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Kitabı oku: «Stilleben», sayfa 3

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– Halte das Licht vor Deine Brust, sagte Jegor Kapitonitsch mit weinerlicher Stimme, – halte es so, daß ich Dein Gesicht sehe! Zu Grunde richtest Du mich, zu Grunde, Du gewissenloser Mensch, gänzlich zu Grunde.

– Wodurch denn, ich bitte Sie, Jegor Kapitonitsch, ließ sich die dumpfe und schläfrige Stimme des Dieners vernehmen – Wodurch? soll ich Dir’s sagen, wodurch? Wie oft habe ich Dir’s angesagt: Mitka, habe ich Dir immer gesagt, wenn Du mich irgendwohin zu Besuche begleitest, sollst Du jedes Mal zwei Stück von jedem Kleidungsstücke mitnehmen, besonders . . . halte das Licht vor die Brust . . . besonders von Unterkleidern. Und was hast Du heute mit mir gemacht?

– Was denn?

– Was denn ? Und was werde ich morgen anziehen?

– Dasselbe, was Sie heute angehabt haben.

– Zu Grunde richtest Du mich, Spitzbube, ganz zu Grunde! Schon heute wußte ich nicht, wo ich vor Hitze bleiben sollte. Halte das Licht vor die Brust, sage ich Dir, und schlafe nicht, wenn Dein Herr sich mit Dir unterhält!

– Aber Matröna Markowna hat ja selbst gesagt, das wäre genug; wozu das Pack Kleidungsstücke mitschleppen? Ganz unnützerweise reibe es sich durch.

– Matröna Markowna . . . Geht denn so Etwas Frauen an? Ach, Ihr richtet mich zu Grunde, richtet mich zu Grunde!

– Jachim meinte auch, es wäre nicht nöthig.

– Wie sagst Du?

– Ich sage, Jachim meinte es auch.

– Jachim! Jachim! wiederholte Jegor Kapitonitsch mit verweisendem Tone, – ach, verdammtes Pack, richtet mich gänzlich zu Grunde, nicht einmal russisch verstehen sie sich auszudrücken. Jachim! Was ist das, Jachim! Jephim, nun, das geht noch hin, das kann man noch sagen; denn der wirkliche, griechische Name ist Enthymios, hast Du verstanden? . . . Halt’ das Licht vor die Brust . . . der Kürze wegen kann man Jephim schon sagen, aber Jachim, ganz und gar nicht! Jachim, setzte Jegor Kapitonitsch, die Silbe – Ja – betonend, hinzu. – Ihr richtet mich zu Grunde. Spitzbuben Hals das Licht vor die Brust!

Und lange noch fuhr Jegor Kapitonitsch in seinen lehrreichen Unterweisungen gegen den Diener fort, ungeachtet der Seufzer, des Hüstelns und anderer Zeichen der Ungeduld von Seiten Astachow’s . . .

Endlich ließ er seinen Mitka gehen und schlief ein, doch Astachow wurde dadurch nicht leichter zu Muthe: Jegor Kapitonitsch hatte ein so starkes und tiefes Schnarchen, mit so launischen Uebergängen von den höchsten bis zu den tiefsten Tönen, mit Pfeifen und sogar Knallen, daß die Bretterwand selbst vom Widerhall zu zittern schien; der arme Astachow hätte weinen mögen In dem Zimmer, das man ihm angewiesen hatte, war es sehr schwül, und der Bettpfiihl, auf welchem er ruhete, umfing seinen Körper mit einer gewissen schleichenden, lästigen Hitze.

In Verzweiflung stand Astachow zuletzt auf, öffnete das Fenster und athmete mit Gier die duftgeschwängerte nächtliche Kühle ein. Das Fenster ging auf den Garten hinaus; der Himmel war hell, das runde Bild des vollen Mondes spiegelte sich bald deutlich im Teiche ab, bald zerrann dasselbe zu einer langen Garbe schillernder Lichtfunken. Auf einem Wege des Gartens wurde Astachow eine weibliche Gestalt gewahr; er faßte dieselbe schärfer in’s Auge: es war Marja; im Lichte des Mondes schien ihr Gesicht bleich. Sie stand unbeweglich und begann auf einmal zu reden . . . Astachow streckte vorsichtig den Kopf vor . . .

