Kitabı oku: «Kein Bock auf Prinzessin!»
INKEN WEIAND
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Ich bin Kat
Schule kann ganz schön originell sein
Der Hund
Kat gibt nicht auf
Auf dem Gnadenhof Lindholz
Sonntag mit Hindernissen
Wozu hat man denn schließlich eine beste Freundin?!
Neuzugang auf dem Gnadenhof
Lämmeralarm
Alle helfen mit
Schlechte Nachrichten
Neue Freunde
Eine Idee und ihre Folgen
Wenn, dann richtig
Geht nicht gibt’s nicht
Gemeinsam stark
Die Demonstration
Weitere Bücher
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86506-834-7
© 2015 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
Einbandgestaltung: Brendow Verlag Moers
Titelgrafik: fotolia katerina_dav
Innenillustrationen: Inken Weiand
Satz: Brendow Web & Print, Moers
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
Ich bin Kat
Hi, ich bin Katharina, kurz auch Kat genannt. Was man über mich wissen muss? Ich mag Tiere. Ich mag die Farbe Pink. Obwohl sie mir nicht steht. Ich bin kein Engelchen, sondern eher ein Bengelchen. Meine Oma Greta behauptet, ich hätte Krallen. So ist das. Zeichnen kann ich übrigens auch nicht, wie man nachfolgend bewundern kann.
Kat hat Krallen. Kat ist keine Prinzessin, sie mag keinen Glitzerkram und hat keine blonden Kringellöckchen. Ihre braunen Haare stehen immer etwas wuschelig vom Kopf ab.
Kat hat ihren eigenen Kopf, den hat sie schon immer gehabt. Wenn die anderen Mädchen Glitzereinhörner malten, zeichnete sie ein Auto. Und wenn die anderen sich als Prinzessin verkleideten, ging sie als Pirat. Als sie in die Schule kam, wollte sie unbedingt einen Dinosaurierranzen. Und nach einer Probestunde im Ballettunterricht schwor sie sich, so eine entsetzliche und anstrengende Hampelei nie wieder auf sich zu nehmen.
Aber Tiere, die mochte Kat schon immer. Dackelmischling Pucki hat sie alle möglichen Tricks beigebracht: Wenn das Handy klingelt, bringt er es ihr im Maul. Er kann Handtücher aus der Schublade holen, Zimmertüren öffnen und noch vieles mehr. Schade nur, dass er keine Hausaufgaben machen kann!
Dann gibt es noch Kater Max. Der ist grau und etwas faul, und insbesondere hat er keine große Lust auf Tricks. Aber Kat hat ihm mit viel Geduld tatsächlich doch noch etwas beigebracht: Er springt durch ihren Hula-Hoop-Reifen. Er holt ein Leckerchen unter dem Schrank hervor, mit den Pfoten. Und wenn er besonders gut aufgelegt ist, auch ein Spielzeug.
Aber zu Katharinas Familie gehören noch mehr:
Da ist zunächst einmal Katharinas Dad. Er ist Lehrer, für Erdkunde und Deutsch. Was die Folge hat, dass bei Kat zu Hause ziemlich viel über Erdkunde und Deutsch geredet wird. Katharinas Dad ist sozusagen immer und überall Lehrer. Auch zu Hause.
Katharinas Mum ist zwar auch Lehrerin, aber nicht immer und überall. Sie macht gerne Blödsinn, und sie ist eine absolute Leuchte, was kreative Sachen angeht. Eine Zeit lang bemalte sie Seidentücher über Seidentücher. So viele, dass man eine ganze Schulklasse damit hätte ausrüsten können. Aber das gab sich bald wieder. Danach filzte sie. Im Moment bastelt sie eine Marionette nach der anderen.
Und dann ist da noch Janina. Meine kleine Schwester. Typ Prinzessin. Blonde Locken, Glitzershirt. Und Ballett macht sie auch. Krass.
Manchmal ist sie eine kleine Zicke, manchmal total süß. Zu mir meistens eher Zicke.
Schule kann ganz schön originell sein
Wie findet ihr eigentlich Schule? Also, ich find sie so wechselhaft. Es gibt Fächer, die find ich echt toll. Zum Beispiel Bio, als wir dort Mäuse dressiert haben. Wow!
