Kitabı oku: «Holzperlenspiel», sayfa 2

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Bruder Paul hielt den Beamten beides hin und tatsächlich – die Perlen waren tatsächlich fast identisch.

„Und bevor Sie jetzt auf die wildesten Gedanken kommen: diese Holzperle weist nicht auf einen unserer Mitbrüder hin, denn diese Rosenkränze gibt es zu Abertausenden. Diese werden genau so schon seit vielen Jahren hergestellt, auch heute noch. Früher machte man das in Heimarbeit; auch wir in unserem Orden haben diese hergestellt und dann verkauft und verschenkt. Heute geht das natürlich alles maschinell. Wenn Sie über den Kapellplatz gehen, können Sie in jedem Devotionaliengeschäft solche Rosenkränze erwerben.“

Viktoria war enttäuscht, das wäre auch zu einfach gewesen. Sie machte Anstalten zu gehen, aber Leo war noch nicht fertig.

„Wie kann ich mir dieses Kloster vorstellen? Was machen Sie eigentlich so den ganzen Tag?“

„Ich vermute, Sie sind nicht katholisch?“ Leo nickte und schämte sich nicht für seine Frage, schließlich gab es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten.

„Den Kapuzinerorden gibt es schon viele Jahrhunderte. Durch die Abspaltung von den Franziskanern hat sich dieser Bettelorden seinerzeit gegründet. Auch in Altötting gibt es uns schon sehr lange. Leider leben heute nur noch 25 Glaubensbrüder hier im Kloster. Wir sind für die Organisation der Wallfahrer zuständig, für die Gottesdienste, die Beichte, für die allgemeine Seelsorge, und wofür man uns sonst noch brauchen kann. Und natürlich darf man unsere Schule nicht vergessen, die zu unserem Orden gehört und von uns geleitet wird.“ Bruder Paul sprach langsam und hielt sich mit genauen Fakten und Daten zurück, denn er hatte über die Jahre gelernt, dass sich nur die wenigsten für die genauen Hintergründe interessierten.

„Und was genau haben Sie jetzt mit dem Bruder-Konrad-Kloster neben der Basilika zu tun, an dem wir vorhin vorbeigelaufen sind? Soweit ich das gesehen habe, ist das ein riesiges Kloster und sieht dazu noch tiptop renoviert aus. Warum leben Sie hier und nicht dort?“

Die Frage war absolut berechtigt und Viktoria, die sich anfangs über die naive Frage ihres Kollegen und Lebensgefährten ärgerte, war nun auch sehr interessiert.

„Bis vor einigen Jahren lebten wir im besagten Bruder-Konrad-Kloster und wir sind hier hergezogen, da diese Räumlichkeiten damals leer standen und weitaus komfortabler waren. Das Bruder-Konrad-Kloster wurde zwischenzeitlich aufwändig renoviert und über die weitere Verwendung wurde noch nicht entschieden. Vorerst bleiben wir hier, denn ein erneuter Umzug wäre für uns sehr aufwändig und wir fühlen uns hier neben der Magdalenenkirche sehr wohl.“

„Das heißt, das riesige, neu renovierte Bruder-Konrad-Kloster ist leer?“

Bruder Paul nickte nur. Er konnte den beiden Kriminalbeamten zwar antworten, musste sich aber vor ihnen nicht rechtfertigten – das Kloster war Eigentum der Kapuziner und was damit geschieht, liegt einzig und allein bei den Kapuzinern. Der Guardian stand auf, trat an den riesigen, aufwändig geschnitzten Schrank und gab Leo einige Broschüren.

„Hier sind Informationen über uns Kapuziner, das Kloster und unsere Arbeit. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich mich gerne wieder meiner Arbeit widmen. Bruder Siegmund steht Ihnen zur Verfügung, er hat mich eindringlich darum gebeten, Ihnen helfen zu dürfen und wartet draußen auf Sie. Sehen Sie ihm bitte seine Neugier nach, sie ist sein einziges Laster. Er ist zwar von einfachem Gemüt, aber grundehrlich und sehr anständig. Sie können sich auf ihn verlassen. Ich hätte noch eine Bitte an Sie: bearbeiten Sie diesen Fall mit äußerster Diskretion.“

„Wir werden unser Möglichstes tun. Vielen Dank.“ Viktoria zog Leo mit sich, der gerade Luft holte und etwas darauf sagen wollte, mehr noch, Leo wollte sich mit Bruder Paul anlegen und sie fürchtete eine Grundsatzdiskussion, auf die sie keine Lust hatte.