 
Doch einen Menschen schickt ein Mensch
Zum Antschar hin – mit Herrscherwort.
 

vermochte er zu hören . . .

»So, so,« dachte er, »das liebe Gedicht hat also eine Wirkung geäußert« . . . Und mit verdoppelter Aufmerksamkeit schickte er sich an, aufzuhorchen . . . Marja verstummte jedoch bald und kam ihm noch deutlicher zu Gesicht, so daß er ihre großen dunklen Augen, ihre strengen Augenbrauen und Lippen zu unterscheiden im Stande war . . .

Plötzlich schrak sie zusammen , kehrte um, trat in den Schatten einer dichten Akazienwand und verschwand. Astachow blieb noch ziemlich lange am Fenster stehen, dann legte er sich wieder hin, schlief jedoch nicht so bald ein. »Ein sonderbares Wesen« – dachte er, indem er sich von einer Seite auf die andere wälzte – »und da behauptet man noch, es gebe in der Provinz nichts Eigenthümliches . . . Weit gefehlt! Ein sonderbares Wesen! Morgen will ich sie fragen, was sie im Garten gemacht hat.«

Jegor Kapitonitsch schnarchte inzwischen nach wie vor.

III

Astachow erwachte ziemlich spät und machte sich sogleich nach dem Thee und Frühstück im Speisesaale auf den Weg nach Hause, um seine Wirthschaftsangelegenheiten in Ordnung zu bringen, obgleich ihn der alte Ipatow zurückzuhalten versuchte.

Marja war gleichfalls beim Thee zugegen; Astachow hielt es jedoch nicht für nöthig, sie über ihren gestrigen nächtlichen Spaziergang zu befragen; er gehörte zu jener Classe von Menschen, denen es schwer fällt, zwei Tage hintereinander sich ungewöhnlichen Gedanken und Muthmaßungen hinzugeben Er hätte ein Gespräch über Gedichte einleiten müssen, aber die sogenannte »poetische« Stimmung ermüdete ihn bald. Die ganze Zeit bis zum Essen brachte er auf den Feldern, im Freien zu, aß zu Mittag mit großem Appetit, machte ein Schläfchen und nachdem er wieder erwacht war, wollte er die Rechnungen des Dorfältesten vornehmen, hatte jedoch die erste Seite noch nicht durchgesehen, als er Befehl gab, den Tarantaß anzuspannen und nach Ipatowka fuhr .Wie es scheint, haben auch positive Leute kein steinernes Herz in der Brust und lassen sich Langweile ebenso ungern gefallen wie andere einfache Leute.

Als er auf dem Damme angekommen war, vernahm er Gesang und Musiktöne. Es wurden bei Ipatow’s russische Lieder im Chor gesungen. Er traf die ganze Gesellschaft, die er am Morgen verlassen hatte, aus der Terrasse an; es saßen Alle, und Nadeschda ebenfalls; im Kreise herum um einen jungen Mann von etwa dreißig Jahren, brauner Gesichtsfarbe, mit schwarzem Haare und schwarzen Augen, in kurzem Sammtrock, mit einem nachlässig um den Hals geschlungenen Tuche und einer Guitarre in den Händen. Das war Peter Alexeitsch Weretjew, Nadeschda’s Bruder. Als der alte Ipatow Astachow’s ansichtig wurde, ging er demselben mit freudigem Rufen entgegen, führte ihm Weretjew zu und stellte Beide einander vor. Nachdem Astachow die herkömmlichen Begrüßungen mit dem neuen Bekannten gewechselt hatte, grüßte er achtungsvoll dessen Schwester.

– Wir vertreiben uns die Zeit nach ländlicher Sitte mit Singen, Wladimir Sergeïtsch, redete ihn Ipatow an, und setzte dann, auf Weretjew deutend, hinzu: – Peter Alexeitsch ist unser Vorsänger – und wie! Das mögen Sie anhören.

– Das ist sehr angenehm, erwiderte Astachow.

