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Kitabı oku: «Das Wirthshaus an der Heerstrasse», sayfa 5

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XI

Jephrem war inzwischen in seinem engen Verschlage früher erwacht, als sonst der Fall zu sein pflegte und fing an zu klopfen und zu rufen, daß man ihm öffne. Seine Frau wollte ihn erst nicht herauslassen, indem sie ihm durch die Thüre bedeutete, daß er noch nicht ausgeschlafen habe; aber er reizte ihre Neugier durch das Versprechen, ihr von den außergewöhnlichen Erlebnissen Akim’s zu erzählen; hierauf befreite sie ihn. Jephrem theilte ihr Alles mit, was er wußte und schloß mit der Frage: Ist er aufgewacht oder nicht?

– Gott weiß es! antwortete die Frau, geh’ und sieh selbst zu; er ist noch nicht vom Ofen heruntergekommen. Wie Ihr beide Euch gestern Abend angetrunken habt! Ich wollte, Du könntest Dich nur selbst sehen – Dein Gesicht sieht keinem Menschenantlitz ähnlich, es sieht aus wie ein Küchenlappen und Deine Haare sind ganz voll Heu . . .

– Thut nichts! erwiderte Jephrem, und trat, mit der Hand über den Kopf fahrend, in’s Zimmer.

Akim schlief nicht mehr; er saß mit herunterhängenden Beinen auf dem Ofen; sein Gesicht sah schauerlich seltsam und zusammengefallen aus. Die Veränderung erschien um so auffallender als Akim sonst kein Trinker war.

– Nun, wie steht’s, Akim Sseménitsch? Wie haben Sie geruht? begann Jephrem . . .

Akim sah ihn mit verstörtem Blicke an.

– Nun, Bruder Jephrem, sagte er mit hohler Stimme, – kann man nicht wieder . . . Du verstehst? Jephrem warf einen raschen Blick auf Akim . . .

Er fühlte in diesem Augenblicke ein innerliches Beben, dem Gefühle ähnlich, welches einen Jäger auf dem Anstande überkommt, wenn er plötzlich einen Hund hellen hört und in ein Gehölz laufen sieht, in welchem er kein Wildbret mehr zu finden erwartete.

– Wie? – noch mehr? fragte er endlich.

– Ja, noch mehr.

»Meine Frau wird es gewahrt dachte Jephrem, – sie wird es nicht zugeben.« – Macht nichts, können noch haben! sagte er dann laut. Nur ein wenig Geduld!

Er ging hinaus und wußte es so geschickt einzurichten, daß er, ohne von seiner Frau bemerkt zu werden, mit einer großen Flasche unter dem Kaftan zurückkam . . .

Akim nahm diese Flasche . . . Jephrem aber wagte nicht mit ihm zu trinken wie am Abend vorher; er fürchtete seine Frau, und sagte Akim, daß er sehen wolle, wie es in seinem verlassenen Hause zugehe, ob man dort nicht zu viel ausplündere. In der That machte er sich mit seinem armen Gaul auf den Weg, den er vergessen hatte zu füttern; sich selbst hingegen schien er nicht vergessen zu haben, nach der Erweiterung seines Gürtels zu schließen. Kaum war er weggeritten, als Akim sich wieder auf dem Ofen schlafen legte. Er erwachte selbst dann noch nicht oder that wenigstens so als wenn er schliefe, als nach etwa vier Stunden Jephrem von seinem Ritte zurückkam, ihn schüttelte und ihm allerlei verworrene Worte zuschrie des Inhalts, daß Alles fort und zu Ende sei, daß man die Heiligenbilder fortgetragen habe und Alles von oberst zu unterst gekehrt, und daß man Akim überall suche, daß aber er, Jephrem, verboten habe, ihn zu suchen, und dergleichen mehr. Er stotterte und schrie so viel durcheinander, daß seine Frau ihn wieder in den Vorschlag einsperrte und sie selbst zu seiner großen Unzufriedenheit und zu noch größerem Unmuth des Gastes, dem zu Liebe der Mann sich wieder angetrunken hatte, sich im Zimmer schlafen legte . . .