Bevor sich Bruder Paul wieder an die Arbeit machte, musste er vorab einige wichtige Telefonate erledigen, die diesen bedauerlichen Mord betrafen. Er hatte einige Verbindungen, die er nun kontaktieren musste. Schließlich konnte und wollte er das Klosterleben durch die Ermittlungen nicht beeinträchtigen. Vor allem aber musste er schlechte Publicity von den Kapuzinern, vor allem aber von seinem Kloster, abwenden. Diese Polizistin war ja noch einsichtig, aber dieser Herr Schwartz war ein Rebell und hatte keine positive Einstellung zum Klosterleben – er musste unbedingt seine Kontakte nutzen und die Polizisten zumindest etwas einbremsen.

Vor der Tür wartete tatsächlich Bruder Siegmund mit einem breiten Lächeln. Er gab den Polizisten ein Zeichen, ihm zu folgen, und nur wenig später fanden sie mit seiner Hilfe aus dem Labyrinth des Kapuzinerklosters wieder nach draußen. An der Pforte öffnete Bruder Andreas die gesicherte, schwere Tür.

„Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen?“, fragte Leo Bruder Andreas, während Viktoria nach draußen drängelte und so schnell wie möglich von hier wegwollte. Die muffigen Gänge und diese düstere Atmosphäre des Klosters gefielen ihr überhaupt nicht.

„Ich möchte niemandem Schaden zufügen oder Ärger bereiten,“ sagte Bruder Andreas schüchtern – und hatte sofort Leos Aufmerksamkeit, während Viktoria weiterging und sich eine Zigarette anzündete. Seit ihrer schweren Verletzung, die sie bei einem Fall mit geschminkten Leichen davongetragen hatte, rauchte sie wieder. Leo hielt sie nicht davon ab, sie war alt genug und wusste am besten, was gut für sie war – wenn das alles war, was von ihrer Verletzung mit der anschließenden Reha und den psychischen Problemen übrigblieb, war er mehr als zufrieden und konnte sehr gut damit leben.

Bruder Siegmund stand ganz dicht an Leos Seite, er wollte kein einziges Wort verpassen. Bruder Andreas trat aus seinem kleinen Zimmer heraus, denn durch das kleine Fenster zu sprechen war doch sehr mühsam. Die drei Männer standen nun in der Ecke beisammen und gaben ein komisches Bild ab: der kleine, dicke Bruder Siegmund mit dem runden Kopf und den wachen Augen, die hektisch hin und her wanderten. Der junge, schmächtige Bruder Andreas, der von der Körpergröße seinen Mitbruder nur unwesentlich überragte. Und dann noch der dunkel gekleidete, sehr große Leo Schwartz, dessen Totenkopf auf dem T-Shirt in dem düsteren Licht des Klostervorraumes geradezu zu leuchten schien.

„In den letzten Tagen war mehrfach eine Frau hier und hat nach Bruder Benedikt gefragt.“

„Kennst du ihren Namen? Was wollte sie von ihm?“

„Ihren Namen hat sie mir nicht genannt. Und natürlich habe ich sie nicht nach ihrem Anliegen gefragt, das geht mich doch nichts an.“

„Wie sah sie aus? Können Sie sie beschreiben?“

„Sie war vielleicht 50 Jahre alt, so groß wie ich und eine Sandlerin.“ Die letzten Worte flüsterte er verlegen.

„Eine was? Eine Sandlerin? Was soll das sein?“ Leo hatte diesen Ausdruck noch nie gehört.

„Sie sind auch nicht aus Bayern, das habe ich sofort an ihrem Dialekt gehört. Ich tippe auf den schwäbischen Raum?“ Leo nickte. „Eine Sandlerin ist in Bayern und auch in Österreich eine Obdachlose, eine Frau, die auf der Straße lebt. Entschuldigen Sie bitte, mein Mitbruder ist hier in Altötting geboren und aufgewachsen. Bitte Bruder Andreas, fahr fort, wir wollen schließlich erfahren, was es mit dieser Frau auf sich hat.“