Ich konnte gar nicht verstehen, warum ein paar Mädchen etwas dagegen hatten. Ausgebüxte Mäuse find ich crazy …
Die Mäusedressur fand im Biologieunterricht statt. Die Kinder sollten auch einmal den Umgang mit echten Tieren lernen, fand die Lehrerin, Frau Weilheim. Zu diesem Zwecke gab es im Biologieraum nicht nur eine Schlange und ein Chamäleon, welche von der Terrarien-AG gepflegt wurden, sondern auch noch Mäuse. Süße, putzige Mäuse, die in kleinen Laufrädern herumliefen, mit ihren kleinen Pfötchen ihr Gesicht putzten und ab und zu mit Weizenkörnern gefüttert wurden.
Diese Mäuse nun konnte man dressieren. Frau Weilheim ließ erst zwei Kinder der Klasse einen Vortrag über Mäuse im Allgemeinen und ihr Verhalten im Besonderen halten – nach entsprechender Vorbereitung und mit Präsentation. So etwas tat Frau Weilheim gerne.
Dann durften die Kinder sich in Gruppen aufteilen und jeweils zu viert versuchen, eine Maus dazu zu bringen, über einen Hindernisparcours zu laufen oder aus einem Glas zu springen.
Dazu setzten sie die Maus entweder in das Glas oder an den Anfang des Parcours, und jede richtige Verhaltensweise wurde mit Körnern belohnt. Also schon die ersten paar Schritte im Parcours zum Beispiel. Mit der Zeit verstanden die Mäuse dann, welches Verhalten ihnen Weizenkörner einbrachte, und sie lernten ihre Aufgabe besser und besser.
Die einen Kinder stellten sich geschickter an, die anderen weniger. Man brauchte Geduld mit den Mäusen, Geduld und eine ruhige Hand.
Wenn man die nicht hatte, dann konnte es auch einmal geschehen, dass eine Maus zubiss. Wie bei Alisa, in ihren Zeigefinger. Oder auch dass eine Maus weglief. Wie bei Manuel und Jan.
Die Aufregung über die fortgelaufenen Mäuse war natürlich riesengroß, das kann man sich denken. Manuel und Jan rasten wild schreiend hinter den beiden Mäusen her, durch den ganzen Bioraum.
Frau Weilheim schrie in den höchsten Tönen, sie sollten das lassen, sonst würden sich die Mäuse erschrecken. Woraufhin die beiden erst recht weiterrannten.
Zwei Mädchen kletterten auf einen der Schultische, und Linda hockte weinend in einer Ecke, weil sie Angst hatte, die Mäuse könnten zur Schlange in deren Terrarium klettern und dort gefressen werden.
Es war gut, dass Kat da war. Dass sie so energisch war. Und dass sie so gut mit Tieren umgehen kann.
Katharina scheuchte erst einmal die kreischenden Mädels aus der Klasse, genauso die Witzbolde, die nur alles durcheinander brachten. Sie sorgte dafür, dass die noch vorhandenen Mäuse sicher untergebracht wurden. Und dann schickte sie alle aus, nach den beiden Mäusen zu suchen.
Eine fand sich ziemlich schnell in einer Zimmerecke und konnte von Kat mit Linda zusammen eingefangen werden.
Bis die andere entdeckt war, verging geraume Zeit. Manuel war es schließlich, der sie bemerkte. Sie hockte unter dem Schrank, auf dem die ganzen Terrarien standen.
„Das auch noch“, stöhnte Frau Weilheim. „Da bekommen wir sie nie heraus.“
In dem Moment klingelte es zur Pause.
„Lassen Sie es mich in der Pause noch versuchen“, sagte Kat. „Bitte.“
Frau Weilheim sah sie voller Zweifel an. „Meinst du, das hat Sinn?“
Aber Kat setzte sich durch. Während alle anderen auf den Schulhof liefen, legte sie sich vor dem Schrank auf den Boden, in der Hand ein paar Weizenkörner.
Ganz ruhig lag sie da und sprach leise auf die Maus ein, die ganz verängstigt in der Ecke hockte, ganz hinten, dort, wo Kat mit Sicherheit nicht hinkam.
Kat reckte den Arm vor und legte die Weizenkörner auf den Boden. Direkt neben ihre Hand, die bereit zum Zufassen war. Dann lag sie wieder still und sprach leise, leise.
Die Maus wartete ab. Sie zuckte mit dem Näschen, die Ohren drehten sich etwas. Ein paar Trippelschritte machte sie auf die Körner und die Hand zu.
Kat rührte sich nicht.
Die Maus blieb sitzen. Kat rührte sich immer noch nicht.
