Kitabı oku: «Häusliche Liebe», sayfa 2

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Rein die Gestik war für sie ein Brüller, sie hatte diese Technik neulich bei einem der echten Profis beobachtet und nichts war einfacher, als sie, quasi „learning by doing“, an passender Stelle ebenso anzuwenden.

Auf dem Zimmer war ihr erster Weg zur Hi-Fi-Anlage.

Es gab in jedem Raum eine. Musik sollte sich allerdings jeder selbst mitbringen.

Das fand Isabelle auch wiederum in Ordnung. Denn wenn sie sich dabei auch noch Britney Spears reinziehen müsste…Nein, sie war froh über die bestehende Regelung.

Isabelle hatte eine Grönemeyer-CD dabei, wohlwissendwohl wissend, dass er nicht jedermanns Sache ist.

Das ist ein gewisser Vorteil, somit könnte sie immerhin sicher ganze zehn Minuten über gute und schlechte Musik philosophieren, gratulierte sie sich zu dieser Idee.

Thomas zog sich aus, während er den Wasserhahn der Wanne aufdrehte.

Herbert dröhnte aus den Lautsprechern.

„Flugzeuge in meinem Bauuuuch“, sang er.

„Der hat es gut“, kam es fast sarkastisch in Isabelle hoch.

Denn in ihrem Magen war gähnende Leere.

Sie begann ebenso, sich auszuziehen, weil sie sich duschen wollte.

Thomas redete die ganze Zeit. Er war unsicher, das war ihr klar.

Wer so viel quatscht und so viel undurchsichtiges Zeug plappert, der hat sich nicht unter Kontrolle.

Isabelle versuchte ihm zu helfen, denn sie wusste eines ganz sicher: SIE hatte die „heimliche Macht“ hier. So bat sie ihn verführerisch, ihren Büstenhalter zu öffnen.

Dies stellte sich als glänzende Idee heraus, denn ohne zu murren, war er bei der Sache.

Thomas löste die Ösen mit größter Vorsicht.

Isabelle spürte sein Zittern und drehte ihm ihr hübsches Gesicht zu. Welche Gänsehaut er hatte, einfach süß, studierte sie die Lage.

„Entspanne dich, es tut dir gut“, redete sie mit ihrer tiefen Stimme auf ihn ein und versenkte sich in ihre erotische Rolle der Angie.

„Du hast leicht reden“, polterte er zittrig zurück. „Ihr könnt besser damit umgehen.“

„Wer ist ihr“, tönte Isabelle darauf kritisch in den wollüstigen Raum.

„Na ihr hier, ist ja Alltag für euch“, erklärte er sich weiter.

„Ach ja, klar, wir haben es täglich“, wiederholte Isabelle mit leicht motzigem Anflug, der wunderbaren Technik des aktiven Zuhörens mächtig, seine unbewusste Stichelei.

Isabelle war klar, dass er mit „ihr“, uns alle Nutten meinte.

„Na warte“, dachte sie darauf, parteiergreifend für scheinbar Notweniges in dieser Welt.

„Ich beneide euch“, sagte er allerdings plötzlich. Welche Wende dieses Spiels!

„Ja, du hast recht, jeden Tag guten Sex, das hat schon was!“, ließ Isabelle ihn darauf eifern.

„Komm her, du Biest.“

„Pass bitte auf“, drängte Isabelle dann, sie wollte nicht, dass ihre Haare nass werden.

„Warte“, sagte sie und holte rasch eine Spange.

Daraufhin lief sie zwar nackig, aber nicht barfuß, zu ihrer Tasche.

So viel Zeit musste sein, es sieht einfach besser aus.

Haare oben und alles im Griff, war sie in zwanzig Sekunden später wieder zurück, die sündhaft teuren Schuhe flogen vorher gekonnt auf das wartende Liebeslager.

Thomas grabbelt an ihr rum, küsste sie, wie ein frisch entlassener Häftling aus der Strafanstalt es täte, nach langer, langer Enthaltsamkeit.

„Nicht so wild“, bremste Isabelle ihn.

Das Wasser prasselte nun doch über ihre Kopfhaut, sie spürte es, er fummelte und sie ließ es einfach zu, wie in einem Rausch, und lauschte dem Wasser.

Isabelles Brüder hatten sie an den Kanal zum Angeln mitgenommen. Isabelle hatte ihre erste Plötze gefangen, nach drei Stunden dasitzen. Obwohl es ihr echt schwerfiel, sie tat es so gut, wie sie konnte: dasitzen und schweigen.