„Die Sandlerin wollte mit Bruder Benedikt sprechen. Es war beinahe unmöglich, mit der Frau ein vernünftiges Wort zu sprechen, sie sprach sehr wirr. Ich habe sie auf unsere Beichtzeiten hingewiesen, ihr etwas zu essen gegeben und sie wieder weggeschickt. Aber sie kam wieder, insgesamt drei Mal. Natürlich habe ich Bruder Benedikt von dieser Frau erzählt, aber er kannte sie offensichtlich nicht, schließlich war er nicht von hier. Er hat mich gebeten, sie an einen Mitbruder zu verweisen, was ich auch immer getan habe. Aber sie wollte nur zu Bruder Benedikt. Wie gesagt, die Frau schien mir geistig verwirrt. Außerdem umgab sie der Geruch von Alkohol.“

„Wann war sie das letzte Mal hier?“

„Vor zwei Tagen.“

„Wenn die Frau hier wieder auftaucht, rufen Sie mich umgehend an.“ Leo gab ihm seine Karte und ging zu Viktoria, die ungeduldig auf ihn wartete. Er erzählte ihr von der Frau, die mehrfach nach dem Toten gefragt hatte.

„Dann werden wir versuchen, die Frau ausfindig zu machen.“

„Und wie willst du das anstellen?“

„Ich könnte darauf wetten, dass nicht nur der Kapellplatz, sondern auch andere Plätze in Altötting videoüberwacht sind. Die Aufzeichnungen werden wir uns besorgen und mit Hilfe des Pförtners und mit viel Glück werden wir die Frau vielleicht finden.“ Viktoria Untermaier war euphorisch, sie hatten eine Spur und sie konnte aktiv werden. Diese Befragungen und das Herumgeeier gingen ihr gehörig auf die Nerven. Sie mussten sich von dem enttäuschten Bruder Siegmund verabschieden, der sie am liebsten begleitet hätte. Und natürlich hatten sie ihm versprechen müssen, ihn auf dem Laufenden zu halten.

Im Rückspiegel sah Leo den kleinen dicken Mönch traurig hinterherwinken. Der Mann tat ihm leid. Er konnte sich vorstellen, dass es für einen neugierigen Menschen im Kloster mitunter sehr langweilig werden konnte. Trotzdem benötigten sie seine Hilfe momentan nicht, außerdem hatte er bestimmt Wichtigeres zu tun.

„Weißt du, was mir keine Ruhe lässt?“

„Nein, weiß ich nicht.“

„Dass das riesige Kloster dieses Ordens frisch renoviert vollkommen leer steht. Wieviel Menschen könnten da Unterschlupf finden? 20 oder 30? Oder mehr? Was meinst du?“

„Ich weiß es nicht und es geht mich auch nichts an. Das Kloster gehört den Kapuzinern und was die damit machen, ist deren Problem.“

„Das finde ich nicht. In den Medien wird davon berichtet, dass es für Flüchtlinge aus Krisengebieten keine Unterkünfte gibt, die Menschen sind meist sehr traumatisiert und haben Schreckliches erlebt. Stell dir doch mal vor, du kommst aus einem Kriegsgebiet und wirst nach einer dramatischen Flucht in eine völlig fremde Kultur geworfen – und dann ist kein Platz für dich und deine Familie. Das muss doch schrecklich sein, wenn man von einer Tragödie in die nächste kommt.“

„Sicher, aber eine Notunterkunft ist immer noch besser als das Leben in einem Kriegsgebiet.“

„Da gebe ich dir ja Recht. Aber gestern kam in den Nachrichten, dass Flüchtlinge aus Platzmangel sogar in Sporthallen und leerstehenden Baumärkten untergebracht werden. Und wenn ich höre, dass hier mitten in Altötting ein Kloster komplett leer steht, dann stelle ich mir natürlich schon die Frage, ob man da nicht von Seiten des Ordens reagieren sollte.“

„Natürlich hast du nicht ganz Unrecht. Und um das Ganze noch anzuheizen muss ich dir sagen, dass noch viel mehr Räumlichkeiten in Altötting leer stehen, die sehr gut für die Unterbringung von Flüchtlingen benutzt werden könnten. Aber diese Häuser sind nun mal Privatbesitz und es steht den Besitzern frei, über die Verwendung selbst zu entscheiden, ob uns das nun gefällt oder nicht. Außerdem ist das nicht nur ein Problem in Altötting, so geht es vielen Städten und Gemeinden. Wenn man wollte, könnte man die erbarmungswürdigen Flüchtlinge nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern sie auch noch anständig unterbringen. Aber wie gesagt, das müssen die Besitzer entscheiden und ist nicht unser Problem, leider.“

Leo war wütend, denn Viktoria hatte Recht. Wenn alle zusammenarbeiten würden, dann wäre die Flüchtlingsunterbringung kein Problem, sondern eine Selbstverständlichkeit. Und es würde in den Medien nicht hochgeschaukelt und thematisiert werden, wodurch Gegnern der Flüchtlingspolitik nur unnötig Argumente zugespielt würden.