Die Maus beeilte sich nun. Diese leichte Gelegenheit, an Weizenkörner zu kommen, konnte sie sich doch nicht entgehen lassen. Ganz schnell rannte sie mit schnellen Schrittchen auf die Körner zu. Happs, hatte sie sich eines geschnappt. Und zack, hatte Kat die Maus.
Vorsichtig kroch sie nun ein Stück zurück und stand dann auf.
„Hast du sie?“ Frau Weilheim hatte derweil die Terrarien geputzt.
„Hier.“ Kat zeigte Frau Weilheim das Mäuschen.
Die Lehrerin war erleichtert. „Das hast du wunderbar gemacht.“
Der Hund
Linda ist in Ordnung. Vielleicht ist sie meine beste Freundin. Doch, ich denke schon. Wir sitzen oft nebeneinander und leihen uns gegenseitig die Buntstifte aus. Linda hat Buntstifte in Glitzerfarben!
Meine Güte, wie albern kann man denn sein!
Vor allem aber mag sie Tiere – und das macht sie echt sympathisch. Auch, wenn sie selber so übertrieben süß aussieht. So süß werde ich nie aussehen. Weil ich eben zu wenig süß bin.
Heute habe ich mit Linda zusammen echt etwas Spannendes erlebt – und dabei fast gruselig. Dabei wollten wir eigentlich nur zusammen Hausis machen.
Aber von vorne:
Wir nehmen in Deutsch gerade Diskussionen durch. Ätzendes Thema. Also, nicht, dass ich nicht gerne diskutiere … Aber als Deutschthema ist die Sache zum Weglaufen.
Jedenfalls sollten wir als Hausaufgabe zu zweit eine echte Diskussion schreiben.
War irgendwie doof, die Sache. Natürlich hatte ich mich sofort mit Linda zusammengetan. Aber sollten wir uns vielleicht ans Telefon hängen für Stunden? Alleine ins Internet erlauben meine Eltern nicht. Die sind echt unnatürlich streng.
Aber zum Glück finden sie Schule total wichtig.
Ich durfte also Linda heute mit nach Hause bringen. Damit wir die total wichtigen Hausaufgaben zusammen machen konnten.
Meine Mutter hatte für uns beide Essen vorbereitet. Nach dem Essen ging es ab in mein Zimmer und an die Hausaufgabe. Thema: Sollten Kinder früh ins Bett gehen müssen oder nicht?
Dämliche Frage, oder? Gibt es überhaupt einen einzigen plausiblen Grund dafür, Kinder früh ins Bett zu schicken?
Zuerst sitzen Katharina und Linda eine ganze Weile in Kats Zimmer herum und denken nach.
Kat meint, es gebe keinen einzigen Grund, früh ins Bett zu gehen.
Linda vertritt die Ansicht, Erwachsene würden bestimmt eine Menge Gründe dafür finden. Bestimmt sei es total gesund und außerdem gut für die Schule, wenn man früh ins Bett gehe.
Kat meint, das sei Quatsch. Die Schule finde schließlich morgens statt und nicht nachts.
Die beiden schreiben die Argumente dann schließlich doch auf. Sie bauen eine richtig witzige Diskussion zusammen, zwischen einer Oma und ihrer Enkelin, über das Thema Bettgehzeiten.
Die Oma beginnt damit, dass sie der Enkelin erklärt, guterzogene Mädchen gingen immer früh ins Bett.
Die Enkelin antwortet, guterzogene Omas ließen ihre Enkelinnen immer lange aufbleiben.
Die Oma fährt fort, sie sei so unheimlich besorgt um die Gesundheit ihrer Enkelin, darum müsse sie leider, leider darauf bestehen, dass diese früh ins Bett gehe.
„Und dann sagt die Enkelin, sie sei unheimlich besorgt um Omas Gesundheit“, schlägt Kat kichernd vor.
Linda muss ebenfalls lachen. „Ich hätte nicht gedacht, dass Hausaufgaben einen solchen Spaß machen können!“
Man merkt, Kat und Linda haben ziemlich viel Spaß bei der Sache.
Und so sind sie doch schneller fertig, als sie zunächst befürchtet haben.
Sie hängen eine Weile in Katharinas Zimmer herum, rühren sich eine Limonade an, hängen wieder etwas ab und kommen dann auf die Idee, mit Pucki eine Hunderunde zu drehen.
