Kitabı oku: «Unsichtbare Architektur», sayfa 7

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Das Kaiser-Franz-Josephs-Denkmal

Ein wichtiger Eckpfeiler der austrofaschistischen Doktrin war die Verehrung des Hauses Habsburg, insbesondere der Kaiserin Maria Theresia als Repräsentantin der besonders „österreichischen“ Bezugsepoche des Barock, und des vorletzten Kaisers Franz Joseph I. (1830–1916), der über seine lange Regentschaft zur legendären Figur geworden war. 1935 fand in der Secession eine große Kaiser-Franz-Josephs-Ausstellung statt. Dort zeigte man die Entwicklung der österreichischen Kunst von Waldmüller über Makart zu Klimt. In Schönbrunn, Geburts- und Sterbeort des „Alten Kaisers“, wurden seine Persönlichkeit und seine Epoche durch Kunstwerke und Erinnerungsstücke geschildert.261 Während das Maria-Theresien-Denkmal auf dem gleichnamigen Platz zwischen den Museen an der Ringstraße bereits bestand, fehlte in Wien trotz früherer Projekte (zum Beispiel von Otto Wagner für den Karlsplatz, 1904, oder von Adolf Loos für die Gartenbaugründe, 1911) ein monumentales Franz-Josephs-Denkmal.

Eine „Vereinigung zur Errichtung eines Kaiser-Franz-Josephs-Denkmals“ wurde im Februar 1936 gegründet,262 ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, der auch den Standort betraf. Als Standorte wurden der Michaelerplatz, damals ein „Autokarussell“263 (ein Kreisverkehr), der Heldenplatz und der Platz vor der Votivkirche diskutiert. Die Juroren des Wettbewerbs, Peter Behrens und Ferdinand Andri, fanden den „Dollfuß-Platz“ vor der Votivkirche ungeeignet, denn ein Kaiserdenkmal vor der ebenfalls als Kaiserdenkmal errichteten Votivkirche wäre eine unpassende doppelte Besetzung des Ortes gewesen. Ihre Wahl fiel auf drei Projekte: Erstgereiht wurde ein Entwurf von Clemens Holzmeister und Hans Andre, der den Kaiser in „zeitlosem Imperatorengewand“ vor dem Leopoldinischen Trakt zeigte, wie er sich vom Thron erhob, „als ob er wichtige Worte kundgeben wolle.“264 Dem Entwurf wurde eine interessante Silhouette bestätigt, auch die Möglichkeit, am Thron allerlei Herrschaftssymbole anzubringen. Ein zweiter Preis ging an ein Projekt von Josef Müllner für den Michaelerplatz. Er sah im Entwurf einen in Art einer Triumphsäule stilisierten Sockel aus „Relieftrommeln“ vor, auf dem der Kaiser stehend im Ornat dargestellt war, ein Projekt, das „außerordentlich sich einpasst, ohne das reich gegliederte Äußere Burgtor in irgendeiner Weise zu schmälern.“265 Den dritten Platz erzielte ein architektonischer Entwurf von Clemens Holzmeister für den Michaelerplatz, der sich auf einen gedrungenen Obelisken mit einem kronentragenden Genius beschränkte, sicherlich der modernste der drei Entwürfe (Abbildung 50).266 Anfang 1937 referierte die Reichspost eine andere Variante der Jurorenreihung: Müllner vor Holzmeister/Andre.267

Abbildung 50: Clemens Holzmeister, Entwurf für ein Kaiser-Franz-Josephs-Denkmal auf dem Michaelerplatz (HOLZMEISTER, Bauten, 157)