Rudolf Krohmer, Chef der Mühldorfer Polizei, wartete ungeduldig im Besprechungszimmer, denn er hatte bereits erfahren, dass es in der Basilika in Altötting einen Toten gab.

„Und? Was haben wir?“

„Das Opfer ist ein Kapuzinermönch. Sein Name ist Bruder Benedikt und stammt aus dem Kloster Wiener Neustadt. Er war nur zu Besuch in Altötting. Sein weltlicher Name ist Karl-Heinz Schuster, aber um es einfacher zu halten, schlage ich vor, dass wir bei Bruder Benedikt bleiben.“ Viktoria Untermaier reichte ihm die Fotos des Tatorts weiter und er verzog das Gesicht.

„Einverstanden. Irre ich mich, oder starrt mich der Tote an? Das ist ja unheimlich!“

„Das haben wir auch so empfunden, das liegt wahrscheinlich an den stahlblauen Augen. Der Kollege Grössert hat im Leben des Opfers recherchiert. Werner, bitte.“

Der 39-jährige Werner Grössert war gebürtiger Mühldorfer und kam aus gutem Hause. Seine Eltern haben ein angesehenes Anwaltsbüro, das in ihrem letzten Fall einen satten Kratzer abbekommen hatte, aber mit Hilfe von Rudolf Krohmer konnte Schlimmeres für die Kanzlei und damit für seine Eltern verhindert werden. Werner Grössert war verheiratet und seine Frau war schwanger – niemand hatte jemals damit gerechnet, denn seine Frau, die von den Eltern erst seit kurzem einigermaßen akzeptiert und angenommen wurde, litt unter einer schlimmen Hautkrankheit, wegen der sie nicht nur arbeitsunfähig war, sondern die sie zu vielen, wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten zwang. Und plötzlich kam vor einigen Monaten die Nachricht wie aus heiterem Himmel: Seine Frau war tatsächlich schwanger! Sie hatte sofort alle Medikamente abgesetzt und hielt sich trotz der Schmerzen erstaunlich tapfer. Sie jammerte nie, schien trotz allem fröhlich und ausgelassen. Werner liebte sie auch für ihren Mut und ihre Stärke. Nur noch wenige Wochen und dann war es so weit und er sehnte den Geburtstermin herbei, denn es war höchste Zeit, dass seine Frau wieder Medikamente nehmen konnte. Ihre Haut hatte sich verschlimmert und sie quälte sich Tag und Nacht. Werner hatte ihr für die Zeit nach der Entbindung bereits einen Kuraufenthalt organisiert, den sie dann dringend brauchte. Der stets gepflegte und modisch gekleidete Werner Grössert hatte sich wegen der Schwangerschaft, aber auch wegen dem letzten Adlerholz-Fall verändert. Seine grundlegende Einstellung gegenüber seinen beinah heiligen Eltern hatte starke Risse bekommen und immer wieder widersprach er ihnen und setzte sich durch, was seine Eltern bis dato nicht von ihm kannten. Auch die Tatsache, dass er nun eine Schwester hatte, mit der er einen sehr engen Kontakt pflegte, hatte sehr viel verändert und sein Leben bereichert. Kurzum: Das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern hatte sich grundlegend gebessert, obwohl er keine Illusionen dahingehend hatte, dass irgendwann einmal ein herzliches, problemloses Verhältnis zwischen ihnen herrschen würde.