– Wünschen Sie nicht am Chorgesange theilzunehmen? fragte ihn Nadeschda.

– Herzlich gern thäte ich es, ich habe aber keine Stimme.

– Das thut nichts! Sehen Sie da, Jegor Kapitonitsch singt ja auch mit, und ich ebenfalls.

Sie brauchen dabei nur einen Ton auszuhalten. Setzen Sie sich nur. Nun, Bruder, stimme an.

– Was singen wir denn aber jetzt? fragte Weretjew, auf den Saiten der Guitarre herumfingernd. Plötzlich hielt er inne, blickte Marja an, die neben ihm saß, und sagte: – Jetzt ist die Reihe, denke ich, an Ihnen!

– Nein, singen Sie, entgegnete Marja.

– Da wäre das Lied «Hinab den lieben Wolgastrom« recht schön, fiel Astachow mit wichtiger Miene ein.

– Nein, dieses Lied heben wir uns zum Schlusse auf, erwiderte Weretjew und stimmte gedehnt: »Es neigt die Sonne sich« an.

Er sang vortrefflich, schwungvoll und freudig. Sein männliches, ohnehin ausdrucksvolles Gesicht wurde noch belebter, wenn er sang; von Zeit zu Zeit zuckte er die Achseln, drückte die Saiten mit der Handfläche an, schüttelte den Lockenkopf, streckte die Hand ans und blickte kühn um sich herum. Er hatte in Moskau oft Gelegenheit gehabt, den berühmten Ilja3 zu sehen und jetzt copirte er denselben. Der Chor stimmte wacker ein. Wie ein strahlender Stern, von den übrigen Stimmen gesondert, zog Marja’s Stimme die übrigen gleichsam nach sich; sie wollte jedoch nicht allein singen und Weretjew blieb bis zuletzt der Vorsänger.

Es wurden noch einige andere Lieder gesungen . . .

Inzwischen war mit dem Abende ein Gewitter heraufgezogen. Schon seit Mittag war es schwül gewesen und hatte es in der Ferne gedonnert; nun aber wälzte sich eine breite Gewitterwolke, die schon geraume Zeit wie ein bleierner Reif am Horizonte gelegen hatte, heran und wuchs und stieg hinter den Gipfeln der Bäume empor. Immer merkbarer wurde das Zittern der schwülen Luft, die von dem heranrollenden Donner heftiger und heftiger erschüttert wurde, der Wind erhob sich, stoßweiße rauschte er durch das Laub, verstummte, kehrte mit anhaltenderem Rauschen wieder, zog brausend dahin; ein düsteres Dämmerlicht breitete sich rasch über die Erde auf und vermischte den letzten Widerschein der Abendröthe, dichte Wolkenknäuel stiegen plötzlich auf und flogen wie fortgerissen am Himmel hin; es begannen Tropfen zu fallen, es zuckte ein feuerrother Blitz und schwer und krachend erschallte der Donner-.

– Wir wollen fortgehen, äußerte der alte Ipatow.

– Wir könnten durchnäßt werden.

Alle erhoben sich.

– Gleich, rief Weretjew, – noch das letzte Lied, Hört!

 
Oh Du mein Häuschen, liebes Häuschen,
Nagelneues Häuschen mein . . .
 

stimmte er mit voller Stimme an und griff dazu rasch mit der ganzen Hand in die Saiten. »Häuschen mein, aus Ahornholz«, fiel der ganze Chor, unwillkürlich hingerissen, ein. Fast in demselben Augenblick aber begann der Regen in Strömen zu fallen; Weretjew sang indessen das »Oh Du mein Häuschen« bis zu Ende. Das von Zeit zu Zeit vom Rollen des Donners übertönte kecke Liedchen machte sich noch kecker beim Geräusche des fallenden, rieselnden Regens. Endlich erschallte der letzte Tonschwall des Chores – und die ganze Gesellschaft flüchtete lachend in’s Gastzimmer. Besonders brachen die kleinen Mädchen, Ipatow’s Töchter, in lautes Lachen aus, indem sie dabei die Regentropfen von ihren Kleidchen abschüttelten Ipatow jedoch schloß vorsichtshalber Fenster und Thüren, und Jegor Kapitonitsch lobte ihn deshalb, indem er dabei bemerkte, Matröna Markowna ließe, wenn gerade Gewitter wäre, Alles verschließen, denn die Elektricität äußere ihre Wirkung vornehmlich in leeren Zwischenräumen. Bodräkow blickte ihn an, trat auf die Seite und 57 stieß einen Stuhl um. Dergleichen kleine Unfälle passierten ihm beständig.