Als sie aber ihrer Gewohnheit nach sehr früh erwachte und auf den Ofen blickte, lag Akim nicht mehr darauf . . . Der Hahn hatte noch nicht zum zweiten Male gekräht, als Akim schon die Schwelle des Küsterhäuschens überschritt. Die Nacht war noch so dunkel, daß der Himmel über ihm kaum graute, während weithin dichte Finsterniß herrschte. Sein Antlitz war bleich, aber sein Auge spähte scharf umher und sein Gang war nicht der eines Betrunkenen . . . Er schritt in der Richtung seiner frühern Wohnung zu, nach dem Wirthshause, welches nun schon ganz im Besitze seines neuen Herrn – Naoum – war.

XII

Naoum schlief ebenfalls nicht zu der Zeit, als Akim heimlich die Hütte Jephrem’s verließ. Er schlief nicht; seinen Schafpelz unter sich ausgebreitet, lag er angekleidet auf einer Bank. Er wurde keineswegs von Gewissensbissen geplagt. Mit staunenswerther Kaltblütigkeit hatte er vom frühen Morgen an das Fortschaffen der Sachen Akims überwacht und sogar zu wiederholten Malen das Wort an Afdotja gerichtet, welche so niedergeschlagen war, daß sie ihm selbst keine Vorwürfe mehr machte . . . Sein Gewissen war ruhig, aber allerlei Pläne und Berechnungen beschäftigten ihn. Er war nicht sicher, ob es ihm auf seiner neuen Laufbahn glücken werde; er hatte bis dahin nie ein Wirthshaus gehalten, ja, überhaupt keinen Winkel gehabt den er sein eigen nennen konnte, und die Anschläge und Betrachtungen, welche jetzt sein Hirn durchkreuzten, ließen ihn nicht schlafen.

»Das Geschäftchen ist gut eingeleitet – dachte er – aber wie wird es weiter damit gehen?«

Nachdem er am Abend noch die letzte Telega mit den Habseligkeiten Akim’s expedirt hatte, der Afdotja weinend folgte, durchspähete er den ganzen Hof, die Ställe, Schuppen, Keller und Verschläge, kletterte auf den Boden und befahl seinen Leuten einmal über das andere, scharfe Wache zu halten, aß dann allein zu Abend, aber er konnte keine Ruhe finden. Der Zufall wollte, daß von den Reisenden, welche am Tage eingekehrt waren, keiner zur Nacht blieb, was ihm sehr gelegen kam.

»Ich muß mir morgen – sagte er zu sich selbst – durchaus einen Hund kaufen, einen recht bösen, den vom Müller; sie haben ihren Hund mitgenommen.« Dabei wiegte er sich von einer Seite zur andern. Plötzlich erhob er den Kopf . . . es schien ihm, als ob Jemand am Fenster vorbeischliche . . . – er lauschte . . es war nichts. Nur eine Grille zirpte wachsam hinterm Ofen, eine Maus krabbelte in irgend einem Winkel und er hörte sein eigenes schweres Athmen. Sonst war Alles still in dem fast leeren Zimmer, welches die gelben Strahlen einer kleinen Glasampel vor dem Heiligenbilde in der Ecke nur matt beleuchteten. Er ließ den Kopf wieder nachdenklich hängen. Plötzlich glaubte er abermals ein Geräusch zu vernehmen, als ob die große Pforte an der Einfahrt zum Hofe knarre; dann als ob die Zaunpforte leise geöffnet werde . . . Er konnte nicht länger an sich halten, stand rasch auf, öffnete die Thüre zum Nebenzimmer und rief leise: »Fedor! Fedor!« Keine Antwort erfolgte . . . Er ging auf den Flur hinaus und wäre beinahe hingestürzt, über Fedor stolpernd, der auf der Erde ausgestreckt schnarchte. Durch den Fußtritt seines Herrn aufgeweckt, rieb er sich schlaftrunken die Augen und rief:

– Was ist denn? Was gibt’s?