„Bruder Benedikt, wie gesagt, dessen weltlicher Name Karl-Heinz Schuster ist, gehört dem Kapuzinerkloster Wiener Neustadt seit über 30 Jahren an. Das Opfer ist 54 Jahre alt und hat noch einen leiblichen Bruder, der in Amerika lebt und dort an der Columbia-Universität unterrichtet, sein Name ist Ferdinand Schuster. Ich habe mit ihm gesprochen und er ist auf dem Weg zu uns, um die Formalitäten zu regeln. Herr Schuster hatte nur losen Kontakt zu seinem Bruder, das letzte Mal vor über 5 Jahren, als die Mutter beerdigt wurde, der Vater ist seit über zwanzig Jahren tot. Bruder Benedikt galt als hilfsbereit, zielstrebig und war bei seinen Mitbrüdern offenbar beliebt, war aber grundsätzlich verschlossen und in sich gekehrt. Die Aufgabe hier in Altötting nahm er nur sehr zögerlich an, er mochte das Reisen nicht. Ansonsten gab es keine Auffälligkeiten und auch keine engen Kontakte außerhalb des Heimatklosters.“ Werner Grössert war erstaunt darüber, was er über Bruder Benedikt herausgefunden hatte, denn wenn man über dreißig Jahre in einem Kloster mit nur wenigen Brüdern lebt, muss man doch zumindest mit denen im engeren Kontakt stehen. Aber vielleicht erfuhren sie Näheres vom Bruder, der heute Abend in München landen und morgen früh hier im Büro sein würde.

„Mit den Klosterbrüdern in Altötting hatte er nur sehr oberflächlichen Kontakt, von Kontakten außerhalb des Klosters ist nichts bekannt,“ fügte Hans Hiebler an. Der 53-jährige, gutaussehende, 1,80 m große und sportliche Mann war aufgrund seines letzten Aufenthalts während des letzten Wochenendes in der Toskana immer noch braun gebrannt und wirkte sehr erholt. Bei ihrem letzten Fall hatte er in Florenz bei einer dortigen Polizeibehörde eine Frau kennengelernt, Lucrezia Mandola, und mit ihr verbrachte er seine Freizeit. Die Distanz zwischen ihm und seiner Freundin war für Hans kein Problem, schließlich war es mit dem Flugzeug von München nach Florenz nur ein Katzensprung. Entgegen seiner sonstigen Angewohnheit hielt er diese Information seinen Kollegen gegenüber geheim, die sich ja doch nur darüber lustig machen würden. Hans Hiebler war bekannt dafür, dass er alle Frauen liebte und immer und überall mit ihnen flirtete und versuchte, sich mit ihnen zu verabreden. Aber seit er Lucrezia kannte, war das anders, mit ihr war jeder Tag etwas ganz Besonderes. Das mit dieser vorlauten, frechen, selbstbewussten und sehr empfindsamen Lucrezia war noch ganz frisch und er wollte nichts kaputtmachen. Vor beinahe einem Jahr war seine damalige große Liebe Doris getötet worden und er vermisste sie selbstverständlich auch heute noch, aber der Schmerz wurde leichter und er war nun vielleicht für eine neue, tiefere Beziehung wieder offen.

„Ich möchte noch anfügen, dass der Tote in der rechten Hand eine schlichte, kleine Holzperle hielt, sie ist in der KTU. Nach unseren Informationen handelt es sich um die Perle eines Rosenkranzes, den man überall kaufen kann.“

„Das ist allerdings seltsam,“ murmelte Krohmer. „diese Holzperle deutet auf einen katholischen oder zumindest einen christlichen Hintergrund. Vielleicht sein eigener Rosenkranz, der irgendwie zerriss?“

„Nein Chef, es wurden keine weiteren Holzperlen gefunden. Außerdem konnten wir den persönlichen Rosenkranz von Bruder Benedikt sicherstellen, bei dem keine Holzperle fehlt. Wie viele Holzperlen hat nochmal ein Rosenkranz?“

„59“ kam es einstimmig im Chor – alle wussten das, nur Leo nicht.

„Wie dem auch sei,“ sagte Krohmer, „es handelt sich auch aufgrund der Holzperle um einen christlichen Hintergrund.“

„Oder wir sollen genau das glauben,“ sagte Leo, der gegenüber solchen Spuren immer skeptisch war, denn das war zu offensichtlich.