Mittlerweile waren noch weitere Standorte ins Gespräch gekommen – Schönbrunn, der Burggarten, sogar eine Versetzung der Reiterdenkmäler am Heldenplatz wurde diskutiert, um das Kaiserdenkmal axial zu Burg und Maria-Theresien-Denkmal zu platzieren. Auch über die Art einer möglichen Kaiserdarstellung schieden sich die Geister: Jüngling oder Greis, in Uniform, im Ornat oder in zeitloser Kleidung, sitzend, stehend, schreitend? Eine Spende ermöglichte 1937 die Durchführung eines zweiten Wettbewerbs. Die Jury bestand aus Leopold Bauer, Ferdinand Andri, Josef Bittner vom Stadtbauamt, dem Präsidenten des Künstlerhauses Hans Ranzoni und Vertretern der Zentralstelle für Denkmalschutz. Im Einvernehmen mit dem Denkmalkomitee hatte sich die Jury auf einen Standort in der Neuen Burg geeinigt, und zwar „im Triumphbogen des Mittelrisalits der Neuen Hofburg“. Dorthin sollte „eine monumentale Stiegenanlage […] emporführen […]. Es ist beabsichtigt, […] die Neue Burg auf diese Weise zu einem großangelegten Kaiser-Franz-Josephs-Denkmal auszugestalten. Die Säulenhalle im ersten Stock […] soll zu einer Ruhmeshalle der franzisko-josephinischen Zeit ausgestaltet werden“, mit Statuen von Kriegshelden, Künstlern und Erfindern. Grundlage für dieses Konzept war ein Projekt von Rudolf Perthen (ein ehemaliger Mitarbeiter von Leopold Bauer268) und Bildhauer Drobil aus dem ersten Wettbewerb, das eine kolossale Porträtfigur des Kaisers auf dem Balkon in der Mittelachse der Semperschen Exedra am Heldenplatz umfasste und zugleich eine Sinnstiftung für die Innenräume der vor allem auf Repräsentation ausgerichteten Exedra betrieb – im Anschluss an zahlreiche österreichische Ruhmenshallenprojekte seit dem 19. Jahrhundert. Die Kaiserstatue (Abbildung 51) sollte wohl auch die Serie patriotischer Denkmäler auf dem Platz – Erzherzog Karl und Prinz Eugen, auf der anderen Seite der Ringstraße Kaiserin Maria Theresia – komplettieren. Ende April 1937 wurde immer noch der Standort diskutiert; das Landwirtschaftsministerium hatte sich gegen den Standort im Volksgarten ausgesprochen.269 Im November hieß es, man wolle zum Standort die Bevölkerung befragen.270 Danach verschwand das Denkmal aus den Medien. Holzmeister berichtete 1976, die „eingetretenen politischen Verhältnisse haben den Sinn für die Verehrung dieses geliebten Kaisers verlieren lassen.“271 Der Balkon sollte wenig später als Standort der Rede Hitlers beim „Anschluss“ dienen. In der Zweiten Republik wurde der Heldenplatz zum Ort zahlreicher politischer, religiöser und sportlicher Manifestationen. Mit der aktuellen Errichtung des Ausweichquartiers für das österreichische Parlament auf dem Heldenplatz wird diese patriotische Kodierung des Ortes in die Gegenwart hinein weitergeschrieben.

Abbildung 51: Kaiser-Franz-Josephs-Denkmal auf dem Balkon der Neuen Burg, Fotomontage (ANNO/ÖNB Wiener Bilder, 28. September 1937, 3)

Resümee

Den deutlichsten Einschnitt parallel zum politischen Wechsel markierten Straßen- und Gemeindebauumbenennungen und Denkmalverhüllungen beziehungsweise -beseitigungen, also negative Maßnahmen, die keine Produkte hervorbrachten. Von den geplanten „gewollten Denkmalen“ des Austrofaschismus wurden nur wenige ausgeführt. Das einzige Großprojekt, das Dollfußforum auf der Schmelz, blieb unausgeführt, ebenso das Denkmal der Arbeit, und das Dollfußdenkmal auf dem Ballhausplatz kam über das Fundament nicht hinaus. Die „Dollfuß-Führerschule“ wurde in reduzierten Dimensionen an einem zentrumsfernen und wenig besuchten Standort errichtet.

Geblieben ist die im öffentlichen Raum unsichtbare Umgestaltung des Burgtors zum „Heldendenkmal“, die sich möglicherweise dem Respekt vor dem bereits traditionell mit dem Kriegergedächtnis verbundenen Gebäude verdankt, das Dollfußdenkmal in der Michaelerkirche und die einstige „Führerschule.“ Bei den weiteren Denkmälern lässt sich eine gewisse Tendenz zum konventionellen gegenständlichen Sujet (Marco d’Aviano, Kaiser Franz Joseph, Kanzler Dollfuß) nachvollziehen, wenn auch nicht überall (Denkmal der Arbeit, Siegerprojekt). Manches blieb unentschlossen und uneindeutig, wie zum Beispiel die geplante Umkodierung des Lassalledenkmals. Die zahlreichen Hauszeichen mit ihren lokalhistorischen Bezügen und auch das Marco-d’Aviano-Denkmal mögen zu ihrer Entstehungszeit mit dem Regime in Verbindung gebracht worden sein, heute funktioniert diese Rezeption ohne Kenntnis des historischen Kontexts überhaupt nicht mehr.

