Kitabı oku: «Das Abenteuer des Leutnant Jergunow», sayfa 6
IV
Endlich schlug der Lieutenant die Augen auf. . . Es war Tag und Alles still rings umher. Es riecht nach Essig und Pfeffermünze. Ueber sich, rechts und links umhüllt ihn etwas Weißes; er betrachtet, er untersucht es; es sind die Vorhänge eines Bettes. Er will den Kopf heben, unmöglich; die Hand, abermals unmöglich. Was soll das heißen? Er richtet den Blick nach unten: Ein langer Körper ist vor ihm hingestreckt, verborgen unter einer Decke von grober Wolle mit braunen Rändern an beiden Enden. Dieser Körper ist nach gemachter Feststellung sein eigener. Er versucht einen Schrei auszustoßen: Nichts kommt hervor. Er versucht es von Neuem, er sammelt alle seine, Kräfte: Eine Art von halberstorbenem Laut erzittert unterhalb seiner Nase. Schwere Schritte werden gehört, eine Hand entfernt den Vorhang. Ein alter Invalide, in einen geflickten Militärrock gekleidet, steht vor dem Lieutenant. Beide scheinen auf verschiedene Art erstaunt. Ein großer zinnerner Krug näherte sich den Lippen des Lieutenants, der das frische Wasser mit Gier trinkt. Seine Zunge löst sich. – Wo bin ich?
Der Invalid betrachtet ihn zum zweiten Mal, entfernt sich und kehrt bald mit einem andern Mann in Uniform zurück. – Wo bin ich? wiederholt der Lieutenant.
– Nun, er wird nicht davon sterben, sagte der Mann in Uniform. – Sie sind im Hospital, setzte er laut hinzu; – aber Sie dürfen nicht sprechen; schweigen Sie und schlafen Sie.
Der Lieutenant kam aus dem Erstaunen nicht heraus; aber er sank in das Nichts zurück.
Am andern Morgen erschien der Arzt des Lazareths Jergunow war seiner Sinne wieder mächtig. Der Doctor wünschte ihm, Glück zu seiner Heilung und befahl, den Verband seines Kopfes zu erneuern.
– Wie, der Kopf? Habe ich irgend etwas . . .
– Sie dürfen weder sprechen, noch sich bewegen, unterbrach ihn der Doctor. – Bleiben Sie ruhig und danken Sie Gott, dem Höchsten. Popow! wo sind die Compressen ?
– Aber das Geld . . . das Geld der Krone. . .
– Da haben wir’s, jetzt beginnt das Delirium von Neuem. Ei, Popow, nochmals Eis!
Eine Woche verging. Der Lieutenant war so weit hergestellt, daß man glaubte, ihm enthüllen zu können, was ihm begegnet sei. Folgendes vernahm er:
Am 16. Juni Abends 7 Uhr fand sein letzter Besuch bei Madame Fritsche statt und am 17. etwa um Mittagszeit, also beinahe vierundzwanzig Stunden später, hatte ein Schäfer ihn in einer Schlucht, unweit der Landstraße nach Cherson und ungefähr zwei Werst von Nikolajew, bewußtlos, mit gespaltenem Kopf und bläulichen Flecken am Halse, gefunden. Seine Uniform und seine Weste waren aufgeknöpft, alle Taschen umgekehrt; sein Czacko und sein Hirschfänger waren verschwunden, ebenso sein Ledergurt. Nach dem niedergetretenen Grase und einer sich lang hinziehenden Spur im Sande und im Lehmboden zu urtheilen, mußte der Lieutenant von der Landstraße bis zum Grunde der Schlucht geschleift worden sein und wahrscheinlich dort erst hatte man seinem Kopf einen Streich mit einer schneidenden Waffe, vielleicht seinem eigenen Hirschfänger, versetzt.
