Kitabı oku: «Dreckiges Erbe», sayfa 2

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„Handel mit gefälschter Kunst? Und dazu Raubkunst aus dem zweiten Weltkrieg? Darum geht es?“, rief Leo enttäuscht. Er hatte sich eine persönliche Tragödie vorgestellt, in der er als strahlender Retter auftreten konnte. Lag das am Alkohol? Er musste sich zwingen, sich zu konzentrieren, damit er den Faden nicht verlor. Wenn er ehrlich war, verstand er nicht viel von dem, was die hübsche Frau mit dem losen Mundwerk von sich gab. Seit sie Georg angeschnauzt hatte, was ihn zum Schmunzeln gebracht hatte, konnte er nicht mehr ganz folgen.

„Wenn das alles der Wahrheit entspricht, wäre das der Hammer“, sagte Georg, der jedes Wort verstand und keineswegs beleidigt war, schließlich hatte er die Frau unterbrochen. Der Begriff Raubkunst war ihm nicht fremd, ganz im Gegensatz zu Leo, der zwar schon davon gehört hatte, aber nicht genau wusste, worum es dabei ging. „Ich habe darüber gelesen, dass es im zweiten Weltkrieg an der Tagesordnung war, dass Kunstwerke einfach enteignet wurden. Es gab nicht wenige Nazi-Größen, die im Besitz einer umfangreichen Kunstsammlung waren. Zum Kriegsende wollte man diese in Sicherheit bringen. Waggonladungen voller Kunstgegenstände sind zum Kriegsende 1945 und kurz danach spurlos verschwunden. Man munkelt, dass die Alliierten viele Kunstschätze nach Hause schickten, was aber nicht bewiesen werden konnte. Es gibt viele, viele Stücke, die immer noch verschwunden sind.“ Georg sprach langsam, da er Leo ansah, dass der keine Ahnung hatte, worum es ging. Leo hörte aufmerksam zu und verstand trotzdem nicht alles.

„Es gibt umfangreiche Literatur darüber“, sagte Sabine. „Sie können sich vielleicht vorstellen, wie erschrocken ich war, als ich vor Vincent van Goghs Maler auf der Strasse zu Tarascon stand. Das Selbstbildnis des Künstlers zählt zu den berühmtesten Bildern, die aus ungeklärten Umständen seit dem zweiten Weltkrieg verschwunden sind. Man vermutet, dass es 1945 bei einem Brand zerstört wurde, aber bewiesen wurde das nie.“

„Wie viel ist das Bild wert?“, brachte sich Leo ein, der sich mit Kunst überhaupt nicht auskannte.

„Es hat einen sehr hohen Schätzwert, man kann von einer hohen zweistelligen Millionensumme ausgehen, aber das ist nur eine Vermutung meinerseits. Museen und private Sammler würden sich darum reißen und jede Summe bezahlen.“

„Und Sie sind sicher, dass es sich um das echte Gemälde handelt?“

„Ich bin, wie gesagt, Journalistin und keine Kunstkennerin. Sie hätten sehen müssen, wie die Kunstwerke im Keller des Kairoer Hauses gelagert werden. Das und die Tatsache, dass ich bis nach Hurghada verfolgt wurde, bestätigt mir die Echtheit. Was nicht heißt, dass man nicht Fachleute hinzuziehen sollte. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass ich da auf echte Raubkunst gestoßen bin. Das ist eine Sensation!“

„Die Raubkunst befindet sich in Kairo? Sie wollen mir sagen, dass Sie von dort bis nach Hurghada verfolgt wurden?“

„Endlich haben Sie verstanden! Sehen Sie jetzt auch, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass es sich um echte Raubkunst handeln muss?“

Georg nickte.