Das Gewitter war bald vorüber. Thüren und Fenster wurden wieder geöffnet und feuchter Wohlgeruch drang in die Zimmer.

Der Thee wurde gebracht. Nach dem Thee setzten sich die Alten wieder an den Kartentisch Iwan Iljitsch gesellte sich, seiner Gewohnheit getreu, zu ihnen. Astachow wollte zu Marja, die mit Weretjew am Fenster saß, Nadeschda rief ihn jedoch zu sich und knüpfte sogleich ein lebhaftes Gespräch über Petersburg und das Leben daselbst mit ihm an. Sie ließ sich in Angriffen gegen dasselbe aus; Astachow vertheidigte es. Es hatte den Anschein, als wollte Nadeschda ihn aufhalten.

– Worüber streitet Ihr da? fragte Weretjew, indem er aufstand und sich ihnen näherte.

Er schlenkerte träge beim Gehen, in allen seinen Bewegungen war Etwas wie Nachlässigkeit oder Ermüdung zu bemerken.

– Es ist immer von Petersburg die Rede, erwiderte Nadeschda. – Wladimir Sergeïtsch weiß diese Stadt nicht genug zu loben.

– Es ist eine schöne Stadt, warf Weretjew hin. – übrigens lebt sich’s überall gut. Wahrhaftig! Hat man nur zwei, drei Weiber und, mit Ihrer Erlaubnis, Wein dazu, was bliebe noch zu wünschen übrig?

– Das wundert mich! entgegnete Astachow. – Sind Sie wirklich auch der Meinung, es gäbe für einen gebildeten Mann keine . . .

– Vielleicht . . . gewiß . . . ich stimme Ihnen bei, unterbrach ihn Weretjew, dessen Gewohnheit es war, bei aller Höflichkeit auf Einwände, die man ihm machte, nicht Acht zu geben, – damit habe ich aber nichts zu schaffen, ich bin kein Philosoph.

– Auch ich bin kein Philosoph, erwiderte Astachow, – und wünsche auch durchaus nicht, einer zu sein; es ist aber von Anderem hier die Rede.

Weretjew warf einen zerstreuten Blick auf seine Schwester, die mit leichtem Lächeln sich gegen ihn neigte und ihm halblaut zuflüsterte:

– Petruscha, Herzchen, stelle uns Jegor Kapitonitsch dar, thue mir den Gefallen.

Weretjew’s Gesicht veränderte sich in einem Augenblicke und wurde, Gott weiß, durch welche Teufelskunst, dem Gesichte Jegor Kapitonitschs auffallend ähnlich, obgleich die Züge Beider durchaus Nichts mit einander gemein hatten, und Weretjew überhaupt nur die Nase ein wenig rümpfte und die Mundwinkel herabzog.

– Freilich, begann er, flüsternd die Stimme Jegor Kapitonitschs nachahmend, – Matröna Markowna ist streng in Betreff der Manieren; aber dabei doch ein Muster von Gattin Freilich, was ich auch sagen mag . . .

– Die Birülew’sechen Fräuleins erfahren es sogleich, ergänzte Nadeschda mit kaum zurückgehaltenem Lachen.

– Ist gleich am folgenden Tage bekannt, entgegnete Weretjew mit so komischer Grimasse, mit so confusem Seitenblicke, daß selbst Astachow dazu lachte.

– Sie haben, sehe ich, ein großes Talent zum Copiren, bemerkte er.

Weretjew fuhr mit der Hand über das Gesicht, seine Züge nahmen wieder den gewohnten Ausdruck an, und Nadeschda rief:

– Oh, ja wohl! er copirt Jedermann nach Belieben . . . Darin ist er Künstler.