In der That hatte die ganze Spur keinen einzigen Tropfen Blut gezeigt, während sich rund um seinen Kopf eine ganze Lache gefunden hatte. Die Mörder mußten ihn erst besinnungslos gemacht und dann ihn zu erwürgen versucht haben; hernach hatten sie ihn zur Stadt hinausgeschleppt bis zum Abhang der Schlucht, wo sie ihm den letzten Streich beibrachten. Nur seiner eisernen Constitution hatte es der Lieutenant zu danken, daß er mit dem Leben davon kam, denn erst am 23. Juli, also fünf Wochen nach dem Ereigniß, war seine volle Besinnung zurückgekehrt.
Jergunow machte unverzüglich seinen Bericht an die Behörde, schilderte mündlich und schriftlich alle Umstände des Unglücks, das ihn betroffen hatte, und bezeichnete deutlich das Haus der Madame Fritsche. Die Polizei eilte dorthin, fand aber Niemand mehr. Das Nest war leer. Der Hauseigenthümer, ein außerordentlich alter und nicht weniger tauber Mann und Bürger der Stadt, wurde allerdings gefaßt und vor Gericht geschleppt; viel aus ihm herauszubekommen war aber nicht. Er selbst wohnte in einem andern Viertel von Nikolajew und Alles, was er wußte, war, daß er vor etwa vier Monaten sein Haus an eine Jüdin, ihrem Paß zufolge Schmul oder Schmulke mit Namen, vermiethet und dies auch pflichtschuldig sofort der Polizei angezeigt habe. Ein junges Mädchen, ebenfalls mit einem Paß versehen, sei, so schloß er seine Aussage, bald nachher zur alten Jüdin gezogen.
Und welches Handwerk trieben diese Frauen? Er wußte nichts davon. Hatten sie noch andere Miethleute: Auch davon wußte er nicht mehr. Und was den Knaben betrifft, der als Wächter des Hauses fungirt hatte, so war er nach Petersburg, Odessa oder sonst wohin gereist. Der neue Wächter befand sich erst seit Anfang Juli im Dienst.
In den Polizeiregistern und in der Nachbarschaft angestellte Nachforschungen ergaben, daß die Schmulke nebst Genossin, deren eigentlicher Name Friederike Bengel gewesen zu sein schien, Nikolajew den 20. Juli verlassen hatten, ohne das Ziel ihrer Reise anzugeben. Den geheimnißvollen Mann aber, mit dem Aussehen eines Zigeuners und den drei silbernen Knöpfen, sowie das fremde Mädchen mit dem braunen Teint und den dicken Haarflechten kannte Niemand oder wollte Niemand kennen.
Sobald der Lieutenant das Hospital verlassen konnte, begab er sich selbst in das ihm so verhängnißvoll gewordene Haus.
In dem kleinen Zimmer, wo er seine Unterhaltungen mit Colibri gehabt hatte und das noch jetzt nach Moschus roch, war eine andere kleine Thür entdeckt worden, gegen die bei seinem zweiten Besuch das Sopha gelehnt stand und durch welche, aller Wahrscheinlichkeit nach der Mörder eingetreten war.
Der Lieutenant unterließ es nicht, eine Supplik in vorgeschriebener Form einzureichen. Die Untersuchung begann. Eine Menge Verfügungen mit Nummern in genauer Reihenfolge wurden erlassen und nach allen Richtungen hin versandt. Ein Haufen von gleichfalls nummerierten Antworten lief mit der Zeit am Ort ein; das aber war Alles! Die verdächtigen Personen waren und blieben verschwunden und mit ihnen das Geld der Krone, das sich auf ein Tausend neun Hundert und siebzehn Rubel und einige Kopeken belief, eine für die damalige Zeit nicht unbedeutende Summe.
Zehn Jahre lang mußte der unglückliche Lieutenant sich Abzüge von seiner Gage gefallen lassen, um das Geld wieder zu erstatten, bis er endlich das Glück hatte, durch eine Amnestie, die auch ihm zu Gute kam, sich die Zahlung des Rückstandes erlassen zu sehen.