– Kerl, brüll nicht so, halt’s Mault – flüsterte Naoum. – Wie diese Schurken schlafen! Hast Du nichts gehört? —

– Nichts! Was ist denn los?

– Wo schlafen die Andern?

– Die Anderen schlafen wo es ihnen befohlen ist. . . Sollte vielleicht . . .

– Schweig; folg’ mir.

Naoum öffnete leise die Thüre vom Flur zum Hof . . . Auf dem Hofe war es ganz finster . . .

Man konnte die Wetterdächer mit den Pfeilern nur dadurch unterscheiden, daß sie das Dunkel noch überdunkelten . . .

– Sollte man nicht eine Laterne anzünden? sagte Fedor leiser.

Aber Naoum machte ihm ein Zeichen mit der Hand und hielt den Athem an. . .

Anfangs hörte er nichts als jene nächtlichen Töne, welche in bewohnten Orten fast immer vernehmbar sind: ein Pferd käuete seinen Hafer, ein Schwein grunzte leise im Schlaf, auch konnte man das Schnarchen irgend eines in der Nähe schlafenden Menschen unterscheiden. Bald aber traf ein verdächtiges Geräusch sein Ohr, vom Zaune, vom äußersten Ende des Hofes her . . .

– Es war« als ob sich dort Jemand bewegte, mit ungewöhnlicher Anstrengung blasend oder athmend. Naoum warf über die Schulter einen Blick auf Feder und schlich vorsichtig die Freitreppe hinunter nach der Seite zu, woher das Geräusch kam . . . Ein paarmal blieb er stehen, um zu lauschen, und schlich dann weiter . . . Plötzlich sing er am ganzen Leibe zu zittern an . . . Etwa zehn Schritte vor ihm zeigte sich durch das Dunkel ein leuchtender Punkt.

Es war eine brennende Kohle und dicht darüber konnte man auf einen Augenblick die Vorderseite eines menschlichen Antlitzes unterscheiden mit zum Blasen vorgestreckten Lippen . . . Rasch und schweigend, wie eine Katze auf eine Maus, sprang Naoum auf das Feuer zu . . . Eben so rasch erhob sich von der Erde eine lange Gestalt, ihm entgegenstürzend und ihn beinahe durch ihre Wucht umwerfend; allein Naoum, dem jene nun zu entgleiten suchte, klammerte sich mit aller Kraft an sie:

– Fedor, Andreas, Petruschka! Rief er aus Leibeskräften, schnell, schnell hierher, ich habe einen Dieb gefangen, einen Brandstifter . . .

Der Mann, den er umschlungen hielt, schlug um sich wie ein Verzweifelter, aber Naoum ließ ihn nicht los. Auch kam Fedor seinem Herrn gleich zu Hilfe.

– Eine Laterne, geschwind eine Laterne! hol eine Laterne, weck die Andern schnell, schnell! schrie Naoum. Ich werde ihn schon so lange allein festhalten . . . ich werde mich auf ihn setzen . . . Mach nur schnellt und bring auch gleich einen Strick mit, um ihn zu binden.

Feder lief in’s Haus . . . Der Mann, den Naoum festhielt, ließ jetzt nach in seinem Widerstande.

– So hast Du noch nicht genug an meiner Frau, meinem Gelde und meinem Hause, Du willst auch mich verderben! sagte er mit dumpfer Stimme.

Naoum erkannte Akim und erwiderte:

– So, Du bist es, mein Lieber! Gut, gut, na, wart nur!

– Laß mich! – rief Akim – bist Du noch nicht zufrieden?