Ich kann auch angeln!“, schwor sie sich an jenem Tag, sie wollte ja sowieso lieber ein Junge sein.

Plötzlich fing es an zu nieseln und obwohl Isabelle unruhig wurde, saßen ihre Brüder immer noch da.

Dann blitzte und schüttete es plötzlich und die Kinder am Wasser und auch Isabelle überkam große Angst.

Gewitter und Wasser ist nicht gut“, dachte sie.

Ihre Urgroßmutti hatte ihr einmal erzählt, dass ein Kugelblitz übers Wasser gerollt war, als sie als Kind baden war.

Sogar durch den Ofen wäre mal einer ins Haus geschossen und durchs Schlüsselloch wieder raus. Ob das wirklich gestimmt hat, na ja, Isabelle wusste es nicht, aber sicher ist einfach sicher.

Eines war klar: Isabelle hatte echt Schiss vor Gewittern.

Dann sah sie sich um – es war keiner mehr da? Nur der Fisch, die Angel und sie.

Wo sind die hin, haben die mich einfach sitzen lassen?“, spekulierte sie weiter.

So schnappte sich Isabelle ihren Fisch und die Angel, setzte sich aufs Fahrrad und fuhr los.

Dann konnte sie ihre Brüder gerade noch sehen, wie sie davon radelten. „Die haben mich vergessen“, weinte sie auf dem klapprigen Rad.

Sie dachte, Jungs hätten keine Angst vor Gewittern?

Völlig irre vor Angst fuhr sie ihnen hinterher.

Mit Heidenrespekt vor Blitz und Donner, die sich keine Sekunde mehr gaben.

Isabelle holte ihre Brüder irgendwie ein, durchnässt wie ein Waschlappen, wütend,

grübelnd, nein, voller Hass.

Ihre neue Angel hatte sie verloren, aber sie konnte unmöglich anhalten und umdrehen.

Sie wusste nicht, ob sie die fünf Kilometer auf ihrem alten Drahtesel in zehn oder sechzig Minuten gefahren war. Sie war nur froh, dass sie noch lebte.

„Autsch, eh du Ferkel, nimm den Finger aus mir.“

„Was hast du denn?“, sagte er.

„Ja, nicht so doll! Raus hier, los!“ prustete Isabelle völlig in ihren Gedanken gestört und schubste ihn, sich wieder über ihr Dasein im Klaren, doch übermütig lachend aus der Dusche, ja drängte ihn in die fast überlaufende Wanne.

Ein bisschen naiv ist er ja, doch ich wohl auch“, sinnt sie über diese absurde Situation.

„Aber vielleicht wird noch mal was draus“, hoffte sie für diese Welt und drückte auf den Knopf, der in Form von Luftbläschen Musik in der Wanne machte.

Und dann übernahm sie das königliche Zepter und sein Ding die Hand.

Dieses hatte sich inzwischen zu einem stattlichen Säbel gemausert, um die leichte Linksdrehung zu erklären.

Grönemeyer war bei den Männern angelangt. “Männer....“

„Ups“, gluckste Isabelle“, ich geh schnell noch was zu trinken holen.“

„.......sind so verletzlich“, glaubt der.

„Ja, ja ihr armen Würstchen“, lachte Isabelle in sich, „wir Frauen sollten wohl immer fein rücksichtsvoll sein, was?“

Und er, dieser fremde Thomas, lag stolz in dem geometrischen Wunderwerk und es sprudelte dicke, weiße Blasen.

„Ein Hoch auf den Erfinder des Whirlpools“, prostete Isabelle ihm zu.

„Verursacher dieses Hochgefühls war eindeutig Herbert“, dachte Isabelle. Wie kann Musik eine Sache nur so leicht machen?

„Musik nur, wenn sie laut ist“, kam es in sie und Isabelle sprang, wie von der Tarantel gestochen, wieder aus dem Schaum, um aufzudrehen.

Einige Gläser Alkohol hatten sich wohl bereits mit ihrem Blut verbunden, nahm sie leicht schwankend wahr.

„Ich mag Musik nur, wenn sie laut ist“, sang sie dennoch lauthals mit.

Einfach rumflachsen und blöd sein, wie fein und kann nicht schaden, davon war Isabelle in diesem Augenblick überzeugt.

„Mausi, du bist hübsch“, sagte er. Und mit dieser Tour versuchte er dann Isabelle kopfüber in das feuchte Dreieck zu ziehen.