KIRCHLICHE BAUTEN

Ein wesentlicher ideologischer Träger des austrofaschistischen Regimes war der Politische Katholizismus.272 Traditionell kirchennahe Kreise, wie Adel, Bauern und das Klein- und Besitzbürgertum, waren zentrale Unterstützer des Regimes, das mit der katholischen Kirche auf eine über Jahrhunderte akzeptierte Hierarchie bauen konnte. Zwar entfernte die Kirche in Österreich 1933 ihre Funktionäre aus politischen Ämtern, diese betätigten sich aber weiterhin massiv politisch: 1934 empfahl die Bischofskonferenz den österreichischen Katholiken und den Mitgliedern der Katholischen Aktion den Beitritt zur Vaterländischen Front.273 Die Kirche ergriff willig die Gelegenheit, als etablierte Massenorganisation jene Lücke zu füllen, die der sich faschisierenden Bundesführung mangels Bestehen einer tragfähigen politischen Massenbewegung schmerzlich bewusst sein musste.

Mit der Enzyklika „Quadragesimo anno“ vom 15. Mai 1931, in der Papst Pius XI. eine Erneuerung der ständischen Ordnung als gesellschaftspolitisches Ziel formulierte und Sozialismus und Katholizismus für unvereinbar erklärte,274 sahen sich jene Gruppen, die längst schon an einem autoritären Umbau des Staats interessiert waren, in ihren Zielen bestätigt: Schließlich teilte man im konservativen und rechten Lager mit vielen Katholiken neben der Konfession auch einen ebenso leidenschaftlichen wie irrationalen Antimarxismus, der insbesondere in ländlichen Kreisen verbreitet war.

Eine erste massive „Loyalitätserklärung des entstehenden Regimes der Kirche gegenüber“275 war der Katholikentag in Wien 1933, der gemeinsame Anliegen von Politik und Kirche in Form eines Massenspektakels bündelte und öffentlichkeitswirksam ästhetisierte, unter anderem als Hintergrund für den ersten Generalappell der neuen Einheitspartei, der Vaterländischen Front, und für Bundeskanzler Dollfuß’ politische Grundsatzrede, die „Trabrennplatzrede“.276

Nur wenige Tage nach den Februarkämpfen 1934 erließ das erzbischöfliche Ordinariat am 28. Februar 1934 eine Verordnung zur Errichtung von Notgottesdienststellen in Kasernen, Schulen, Bahnhöfen, Krankenhäusern, Gemeindebauten usw.277 – eine eminent politische Entscheidung der Kirche, die die Gunst der Stunde nutzte, um sich in bis dahin profane, teilweise auch sozialdemokratisch dominierte Umgebungen zu inserieren.

Die Maiverfassung von 1934, unter Dollfuß dekretiert, konstituierte den autoritären Staat „im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht“278 und installierte jenen politischen Katholizismus, den Ernst Hanisch als einen der Gründe für das Scheitern des Austrofaschismus sah, als Staatsgrundlage: „Indem sich das Dollfuß-Schuschnigg-Regime auf die traditionale [sic!] Religion stützte, lehnte es den säkulären Irrationalismus des ‚élan vital‘ mit seinen neuen quasi-religiösen Zügen ab […]. Die Elitenhierarchie der traditionellen Gesellschaft wurde durch keine neue Elite in Frage gestellt […].“279

Maßnahmen, die den Einfluss der Kirche in der Gesellschaft wieder fördern sollten, wurden unverzüglich getroffen: Der „Glöckel-Erlass“, der den Zwang zu religiösen Übungen in den Wiener Schulen im Sinn der sozialdemokratischen Bildungspolitik verboten hatte, wurde unverzüglich aufgehoben und der Religionsunterricht wieder eingeführt,280 der Freidenkerbund wurde aufgelöst, und sogar der Circus Renz führte statt Revuen nun Passionsspiele auf.281