„Wie auch immer. Warten wir ab, was die Spezialisten dazu sagen. Wann bekommen wir den Bericht der Gerichtsmedizin und der KTU?“

„Beide dürften heute Abend, spätestens morgen früh hier sein.“

„Sehr gut, hoffentlich sehen wir dann klarer.“

„Eine weitere kleine Spur haben wir allerdings noch. Eine Frau hat in letzter Zeit offenbar des Öfteren nach Bruder Benedikt verlangt. Die Überwachungsbilder aus der Klosterumgebung dürften schon hier sein, vielleicht haben wir Glück und wir finden diese Frau.“

„Das hört sich doch gar nicht so schlecht an, wie ich ursprünglich angenommen hatte. Machen Sie sich an die Arbeit! Ich möchte Sie bitten, in dem Fall behutsam vorzugehen. Der Guardian Bruder Paul ist ein alter Schulfreund und ich habe ihm versprochen, dass wir diskret vorgehen. Das Ansehen eines Klosters ist in der heutigen Zeit nicht besonders hoch und die Klöster haben Nachwuchsprobleme. Wenn ein Kloster mit einem Mord in Verbindung gebracht wird, sind die Folgen jetzt überhaupt noch nicht abzusehen.“

„Die sind doch selbst schuld mit ihren verstaubten Ansichten,“ rief Leo, der zwar von der Hingabe und der Arbeit der Klosterbrüder durchaus beeindruckt war, die Grundfeste der Klöster aber nicht verstand. „Damit meine ich nicht nur das Zölibat an sich, das meiner Meinung nach total veraltet ist und längst abgeschafft gehört. Für mich macht das ganze Klosterleben an sich keinen Sinn. Denn warum soll man sich diesen Regeln beugen und sich an einem veralteten Tagesablauf orientieren? Man kann doch auch ohne ein Kloster zusammenfinden, die Bibel lesen, beten und Gutes tun. Was mir auch stinkt ist vor allem die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche, die meiner Meinung nach immer noch vollkommen am Rande mitlaufen und untergebuttert werden – das ist nicht richtig und absolut nicht zeitgemäß. Auch bei den Katholiken dürfte zwischenzeitlich angekommen sein, dass Männer und Frauen gleichbehandelt werden müssen. Aber was rege ich mich auf, das funktioniert doch nicht mal im normalen Leben. Immer noch werden Frauen ungleich behandelt und es ist immer noch die Rolle der Frau, zuhause das Haus zu hüten und sich um die Kinder zu kümmern, während der Mann Karriere macht, finanziell abgesichert ist und beides hat: Karriere und Familie. Und wenn der Mann dann Karriere gemacht hat, die Frau frustriert ist, wird sie einfach durch ein jüngeres Modell ausgetauscht, mit der der Mann dann angeben kann. Jetzt schaut mich nicht so an! Wie oft haben wir das Muster schon miterlebt?“ Leo hatte sich völlig in Rage geredet, denn diese Ungleichbehandlung begegnete ihm immer wieder und regte ihn maßlos auf.

„Da bin ich ganz bei dir Leo. Und man sollte nicht vergessen, dass in den meisten Berufen Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, obwohl sie die gleiche Arbeit machen oder sogar noch besser, qualifizierter sind.“ Auch Werner Grössert ärgerte sich über diese Tatsache und dachte eigentlich, dass die Menschen in der heutigen Zeit aufgeklärt und modern wären – ein Trugschluss, wenn es um solche grundsätzlichen Dinge ging.

„Aber wir sind doch jetzt nicht hier, um über Politik und Gesellschaftsprobleme zu sprechen,“ beschwichtigte Krohmer, der absolut der gleichen Meinung war. Er selbst würde eine Ungleichbehandlung auf seinem Polizeirevier niemals dulden und wurde seinen Vorgesetzten gegenüber immer ungemütlich, wenn so ein Fall in seiner Behörde vorkam – und er schaffte sie ab oder umging sie elegant.

Viktoria Untermaier hätte ihren Lebensgefährten Leo am liebsten umarmt, denn er sprach ihr aus der Seele. Trotzdem war hier nicht der richtige Ort für solch eine Diskussion, Krohmer hatte wie immer Recht.

„Machen wir uns an die Arbeit. Bruder Andreas kommt in zwei Stunden, bis dahin sollten wir die Überwachungsbilder gesichtet und sortiert haben.“

Rudolf Krohmer ging wieder in sein Büro und dachte über das Gespräch mit Bruder Paul nach, den er aus der Schule kannte. Natürlich war Bruder Paul bemüht, Schaden von seinem Kloster abzuwenden und Krohmer musste ihn mit Engelszungen davon überzeugen, dass seine Beamten einen Mord aufzuklären hatten und ihre Arbeit machen mussten. Bruder Paul schien keineswegs beschwichtigt und Krohmer kannte ihn: Er würde seine Kontakte spielen lassen und alle Hebel in Bewegung setzten, das gab ganz bestimmt noch Ärger. Krohmer stöhnte laut auf, dieser Fall gefiel ihm überhaupt nicht. Trotzdem vertraute er seinen Leuten, sie würden schon wissen, wie sie vorzugehen haben.