Der Dackelmischling sitzt vor der Tür, und das kann immerhin heißen, dass er einen Spaziergang nötig hat.
Linda hat kein eigenes Haustier, darum findet sie es sehr spannend, Pucki an der Leine zu führen. Und weil Pucki ein sehr liebes Tier ist und außerdem ja nicht sehr kräftig, darf sie ihn die meiste Zeit über halten.
Kat läuft nebenher und passt auf. Sie kennt Hundespaziergänge, und sie weiß gut, worauf man dabei alles aufpassen muss: dass der Hund keinen Müll frisst, dass er seine Hinterlassenschaften nicht auf dem Bürgersteig zurücklässt und so weiter. Als Pucki sein großes Geschäft erledigt hat, holt Kat den Kotbeutel und sammelt es ein.
„Was machst du denn da?“, erkundigt sich Linda entsetzt.
Kat lacht. „Das ist eben so, wenn man ein Tier hat. Da hat man nicht nur Spaß, sondern ist auch für den Dreck verantwortlich.“
Immerhin hat Linda deswegen nicht weniger Spaß.
Katharina zeigt ihr, wie Pucki Pfötchen gibt und sich auf Befehl einmal um sich selber dreht und Männchen macht.
Linda ist voller Bewunderung. Kat findet, das gehört sich auch so. Schließlich hat sie viele Stunden damit zugebracht, Pucki all dies beizubringen. Und schließlich ist Linda ihre Freundin.
Anschließend will Kat Linda noch zeigen, wie gut Pucki auf die Hundepfeife hört. Dazu muss sie den Hund natürlich von der Leine lassen.
Linda ist etwas besorgt. „Was machen wir, wenn er wegläuft?“, fragt sie.
Aber Kat ist sich sicher, dass nichts dergleichen passieren wird. Schließlich ist Pucki gut erzogen – und auf das Pfeifen hin kommt er ganz sicher.
Pucki läuft begeistert los. Als Kat pfeift, dreht er sich sofort um und kommt schwanzwedelnd herbeigerannt.
Kat gibt ihm ein Leckerchen und lässt ihn wieder laufen. Dann pfeift sie ihn wieder herbei.
„Der Arme“, sagt Linda. „Der tut mir echt leid, wenn er nie mal in Ruhe toben darf.“
Kat will sagen, dass Pucki gar kein bisschen arm sei, weil er ja gerne komme. Trotzdem lässt sie ihn jetzt eine Weile laufen. Zu zweit beobachten sie, wie der Hund über die Wiese tobt. Er läuft hierhin und dahin, schnuppert hier und markiert dort, stellt schließlich die Ohren auf, verharrt eine Weile in dieser Stellung und rast dann los. Nicht etwa zu Kat und Linda, sondern genau in die entgegengesetzte Richtung.
Linda schreit, Kat pfeift und schreit dann auch, doch Pucki scheint das alles überhaupt nicht zu hören. Er rennt, bis er schließlich im Gebüsch verschwunden und nicht mehr zu sehen ist.
„Was machen wir jetzt?“, fragt Linda ratlos.
Kat weint beinahe. „Ich weiß auch nicht.“
„Wir suchen ihn.“ Jetzt ist einmal Linda, die sonst immer lieb und weich ist, die Energischere. „Wir gehen um die Wiese herum und suchen da hinten. Vielleicht sitzt er da irgendwo im Gebüsch und wartet auf uns.“
Kat weiß, dass man nicht hinter dem Hund herlaufen, sondern ihn von alleine kommen lassen soll. Das lernt man schon in den ersten Hundegruppenstunden. Aber gerade in diesem Moment will Kat hinter ihrem Hund her, da ist ihr die Hundegruppe vollkommen egal.
Zu zweit laufen sie um die Wiese herum.
Doch Pucki wartet nicht im Gebüsch auf sie. Aber Kat ist sich mit einem Mal sicher, ihn kläffen zu hören.
„Das ist er!“, flüstert sie und fasst Linda am Arm.
„Was ist da hinten eigentlich?“, fragt Linda und versucht, durch die Sträucher zu spähen.
„Ein Wanderparkplatz. Da halten aber meistens nur am Wochenende Autos.“
„Und was macht dein Hund da?“
„Weiß ich doch nicht!“ Kat ist etwas unwirsch, dabei kann Linda nun wahrlich nichts dafür, dass Pucki nicht gehorcht hat und weggelaufen ist.