„Es ist besser, ich sage Ihnen nicht, wo genau die Kunstschätze aufbewahrt werden. Je weniger Details Sie wissen, desto besser für Sie. Außerdem kennen wir uns nicht. Ich habe mich mit der Wahrheit sowieso schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich wollte Ihnen lediglich meine Situation erklären. Lügen gehört nicht zu meinen größten Stärken.“ Sabine Kofler stand unter Druck, außerdem hatte sie große Angst und sie war auf die Hilfe der fremden Polizisten angewiesen. Jetzt war sie nicht mehr allein und vielleicht fand sich eine Möglichkeit, wie sie sich aus dieser Situation befreien konnte. Warum hatte sie sich nur auf die Spur der gefälschten ägyptischen Kunst gemacht? Mit großem Elan hatte sie vor knapp zwei Wochen dieses Abenteuer angetreten. Fest entschlossen, diesem Handel mit gefälschter ägyptischer Kunst ein Ende zu setzen. Die Händler gingen sehr dreist vor. Sie legten Fotos von echter Kunst vor, verschickten aber plumpe Fälschungen, die man schon von Weitem als solche erkannte. Dann tauchten die Händler unter. Einer der Museumsdirektoren in England verlor deshalb schon seinen Job. Es war nur eine Frage der Zeit, wann ihm andere nachfolgten. Obwohl das bekannt war, fielen immer wieder Museen und Privatsammler auf diese Masche herein. Sabine wollte der Sache auf den Grund gehen und versprach sich von der Aufdeckung sehr viel. Ihr Job war sehr hart und es war nicht leicht, gutes Geld damit zu verdienen. Das konnte endlich der Durchbruch sein, auf den sie schon so lange wartete. Sie hatte ihre Ersparnisse zusammengekratzt und recherchierte auf eigene Faust, nachdem Magazine und Zeitungen nicht darauf ansprachen und sie nicht unterstützen wollten. Egal, das schaffte sie auch alleine!

Seitdem war sehr viel geschehen. Sie hatte mit viel Arbeit und mit Hilfe ihrer Kontakte einige Hintermänner ausfindig gemacht, die offenbar mit dem schmutzigen Handel in Verbindung standen. Der Ire John McCarthy schien eine Rolle zu spielen, ebenso die Deutsche Karin Bergmann. Beide waren in der Kunstszene bekannt, fielen aber bisher nie negativ auf. Sowohl McCarthy, als auch Bergmann arbeiteten in berühmten Museen und wurden gerne als Kunstexperten zu Rate gezogen. Sabine war überrascht gewesen, dass gerade diese beiden in diese dreckigen Geschäfte verwickelt schienen. Noch fehlten ihr die Beweise, die ihre Annahme stützten. Wenn dem so war, dann waren die beiden lediglich die Vermittler. Wer der Kopf der ganzen Bande war, hatte sie noch nicht herausgefunden. Sie hatte Fotos gemacht. Sowohl von den echten Kunstschätzen, als auch von den gefälschten. Auch das Gebäude und die Straße hatte sie fotografiert.

Sie floh bis Hurghada, wo sie glaubte, vorerst sicher zu sein. Wie konnten diese Leute sie finden? Das war ihr immer noch ein Rätsel. Sie hatte sich den beiden fremden Deutschen anvertraut, allerdings hatte sie nicht ganz die Wahrheit gesagt. Bei dem Schmuck hatte sie zugegriffen und eine besonders schöne Kette in die Tasche gesteckt. Ob es sich um ein wertvolles Stück handelte, konnte sie nur vermuten. Die Kette mit dem Amulett war sicher sehr alt, oder war das eine Fälschung? Warum dann das Hakenkreuz neben der Gravur? Das war jetzt nicht wichtig. Sie trug diese Kette unter dem Kleid. Sollte sie den beiden Fremden davon erzählen?

„Sie sagten, Sie hätten Fotos gemacht“, riss Georg sie aus ihren Gedanken. „Wie ich sehe, haben Sie keine Tasche dabei.“

„Ich habe die Speicherkarte meiner Kamera bei mir. Wenn mir meine Tasche nicht entrissen worden wäre, hätte ich meinen Pass noch und hätte längst das Land verlassen. Ohne Pass und Geld bin ich gezwungen, hier zu bleiben.“

Beide Männer sahen die Frau an. Wo sollte sie die Speicherkarte haben? Jetzt musste Sabine lachen, was ihr sehr gut tat.

„Sie suchen nach der Speicherkarte? Sie steckt in meinem BH.“

„In meinem Hotelzimmer habe ich einen Laptop. Wenn Sie erlauben, werden wir uns die Bilder ansehen.“

„Gerne.“ Sabine willigte schnell ein. Was blieb ihr anderes übrig? Wo sollte sie allein und ohne Geld und Papiere hin? Die indirekte Einladung der Deutschen kam ihr gelegen. Damit hatte Sie Zeit gewonnen, sich eine Lösung ihres Problems zu überlegen.

Sharif war die ganze Zeit still gewesen. Wenn seine Fahrgäste auf ihn aufmerksam wurden, lächelte er nur. Er verstand nicht viel, was die Frau von sich gab. Aber das, was er hörte, reichte ganz sicher aus, um Informationen verkaufen zu können. Er hatte den Namen Vincent van Gogh verstanden, sowie John McCarthy und Karin Bergmann. Er musste die beiden Personen finden und ihnen ein Angebot machen. Dazu musste er so schnell wie möglich seinen Bruder Ahmed kontaktieren. Der war in diesem Fall genau der Richtige für den Job, denn er selbst hatte dafür keine Zeit.