– Morgen werd’ ich Dir vor dem Richter zeigen, ob ich zufrieden bin . . . und Naoum umklammerte Akim noch fester . . .

Inzwischen kamen seine Leute mit zwei Laternen und Stricken herbeigelaufen . . .

– Bindet ihn! befahl Naoum mit scharfer Stimme. Die Arbeiter bemächtigten sich Akim’s, hoben ihn auf und banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen. Einer von ihnen fing an ihn zu schmähen, unterbrach sich aber plötzlich, als er den ehemaligen Besitzer des Wirthshauses in ihm erkannte, und begnügte sich bedeutungsvolle Blicke mit den andern zu: wechseln.

– Seht nur, seht! rief Naoum, mit der Laterne den verdächtigen Platz untersuchend – da ist eine Kohle in einem Topfe, seht, der Topf steckt voll von Brandstoffen. Wir werden untersuchen, woher er diese Brandstoffe genommen hat . . . Auch trockenes Reisig hat er zusammengeschleppt . . . und Naoum trat das Feuer sorgfältig mit den Füßen aus, – Fedor zurufend: Durchsuch’ ihn genau, ob er nicht noch etwas dergleichen bei sich hat.

Feder durchsuchte alle Taschen Akim’s, der unbeweglich wie ein Todter dastand, den Kopf auf die Brust gesenkt.

– Da sind’ ich ein Messer, sagte Fedor, aus der Brusttasche des Gefangenen ein altes Küchenmesser hervorziehend . . .

– Aha, mein Lieber! Also darauf lief es hinaus! rief Naoum. Ihr seid Zeugen, Kinder, daß er mich hat ermorden wollen, daß er meinen Hof hat anzünden wollen . . . Sperrt ihn bis zum Morgen in den Keller ein, da wird er uns nicht entwischen. Ich werde selbst die ganze Nacht Wache halten und mit Tagesanbruch werden wir ihn zum Kreisrichter führen . . . Ihr aber werdet als Zeugen auftreten, versteht Ihr mich?

Sie führten Akim in den Keller und schlossen die Thür hinter ihm. Naoum stellte zwei seiner Leute als Wachen davor und blieb selbst die Nacht hindurch auf den Beinen.

XIII

Inzwischen hatte Jephrem’s Frau, bemerkend, daß ihr ungebetener Gast verschwunden war, sich in der Küche zu schaffen gemacht, obgleich der Tag noch nicht dämmerte . . . Es war ein Festtag. Sie kniete vor dem Ofen nieder, um Kohlen zum Feuermachen herauszuholen, und bemerkte bald, daß schon Jemand vor ihr die glühenden Kohlen herausgenommen hatte; sie suchte dann ihr Küchenmesser, – es war nirgends zu finden; weiter umherspähend sah sie auch, daß einer von ihren vier Töpfen fehle. Sie stand im Rufe eine keineswegs dumme Frau zu sein – und mit Recht. Sie dachte einen Augenblick nach und ging dann in den Verschlag zu ihrem Manne. Es war nicht leicht, ihn zu wecken; aber noch schwerer wurde es ihr, ihm klar zu machen, warum sie ihn weckte. Auf Alles, was sie ihm sagte, hatte er immer nur eine und dieselbe Antwort:

– Er ist fortgegangen? – Nun Gott sei mit ihm! – Was soll ich dabei thun? Er hat das Messer mitgenommen und einen Topf – nun Gott sei mit ihm! – Aber was soll ich dabei thun?

Endlich erhob er sich doch und nachdem er seine Frau aufmerksam angehört, stimmte er mit ihr überein, daß dieß eine sehr unangenehme Sache sei und daß man es nicht dabei bewenden lassen könne.

–– Ja, sagte seine Frau, dieß ist eine sehr unangenehme Sache; in seiner verzweifelten Lage könnte er leicht Unheil anrichten . . . Ich habe es schon am Abend bemerkt, daß er nicht schlief, sondern nur so auf dem Ofen ausgestreckt lag; Du würdest gut thun, Jephrem Alexandritsch, Dich nach ihm umzusehen, ob er . . .