Anfänglich war er fast überzeugt gewesen, daß die Ursache des ganzen Unglücks, das Haupt der gegen ihn angezettelten Verschwörung Emilie, sein treuloses »Zuckerpüppchen«, gewesen sei. Er erinnerte sich, am Tage seiner letzten Zusammenkunft mit ihr unkluger Weise auf dem Sopha eingeschlafen zu sein, bei seinem Aufwachen ihre Verwirrung bemerkt und am selben Abend jenen Riß in seinem Gurt entdeckt zu haben, der augenscheinlich der Scheere, die sie in ihrer Tasche verbarg, seine Entstehung verdankte. – Sie hat Alles gesehen, sagte er, – hat-s dem alten Satan gesagt und den beiden andern Teufeln. Sie hat mir eine Falle gelegt, indem sie mir jenen Brief schrieb, und ich ging arglos hinein; aber wer hätte so Etwas von ihr erwarten können? Dann vergegenwärtigte er sich das gute, hübsche Gesicht Emiliens, ihre klaren, lachenden Augen. – Oh! Weiber, Weiber! sagte er mit den Zähnen knirschend, – Crokodillenbrut! – Als er jedoch definitiv aus dem Hospital entlassen und in seine Wohnung zurückgekehrt war, erfuhr er einen Umstand, der seine Vermuthungen ganz vom bisherigen Wege ablenkte. An dem Tage nämlich, an welchem er, mehr todt als lebendig, zur Stadt gebracht worden war, hatte sich ein junges Mädchen, das der ganzen Beschreibung nach nur Emilie gewesen sein konnte, ganz in Thränen gebadet und mit verwirrtem Haar in seiner Wohnung eingefunden und war, nachdem sie seinen Stiefelputzer um Nachricht von ihm gefragt hatte, wie eine Tolle nach dem Hospital gerannt; dort wurde ihr gesagt, daß der Lieutenant den Tag nicht überleben werde und gleich darauf verließ sie das Haus wieder, die Hände ringend und mit allen Anzeichen der heftigsten Verzweiflung. Es wurde also klar, daß sie den mörderischen Anfall nicht vermuthet hatte. Oder sollte sie selbst betrogen sein? Sollte sie ihren Antheil an der Beute etwa nicht erhalten haben? Sollte das Gewissen in ihr erwacht sein? Und dennoch hatte sie Nikolajew in Begleitung jener abscheulichen Alten, die jedenfalls um Alles gewußt, verlassen . . . Der Lieutenant wußte in der That nicht, was er denken sollte, und oft genug langweilte er seinen Stiefelputzer, indem er sich von ihm die Beschreibung des jungen Mädchens und die Worte, die sie zu ihm gesprochen hatte, wiederholen ließ.
Achtzehn Monate später erhielt der Lieutenant von Emilie, alias Friederike Bengel, einen Brief in deutscher Sprache, den er sich sogleich übersetzen ließ und welchen er uns seitdem mehr als einmal zeigte. Er war voll orthographischer Fehler und hatte eine Menge Ausrufungszeichen.