Georg bezahlte Sharif und gab ihm ein üppiges Trinkgeld, was diesen jedoch nicht davon abhielt, die Deutschen zu verraten. Er rief seinen Bruder an und gab ihm die Informationen. Dann wartete er; auf den Rückruf und auf neue Fahrgäste.

Als sein Bruder sich meldete, lächelte Sharif zufrieden.

„Ich habe Karin Bergmann ausfindig machen können. Die Information hat sich gelohnt, großer Bruder. Ich bringe dir morgen deinen Anteil.“

„Wie viel ist es?“

„Ich musste nicht lange verhandeln. Die Frau hat mir sofort zwanzigtausend Pfund angeboten, ich habe sie auf dreißigtausend bringen können.“

„Das hast du sehr gut gemacht! Ich bin stolz auf dich, kleiner Bruder.“ Sharif war zufrieden. Der heutige Tag hatte sich richtig gelohnt.

Karin Bergmann war überrascht, als sich ein Einheimischer telefonisch bei ihr meldete, der seinen Namen nicht nannte. Sie brauchte nicht lange, um zu verstehen, welche brisanten Informationen er für sie hatte. Die Journalistin befand sich also in El-Gouna. Wie kam sie bis dahin? Das war jetzt nicht wichtig. Die Frau, die die Fotos gemacht hatte, war endlich gefunden worden. Sie rief John an und gab ihm die Information sofort durch.

3.

„Ich bin es.“ Mehr sagte der Mann nicht, der sich als Adolf Maier ausgab. Ob das sein richtiger Name war?

„Schön, dass Sie sich melden.“

„Ich habe Ihnen für den van Gogh ein Angebot gemacht. Wie sieht es aus? Bekomme ich das Bild endlich?“

„Wenn Sie noch eine Schippe drauflegen, sieht es sehr gut für Sie aus. Sie müssen wissen, dass noch ein weiterer Bieter im Rennen ist. Allerdings ist er Franzose und ich mag die Franzosen nicht. Ich würde sehr viel lieber an einen Deutschen verkaufen, in das Land meiner Vorfahren.“

„Sie sind ein Halsabschneider, wie er im Buche steht. Gut, ich lege noch fünfzigtausend drauf, aber dann ist endgültig Schluss. Bekomme ich jetzt endlich den Zuschlag?“

„Wir wollen doch fair bleiben, Herr Maier. Ich muss dem Franzosen zumindest die Chance geben, dass er sein Angebot verbessert. Patriotismus hin oder her; in erster Linie bin ich Geschäftsmann.“

„Sie sind kein Geschäftsmann, Sie sind ein Halunke. Sie sind gierig und machen Versprechungen, an die Sie sich dann doch nicht halten. Vorhin sagten Sie noch, dass ich das Bild bekomme, wenn ich mein Angebot erhöhe. Mehr als fünfzigtausend sind nicht mehr drin, mein Limit ist erreicht.“ Der Mann schnaubte vor Wut. Diese Verhandlung zog sich seit Wochen hin. Obwohl er die Summe beinahe täglich erhöhte, bekam er den Zuschlag immer noch nicht. Es war an der Zeit, endlich andere Seiten aufzuziehen. „Hören Sie mir gut zu, Schweighofer. Ich weiß sehr gut, wer Sie sind und woher die Kunstwerke stammen. Ihr Onkel war einer der engsten Mitarbeiter von Ernst Kaltenbrunner. Ich brauche Ihnen nicht erklären, welche Rolle Kaltenbrunner im Dritten Reich gespielt hat?“

Siegfried Schweighofer stöhnte auf. Damit, dass der Interessent so tief graben und die Wahrheit herausfinden würde, hätte er niemals gerechnet.