– Höre meine Meinung, Uljana Fedorowna erwiderte Jephrem, ich werde sofort selbst nach dem Wirthshause reiten; aber Du, Mütterchen, mußt auch die Freundlichkeit haben, mir ein Glas Branntwein zu geben, um mir den Rausch aus dem Kopfe zu treiben.

Uljana besann sich einen Augenblick.

– Nun – sagte sie endlich, ich Werde Dir Branntwein geben, Jephrem Alexandritsch, Du mußt mir aber versprechen, keine dummen Streiche zu machen.

– Darüber beruhige Dich, Uljana Fedorowna.

Und nachdem er sich durchs einen tüchtigen Zug gestärkt hatte, trabte Jephrem nach dem Wirthshause.

Die Sonne war kaum aufgegangen, als er auf dem Hofe ankam und bei der Pforte hielt schon eine angespannte Telega, auf welcher einer der Leute Naoum’s, die Zügel in der Hand, saß.

– Wohin so früh? fragte Jephrem.

– In die Stadt! antwortete mürrisch der Gefragte.

– Warum das? Der Arbeiter zuckte die Achseln und gab keine weitere Antwort.

Jephrem sprang vom Pferde und ging in’s Haus. Auf dem Flur begegnete ihm Naoum, völlig angekleidet und die Mütze auf dem Kopfe.

– Wir wünschen dem neuen Herrn zu seiner Besitzung Glück, sagte Jephrem, welcher Naoum persönlich kannte. – Wohin so früh schon?

– Es hat sich was Glück zu wünschen! erwiderte mürrisch Naoum. Wenig fehlte, daß ich gleich am ersten Tage verbrannt wäre.

Jephrem fuhr zusammen.

– Wie so das?

– Nun so; es hat sich da ein lieber Mann gefunden, welcher mir das Haus über dem Kopfe anzünden wollte. Zum Glück half ich ihn auf frischer That ertappt.

– Das ist doch nicht Akim . . . fragte zögernd Jephrem.

– Aber woher weißt Du das? Akim ist es. Er ist diese Nacht mit glühenden Kohlen in einem Topfe gekommen, hat sich auf den Hof geschlichen und Feuer angelegt . . . Alle meine Arbeiter können es bezeugen. Willst Du selbst sehen? Ich werde mich gleich mit ihm auf den Weg machen.

– Väterchen, Naoum Iwanitsch! flehte Jephrem; lassen Sie ihn los! Stürzen Sie den Greis nicht ganz in’s Verderben. Belasten Sie Ihre Seele nicht mit dieser Sünde, Naoum Iwanitsch! Bedenken Sie – ein Mensch in Verzweiflung – der den Kopf verloren . . .

– Hör’ auf, Bruders unterbrach ihn Naoum barsch; das wäret Ihn freilassen – Da würde er mir morgen wieder das Haus anzünden.

Das wird er nicht thun, Naoum Iwanitsch, glauben Sie mir. Glauben Sie mir, es wird zu Ihrer eigenen Beruhigung dienen – da wird untersucht, gefragt, das Gericht – nun Sie wissen ja selbst.

– Nun was mit dem Gerichte? Ich habe mich vor keinem Gerichte zu fürchten.

– Väterchen, Naoum Iwanitsch! wer sollte das Gericht nicht fürchten . . .

–– Ach schweig! Du scheinst schon wieder am frühen Morgen betrunken zu sein, und heut’ ist obendrein Festtag, wo Tu in der Kirche sein solltest.

Dem armen Jephrem stürzten plötzlich die Thränen nur so aus den Augen: – Ja, ich bin betrunken, aber ich rede die Wahrheit! rief er. O verzeihen Sie ihm, um des lieben Jesu Festes willen!