Das Couvert trug den Poststempel Breslau, der Inhalt desselben lautete fast wörtlich folgendermaßen:
»Mein theurer und unvergleichlicher Florestan! Mein Herr Lieutenant Jörgenhof! Wie oft schon habe ich mir geschworen, Ihnen zu schreiben, und immer habe ich’s, zu meinem größten Bedauern, wieder aufgeschoben, obgleich die Vorstellung: Sie könnten mich für mitschuldig halten an jenem schrecklichen Verbrechen, für mich der fürchterlichste Gedanke ist. O, mein theurer Herr Lieutenant, glauben Sie mir, der Tag, an dem ich erfuhr: Sie seien wieder gesund und wohl, war der schönste meines Lebens! Auf vollständige Rechtfertigung kann ich leider keinen Anspruch machen, denn ich will nicht leugnen: ich war es wirklich, die Ihre Gewohnheit, Geld auf dem Körper zu tragen, bemerkte (übrigens machen es die Schlächter und Viehhändler in unserer Gegend ebenso) und die Unklugheit beging, davon zu sprechen! Ich sagte sogar im Scherz, daß es nicht gerade schlimm sein würde, Ihnen etwas von diesem Gelde zu nehmen! Die alte Hexe (ach! Herr Florestan, sie war gar nicht meine Tante!) setzte sich sofort in Verbindung mit jenem ruchlosen Scheusal Luigi und seinem Helfershelfer. Ich schwöre Ihnen beim Grabe meiner Mutter (die eine ehrbare Frau war, und nicht wie ich!), daß ich heute noch nicht weiß, wer diese Menschen waren! Alles, was ich erfuhr, ist, daß der Eine Luigi hieß, daß beide aus Bukarest gekommen und wahrscheinlich große Verbrecher waren, denn sie bargen sich vor den Augen der Polizei und führten Gold und Preciosen mit sich. Dieser Luigi war ein fürchterliches Wesen: Seinesgleichen tödten, war ihm Nichts! Er redete alle Sprachen, und er war es, der meinen Brief an Sie schrieb; er war es auch, der die von der Köchin gestohlenen Sachen wiederschaffte. Er konnte Alles! Alles! Alles! Es war ein fürchterliches Geschöpf. Er machte die Alte glauben, daß er Sie nur durch ein gewisses Getränk ein wenig betäuben, Sie dann zur Stadt hinausbringen und später erzählen wolle, er wisse von Nichts, Sie hätten zu tief in‘s Glas gesehen; aber das Scheusal hatte sich‘s vorher schon überlegt, daß es besser sei. Sie aus der Welt zu schaffen, damit kein Hahn mehr etwas davon auskrähen könne! Er schrieb jenen abscheulichen Brief und die Alte entfernte mich mit List, ja, ich kann sagen, mit Gewalt! Ich argwöhnte Nichts, und ich hatte eine entsetzliche Angst vor diesem Luigi, der mir sagte: »Ich werde Dir den Hals abschneiden wie einem Huhn!« Und als er das sagte, drehte er so schrecklich seinen Schnurrbart!
Durch List lockte man mich in eine gewisse Gesellschaft. . . Ach! Herr Florestan, ich schäme mich vor mir selbst und vergieße heiße Reuethränen, denn zu einem solchen Handwerk bin ich gewiß nicht geboren worden! Der Gedanke, daß bis zu einem gewissen Punkt ich es war, die Ihr Unglück herbeiführte, hat mich beinahe verrückt gemacht, und dennoch bin ich mit jenen Leuten abgereist, denn was würde aus mir geworden sein, wenn uns die Polizei entdeckt hätte? Bald aber habe ich sie alle verlassen, und obgleich ich jetzt in Elend, ja oft ohne ein Stück Brod lebe, so ist meine Seele doch ruhig! Fragen Sie mich nicht, weßhalb ich überhaupt nach Nikolajew gekommen bin: ich könnte Ihnen doch nicht darauf antworten; ich habe einen fürchterlichen Eid gethan! Ich schließe meinen Brief mit einer Bitte an Sie, Herr Florestan: Aus Barmherzigkeit, wenn Sie je Ihrer armen kleinen Emilie gedenken, so gedenken Sie ihrer nicht als eines schwarzen Scheusals! Der ewige Gott sieht mein Herz in diesem Augenblick: ich habe eine schlechte Moralität und bin leichtfertig, aber bösartig bin ich nicht. Und lieben werde ich Sie immer, mein unvergleichllicher Florestan! Und das Beste, was es auf dem Erdenrund giebt, das wünsche ich Ihnen. – Wenn mein Brief bis in Ihre Hände gelangt, dann, bitte, schreiben Sie mir einige Zeiten, damit ich weiß, daß sie ihn erhielten. Sie würden dadurch sehr glücklich machen Ihre treuergebene
Emilie.«
P.S. »Schreiben Sie unter der Adresse F.B. postorestante Breslau in Schlesien.«
P.S. »Ich habe Ihnen deutsch geschrieben, weil ich nicht im Stande bin, meinen Gefühlen in einer andern Sprache Worte zu leihen; aber Sie können mir russich schreiben.«
– Nun, haben Sie ihr geantwortet? fragten wir den Lieutenant.