– Und könnten Sie mich zum Beispiel auch darstellen? fragte Astachow.

– Ganz gewiß! erwiderte Nadeschda, – das versteht sich.

– Ach, thun Sie mir den Gefallen, stellen Sie mich dar, sagte Astachow zu Weretjew gewandt. – Ich bitte Sie, ohne Umstände.

– Und Sie glauben ihr? entgegnete Weretjew, indem er leicht mit einem Auge blinzte und seiner Stimme den Ausdruck der Stimme Astachows gab, doch that er es so vorsichtig und zart, daß nur Nadeschda es bemerkte und sich in die Lippen biß, – ich bitte Sie, glauben Sie ihr nicht, sie wäre im Staude, Ihnen alles Mögliche von mir zu erzählen.

– Und was für ein Schauspieler er ist! Wenn Sie wüßten, fuhr Nadeschda fort, – alle erdenklichen Rollen spielt er. Und wie schön! Er ist unser Regisseur, Souffleur und Alles, was Sie wollen. Schade, daß Sie uns so bald verlassen.

– Schwester, Deine Vorliebe macht Dich blind, äußerte Weretjew mit wichtigem Tone, doch immer mit derselben Nuance, – was wird Herr Astachow von Dir denken? Er wird Dich für eine Kleinstädterin halten.

– Wie können Sie aber, wandte Astachow ein . . .

– Weißt Du, Petruscha, fiel Nadeschda ein, gieb uns, ich bitte Dich, das Stück zum Besten, wie ein Betrunkener sich vergebens bemüht, sein Taschentuch aus der Tasche hervorzuholen, oder nein, besser noch, wie ein Knabe eine Fliege an der Fensterscheibe fangen will und sie in seinen Fingern summt.

– Du bist ein wahres Kind, entgegnete Weretjew.

Er stand jedoch auf und trat an’s Fenster, an welchem Marja saß, und begann mit der Hand auf der Scheibe herumzustreichen und den fliegenhaschenden Knaben zu copieren. Die Treue, mit welcher er das klägliche, unterbrochene Gesumme der Fliege wiedergab, war in der That bewunderungswürdig. Man hätte glauben können, eine wirkliche, lebende Fliege suche seinen Fingern zu entkommen. Nadeschda lachte auf und bald lachten alle Uebrigen im Zimmer mit, Marias Gesicht allein blieb unverändert, nicht einmal ihre Lippen bewegten sich. Sie saß mit gesenktem Blicke da; zuletzt erhob sie die Augen, warf einen ernsten Blick aus Weretjew und sagte durch die Zähne:

– Ein schönes Vergnügen, den Possenreißer zu spielen!

Weretjew wandte sofort dem Fenster den Rücken, blieb eine Weile im Zimmer stehen, ging dann auf die Terrasse und von dort hinab in den dunkel gewordenen Garten.

– Ein wahrer Spaßvogel, der Peter Alexeitsch! rief Jegor Kapitonitsch, indem er mit einer Sieben das Aß seines Mitspielers knallend trumpfte. – Wahrhaftig ein Spaßvogel!

Nadeschda war hastig aufgestanden, zu Marja geeilt und hatte sie gefragt:

– Was hast Du dem Bruder gesagt?

– Nichts, gab die andere zurück.

– Wie, nichts ? Das kann nicht sein.

Und bald darauf sagte-Nadeschda: »Komm!« ergriff Marja bei der Hand, zwang sie aufzustehen und mit ihr in den Garten zu gehen.

Astachow sah beiden jungen Mädchen nicht ohne Befremden nach. Die Abwesenheit derselben war jedoch von kurzer Dauer; eine Viertelstunde darauf kehrten sie wieder und zugleich mit ihnen trat auch Peter Alexeitsch herein.

– Was für eine herrliche Nacht! rief Nadeschda im Hereintreten. – Wie schön ist es im Garten! – Ach ja, mir fällt Etwas ein! sagte Astachow. – Dürfte ich wohl fragen, Marja Pawlowna, ob Sie es gewesen sind, die ich gestern Abend im Garten habe spazieren gehen sehen?

Marja warf rasch einen Blick auf ihn.