„Was, ich, mit Körbchengröße A?“, gluckste sie zurück.

Gleichzeitig suchte sie nach Bestätigung für den von ihr bisher nicht vermissten Silikoneinsatz.

Im Pool überließ sie dann dem Phänomen Wasser seinen Part.

Der Whirlpool war bei den anderen Frauen wegen Bakterien verpönt, aber er hatte für Isabelle eindeutig was für sich: Man roch nichts Unangenehmes, wenn man recht viel von dem im Überfluss vorhandenen Badezusatz benutzte.

Badeschaum Deluxe in allen erdenklichen Duftnoten. „Ach egal“, dachte Isabelle.

Ihre Haare waren damit endgültig im Eimer, also tauchte sie völlig unter, um sich ordentlich ihrer Aufgabe zu widmen.

Ihre Mühe wurde schnell belohnt.

Wunderbar! Isabelle war entzückt. Einmal war sozusagen Muss, mehr nur auf ausdrücklichen Wunsch und sie klopfte sich innerlich auf die Schulter.

Sie wälzte sich im Wasser und Thomas grinste wie ein Honigkuchenpferd unter dem Weihnachtsbaum.

Dann redeten die beiden über Sex, Liebe, Lust, ja sogar über Beziehungen und deren Chancen.

Er erzählte Isabelle, dass seine Frau nie Lust hätte, dass sie immer eine Ausrede dafür hätte und dass sie ihn bestimmt nicht wirklich lieben würde.

Isabelle versuchte ihm klarzumachen, dass sie dies nicht glauben könnte, dass Frauen einfach anders denken, dass sie Gefühl bräuchten und manchmal eben einfach eine klare Ansage. Eine Frau will gewissermaßen gefordert sein, sie will spüren, dass sie begehrt wird und nicht nur ein Objekt der Befriedigung ist.

„Meinst du?“, sagte Thomas darauf, “aber mir kommt vor, sie versteht mich nicht, entweder sie liest im Bett, ist irgendwie beschäftigt oder sie schiebt unsere Tochter vor. Aber die Kleine ist schon elf.“

„Wie redet ihr darüber, und wann?“, versuchte Isabelle zu analysieren. Jetzt drang die Psychologin in Isabelle durch.

„Reden“, sagte er, „eigentlich gar nicht, es ist einfach so.“

„Warum redet ihr nicht offen miteinander? Warum sprichst du nicht an, was du magst, worum es geht?“, schimpfte Isabelle. Warum kommst du bei deiner Frau nicht ebenso auf den Punkt wie hier, wunderte sie sich wieder über die Blödheit der Männer.

„Wie meinst du das genau?“, hinterfragte Thomas neugierig.

„Also mein Lieber, sagst du direkt, was du erwartest, sexuell? Sprichst du deine Wünsche und Phantasien an, wie hier eben?“

„Mhh“, überlegte er angestrengt, “ich weiß nicht, ich denke das müsste sie doch merken, was ich will?“

„Was heißt, du weißt es nicht, was heißt, sie müsste?“, hakte Isabelle nach.

„Weißt du Thomas“, versuchte Isabelle ihm dann zu erklären „Frauen sind viel, viel klüger und cleverer als Männer es ahnen. Sie wissen und fühlen haargenau, wenn der von Hause aus geschätzte Lümmel in der Hose Alarm schlägt und befreit werden will. Pass mal auf, meine Brüder waren beide begeisterte Fußballer. Immer wenn sie vom Spielfeld kamen, hatten sie mir erzählt, was ihre berufene Rolle in diesem Spiel wäre. Lukas fühlte sich berufen als Tormann und Reinhard als Stürmer.

Ab und zu bin ich selbst gerne mitspielen gegangen, doch witzigerweise konnte ich mich nie entscheiden, wo ich spielen wollte. Ich wollte manchmal gleichzeitig im Tor und an der Front sein. Auch die Verteidigung sprach mich an, immer dann, wenn ich mich nicht so fit fühlte und müde war. Sogar als Schiedsrichter hatte ich einen Riesenspaß.

Und manchmal wäre ich sogar lieber in der gegnerischen Mannschaft dabei gewesen. Ich wollte nur eines nicht: Von irgendeinem Möchtegern-Trainer gesagt kriegen, wo ich heute spielen sollte. Was will ich dir damit sagen?