Es folgte eine für alle Beamten langweilige Aufgabe, denn es galt, alle Bilder von verschiedenen Überwachungskameras durchzusehen und zu ordnen, was sich nicht nur als langweilig, sondern als sehr anstrengend herausstellte. Bis Bruder Andreas eintraf, waren sie zum Glück fertig. Zu ihrem Erstaunen hatte Bruder Siegmund seinen Glaubensbruder begleitet. Es war schon ein ungewöhnliches Bild, wie die beiden Brüder in ihren Habits vor dem Bildschirm saßen und gebannt darauf starrten. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Bruder Andreas schließlich die Frau erkannte – die Beamten hatten bereits die Hoffnung aufgegeben.

„Das ist die Frau,“ rief er aufgeregt. „Ganz bestimmt, das ist die Frau.“

Alle warfen einen Blick auf die betreffende Person und Werner Grössert ging sofort an seinen Computer. Er rief die Bilder der Frau auf, gab einige Informationen ein, markierte das Gesicht an einigen Punkten - und ließ sie über ein Gesichtserkennungsprogramm laufen. Werner hatte hart um dieses Programm gekämpft und vor einem Monat hatte sich Krohmer endlich dazu überreden lassen, dieses anzuschaffen. Werner hielt große Stücke darauf, ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen, die sich nur lustig darüber machten. Jetzt hatte er die Möglichkeit zu beweisen, dass dieses Programm nicht nur hilfreich, sondern in Zukunft unverzichtbar sein würde.

„Jetzt brauchen wir nur noch warten, bis das Programm die Person gefunden und identifiziert hat,“ sagte er stolz.

„Aber auch nur, wenn die Frau bisher irgendwie polizeilich in Erscheinung getreten ist,“ sagte Hans Hiebler, der keinen engeren Bezug zu Computern hatte und froh war, wenn er die gängigsten Programme bedienen konnte.

Bruder Andreas wäre am liebsten wieder sofort gegangen, er fühlte sich hier sehr unwohl, aber Bruder Siegmund sah sich neugierig um und reagierte nicht auf dessen Drängen. Für ihn als Krimifreund und äußerst neugierigen Menschen war das eine einmalige Chance, hinter die Kulissen der Polizei zu blicken. Wann bekam man denn schon diese Möglichkeit? Außerdem war das hier eine willkommene Abwechslung zu seiner sonstigen Arbeit im Klostergarten und in der Klosterküche, die er zwar sehr gerne und mit Eifer ausführte, aber das hier war doch viel interessanter. Seine Bäckchen glühten geradezu und seine strahlenden Augen wanderten aufmerksam hin und her.

„Eigentlich sind wir fertig mit Ihnen. Ich möchte mich ganz herzlich für Ihre Mühe bedanken,“ sagte Viktoria. Leo konnte das Zögern von Bruder Siegmund förmlich spüren, der alles um sich herum geradezu aufzusaugen schien.

„Wie sind Sie beide eigentlich hergekommen? Hat Ihr Kloster ein Auto?“ Leo hatte keine Ahnung vom Klosterleben und fragte daher einfach darauf los.

„Wir haben ein Auto, aber wir beide haben keinen Führerschein. Wir sind mit dem Zug gekommen, auf kurzen Strecken kostet uns das nichts, ein Entgegenkommen der Bahn.“

„Ach was,“ bemerkte Leo erstaunt, der noch nie davon gehört hatte, dass Klosterbrüder umsonst im Zug mitfahren durften. Es war ihm auch neu, dass die Bahn so kulant war. „Dann warten Sie hier, ich organisiere, dass Sie zurückgefahren werden. Natürlich nur, wenn Sie damit einverstanden sind.“

„Und ob wir damit einverstanden sind. Das ist sehr freundlich und aufmerksam von Ihnen, vielen Dank. Denken Sie, dass es eventuell möglich ist, mit einem richtigen Streifenwagen mitzufahren? Aber nur, wenn es keine Mühe macht.“ Bruder Siegmunds Gesicht strahlte, er sah aus wie ein kleiner Junge zu Weihnachten. Bruder Andreas hingegen starrte seinen Mitbruder erschrocken an – sie sollten mit einem Streifenwagen mitfahren? Was würden die anderen denken?