„Sie schweigen? Also wissen Sie es. Die Kunstwerke, die Sie anbieten, stammen aus dem Nachlass Ihres Onkels, der hochbetagt und von den deutschen Behörden völlig unbehelligt vor fünf Monaten in Kairo verstarb, wo er seit 1947 lebte. Bei den Kunstwerken handelt es sich um Raubkunst, die auf dem freien Markt nicht angeboten werden kann. Ich möchte Sie daher bitten, mit Ihren Spielchen endlich aufzuhören.“

„Es stimmt alles, was Sie sagen. Und trotzdem wollen Sie das Bild unter allen Umständen haben.“

„Allerdings. Und weil Sie das wissen, treiben Sie den Preis immer weiter nach oben. Ich möchte das Bild haben und meine persönliche Schmerzgrenze ist nun erreicht. Sollten Sie mir das Bild nicht übergeben, sehe ich mich gezwungen, die Behörden einzuschalten. Wenn ich das Bild nicht bekommen kann, wird es kein anderer kaufen können. Und Sie verlieren sehr viel Geld. Überlegen Sie, wie Sie sich entscheiden, Schweighofer.“

„Sie bluffen, Maier. Welche Informationen wollen Sie den Behörden geben? Außer dieser Telefonnummer und meinem Namen haben Sie nichts.“

„Unterschätzen Sie mich nicht. Ich weiß, dass Sie in Kairo leben. Es ist für mich eine Kleinigkeit, Ihre Adresse rauszufinden, was mich eigentlich herzlich wenig interessiert. Ich möchte nur das Bild, mehr nicht.“

„Schon gut, Sie bekommen den van Gogh. Ich werde Ihnen das Bild wie vereinbart übergeben. Wohin soll ich es bringen?“

„Na also! Ich wusste, dass wir uns schlussendlich doch einig werden. Den Übergabeort werde ich Ihnen spätestens in zwei Tagen mitteilen.“

„Wie Sie wollen. Heute ist Mittwoch. Ich könnte Ihnen das Bild am Sonntag übergeben. Es versteht sich von selbst, dass ich das Geld in bar entgegennehme.“

„Sonntag wäre hervorragend. Die Summe bekommen Sie in bar überreicht, Sie können sich darauf verlassen.“

„Ich erwarte Ihre Anweisungen für die Übergabe.“

„Sie werden verstehen, dass ich Ihnen nicht vertraue, deshalb werde ich einen Gutachter mitbringen, der das Bild umgehend prüfen wird. Sobald er grünes Licht gibt, bekommen Sie Ihr Geld.“

„Einverstanden.“

Adolf Maier lehnte sich zurück und lächelte.

„Hat er angebissen?“

„Ja.“

„Endlich.“

„Lass uns einen geeigneten Ort für die Übergabe finden. Alles muss perfekt laufen, wir dürfen uns keinen Fehler leisten.“

Siegfried Schweighofer schenkte sich einen Wodka ein. Er hatte für das Bild mehr bekommen, als er ursprünglich dafür haben wollte. Kunst war nicht sein Metier. Gefälschte Kunst ja, da konnte er sich preislich an adäquaten Objekten orientieren. Aber bei Kunst großer Meister aus den vergangenen Jahrhunderten musste er passen. Er hatte zwei Experten an seiner Seite, die ihm gerade zu Beginn der Zusammenarbeit diesbezüglich eine große Hilfe waren. Inzwischen hielt er sich nur vage an die Vorgaben von John und Karin. Er machte seine eigenen Preise und stieg hoch ein, was ihm bei dem van Gogh entgegenkam. Ja, er hatte hoch gepokert und einen vermeintlichen Mitbieter erwähnt, den es nicht gab. Dieser Maier war geradezu vernarrt in den van Gogh. Aber dessen Schmerzgrenze war erreicht und der Deal konnte über die Bühne gehen. Am Sonntag war er um einige Millionen reicher. Was für ein herrliches Gefühl, das leider nicht nur durch das plötzliche Auftreten dieser deutschen Journalistin getrübt wurde. Was Schweighofer zusätzliche Kopfschmerzen bereitete, war die Tatsache, dass Maier über die dunkle Geschichte seines Onkels Bescheid wusste. Sein Onkel Friedrich war ein schwieriger Charakter, der Zeit seines Lebens Nationalsozialist geblieben war. 1946 floh Friedrich Schweighofer gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter zunächst nach Tunesien, danach ging es nach Kairo. Dort wurde er selbst 1955 geboren. Seine Mutter verstarb früh, er konnte sich nicht mehr an sie erinnern. Wer sein Vater war, blieb immer ein Geheimnis, auch wenn er noch so sehr bohrte und Fragen nach seinem leiblichen Vater stellte. Er wuchs bei der Großmutter auf, die stets darauf achtete, dass er eine deutsche Schule besuchte und nur Umgang mit Deutschen pflegte. In diesem Punkt waren sich der Onkel und die Großmutter einig. Aber das umging er, indem er sich selbst Freunde suchte, von denen beide nichts ahnten. Siegfried schenkte sich einen weiteren Wodka ein, schließlich gab es etwas zu feiern. Während er trank, hatte er das Bild seines Onkels vor sich. Groß, stattlich und stets korrekt, wenn es um seine Prinzipien ging. Was für ein verbohrter Trottel! Siegfried konnte sich noch sehr gut an die vielen Diskussionen mit seinem Onkel Friedrich erinnern, die er vor allem im Teenageralter mit ihm geführt hatte und die oft sehr heftig verliefen. Er konnte das braune Gedankengut, das bei seinem Onkel stark ausgeprägt war, sowie die Verherrlichung des Dritten Reiches nicht nachvollziehen. Mit Anfang zwanzig brach er mit seinem Onkel. Bei der Beerdigung der Großmutter sahen sie sich nach vielen Jahren wieder. Siegfried hatte gehofft, dass sich sein Onkel geändert hätte, aber stattdessen war er noch fanatischer geworden. Vor fünf Monaten verstarb sein Onkel im hohen Alter von achtundneunzig Jahren. Der alte Zausel war sehr zäh gewesen und hatte jeden seiner damaligen Weggefährten überlebt, mit denen er stets an einem Plan gearbeitet hatte, wie man Deutschland wieder vernünftig aufbauen konnte. Zum Glück waren das Hirngespinste verbohrter Fanatiker, die man nicht für voll nahm und die keinen Schaden anrichten konnten. Siegfried wurde als noch einzig lebender Verwandter gebeten, die Hinterlassenschaften seines Onkels zu regeln. Anfangs wollte er das Erbe nicht antreten, nahm es aber dann doch an – Familie war eben Familie, auch wenn man sich die nicht aussuchen konnte.