Keine Frau will in eine Schublade gesteckt werden. Vielleicht evolutionär bedingt, also unbewusst, möchte sie undurchschaubar bleiben, geheimnisvoll.

Sie will weder ständig Schiedsrichter sein und immer nur den Anpfiff blasen, aber sie will genauso wenig täglich das Tor hüten und keinen reinlassen.

Eine Frau schlüpft in viele Rollen, manchmal ist sie eben auch auf Verteidigung unterwegs. Das ist wohl die Stimmung, in der du deine Frau beschreibst.

Sie lenkt sich mit anderen Dingen ab, sie liest oder will nur reden, und wenn beides nicht geht, weil der Trainerlümmel nervt, schiebt man halt die gemeinsame Brut vor. Damit erhofft Frau sich Verständnis für die gemeinsame Elternrolle.

Ich denke aber in so einer Phase hat auch Sie oft nur die Motivation eines Stürmers, der die Verteidigung ja auch nicht vor jedem Schuss unsicher fragt, ob diese genau jetzt bereit ist anzunehmen. Er tut es einfach, ganz im Vertrauen darauf, dass der Mitspieler besonders in dieser Position in seiner derzeit besten ist, die zur Verfügung steht. Für das Vorgehen im Ehebett gilt also, ähnlich wie beim Fußball und wie in jedem anderen Spiel auch, eine ganz einfache Spielregel.

Sie lautet: ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt zu entwickeln.“

Thomas lachte schallend und glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. „Angie“, feixte er in den rot beleuchteten Raum, „du bist mir eine! Die Ehe ist ein Fußballspiel und mein Lustmacher ein Trainer mit ungültigen Regeln!“

Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Angie, hallo?“

Es war Jeanette.

Thomas fragte Isabelle, wer was will.

„Keine Ahnung“, sagte sie, „es ist eine Hausdame.“

In zwei flinken Sätzen sprang Isabelle mit einem Handtuch vor die Tür.

„Wir haben die Zeit überzogen“, kam sie zu Thomas zurück, und entschuldigte sich damit, dass sie es nicht bemerkt habe.

Jeanette wollte von ihr wissen, wie lange sie noch planen würde auf dem Zimmer zu bleiben. Das Haus wäre voll und es ständen Gäste auf der Warteliste.

„Wir kommen“, sagte er glücklich. Klar, weil er gekommen ist.

Es war eine halbe Stunde länger als geplant. „Selber schuld, guter Mann“, freute sich Isabelle.

„Wer zu spät kommt, den bestraft hier die Finanz“, kam ihr unverdrossen und mit einem leichten Schmunzeln über ihre stummen Lippen.

Isabelle marschierte zur Dusche und ließ nebenbei ein paar nebensächliche Floskeln fallen, während auch Thomas sich bereits anzog.

Sie plauderte davon, wie schön es mit ihm war, was für ein toller Hecht er wäre und so weiter, denn sie wusste schließlich nicht, ob er morgen, nächste Woche, oder nun ja, erst in Dreien wiederkommt. Eins war ihr klar: Er würde wiederkommen.

Natürlich hatte sie die Lobeshymnen alle frei erfunden. Ein Egoist war er, ein Macho, wie er im Buche steht. Sie verstand auch seine Frau.

Und zack-zack, wie in einem Blätterkino à la Post-it, stand Isabelle in voller Montur wieder vor dem goldenen Spiegel, in dem erotisch verzauberten Badezimmer, das nur 15 der sechzig Quadratmeter im Tempel der Lust ausmachte.

„Du siehst aus wie ein frisch geficktes Eichhörnchen, Angie“, hörte Isabelle sich selbst reden. Also blieb Isabelle nichts weiter übrig, als alles auf Angie zu schieben, dem Teil in ihr, der sämtliche Abwehrmechanismen der Psychologie beherrschte und damit fähig war, dieser Sache kreativen Ausdruck zu verleihen.

„Doch was war schlecht daran?“, fragte sich Isabelle, die ihre innere Angie inzwischen mochte.

Isabelle empfand es als genialen Schachzug der Natur, dass sie das, was in letzter Zeit mit ihr passierte, irgendwie unschuldig auf Angie abwälzen konnte.

Obwohl, war denn Isabelle diesem Beischlaf wirklich entkommen?

Mit kritischem Blick auf ihr zerzaustes Haar fiel Isabelle an dieser Stelle ihre Tante Gisela ein.

Gisela ist die Schwester von Isabelles Vater und eine echt blonde Friseuse.