Aber es hilft nun nichts: Kat bahnt sich einen Weg durch die Sträucher hindurch auf den Parkplatz, auf dem an diesem ganz gewöhnlichen Donnerstag tatsächlich kein einziges Auto steht.
Katharina bleibt stehen und sieht sich um, während Linda hinter ihr durch die Büsche kommt.
Und dann sieht sie es: Dort hinten vor einem Laternenpfahl hockt Pucki und bellt, was das Zeug hält.
Und daneben liegt etwas …
Vorsichtig treten Kat und Linda ein paar Schritte näher. Als sie aber sehen, was da liegt, kommt plötzlich Leben in die beiden Mädchen. Dort liegt ein Hund, ganz still, auf der Seite. Schnell eilen die Mädchen hinüber – sie müssen doch sehen, was mit dem Hund los ist!
Als sie endlich bei ihm sind, stellen sie schnell fest, dass er schon älter sein muss, denn die Haare um seine Schnauze herum sind grau im ansonsten eher schwarzen, rauen Fell. Er atmet schnell und flach. Kat sieht sofort, dass es ihm nicht gut geht.
„Was machen wir?“, jammert Linda. „Ich glaube, er stirbt.“
„So ein Quatsch“, knurrt Kat. Aber sicher ist sie sich nicht. Während Linda tränenüberströmt neben dem schwarzen Hund hockt, sieht sie sich um. Niemand ist da. Kein Erwachsener weit und breit. Überhaupt, findet Kat, haben Erwachsene die dumme Eigenschaft, meistens genau dann aufzutauchen, wenn man sie nicht braucht. Wenn man aber mal einen gut gebrauchen könnte …
Ohne lange darüber nachzudenken, tut Kat in diesem Moment genau das, was sie schon getan hat, wenn sie als Kindergartenkind den Heimweg nicht fand. „Hilf mir, Gott“, betet sie. „Ich brauch dich jetzt!“
Sie schließt die Augen, aber als sie sie wieder öffnet, ist nichts geschehen. Alles ist gleich geblieben. Der Hund liegt noch, wo er lag, und er sieht genauso elend aus wie vorher. Kat ist irgendwie enttäuscht. Gott hat nicht geholfen. Sieht jedenfalls nicht danach aus.
Aber dann passiert etwas: Kats Handy klingelt. Naja, eigentlich ist das nicht so sehr überraschend. Es kommt schließlich immer wieder vor, dass das Handy klingelt. Aber in diesem Moment findet Kat es ziemlich krass. Es ist ihre Mutter, die ihr sagen will, dass sie später nach Hause kommt.
Und die natürlich sofort auflegen will, weil sie in einer Besprechung ist. In einer Konferenz.
Kat findet die Vorstellung immer gruselig, dass da die ganzen Lehrer zusammensitzen und über ihre Schüler reden. Aber in diesem Moment hat sie keinen Sinn für solche Gedankenspiele.
„Mum“, sagt sie. „Es ist etwas Wichtiges.“
Kat weiß, dass auf ihre Mum Verlass ist. Und tatsächlich: Sie hört neben ein paar undefinierbaren Geräuschen im Hintergrund die Stimme ihrer Mutter: „Moment. Ich geh raus.“
Nach ein paar Sekunden ist sie wieder da. „So, meine Süße. Was ist denn passiert?“
Kat berichtet ihr in aller Kürze, was sie hier auf dem Parkplatz vorgefunden haben.
„Okay“, sagt Kats Mutter. „Oder nicht okay. Ganz und gar nicht okay. Also pass auf: Du leinst zuerst mal Pucki an und sorgst dafür, dass er auf keinen Fall irgendetwas frisst. Womöglich ist Gift im Spiel. Dann bleibst du da und wartest. Ich alarmiere Dr. Schmitz, den Tierarzt, und komme so schnell wie möglich auch selbst vorbei. In zwanzig Minuten bin ich da.“ Ein Küsschen kommt noch durch den Hörer, dann ist sie weg.
Kat berichtet Linda, was ihre Mutter gesagt hat, dann setzen sich die beiden Mädchen neben dem Hund auf den Boden und warten.
Die Zeit wird ihnen reichlich lang. Wie gut, dass wenigstens die Sonne scheint! Linda hockt vor dem fremden Hund und streichelt ihn vorsichtig, Kat hat Pucki an der Leine und hält ihn fest. Die Mädchen sprechen wenig miteinander. Die Lage ist angespannt. Was wird nun werden? Natürlich haben die Mädchen Sorge um Pucki. Und um den Hund.