– Sie declamirten, so viel ich hören konnte, Puschkin’s »Antschar«.

Weretjews Brauen zogen sich leicht zusammen und auch er sah Astachow in’s Gesicht.

– Das war ich in der That, sagte Marja, – ich habe jedoch nichts declamirt, ich declamire niemals.

– Ich muß mich dann wohl getäuscht haben, begann Astachow, – indessen . . .

– Das hat Ihnen so gedäucht, entgegnete ihm Marja trocken.

– Was ist das, »Antschar?« fragte Nadeschda.

– Sie kennen es nicht? erwiderte Astachow, – Puschkin’s Gedicht: »Auf sonnverbranntem, dürrem Boden,« sollten Sie sich wirklich desselben nicht erinnern?

– Ich weiß mich dessen nicht recht zu entsinnen . . .

Der Antschar – ist’s nicht ein Giftbaum?

– Nun ja.

– Wie die Daturen . . . Erinnerst Du Dich noch, Mascha, wie schön die Daturen bei uns auf dem Balkon bei Mondschein waren, mit ihren langen, weißen Blüthen? Erinnerst Du Dich, was für einen süßen, berückenden und heimtückischen Duft dieselben um sich verbreiteten ?

– Einen heimtückischen Duft? rief Astachow.

– Ja wohl, einen heimtückischen. Was nimmt Sie das Wunder? Dieser Duft ist, sagt man, gefahrbringend und doch zieht er an. Warum kann Böses Anziehungskraft besitzen? Das Böse sollte nicht schön sein!

– Oho! Philosophie! bemerkte Peter Alexeitsch, wohin sind wir von dem Gedichte abgekommen!

– Ich habe dies Gedicht Marja Pawlowna gestern vorgetragen, warf Astachow ein, – und es hat ihr sehr gefallen.

– Ach, ich bitte, sagen Sie dasselbe her! bat Nadeschda.

– Mit Vergnügen.

Und Astachow declamirte den »Antschar«.

– Gar zu hochtrabend! äußerte Weretjew nachlässig, sobald Astachow zu Ende war.

– Das Gedicht wäre zu hochtrabend?

– Nein, nicht das Gedicht . . . Sie werden mich entschuldigen, mir scheint, Sie declamiren nicht natürlich genug. Das Ding ist an sich selbst klar; möglich, daß ich mich täusche.

– Nein, Du täuschest Dich nicht, sagte Nadeschda mit Nachdruck.

– Oh, es ist eine bekannte Sache! in Deinen Augen bin ich ein Genie, der talentvollste Mensch, der Alles weiß, Alles zu thun im Stande ist, leider jedoch vor Trägheit nicht fort kann, nicht wahr?

Nadeschda gab nur ein Kopfschütteln zurück.

– Ich widerspreche Ihnen nicht, Sie müssen es besser wissen, bemerkte Astachow mit leichtem Schmollen. – Das schlägt nicht in mein Fach.

– Ich war im Irrthume, Sie entschuldigen, sagte hastig Weretjew.

Unterdessen hatten die Alten ihre Partie beendet.

– Ach, damit ich es nicht vergesse, sagte Ipatow aufstehend, – ein Gutsbesitzer aus Unserer Gegend und mein Nachbar, ein herrlicher und achtungswerther Mann, Akilin, Gawrila Stepanitsch, hat mir den Auftrag gegeben, Sie zu bitten, Sie möchten ihm die Ehre Ihres Besuches gönnen, und zwar bei Gelegenheit eines Balles, d. h. ich nenne es nur allegorisch einen Ball, es ist einfach eine Abendgesellschaft mit nachfolgendem Tänzchen, ganz ungenirt. Er würde Sie selbst besucht haben, befürchtete jedoch zu stören.

– Sehr freundlich vom Herrn Gutsbesitzer, entgegnete Astachow, – ich muß aber morgen durchaus nach Hause fahren . . .

– Ja, was denken Sie denn, wann der Ball stattfindet? Morgen schon! Morgen ist Gawrila Stepanitsch’s Namenstag. Auf einen Tag kann es Ihnen nicht ankommen, und welche Freude würden Sie ihm bereiten! Dazu ist es nicht mehr als zehn Werst von hier. Wenn Sie erlauben, fahren wir zusammen hin.