Sie wohnte im selben Dorf, in dem Isabelle aufwuchs. Wegen ihr hatte Isabelle als junges Mädchen wohl nie lange Haare, denn sie fühlte sich haarmäßig immer als Versuchskaninchen missbraucht.

Gisela hatte Isabelle vor dreißig Jahren ihre erste Dauerwelle à la Jimi Hendrix verpasst.

Und ja, Isabelle stellte sich vor, wie sie mit dieser Frisur heute aussehen würde.

Elaine hätte dich nie genommen“, grinste sie in sich hinein, und es überfiel sie ein Fünkchen von Bedauern, dass sie glattes Haar hat.

Thomas rief Isabelle beim Rausgehen zu, dass er unten auf sie warten würde und sie solle sich beeilen, weil er nicht mehr viel Zeit hätte.

Der hat gut reden – Männer, in zehn Sekunden angezogen, über die Halbglatze gefahren und fertig. So gehe ich jedenfalls nicht in die Höhle der Löwen.“

Auf der Suche nach etwas Bürstenähnlichen, kramte Isabelle in ihrer Handtasche herum.

Dessen fündig, fuhr sie sich geistig zerstreut durch das nasse Haar und klatschte sich eine gute Hand voll Glanzwachs mit dazu, was samt ihrer Schminke verschmierten Augen selbst in diesem Märchenspiegel, den Anblick einer Domina nicht ausschließen ließ.

„OK, schnell die Schminke runter und doch in die Umkleide, die Haare brauchen Chemie! Was soll's, das gehört eben dazu“, dachte Isabelle.

Also einfach knallroten Lippenstift rauf und wie der Blitz durchs Restaurant flitzen, lautete ihr Plan, rasch winke-winke machen und fertig und aus. Er sagte ja, er kommt wieder, also wäre das, zumindest der Situation angepasst, zukunftsorientiertes Denken.

Isabelle tapste die Treppe runter. Thomas stand schon an der Rezeption, um die geschäftliche Pflicht zu erfüllen.

Beim Vorbeigehen schaute er Isabelle mit wehmütig gerunzelter Stirn, doch gleichzeitig über beide Ohren strahlend, an. Irgendwie süß.

„Brav, ein sehr gut, Angie, er ist zufrieden“, schnaufte Isabelle in sich und übersah auch die funkelnden Augen von Alexa nicht, womit sie ihr ihre zufriedene Anerkennung für die geleisteten Dienste ausdrückte, im Sinne des Hauses natürlich.

Isabelle konnte nicht leugnen, dass sie jetzt ein Anflug von Stolz überkam.

Dann ging Isabelle ins Restaurant und Angelo, der Koch des Hauses, guckte sie schelmisch an.

„Bäh“, schnitt Isabelle ihm eine extra schreckliche Grimasse. Sie wusste, weshalb, und schenkte sich provokant noch ein Glas Roten vom Hillinger nach.

Als Thomas dann nochmals zu Isabelle kam, um sich zu verabschieden meinte er, er müsse noch auf seinen Freund warten und dass er nun leicht im Stress sei, weil seine Frau bereits zu Hause warten würde.

Sie wäre mit Ihrer Freundin im Kino gewesen, meinte er.

„Na und“, dachte sie, „und ich muss mich renovieren.“

„Also dann, Ade Amor bis zum nächsten Mal“, flüsterte Isabelle ihm ins Ohr.

Sie gab ihm flink einen flüchtigen Kuss auf seine Wange und ließ ihn im Glanz seines Angesichts im Raume stehen.

Unten waren inzwischen die Grandes Dames eingetroffen, Tessa hieß eine.

Sie sah aus, als ob sie früher ein Mann gewesen war, der sich durch OPs und Hormoneinnahmen zu einem mannequingleichen Wesen verpuppt hatte.

Ein knabenhafter Körper mit Barbiemaßen, auf nach Isabelles Vorstellung idealen einhundertsiebzig Zentimetern verteilt.

Irgendwie transsexuell wirkte sie, doch trotz der optischen Verwirrung schien sie ein netter Typ zu sein.

Gleich am ersten Tag hatte sie Isabelle wertvolle „Überlebenstipps“ für diesen Job eingetrichtert, wobei eine Flasche Champagner gefallen war, die Tessa geschickt einem Gast entlockte.

Während des Haare waschens lauschte Isabelle den Gesprächen im Raum, die sich um Schuhe, Unterwäsche, Brüste, deren Designer, sowie Haare, Frisuren und Schmuck drehten.