Er hasste die Entrümpelung des alten, muffigen und heruntergekommenen Hauses. Bis er im Keller hinter einem Bretterverschlag auf diverse Kunstwerke stieß. Nicht nur Bilder, sondern auch Skulpturen und Schmuck verschiedenster Art. Sogar zwei Goldbarren, mit einem Hakenkreuz versehen, fand er in eine alte Decke gewickelt. Anfangs ging Siegfried von billigen Kopien aus, bis er auf der Rückseite eines Bildes den Aufkleber des Berliner Kunstmuseums fand. Die Machart und die Schrift wiesen auf längst vergangene Zeiten hin. War der Aufkleber echt? Hektisch suchte er nach einem verschwiegenen Kunstkenner, den er in John McCarthy fand. McCarthy kam mit einer Kollegin, Karin Bergmann, die sich besonders auf niederländische Maler spezialisiert hatte.

„Woher stammen diese Kunstwerke? Wie kamen sie hierher?“, frage John McCarthy aufgeregt. Siegfried hatte längst bemerkt, dass das Interesse der beiden Kunstkenner sehr groß war. Die Stücke waren echt, das lag auf der Hand.

„Mein Onkel war im Zweiten Weltkrieg ein enger Mitarbeiter von Ernst Kaltenbrunner. Ihnen sagt der Name etwas?“

„Selbstverständlich!“ McCarthy und Bergmann hingen an Siegfrieds Lippen. „Gibt es Unterlagen Ihres verstorbenen Onkels? Oder Fotos?“

„Nein, ich habe nichts dergleichen gefunden.“

„Welche Position hatte Ihr Onkel während des Zweiten Weltkrieges inne?“

„Darüber, was mein Onkel genau gemacht hat, hat er nie gesprochen. Er schwärmte Zeit seines Lebens von seiner Militärzeit, er war ein glühender Verehrer vom Führer und von Kaltenbrunner. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er jedes Jahr zu den Geburts- und Todestagen der beiden Kerzen anzündete und in die Kirche ging. So absurd diese Rituale auch waren, so wenig war er davon abzubringen.“

„Hat Ihr Onkel jemals Altaussee erwähnt?“

„Ja, sehr oft sogar. Nach seinen Aussagen war das der schönste Ort, den er kannte. In Altaussee hatte Kaltenbrunner ein Anwesen, in dem mein Onkel nach dessen Erzählungen ein- und ausging. Wenn ich mich recht erinnere, hat er auch immer wieder eine Blau-Alm erwähnt.“

„Könnte der Name auch Blaa-Alm gewesen sein?“

„Ja, das könnte sein.“

„An was können Sie sich noch erinnern? Denken Sie nach!“

„Was verlangen Sie da von mir? Mein Onkel lebte nur in der Vergangenheit und erzählte viele alte Geschichten, die mich nicht interessierten.“

„Dann helfe ich Ihnen auf die Sprünge: Waldenburg, Liebichau, Königsberg und das Schloß Fürstenstein? Projekt Riese? Klingelt’s?“

„An dieses Schloß kann ich mich erinnern, auch Königsberg sagt mir etwas. Mehr fällt mir nicht ein, leider.“

Bergmann und McCarthy waren nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil.