– Ich weiß wirklich nicht. wandte Astachow ein. – Werden Sie hinfahren?

– Mit der ganzen Familie! Auch Nadeschda Alexejewna und Peter Alexeitsch, Alle fahren hin!

– Sie können mich, wenn Sie Lust haben, stehenden Fußes zur fünften Quadrille engagiren, bemerkte Nadeschda. – Die vier ersten sind schon vergeben.

– Sie sind sehr freundlich! Nun, und zur Mazurka, haben Sie die Mazurka auch nicht mehr frei?

– Ich? Warten Sie, ich muß mich besinnen . . . Nein, mir däucht, für die bin ich noch nicht engagirt.

– In diesem Falle möchte ich mir die Ehre ausbitten . . .

– Sie fahren also mit? Vortrefflich! Mit Vergnügen!

– Bravo! rief Ipatow. – Nun, Wladimir Sergeïtsch, das war doch schön von Ihnen! Gawrila Stepanitsch wird ganz entzückt sein. Nicht wahr, Iwan Iljitsch?

Iwan Iljitsch wollte nun zwar, seiner beständigen Gewohnheit gemäß, stillschweigen; er hielt es jedoch diesmal für besser, einen beistimmenden Laut hören zu lassen.

####

– Was ist Dir denn eingefallen? sagte eine Stunde darauf Peter Alexeitsch zu seiner Schwester, als er mit ihr zusammen in einem leichten Wagen saß, den er selbst kutschirte, – was ist Dir denn eingefallen, Dich diesem Sauertopfe für die Mazurka aufzudrängen?

– Ich habe meine Pläne dabei, erwiderte Nadeschda.

– Was für Pläne? möchte ich gern wissen.

– Das ist mein Geheimniß.

– Oho! Und er gab dem Pferde, das die Ohren zu spitzen, zu schnauben und störrisch zu werden anfing, einen leichten Schlag mit der Peitsche. Der Schatten eines großen Weidenbusches, der auf den schwach vom Monde erleuchteten Weg fiel, hatte das Thier scheu gemacht.

– Du wirst doch mit Mascha tanzen? richtete ihrerseits Nadeschda die Frage an ihren Bruder.

– Ja, warf er gleichgültig hin.

– Ja, ja! wiederholte Nadeschda mit vorwurfsvollem Tone. – Ihr Männer, setzte sie nach einiger Zeit hinzu, – seid es durchaus nicht werth, daß ordentliche Frauen Liebe für Euch fühlen.

– Du glaubst? Nun, und dieser Petersburger Sauertopf, der wäre es werth?

– Doch eher als Du.

– So!

Und mit einem Seufzer declamirte Peter Alexeitsch:

 
Erwachsner Schwester – Bruder sein,
Giebt’s wohl, o Himmel, größ’re Pein?
 

Nadeschda lachte auf.

– Das muß man sagen, ich mache Dir viel Sorgen! Du, mein Lieber, bist’s, der mir zu schaffen giebt.

– Was Du sagst! hätte ich das doch nicht vermuthet!

– Es ist nicht von Mascha die Rede.

– Nicht? wovon denn?

Nadeschda’s Gesicht umwölkte sich etwas.

– Du weißt es selbst, sagte sie leise.

– Ach, ich verstehe! Was wollen Sie, Nadeschda Alexejewna? Ich trinke gern ein Gläschen mit guten Freunden, das ist nun einmal meine schwache Seite, ich gestehe es.

– Höre doch auf, Bruder, sprich doch nicht so . . . Damit ist nicht zu scherzen.

– Tram – tram – tam – pum! murmelte Peter Alexeitsch durch die Zähne.

– Du rennst in’s Verderben und scherzest dabei . . .

»Ein Bauer säete Gerste, Mohn ist’s sagt’ sein Weib,« stimmte Peter Alexeitsch mit lauter Stimme an und schlug mit der Leine das Pferd, das in raschem Trabe dahinlief.

3.Zigeunersänger.

Türler ve etiketler

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04 aralık 2019
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