„Angie, wir müssen jetzt aufpassen“, klang es in Isabelle helle „ich spür' den Vino langsam.“ Somit war die Tat, ihr Köpfchen nochmals unter den Wasserhahn zu halten und die leicht geblockten Zellen einem Energieschub zu unterziehen, gerade recht, beendete sie ihr Zwiegespräch.

Unter ihrer Frischerneuerung erklang die Stimme von Pia:

„Hey Angie, ich hatte dich schon gesucht, wie lange warst du jetzt?“

„Anderthalb Stunden“, antwortete Isabelle, vielleicht doch etwas hochmütig.

„Und?“

„Was, und“, antwortete Isabelle, „alles OK.“

„Und du?“, fragte sie Pia provokant.

„Nichts“, sagte sie, “nur quatschen und saufen und fummeln.“

„Ja, und verduften“, brummte Isabelle mit verständiger Mine hintendrein.

Diese Sprache sollte nun einer verstehen. „Es war zum Piepen“, dachte sich Isabelle.

Anfangs hatte sie ja keinen Schimmer.

Hier ging es um Arbeit, bestätigte sich ihr eine Erkenntnis.

Wer gut ist, sich gut vermarkten konnte, verdiente viel und andersrum eben weniger.

In Phase eins hilft weder viel Wissen noch Erfahrung. Es ging um den blanken Verkauf seines Selbst, sich so gut es geht, in den Mittelpunkt zu stellen.

Redegewand zu sein war hierbei, gleich wie in der Wirtschaft, ein echter Vorteil. Einfach gesagt: Frechheit siegt.

Punkt zwei war, die Bewusstheit als Frau, und nicht zuletzt die Optik, oder besser die Begabung, damit umzugehen. So trennte sich die Spreu von Weizen.

Versuchen konnte es jeder, danach folgten die Auswahl und der Rost.

Denen, die im Sieb blieben, sollte augenblicklich klar sein, dass es kein Zurück gibt, sonst kommt die Krise - in einem Selbst.

In Isabelles Kopf ging es zu wie in einer Schleuder, die nicht aufhören wollte, sich zu drehen...

„Ich will ins Bett“, knurrte Isabelle leise vor sich hin. „Ich bin so müde, will mich in mein Kissen kuscheln und von einer ehrlichen Welt träumen“, sagte sie.

„Das kannst aber vergessen, die große Reservierung ist gerade eingetroffen“, sagte Pia darauf, „und du sollst hochkommen, deshalb bin ich runter gekommen.“

„Ich, wieso?“, fragte Isabelle.

„Es ist ein Typ dabei, der dich bereits kennt.“

Auf dem Weg nach oben begegnete Isabelle Alexa, die gerade leere Flaschen ins Lager trug.

Und Isabelle schoss es durch den Kopf, dass dieses Mannsweib ja die Auslöserin dafür war, dass sie sich hier bereits die x-te Nacht um die Ohren schlug.

„Ich bin unverbesserlich“, grinste Isabelle in sich „von wem hab ich das bloß, diesen jugendlichen Leichtsinn, diesen Drang nach auszulebender Neugier?“

„Ja, ich geb' ja schon Ruhe“, dachte Isabelle, denn sie wusste ja, dass sie selber verantwortlich war für ihre Entscheidungen. „Doch ohne Alexa hätte ich dich nie kennen gelernt“, sprach sie innerlich Angie an. Alexa war also unser beider Schicksal. „Wir sollten uns begegnen“, schmunzelte Angie zurück.

Alexa grinste Isabelle an und meinte mit lachender Stimme:

„Hiihii, alles OK, Angie?“

Und Isabelle teilte ihr erschreckend triumphierend mit, dass alles im grünen Bereich wäre.

„Na, da haste jetzt aber ein wenig übertrieben, Isabelle“, müpfte Angie innerlich auf.

„Wir sind supermüde und erleiden so manche Gewissensbisse.“

„Ja, ja lass mich jetzt in Ruhe!“ feuerte Isabelle zurück „so schlimm ist es auch wieder nicht, ich schone mich ein wenig und dann geht es wieder und weiter.

Außerdem hast ja du den geistigen Löwenanteil an Arbeit, Angie.“

Isabelle ging darauf in ein Zimmer, das den Frauen zum „Ausruhen“ zur Verfügung stand.

Es war niemand drinnen und sie warf sich erschöpft aufs Bett.