Die Politik hatte der katholischen Kirche einen prominenten Platz in ihrer Ideologie, aber auch im öffentlichen Raum und in den Medien eingeräumt und verbesserte ihre Position durch entsprechende gesetzliche Regelungen. Das Regime brachte sich dafür massiv in kirchliche Veranstaltungen ein und nutzte diese für Propagandazwecke, beteiligte sich aber selbst finanziell kaum an Kirchenneubauten. Daher kam die mehrbändige Propagandaschrift zur austrofaschistischen Bautätigkeit in Wien, die 1937 unter dem Titel „Das neue Wien“ erschien, ohne ein eigenes Heft zum Sakralbaubau aus. Pfarrgründungen und Kirchenbauten im Austrofaschismus gingen nur selten auf staatliche Stiftungen, sondern fast durchwegs auf die Initiative und Finanzierung von Pfarren, Privaten, Kirchenbauvereinen oder Orden zurück. Oft gab es bei Kirchenneubauten bereits ältere Vorgänger in Form von Hauskapellen, Notkirchen oder traditionell verehrten Heiligenbildern sowie ältere Bauprojekte, die nun wieder aufgegriffen wurden. Tatsächlich profitierte die Kirche jedoch enorm von den Förderungen der Politik; Kirchenvertreter waren in wichtigen staatlichen Gremien, wie zum Beispiel dem Bundeskulturrat, vertreten. Bei öffentlichen Inszenierungen sakralen und teilsakralen Charakters, wie „Türkensiegfeiern“, Fronleichnamsprozessionen und später bei den beiden Begräbnissen von Kanzler Dollfuß, aber auch bei Kirchenweihen, nahm die Politik instrumentierenden Anteil an den Zeremonien. Deren Gestaltung übernahmen teilweise regimetreue Künstler, deren künstlerische Herkunft sich jedoch keineswegs in jedem Fall dem politischen Katholizismus verdankte.

Die zentrale Bedeutung von Kirche und Religion für das austrofaschistische Herrschaftssystem hatte, wie zu erwarten, eine Intensivierung der Kirchenbautätigkeit zur Folge. So hatte die Kirche die Möglichkeit, ihre Präsenz im öffentlichen Raum zu verdeutlichen und zu intensivieren. Für die Politik boten die neuen Sakralbauten wiederum einen sehr willkommenen Hintergrund zur Entfaltung einer öffentlichkeitswirksamen Propagandatätigkeit: Es gab im Austrofaschismus keine Grundsteinlegung oder Weihe, keine Eröffnung, kein kirchliches Hochfest ohne Politpräsenz.

Die Vorgeschichte: Wiener Sakralbauten der 1920er und frühen 1930er Jahre und der Einfluss der katholischen Reformbewegungen

In Wien gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts für mehr als 1,7 Millionen Katholikinnen und Katholiken und 77 Pfarren – ein damals im europäischen Vergleich schlechtes Verhältnis zwischen Gläubigen und Pfarren. Der letzte Fürsterzbischof von Wien, Gustav Piffl, initiierte bis 1932 die Errichtung von provisorischen Gottesdienststätten. Nach dem Sieg der Sozialdemokratie bei den ersten Wiener Gemeinderatswahlen im Jahr 1919 rückte der Sakralbau aus ideologischen Gründen, aber auch wegen der Vorrangigkeit anderer Bauaufgaben, wie zum Beispiel der Wohnraumbeschaffung, in den Hintergrund. Bald stiegen auch die Kirchenaustritte an; zwischen 1910 und 1934 sank der Katholikenanteil in Wien von 87 auf 79 Prozent.282 Parallel dazu sank der Bedarf an Kirchenneubauten; zwischen 1919 und 1932 entstand in Wien nur eine einzige neue Pfarrkirche.283 Die Avantgarde österreichischen kirchlichen Bauens konstituierte sich anderswo: Hans Steineder (1904–1976), ein Absolvent von Peter Behrens an der Wiener Akademie, baute in den 1920er Jahren exemplarische Anlagen für die Schulschwestern in Oberösterreich, ein Exerzitienhaus in Kremsmünster und die Kolpinghäuser in Linz und Wels. Seine sakralen Bauten vereinten eine funktionell geprägte Zurückhaltung mit plastisch-expressiven Akzenten zu einer sehr persönlichen künstlerischen Handschrift.