Endlich biegt ein schwerer, dunkelblauer Wagen auf den Parkplatz ein: der Tierarztwagen. Zum Glück kommt Dr. Schmitz selber vorbei. Kat kennt ihn, von Puckis Impfterminen. Er erkennt das Mädchen auch, grüßt kurz und sieht sich den fremden Hund an. Er hört ihn ab, sieht ihm in die Augen, fühlt seinen Puls und misst Fieber. Dann stellt er ihm Wasser hin, das er gierig leckt, und meint dann, genauer würde er das Tier in der Praxis untersuchen. Gift sei vermutlich nicht im Spiel. Der Hund sei wohl krank, sei von einem verantwortungslosen Herrchen oder Frauchen hier ausgesetzt worden und habe zudem zu lange nichts mehr zu Trinken gehabt.
Der Rest ist schnell erzählt. Katharinas Mutter kommt endlich auch und fährt mit Dr. Schmitz und dem Hund zur Praxis. Die Mädchen gehen währenddessen mit Pucki zurück zu Katharina nach Hause. Sie sind beide ziemlich durcheinander. Jemand hat seinen Hund ausgesetzt. Wie böse muss jemand sein, der so etwas tut? Das darf es doch nicht geben, oder?
Das nächste Problem aber kommt noch: Die Mutter kehrt heim und erzählt, dass der Hund schwer Diabetes hat. Beim Tierheim hat sie schon angerufen, um nachzufragen, ob der Hund dort unterkommen kann, aber das Heim ist eigentlich komplett überfüllt.
„Nicht ins Tierheim“, protestiert Kat.
„Es gibt schlimmere Orte für Tiere“, meint die Mutter stirnrunzelnd.
„Können wir ihn nicht nehmen?“ Kat versucht, ganz lieb zu gucken. Sogar ihre jüngere Schwester Janina, die mittlerweile auch zu Hause ist, ist sich ausnahmsweise einmal einig mit ihr. „Och, bitte!“, macht sie, legt den Kopf schief und sieht die Mutter besonders herzerweichend an. „Ich habe noch kein Tier!“
„Es kommt nicht in Frage. Erstens ist der Hund alt und krank und braucht ständige Betreuung. Zweitens würdest du dich um ihn ja gar nicht kümmern. Und drittens sind Max und er nicht aneinander gewöhnt.“
Natürlich. Der Kater. Den haben beide Mädchen vergessen. Es würde nicht klappen. Die beiden sind ja nicht aneinander gewöhnt; der Kater würde den Hund auf den nächsten Schrank jagen …
Kat ist trotzdem ziemlich traurig, obwohl sie einsehen muss, dass die Mutter recht hat. Die halbe Nacht lang liegt sie wach und überlegt, was sie tun könnte. Der arme, kranke Hund in einem Tierheim? Das kommt ihr sehr unfair vor.
Schließlich fasst sie den Entschluss, in der Schule herumzufragen, ob vielleicht jemand von ihren Klassenkameraden den Hund nehmen könne.
Direkt am nächsten Morgen setzt sie ihren Plan in die Tat um. Gemeinsam mit Linda fragt sie Herrn Althoff, ihren Klassenlehrer, ob sie in der Klasse etwas sagen dürfen. Dann erzählen sie in der Klasse von dem Hund, der ausgesetzt worden ist, wahrscheinlich, weil er krank ist und der Besitzer kein Geld oder keine Lust hat, sich um sein krank und alt gewordenes Tier zu kümmern.
Viele Kinder sind richtig empört.
„Und jetzt muss er in ein Tierheim“, erklärt Kat. „Wenn wir nicht jemanden finden, der ihn haben will.“
Ungefähr die Hälfte der Kinder will den Hund unbedingt mit nach Hause nehmen.
„Er braucht ständige Betreuung“, bemerkt Kat.
„Und die Medikamente sind auch teuer“, fügt Linda hinzu.
Herr Althoff scheucht die Mädchen schließlich wieder auf ihre Plätze. „Ihr könnt ja alle mal eure Eltern fragen“, schlägt er vor. „Jetzt wenden wir uns lieber der Geometrie zu.“
Kat aber passt nicht wirklich auf. Ihre Gedanken sind bei dem Hund, und ganz egal, welche geometrische Figur Herr Althoff anzeichnet: Kat sieht einen Hund darin.
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