„Ihr Onkel ist nach Kriegsende aus Deutschland geflohen?“

„Ja.“

„Was wissen Sie darüber?“

„Mein Onkel floh mit seiner Schwester, also meiner Mutter, und meiner Großmutter. Ich weiß, dass die erste Station Tunesien war…“

„Welcher Hafen?“

„Tunis. Ein Freund hatte ein Haus in Hammamet zur Verfügung gestellt…“

„Das ist es, das ist das letzte Puzzlestück. Alle Informationen stimmen mit meinen umfangreichen Recherchen überein“, rief Karin Bergmann aufgeregt. Sie hatte sich viele Jahre mit der Suche nach der verschwundenen Raubkunst beschäftigt, bis ihr die Spuren und vor allem das Geld ausgingen. Eine dieser Spuren führten sie über Tunis und Hammamet bis nach Kairo. Dreizehn Jahre waren seitdem vergangen. Und jetzt das!

John McCarthy und Karin Bergmann sahen sich fassungslos an.

„Sie haben keinen blassen Schimmer, was das hier ist, Herr Schweighofer?“

„Selbstverständlich habe ich keine Ahnung. Was glauben Sie, warum ich mir Hilfe geholt habe.“

„Das ist eine Sensation!“, sagte McCarthy. „Bei all diesen Kunstwerken handelt es sich um Raubkunst aus dem Zweiten Weltkrieg, die als verschollen gilt.“

Karin Bergmann klatschte begeistert in die Hände. „Es gibt über Raubkunst die wildesten Geschichten, denen allen nachgegangen wurde. Spuren führten in die unterschiedlichsten Richtungen. Und eine davon ist Hammamet in Tunesien, die bis nach Kairo führt. Ich bin mir sicher mit dieser Spur, ich habe sie selbst verfolgt und Beweise dafür gesammelt.“

„Leider sind in den letzten Jahrzehnten nur wenige Stücke aufgetaucht, ein Großteil ist immer noch verschwunden. Was hier in diesem unscheinbaren Keller steht, ist der Wahnsinn! Nach dem, was Sie uns eben geschildert haben, hat Ihr Onkel die Kunstwerke nach Kriegsende außer Landes gebracht und seitdem in seinem Keller verwahrt. Kaltenbrunner hatte den Befehl, die Raubkunst in Sicherheit zu bringen. Es sieht danach aus, als hätte Ihr Onkel die Stücke für Kaltenbrunner, beziehungsweise dessen Nachkommen, aufbewahrt. Ich kann das immer noch nicht glauben!“

„Ein Halleluja auf Onkel Friedrich!“, rief Siegfried erfreut. „Wie teuer sind die Kunstwerke? Was schätzen Sie, was ich dafür bekomme?“ Für Siegfried stand es nicht zur Debatte, dass er dem Beispiel seines Onkels folgen wollte und alles für Kaltenbrunners Nachfahren aufheben wollte. Und wem sie davor gehörten, interessierte ihn schlichtweg nicht. Siegfried war der Erbe und nur ihm standen die Kunstschätze zu.

„Über die Werte können wir nur spekulieren, wir sprechen über astronomische Summen. Allerdings muss ich Sie enttäuschen. Jedes einzelne Kunstwerk ist auf dem freien Markt unverkäuflich. Es ist Raubkunst, was bedeutet, dass die rechtmäßigen Besitzer gefunden werden müssen. Sobald das geschehen ist, wird denen dann das Eigentum ausgehändigt.“

„Kann ich wenigstens mit einem anständigen Obolus rechnen?“

„Wohl kaum, schließlich wurden die Stücke von Ihrem Onkel geschmuggelt und gehörten ihm nicht.“

„Sie meinen, ich gehe leer aus?“, rief Siegfried.

„Was die Kunstwerke betrifft, ja.“

Siegfried war enttäuscht. Er hatte bereits von einem Leben in Reichtum geträumt – und jetzt das!