Während des Ersten Weltkriegs war die Kirchenbautätigkeit in Wien fast vollständig zum Erliegen gekommen. Nur im „Bretteldorf“, einer Notsiedlung an der Wagramer Straße, errichteten russische Zwangsarbeiter ab 1916 die kleine, 1922 geweihte Christkönigskirche, die folkloristisch-nationalromantische Züge hat. Ihr Architekt Hans Prutscher war seit 1913 mit dem Baukomplex der Karmeliter am Wienerberg befasst, er entwarf 1925 den Umbau der Klosterkirche Zum Göttlichen Heiland und 1931 die Inzersdorf-Neustifter Pfarrkirche Maria Hilfe der Christen. Ebenfalls retrospektiv gestaltet wurde die Kirche hl. Theresia in der Siedlung Starchant, 1928/1929 nach Entwurf von Silvio Mohr und Robert Hartinger errichtet. Wie auch bei der Siedlung, einem christlichsozialen Modellprojekt der Zwischenkriegszeit,284 orientieren sich die Architekten bei der schlichten Saalkirche mit Turm und Giebelfront an regionalistischen und traditionellen Formen. – Die Kirche von Stadlau, 1923/1924 von den Baumeistern Karl Ambacher und Hans Sauer errichtet, und die 1928 erbaute Herz-Jesu-Klosterkirche in der Töllergasse in Floridsdorf sind schlichte, traditionelle Bauten mit zurückhaltenden barockisierenden Akzenten. Noch 1931/1932 wurde mit der Herz-Jesu-Sühnekirche im 17. Bezirk (Entwurf: Bruno Buchwieser) eine konservative neoromanische Basilika mit Giebelfront und seitlichem Fassadenturm errichtet.

Abbildung 52: Josef Münster, Kirche Maria Grün im Prater, 1924/1925

Einige wenige Sakralbauten der 1920er Jahre kennzeichnet eine vereinfachende Interpretation herkömmlicher Kirchentypen sowie der weitgehende Verzicht auf Dekor, ein Trend, der sich in den 1930er Jahren als verbindlich durchsetzen sollte. Ein Beispiel für diese Richtung ist die Kirche Maria Grün im Prater nach Entwurf von Josef Münster 1924/1925 für den Trinitarierorden errichtet (Abbildung 52).

Die schlichte Saalkirche beschränkt sich auf wenige Grundformen: stilisierte Lisenen, glatte Flächen, ein Zwerchbau für die Empore und ein Dachreiter mit welscher Haube, der barocke Vorbilder assoziiert. Auf Dekor wurde völlig verzichtet.

Ein außergewöhnlicher und avantgardistischer Entwurf des Tiroler Architekten Lois Welzenbacher (1889–1959) hatte in Österreich keine Nachfolge. Welzenbacher projektierte einen radikalen Saalbau in Form eines liegenden Quaders mit seitlichem Chorturm, dessen Fassade zusammen mit der angrenzenden Schiffwand völlig in Glas aufgelöst wurde und dadurch effektvoll mit der völlig geschlossenen Eingangsfront kontrastierte.

Abbildung 53: Lois Welzenbacher, Kirche bei Oberhausen, 1929 (Kirchenkunst 1929, 86 f.)

Die Kirche (Abbildung 53) wurde zusammen mit einer Siedlung geplant, die für Zechen- und Hüttenarbeiter gedacht war, „denen die ganze gotische oder barocke Empfindungswelt fremd ist, denen Einfachheit, Sauberkeit, Klarheit und Helligkeit, ein mathematisches Konstruktionsprinzip mehr sagt als alle noch so geistreichen Architektursymbolismen.“285

Der Stahlskelettbau war in einer „funktionellen Gestaltung mit Ausschaltung aller formaler Traditionen“ gestaltet.286 Welzenbacher war 1929 Stadtbaudirektor von Plauen in Sachsen; eine Affinität zur Architektur des Bauhauses ist nicht nur wegen der geographischen Nähe zu Dessau anzunehmen.

Ab den 1920er Jahren wuchs der Einfluss der katholischen Liturgiereformbewegungen auf den Kirchenbau – zunächst in Deutschland, bald auch in Österreich. Die Reformer, katholische Jugendbewegungen wie „Quickborn“, „Schönstatt“ und „Neuland“ sowie Ordensleute, etwa im Benediktinerkloster Maria Laach, forderten eine stärkere Einbindung der Gemeinde in die Liturgie. Diese participatio actuosa, bereits in einem päpstlichen Motu proprio (Tra le sollecitudini, 1903287) formuliert, sollte für eine aktive Teilnahme an der Messfeier durch eine neue Rollenverteilung (Lektoren, Sänger, Organist, Messdiener etc.) und durch die Einbeziehung körperlicher Handlungen (Stehen, Knieen, Singen, Sprechen, Schreiten) sorgen. In Ergänzung dazu erließ Pius XI. Ende 1928 eine apostolische Konstitution über Liturgie und Gesang.288 Dafür ergab sich die Notwendigkeit für verschiedene räumliche Änderungen in den Kirchengebäuden, die teilweise Regelungen des Zweiten Vatikanischen Konzils vorwegnahmen.

