatoren bald bei Weitem nicht mehr aus, um die Kosten der politischen Aktivitäten auch nur annähernd zu decken. Investitionen in Handel und Gewerbe galten zwar als nicht standesgemäß, liefen aber über Mittelsmänner – oft freigelassene Sklaven mit entsprechenden Fertigkeiten – ganz prächtig. Am allermeisten Geld aber, und das lernte die römische Elite nach den punischen Kriegen sehr rasch, war in den Provinzen zu holen.

Die Provinzen waren nachgeordnete Einheiten des römischen Staates, eroberte Gebiete, deren Bewohner als Gegenleistung für die Anerkennung ihrer Rechtstitel – etwa auf Land und persönliche Freiheit – dem römischen Volk Tribut zu leisten hatten. Für die Eintreibung dieser Gelder bediente sich der römische Staat – der keinerlei dafür geeignete Infrastruktur besaß – eines recht modern wirkenden Models: Public-Private-Partnerships. Konsortien von Geschäftsleuten wurde die Eintreibung der Steuern und Abgaben aus einer Provinz für einen bestimmten Zeitraum durch Versteigerung verpachtet. Diese Steuerpächter hatten wenig Interesse an einer „nachhaltigen“ Steuerpolitik, sondern vor allem daran, ihre Investition wieder hereinzubekommen und darüber hinaus noch anständig Gewinn zu machen. Dazu war es unbedingt notwendig, sich mit dem Vertreter der römischen Staatsmacht vor Ort, also den senatorischen Magistraten, die die Verwaltung der Provinz als eine Art Draufgabe nach ihrem Amt in der Zentralverwaltung bekamen, ins Einvernehmen zu setzen. Man wollte schließlich nicht riskieren, dass die ausgepressten Untertanen Unterstützung durch den Statthalter erhielten oder im Fall von Widerstand gegen die Steuereintreibung die römischen Truppen in der Provinz tatenlos zusahen. So wusch auf Kosten der Provinzbevölkerung eine Hand die andere und der Drang, neue noch nicht ausgeplünderte Provinzen dem römischen Staatsverband einzuverleiben, wurde zu einer starken Motivation für die senatorische Elite.

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