„Vergessen Sie die beiden Goldbarren nicht. Das Hakenkreuz darauf ist kein großes Problem. Man könnte die Barren einschmelzen und das Gold dann problemlos veräußern. Bei dem Schmuck wäre ich vorsichtig, der ist sehr speziell. Trotzdem denke ich, dass die Schmuckstücke unter der Hand noch recht einfach zu verkaufen sind. Aber die Gemälde und Skulpturen sind für Sie nichts wert, da stimme ich meiner Kollegin zu.“

„Es gäbe bezüglich der Kunstwerke noch eine andere Möglichkeit“, sagte Karin Bergmann. Die Frau Mitte fünfzig arbeitete im Kairoer Kunstmuseum und konnte gerade so ihr Leben bestreiten. Für sie tat sich eine Chance auf, das zu ändern.

„Wovon sprechen Sie? Raus mit der Sprache!“

„Es gibt Sammler auf der ganzen Welt verstreut, die hohe Summen für Kunstwerke bezahlen.“

„Obwohl es sich um Raubkunst handelt?“

„Das ist vielen Sammlern egal. Was meinst du, John? Würdest du mitspielen?“

John verstand sofort, worauf Karin aus war. Er selbst hatte bereits auch an diese Möglichkeit gedacht.

„Ja, das würde ich durchaus. Allerdings verlange ich fünfundzwanzig Prozent.“

„Das klingt fair, das verlange ich auch. Was meinen Sie, Herr Schweighofer?“

„Moment!“, rief Siegfried, der langsam begriff, was hier eben passierte. „Sie meinen, ich soll Sie am Verkauf beteiligen? Mit jeweils fünfundzwanzig Prozent? Warum sollte ich das tun?“

„Weil wir die Kontakte haben, Sie aber nicht. Außerdem könnten wir Sie jederzeit den Behörden melden und Ihr Geheimnis ausplaudern. Ich finde, fünfundzwanzig Prozent für jeden klingt mehr als fair. Betrachten Sie die Sache nüchtern: Entweder, Sie bekommen fünfzig Prozent von einer stattlichen Summe, oder Sie bekommen nichts. Ich denke, Sie sind ein cleverer Mann, Herr Schweighofer. Die Entscheidung liegt auf der Hand.“

„Ich habe bis jetzt noch nichts über den Wert eines Bildes auf dem Schwarzmarkt gehört. Was, denken Sie, bringt zum Beispiel dieses Bild?“

„Das ist ein Bild von Raffael aus dem Jahre 1513/1514. Wir könnten auf dem Schwarzmarkt einen zweistelligen Millionenbetrag dafür bekommen. Was denkst du Karin?“

„Ja, das müsste locker möglich sein. Ich würde den Wert genauer beziffern, ich denke an elf bis zwölf Millionen.“

„Euro?“

„Ja.“

Siegfried konnte sein Glück kaum fassen. Nach der Enttäuschung sah er wieder Licht am Ende des Tunnels, und zwar ein sehr helles, großes Licht.

„Ich biete Ihnen jeweils zwanzig Prozent an. Schlagen Sie ein.“

Karin Bergmann und John McCarthy zögerten anfangs, dann schlugen sie ein.

„Die Bilder müssen hier weg, und zwar so schnell wie möglich. Dass sie in all den Jahrzehnten keinen Schaden genommen haben, grenzt an ein Wunder. Alles muss ab sofort unter idealsten Bedingungen gelagert werden“, entschied John und Karin stimmte zu. Die Bilder in einem heruntergekommenen Keller zu sehen, tat ihr fast weh. „Die Skulpturen, Vasen und den Schmuck nehmen wir ebenfalls mit. Die beiden Goldbarren gehören selbstverständlich Ihnen.“

„Aber wohin mit dem ganzen Zeug?“ Siegfried kratzte sich den Kopf. Seine kleine Wohnung am Rande Kairos war bis unters Dach mit gefälschter Kunst vollgestopft, ebenso die Garage und eine kleine Lagerhalle.

„Am besten, wir bringen alles zu mir nach Hause“, schlug John vor.

„Nein, das ist keine gute Idee“, widersprach Karin. „Was glaubst du, welch hohen Wellen die ersten Verkäufe schlagen werden? Es dauert nicht lange, und die Kunstszene gerät völlig aus den Fugen. Dein Name ist bekannt und das könnte uns verraten. Außerdem hast du ganz sicher nicht die idealen Voraussetzungen für die optimale Lagerung. Wir sprechen von wertvollen Kunstschätzen, die wir nicht in Gefahr bringen dürfen.“

„Was halten Sie davon, wenn ich mich um ein geeignetes Haus kümmere. Mich kennt man in der Kunstszene nicht“, schlug Siegfried vor, der bereits ein Haus im Auge hatte. Schon als kleines Kind hatte er das herrschaftliche Anwesen eines ehemaligen Bankiers bewundert, das seit einigen Monaten zum Kauf angeboten wurde. Mit dem Geld, das er für die beiden Goldbarren bekommen würde, wären die Finanzierung und die Ausstattung des Lagerraumes ein Klacks.