Leo sah das erschrockene Gesicht des Bruders Andreas, aber er wollte diesem fröhlichen Bruder Siegmund eine Freude machen. Ihm gefiel dieser Mann und er mochte ihn sehr, obwohl er sicher war, dass er einem auch auf die Nerven gehen konnte. Aber egal, sie hatten beide der Polizei sehr geholfen und das mit dem Streifenwagen war nun wirklich kein Problem. Er nahm den Telefonhörer und wählte.

„Frau Gutbrod? Würden Sie bitte eine Fahrt mit einem Streifenwagen nach Altötting organisieren? Ich habe hier zwei Herren, die eine Mitfahrgelegenheit suchen. Beide Herren sind übrigens unverheiratet.“ Leo konnte sich diese Zusatzbemerkung nicht verkneifen. Frau Gutbrod war die Sekretärin von Rudolf Krohmer und nicht nur neugierig, sondern sie nervte mit ihrer unverheirateten Nichte Karin, die sie unbedingt an den Mann bringen wollte. Frau Gutbrod war schon seit vielen Jahren hier bei der Polizei Mühldorf und mit ihren 62 Jahren stand sie kurz vor der Rente – was sie aber nicht wahrhaben wollte. Sie kleidete sich nicht nur viel zu jugendlich und aufreizend, sondern ließ sich regelmäßig die Falten auf- und unterspritzen, um einige Jahre jünger auszusehen. Aufgrund der letzten Bemerkung bezüglich zweier unverheirateter Männer reagierte sie hocherfreut.

„Das ist doch kein Problem Herr Schwartz, ich werde mich sofort darum kümmern.“

Sie hatte aufgelegt und Leo sowie die anderen Kollegen, die sich ein schallendes Lachen nicht verkneifen konnten, warteten jeden Moment darauf, dass Frau Gutbrod in ihr Büro kommen würde, um die beiden unverheirateten Männer persönlich in Augenschein zu nehmen. Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bis es klopfte und Frau Gutbrod freudestrahlend im Büro stand. Beim Anblick der beiden Kapuzinerbrüder verzog sie das Gesicht.

„Das sind die beiden?“, rief sie enttäuscht und drohte Leo mit dem Finger. „Da haben Sie mich aber ganz schön auf die Schippe genommen, das war nicht nett von Ihnen.“ Die Klosterbrüder waren aufgestanden und musterten Frau Gutbrod neugierig. Bislang hatten sie so eine bunte Frau noch niemals leibhaftig vor sich gesehen. Bei den wenigen Frauen, mit denen sie es zu tun hatten, handelte es sich um normale Frauen – diese hier war außergewöhnlich: bunt, schrill und sie funkelte und glitzerte überall. Die Frau war stark geschminkt, beinahe zugekleistert. Sie hatte hochtoupierte, blonde Haare, die mit lilafarbenen Strähnen durchzogen waren. Dazu trug sie ein sehr kurzes Minikleid aus lila Spitze, unter dem ihre Unterwäsche zu sehen war. Mit ihren sehr hohen Stöckelschuhen war sie fast einen halben Meter größer als die beiden Mönche – sie waren beinahe eingeschüchtert und wussten nicht, wo sie hinsehen sollten.

„Na dann kommen Sie mal mit. Los, nicht so schüchtern, ich beiße nicht,“ sagte sie lachend und zog die beiden einfach mit sich.

„Was sagt dein Programm? Ist es schon fündig geworden?“

„Nur Geduld.“ Werner hatte die wenigste Geduld von allen, denn am liebsten hätte er sofort das passende Ergebnis präsentiert, nur so konnte er die hämischen Bemerkungen verstummen lassen.

Sie tranken Kaffee und machten sich dann wieder an die Arbeit. Außer Werner glaubte niemand daran, dass dieses Computerprogramm die Identität der Frau ausspucken würde, und deshalb gaben sie das Foto der Unbekannten an die Presse weiter, vielleicht erkannte sie jemand.

Plötzlich stürmte Frau Gutbrod ohne zu klopfen ins Büro, die beiden Klosterbrüder hatte sie im Schlepptau.

„Wissen Sie, was ich eben erfahren habe? Es gibt noch einen Bruder Benedikt bei den Kapuzinern in Altötting.“ Sie war völlig außer Atem, strahlte aber übers ganze Gesicht, als sie die Reaktionen der Kollegen bemerkte – sie wussten es tatsächlich nicht!

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