– Nun hör’ auf, alter Flenner!

Und Naoum trat aus die Freitreppe.

– Um Afdotja Arefjewna’s willen verzeihen Sie ihm! flehte Jephrem, der ihm folgte.

Naoum ging nach dem Keller zu und öffnete die Thüre weit. Jephrem streckte mit ängstlicher Neugier den Hals hinter Naoum’s Rücken vor und entdeckte mit Mühe im Winkel des nicht sehr großen Kellers Akim. Der ehemalige reiche Hofbauer, der in der ganzen Umgegend sehr geachtete Mann, saß jetzt mit gebundenen Händen auf dem Stroh wie ein Verbrecher. Geräusch vernehmend, erhob er den Kopf . . . Er sah aus, als ob er in den letzten zwei Tagen und besonders in der letzten Nacht entsetzlich abgemagert sei – die eingefallenen Augen waren kaum noch sichtbar unter der hohen wachsgelben Stirn, die trockenen Lippen waren ganz blau geworden . . . sein ganzes Gesicht war verändert und hatte einen seltsamen, zugleich wilden und scheuen Ausdruck angenommen.

– Steh’ auf und komm heraus! sagte Naoum.

Akim stand auf und schwankte über die Schwelle.

– Akim Sseménitsch! rief Jephrem, hast Du Dein Leben verlieren wollen, mein Täubchen!

Akim blickte ihn schweigend an.

Hätt’ ich gewußt, warum Du Branntwein verlangtest, ich hätte Dir keinen gegeben; wahrhaftig ich hätte Dir keinen gegeben; ich glaube, ich hätte ihn selbst allein getrunken! . . . Ach, Naoum Iwaniksch! fuhr Jephrem fort, Naoum bei der Hand fassend, – erbarmen Sie sich seiner, lassen Sie ihn frei!

– Narrheiten! sagte höhnisch lächelnd Naoum.

Nun, komm heraus! fügte er hinzu, sich wieder zu Akim wendend . . . Warum wartest Du?

– Naoum Iwanitsch! hub Akim an.

– Nun was?

– Naoum Iwanitsch! wiederholte Akim! hör’ mich an, ich hin schuldig; ich wollte selbst mit Dir rechten, und Gott allein soll über uns Richter sein. Du hast mir Alles genommen, Du weißt es selbst. Alles, bis auf das Letzte. Jetzt kannst Du mich verderben und ich habe Dir nur dieses zu sagen: wenn Du mich jetzt frei lässest – nun – so sei’s drum. Behalte Alles! Ich bin zufrieden und wünsche Dir alles Glück. Ich sage Dir wie vor Gott: laß mich frei – Du wirst es nicht zu bereuen haben. Gott sei mit Dir.

Akim schloß die Augen und schwieg.

– Wirklich? Ei das wäre Dir zu glauben!

– Ja bei Gott! Du kannst ihm glauben, rief Jephrem; kannst ihm wahrhaftig glauben. Ich setze für ihn, für Akim Sseménitsch meinen Kopf zum Pfand – ja wahrhaftig!

– Dummes Zeug! erwiderte Naoum. – Vorwärts! Akim hielt den Blick auf ihn gerichtet.

– Wie es Dir am besten scheint, Naoum Iwanitsch! Du hast die Wahl. Aber Du nimmst viel auf Deine Seele. Wenn Du es so eilig hast – wohlan so fahren wir . . .

Naoum faßte seinerseits Akim scharf in’s Auge. »Sollte es nicht wirklich besser sein, dachte er, ihn zum Teufel zu schicken? Sonst bin ich vor den Leuten meines Lebens nicht sicher . . . und Afdotja würde mir keine Stunde Ruhe lassen . . .

Während Naoum so die Sache überlegte, sprach Keiner ein Wort. Der Arbeiter auf der Telega, welcher durch das Thor alles sehen konnte, schüttelte nur mit dem Kopfe und bewegte zuweilen die Zügel. Die beiden andern Arbeiter standen auf der Freitreppe und schwiegen gleichfalls.