„Das klingt gut. Sie kümmern sich um ein geeignetes Haus und ich werde sofort meine Kontakte informieren. Außerdem müssen die Kunstwerke umgehend verpackt werden.“ John brannte geradezu. Endlich war es so weit, dass auch er ein großes Stück des Kuchens abbekam.

„Ich bleibe hier und überwache das Verpacken der Kunstwerke. Ich werde morgen damit beginnen, meinerseits aktiv zu werden. Wir beide sprechen uns ab, sobald Angebote vorliegen, John.“

„Auf jeden Fall. Wir müssen so viel wie möglich herausschlagen, das ist schließlich in unser aller Interesse.“

„Nur, damit wir uns richtig verstehen“, sagte Siegfried laut. „Ich bin der Chef! Alle Angebote und Verkäufe laufen ausschließlich über mich. Sie vermitteln die Kontakte und ich erledige den Rest. Haben wir uns verstanden?“

John und Karin waren keineswegs damit einverstanden und protestierten. Sie drohten damit, zur Polizei zu gehen und Siegfried anzuzeigen. Die beiden wurden immer lauter und waren sich sicher, den Mann damit unter Druck setzen zu können und ihm ihre Bedingungen zu diktieren. Siegfried hatte die ganze Zeit nur zugehört, dann zog er eine Waffe.

„Ich würde Ihnen beiden raten, mich nicht zu unterschätzen. Es steht außer Frage, dass die Kunstschätze mir gehören. Von rechtlicher Seite nicht, aber ich habe das Haus und alles, was darin ist, geerbt. Wenn ich möchte, kann ich das Haus mitsamt den Kunstschätzen in die Luft jagen und Sie können mich nicht daran hindern. Ich könnte auch ein Stück nach dem anderen verschenken, oder alles den Behörden übergeben. Sie sehen, dass nicht nur Sie ein Druckmittel gegen mich haben. Ich sage ihnen jetzt, wie ich mir die Zusammenarbeit vorstelle. Sie beide vermitteln die Kontakte, nennen mir den Schätzpreis auf dem Schwarzmarkt und ich übernehme den Rest. Ich lagere die Kunstschätze unter idealen Bedingungen ein und kümmere mich darum, dass sie beschützt werden. Dafür habe ich drei Mitarbeiter, auf die ich mich hundertprozentig verlassen kann. Darüber hinaus führe ich die Verkaufsverhandlungen und sorge dafür, dass jedes Kunststück sicher beim Käufer ankommt. Sobald ein Verkauf über die Bühne gegangen ist, bekommen Sie Ihren Anteil von jeweils zwanzig Prozent. Ich finde, dass Sie damit sehr gut leben können und dass das ein großzügiges Angebot ist, zumal die Hauptarbeit in meiner Hand liegt. Was meinen Sie? Entweder, es läuft so, wie ich es sage, oder die Sache ist gestorben.“ Siegfried hoffte darauf, dass die beiden zustimmten, denn ohne sie war er aufgeschmissen. Er pokerte hoch. Ob die beiden darauf eingingen?

„Einverstanden“, sagte John und reichte Siegfried die Hand.

„Ich auch“, sagte Karin enttäuscht, auch wenn sie viel Geld für wenig Arbeit bekam. Sie hatte darauf gehofft, dass ihr eintöniges Leben endlich aufregend werden würde, aber das war nach der Ansage offenbar nicht mehr der Fall.

Das Haus in der Innenstadt Kairos war bereits nach zwei Tagen bezugsfertig und der Umzug konnte stattfinden. Siegfried hatte das Gold einschmelzen lassen und es bereits verkauft. Damit hatte er ein üppiges Startkapital, mit dem alles sehr viel leichter und auch viel schneller ging. Siegfrieds Mitarbeiter Essam, Moustafa und Malcolm bewachten die Kunstwerke. Die drei hatten zwar keinen blassen Schimmer von Kunst, verstanden aber Siegfrieds Anweisung, ganz besonders sorgfältig mit den Stücken umzugehen und auf sie aufzupassen. Nichts und niemand würde sich daran zu schaffen machen, dafür garantierte jeder einzelne.

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