Alexa war in letzter Zeit öfter bei Isabelle, fing sie an nachzudenken. Sie hatte einen kleinen Hund, namens Prinz, ein Minikaliber à la „passt in jede Tasche“.

„Wer weiß, was der schon für Opfer bringen musste“, konnte sie sich nicht verkneifen zu denken.

„Aber, aber, Isabelle!“, mahnte sie erneut ihre innere Angie.

„Na ist doch wahr“, dachte sie, denn sie glaube langsam ziemlich alles, was sie früher nur für die Asche verbrauchter Gedanken hielt.

Alexa war vor einigen Jahren zur Lesbe mutiert.

Sie war früher auch als Frau für Männer da gewesen und vielleicht aus zu viel Überfluss wurden ihr die Männer zum Überdruss.

Isabelle wusste, dass sie selbst keine echte Lesbe sein könnte, klar, auch aus reinen Lebenserfahrungen schon nicht.

Den gewissen Reiz eines Frauenkörpers stritt Isabelle dabei nicht ab. Frauenkörper sind viel weicher und zarter, einfach auch vertraut. Und Isabelle hatte immer den Standpunkt vertreten, desto mehr Erkenntnis einem Ding innewohnt, desto größer wäre die Liebe.

Aber keine festen, starken Arme mehr, die sie drückten, keinen Bart mehr, der in einer leidenschaftlichen Umarmung pikst und nie mehr einen festen Po, den sie so gern angriff, nein, das hätte Isabelle sich niemals vorstellen können.

Außerdem sind Männer eben Männer, entschied sie für sich und sie bräuchte diesen Gegenpol, auch wenn sie auf manchen „Kampf“ hätte bisher schon verzichten können, sie würde ihr fehlen, die Männerwelt.

„Ich bin bi“, dachte sie!

Selbst der Psychoanalytiker Freud hatte ja bereits behauptet, der Mensch würde womöglich bisexuell geboren?

„Nun ja“, schloss sie weiter, „bisexuell sein ist ein Tabu!“ Und Tabus wären eben das, was gegen die Masse spräche.

„Die Masse ist leicht zu beeinflussen“, sagte Isabelle sich.

Menschen wären im Grunde wie Ameisenvölker, die von den Autopiloten - der Königin - gesteuert würden, um brav ihre Dienste zu verrichten.

Aber die Masse ist auch nur ein Teil von etwas. Die Masse ist nicht alles.

Alles ist alles und ein großer Teil davon ist die Masse. „Also ist ein kleinerer Teil von Allem ein Etwas“, philosophierte Isabelle vor sich hin.

Lesben und Schwule sind Menschen, die scheinbar neben der Masse oder auch ohne sie auskommen möchten. Sie möchten ein Etwas sein und Isabelle befand diese Tatsache nicht nur akzeptabel, sondern sogar als etwas Besonderes.

Schwule möchten auf eigenen Füßen stehen, eigene Säulen haben, eigene Wurzeln vielleicht, steigerte sich Isabelle in ihr geistiges Gebäude hinein. In jedem Falle nicht gesteuert und gelenkt, sie möchten individuell sein. Einzigartig! „Schluss, aus, Ende.

Es gibt viele Wege, die zum Ziel führen. Vielleicht sind es Irrwege. Vielleicht aber auch nicht“, dachte sie.

Aber es machen doch vor allem die Schwächen stark und stärker, die Fehlschläge ermuntern einen zu Neuem und damit zu neuem Wachstum, war Isabelle überzeugt.

Wenn alles glatt läuft, der Weg ohne Entscheidungen ist, ohne Steine, ohne Geröll, wie könnte sie dann wirklich erfahren, etwas lernen?

Vielleicht war ja jemand wie Isabelle, der einen anderen, steinigen Weg eingeschlagen hatte, ein Egoist, ein kleiner Rebell? In dem Moment fühlte sie sich als etwas - etwas Besonderes.

Wie könnte jemand jemals behaupten, etwas wirklich zu wissen, wenn er es nicht erlebt hatte, fragte sich sie immer wieder?

Und sie erkannte für sich, dass sie sich erst dann wahrhaft hingeben könnte, dem Leben, der Liebe, der Erlösung, dem Tod, dem Weichen, nicht Zwanghaften, wenn sie vorher nicht gewissermaßen hart war, wenn auch nur gegen sich selbst. Erst hart macht weich möglich. Das Erfahren dessen-, war sie überzeugt.