– Nun höre, Alter! hub Naoum an: wenn ich Dich freilasse – und diesen Burschen (er deutete mit dem Kopfe auf die Arbeiter) befehle, nichts auszuplaudern – sind wir dann quitt mit einander? – Du verstehst mich – quitt . . . wie?

– Wie ich Dir gesagt habe, behalte Alles!

– Und Du anerkennst, daß ich Dir Nichts schuldig bin?

– Du wirst mir so wenig schuldig sein, wie ich Dir.

Naoum schwieg eine Weile.

– Schwör’ es mir vor Gott!

– So wahr Gott heilig ist, erwiderte Akim.

– Ich weiß vorher, daß ich es bereuen werde, sagte Naoum – doch es bleibe dabei, was auch komme! Gib mir die Hand darauf.

Akim drehte ihm den Rücken zu; Naoum fing an ihn loszubinden.

– Hör’, Alter, fuhr er fort, den Strick durch seine Hand ziehend – vergiß nicht, daß ich Dich befreit habe, merk Dir’s wohl! – O mein Täubchen, Naoum Iwanitsch! rief Jephrem, – unser Herrgott wird’s Ihnen lohnen.

Akim streckte seine geschwollenen und eiskalten Hände und ging dann dem Hofthore zu.

Naoum überkam plötzlich eine Judenreue, wie man zu sagen pflegt, gleich als ob es ihm leid wäre, Akim freigelassen zu haben: – Merk Dir’s wohl, Du hast geschworen! rief er ihm nach.

Akim wandte sich um und indem er die Blicke über den Hof hinschweifen ließ, sprach er mit trauriger Stimm: Behalte alles, auf ewig und unwiderruflich! . . . Leb wohl!

Und langsam ging er zur Straße hinaus; Jephrem begleitete ihn. Naoum winkte mit der Hand, befahl auszuspannen und kehrte in’s Haus zurück.

– Wohin gehst Du, Akim Sseménitsch? nicht zu mir? fragte Jephrem, als er sah, daß Akim vom großen Wege rechts abbog.

– Nein, Jephremuschka, ich danke, erwiderte Akim . . . Ich will sehen, was meine Frau macht.

– Das kannst Du ja später sehen . . . Jetzt wär’ es doch nöthig, auf die Freude hin eins . . . Du verstehst mich?

– Nein, ich danke, Jephrem . . . Ich bin auch so zufrieden. Leb’ wohl.

Und Akim ging fort, ohne sich weiter umzusehen.

– Seht mir doch! auch so zufrieden! rief Jephrem mit verlegenem Staunen und ich habe noch für ihn geschworen! Nein, das hätt’ ich nicht erwartet von ihm, fuhr er traurig fort« – nachdem ich für ihn geschworen habe. Pfui!

Er erinnerte sich, daß er vergessen habe, das Küchenmesser und den Topf mitzunehmen, und er kehrte in das Wirthshaus zurück . . . Naoum befahl ihm seine Sachen herauszugeben, dachte aber nicht daran, ihm ein Gläschen vorzusetzen. Ganz niedergeschlagen und völlig nüchtern kam er wieder in seiner Hütte an.

– Nun, wie steht’s? fragte seine Frau – gefunden?

– Was gefunden? entgegnete Jephrem.

– Natürlich hab’ ich gefunden! Da ist Dein Topf.

– Akim? fragte mit scharfer Betonung die Frau.

Jephrem nickte.

– Akim. Aber ist das eine Gans! Ich habe für ihn geschworen, ohne mich würde er im Kerker verfault sein, und er hat mir nicht einmal einen Schnaps dafür gegeben. Uljana Fedorowna, Du wirst gütiger gegen mich sein, verehre mir ein Glas Branntwein!

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