In Österreich gab es bereits einzelne Beispiele eines reformorientierten Kirchenbaus: Sabine Plakolm-Forsthuber hat auf Otto Wagners Entwurf von 1898 für einen kreuzförmigen Zentralbau mit weit vorgerücktem Altar hingewiesen, ebenso auf die Bedeutung von Josef Plečniks Heiliggeistkirche auf der Schmelz (1911–1913), eines Eisenbetonbau mit fast quadratischem Grundriss und weit gespannten Emporen, der wichtige Grundsätze des Kirchenbaus der 1930er Jahre vorweg genommen hatte.289

1922 setzte sich der deutsche Liturgiereformer Johannes van Acken für konkrete Änderungen ein. Er plädierte für den Altar als Mittelpunkt einer dem Messopfer gewidmeten Kirche, die weder einen historischen Stil nachahmen noch ein standardisiertes Normalschema wiederholen sollte. Als Grundrissform bevorzugte van Acken „den Langhausbau, den Zentralbau, als auch die Vereinigung beider (Kreuzkirche usw.)“; die Saalform wäre nur für kleine Landkirchen zu wählen. Der Altar sollte an prominenter Position im Zentrum des Baues aufgestellt werden und durch Höherstellung, Überhöhung mittels Kuppel oder Turm und durch eine markante Lichtführung betont werden; der Laienraum hingegen konnte niedriger und dunkler gestaltet werden. Keineswegs dürften Fassadentürme über den Vierungsturm hinausragen; bei Glockenturmbedarf konnte ein freistehender Campanile oder ein Dachreiter errichtet werden. Räume für die Seelsorge etc. waren peripher anzuordnen; die Hierarchie der Bauteile sollte im Altarraum kulminieren. Der Altar, eine Mensa mit Tabernakel, war erhöht, einfach und monumental zu gestalten und von der Apsis in Richtung Gemeinderaum vor den Triumphbogen zu rücken, allerdings durch eine Kommunionbank abzuschranken. In der Apsis, die möglichst fensterlos gebaut werden sollte, konnte eine Priesterbank aufgestellt werden. Die Innenausstattung sollte „in beherrschter Individualisierung anteilnehmen am Opferdienst“, „mitspielen im erhabenen Spiel der Liturgie.“290

Auch in Österreich engagierten sich Laien- und Jugendinitiativen gegen sinnentleerten Scheinkatholizismus und für katholische Erneuerung. Diese Bewegungen umfassten ein breites weltanschauliches Spektrum – vom „Bund Neuland“291 über die Schönstattbewegung und den Reichsbund katholisch-deutscher Jugend Österreichs bis zu „Quickborn“ unter der Führung des Reformers Romano Guardini. Viele Anliegen dieser Bewegungen, wie die Sehnsucht nach einem alternativen Leben, die Liebe zur Natur, der Wunsch nach demokratischen Strukturen in den Schulen und nach mehr Selbstbestimmung wiesen deutliche Parallelen zu profanen Jugendorganisationen auf;292 so stand der Christlich-deutsche Studentenbund, aus dem „Neuland“ hervorging, trotz seiner antisemitischen Anfänge293 eine Zeit lang der sozialistischen Jugend freundschaftlich gegenüber.294 Der Neuländer Karl Rudolf, Spiritual im Wiener Priesterseminar, gründete dort 1921 eine liturgische „Urgemeinde“, und der Studentenbund „Jungösterreich“ feierte zu Pfingsten 1921 in der Schottenkirche eine „Chormesse“ (später „Liturgische Messe“ genannt), eine missa dialogata in deutscher Sprache unter Einbeziehung der Gemeinde, wie sie seit 1913 in der Benediktinerabtei Maria Laach gefeiert wurde. Die an kirchlicher Erneuerung interessierten Kräfte trafen sich erstmals 1922 in Breitenfurt zu einer ersten „Liturgischen Woche“.295 Die Wiener Neulandgruppe feierte regelmäßig Chormessen in der Hofburgkapelle.296 Zwar definierte sich „Neuland“ als unpolitische Bewegung – bis zum 21. Lebensjahr war den Neuländern die Mitgliedschaft in einer Partei verboten –, war aber am Katholikentag 1933 präsent297 und erwies der Regierung mit seinem Austritt aus dem Deutschösterreichischen Jugend-Bund, der sich zum „Reich“ bekannt hatte, ihre Loyalität. 1934 bekannte sich „Neuland“ zur austrofaschistischen Verfassung, die die Zeitschrift „Neuland“ als „geistigen Sieg der jungen Generation“ feierte.298