Aber wenn der Tod seinen Stachel verlieren würde, kam es über sie, würde er womöglich in den Alltag eindringen? Was wäre dann? Nichts wäre dann, erkannte sie, das Leben wäre leichter, weil sie mit dem täglichen Üben des Sterbens das Loslassen beherrschen würde.

Zur Hingabe ist also Egoismus notwendig, um sich dann frei und willig von ihm zu lösen, folgerte Isabelle, wie in Trance.

Und jenseits der Gesellschaft, jenseits der Masse, war so vieles, was es noch gäbe für sie. Was sie noch erfahren und erkunden möchte in ihrem jungen Leben.

Was das Lesben- oder Schwulendasein betraf, hatte Isabelle in den achtziger Jahren ein interessantes Gespräch mit einem Freund geführt. Es ging um Aids.

„Gott hat eine Handvoll Aids auf die Welt geworfen - zur Gesundregulierung des Lebens“, sagte der Freund von Isabelle spontan.

Sie unterhielten sich dann über Lemminge; eine Tierart, die angeblich, wenn die Population überhandnimmt, gemeinsam Suizid betreiben, was allerdings nicht wirklich stimmt. Aber die Natur zeigt dieses Loslassen ebenso an vielen anderen grandiosen Beispielen.

Am offensichtlichsten im Wechsel der Jahreszeiten, denn viele Bäume verlieren im Herbst ihre Blätter, Schmetterlinge schlüpfen aus ihren sicheren Puppen oder die Stämme letzter verbliebener Ureinwohner werden zu Wandernomaden. Die alles zeigte ihr, sie können gehen, sie können loslassen.

Isabelle war damals bekifft gewesen, aber sie hatte diese Antwort von Thomas nie vergessen.

Sie und ihre Freunde wussten damals noch nicht viel von Aids, nur von irgendwelchen Affen und dass das Virus dann angeblich zuerst bei Homosexuellen aufgetaucht war.

Heute haben Hetero – und Homosexuelle Aids, der Ursprung wird mal da und mal dort vermutet. Sie hatte keine Ahnung. Und für sie gab es auch keinen Schuldigen.

Eines wusste sie aber, es hatte im weitesten Sinne etwas mit Sexualität zu tun.

Und für Isabelle stand fest, es wäre eine Folge davon, wie wir mit ihr umgehen.

Isabelle hatte in ihrem Leben viele Männer und letztlich kam sie zu der Einsicht, dass es meist, also in sexueller Hinsicht, irgendwie dasselbe ist. Im Bett ist ein Mann so gut oder schlecht wie jeder andere.

Egal ob er einen Bauch hat oder ein Waschbrett, gleich ob Glatze oder Mähne, ob der Seine länger oder kürzer ist.

Manchmal machte sie ihre Augen zu beim Sex mit X, dabei ist ihr dann passiert, dass sie mit irgendeinem Y geschlafen hatte. Sie fragte sich dann, ob sie nicht ganz richtig ticken würde?

Doch bald kam sie darauf, dass dies alles völlig normal war. Somit musste sie, wie aus einem unbändigen inneren Trieb heraus, unbedingt Neues ausprobieren. Der Abwechslung halber oder aus Neugier.

Warum nicht, also warum nicht auch Frauen?

Paradoxerweise stellte sie fest, dass irgendwann auch das wieder das Gleiche ist. Aber was sollte sie jetzt tun, ins Kloster gehen?

Wollte sie Sex oder Liebe? Wollte sie Gefühl?

Ja, sie wollte nur eines: Lieben. Die Liebe sehen, sie erkennen, sie fühlen, mitten im Herzen. Und deshalb war alles gleich, gleich und mäßig bis schlecht, weil sie diese eine Liebe irgendwie nicht fand.

Sie hatte einen interessanten Artikel über Humboldt-Pinguine gelesen.

Diese Tiere sind vom Aussterben bedroht.

Es bilden sich vermehrt männliche Lebensgemeinschaften. Unter zweiundzwanzig Tieren bildeten sich nach Angaben der Forscher nur vier heterosexuelle Paare, worunter sich wiederum nur ein bewährtes Pärchen befindet.

Eine Ursache scheint zu sein, dass die Männchen nicht dazu zu bewegen sind, die Weibchen zu verführen und die Weibchen auch nichts dazu beitragen, indem sie sehr zurückhaltend sind. Zudem handelt es sich anscheinend um besondere Lebewesen, denn es fällt selbst den Biologen schwer, das Geschlecht der Tiere zu bestimmen.

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