Von besonderer Bedeutung für den Kirchenbau waren die Ideen des Klosterneuburger Chorherren Pius Parsch, der ebenfalls Mitglied im Bund Neuland war. Parschs volksliturgische Bewegung bemühte sich um eine Reform der Liturgie im Sinn einer gemeindezentrierten Öffnung von Messe und Sakramenten, die eine stärkere Einbindung der Gläubigen in den Gottesdienst fördern sollte. Als Inspirationsquelle diente das Frühchristentum, dessen Vorbildwirkung auch den Kirchenbau beeinflussen sollte, hatte es doch die Liturgie der Circumstantes, der um den Altar stehenden Gemeinde, praktiziert. Seit 1920 zelebrierte Parsch seine volksliturgischen Gottesdienste in der romanischen Spitalskirche St. Gertrud in Klosterneuburg, die 1935 durch Robert Kramreiter nach Parschs Anweisungen „von allem unkünstlerischen Schmuck“ befreit wurde.299

Für eine Liturgiereform im Sinn der participatio actuosa, der aktiven Einbeziehung der Gemeinde in die Messfeier, war ein Überdenken der herkömmlichen Typologien von Kirchenräumen notwendig. Diese Forderungen decken sich über weite Strecken mit jenen der deutschen Liturgiereform. Die österreichischen Bischöfe erließen „Grundsätze für würdigen Schmuck“ in der Kirche; Gipsfiguren, Öldrucke und Ähnliches waren zu entfernen; „einheimische Künstler und einheimisches Kunsthandwerk müssen wieder beschäftigt werden“,300 und die Frauen wurden angehalten, für angemessene Dekoration ohne Papierblumen sowie für peinliche Sauberkeit in den Kirchen zu sorgen.301

Mit einer Reduktion von Prunk und Dekor, mit der Beschränkung auf große Flächen und Volumina war die Möglichkeit einer Annäherung des Sakralbaus an die architektonische Moderne ebenso gegeben wie durch die Anwendung moderner Techniken und Materialien wie zum Beispiel Stahlbeton. Die Protagonisten, auch die Kleriker, agierten dabei durchaus modernefreundlich. So schrieb der Anselm Weißenhofer 1936 zum Kirchenbau in Wien: „Rückfälle in die Manie der Stilnachahmung sind zur Zeit so gut wie ausgeschlossen […]. Eine spätere Zeit wird aus richtiger Distanz heraus besser als wir erkennen, wie unberechtigt der Vorwurf der phantasiearmen Einförmigkeit ist, der gelegentlich heute noch gegen die neue Richtung erhoben wird.“302

Mit dem Amtsantritt von Kardinal Theodor Innitzer im Jahr 1932 erfuhr der Wiener Kirchenbau eine deutliche Belebung. Bis 1938 gründete der neue Wiener Erzbischof303 dreizehn neue Pfarren,304 um die Reevangelisierung der Wiener Bevölkerung voranzutreiben. Ab den frühen 1930er Jahren erschienen auch vermehrt Texte von Geistlichen zur Kirchengestaltung; die Leo-Gesellschaft, ein Verein zur Förderung der Wissenschaften und Künste auf katholischer Basis, publizierte diese Texte ab 1929 in der Zeitschrift „Kirchenkunst“. Einige ältere, auf halbem Weg stecken gebliebene Kirchenbauprojekte, wie die seit 1913 betriebene Eucharistische Gedächtniskirche305 und die Karmeliterkirche am Wienerberg, wurden wieder aufgegriffen. Zwischen 1933/1934 und 1938 wurden zwölf Kirchen in Wien neu errichtet – zwei davon Kapellen, drei Umbauten bestehender Kirchen.

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