Kitabı oku: «Recht auf Sterben – Recht auf Leben», sayfa 2
Die Entscheidung geht uns alle an
Meine Warnung: Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist weitreichend, sie kann jeden von uns betreffen. Hier zwei ganz konkrete mögliche Auswirkungen:
Die schwierige Lage der Helfer
Bei einer gesetzlichen Neuregelung der Materie muss man auch die Lage derjenigen beachten, die, oft ohne es zu wollen, Hilfe beim Sterben geben sollen. Die schwere Entscheidung von möglichen Helfern kann für diese sehr belastend sein. Vor allem, wenn man das Alter als wertvollen Lebensabschnitt betrachtet. Auch sollte man an jene denken, die gegen eine Sterbehilfe sind und darunter leiden würden.
Es kann sein, dass wir alsbald entscheiden müssen, ob wir selbst Hilfe bei der Selbsttötung für Verwandte oder Freunde geben wollen oder nicht. Jeder kann in die Situation kommen, unerwartet und plötzlich zu einer Entscheidung gedrängt zu werden, die er eigentlich nie treffen wollte.
Ein Beispiel aus der Realität, bei dem es um die schwierige Entscheidung des möglichen Helfers und den Kampf mit dem eigenen Gewissen geht:
Pias Vater Josef bittet um seine Tötung. Eigentlich war er noch gar nicht so alt, er hatte gerade seinen 75. Geburtstag gefeiert. Die meisten seiner gleichaltrigen Freunde und Freundinnen waren noch flott unterwegs und genossen ihr Leben. Aber Josef hatte schon öfters an Suizid gedacht, denn er hatte mehrere kleine Schlaganfälle erlitten, welche ihn stark einschränkten. So konnte er nur noch mit Mühe gehen, mit Hilfe eines Gehbockes oder Stockes oder wenn er sich bei jemandem einhängte. Auch seine Inkontinenz machte ihm schwer zu schaffen. Besonders schwierig wurde sein Leben aber durch seine Einstellung. Josef wollte mit seinen körperlichen Einschränkungen nicht weiterleben. Und er wollte auch keine langwierigen und mühsamen Therapien machen. Er wollte einfach nur sterben.
Schon bisher hatte er öfter an Suizid gedacht. Wenn er mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert war, kam ihm oft der Gedanke, sich das Leben zu nehmen. Manchmal setzte er seine Familie damit unter Druck. Er sprach mit seiner Tochter Pia immer wieder über dieses Thema. Er sprach mit ihr auch darüber, welche Methoden er für einen Selbstmord erwog.
Er konnte nur mehr Negatives an seinem Leben entdecken. Für Pia war das manchmal eine Herausforderung. Es gab schlicht nichts, was ihrem Vater Freude bereitete, so sehr sich Pia und Pias Familie auch bemühten. Josef war immer traurig, jammernd und schlecht gelaunt. Vor allem das Jammern und die schlechte Laune waren schwer zu ertragen.
Nach einem weiteren Schlaganfall wurde die Situation noch einmal erheblich schlechter. Der Vater konnte nun nicht mehr schlucken, er brauchte eine Magensonde. Der einzige Lustgewinn, den der Vater noch hatte – das Essen – fiel jetzt auch noch weg.
Dabei war er geistig völlig klar. Aber das erschwerte die Situation. Pia dachte oft, dass es vielleicht eine Gnade wäre, wenn ihr Vater geistig verwirrt wäre und nicht alles mitbekäme. Immer wieder teilte Josef seiner Tochter Pia mit, dass er nur noch sterben wolle. Pia konnte es nun sogar ein bisschen verstehen. Das war wirklich kein Leben mehr. Ihr Vater konnte mittlerweile nur noch im Bett liegen oder im Rollstuhl sitzen. Er konnte keine Körperfunktion mehr kontrollieren. Er konnte nichts mehr halten, gar nichts ohne Hilfe machen. Er konnte auch zusehends weniger sprechen, bis er eines Tages ganz ohne Sprache war. Als er noch deutlich reden konnte, hatte ihr Vater immer wieder gebeten: „Pia, gib mir ausreichend Schlafmittel in meine Magensonde, ich halte dieses Leben nicht mehr aus. Wenn ich könnte, ich würde es sofort selber tun. Bitte tu es für mich! Erweise mir diesen letzten Dienst.“
Aber Pia konnte nicht. Sie wollte auch nicht. Auch der deutlich ausgesprochene Wunsch ihres Vaters und das Verständnis für seine schwierige Situation halfen da nicht. Pia spürte, dass es ihr nicht gegeben war, über ein Menschenleben zu entscheiden. Sie spürte, dass sie auf ein anderes Leben keinen Einfluss nehmen durfte. Es wäre zwar problemlösend, bequem und erleichternd, aber sie wusste, dass sie damit nicht leben könnte und auch nicht leben wollte.
Nach insgesamt drei Jahren Rund-um-die-Uhr-Pflege starb Josef. Er konnte friedlich einschlafen. Und das war eine große Erleichterung. Pia empfand Freude und Stolz und selbst ihre drei Geschwister freuten sich darüber, dass die Familie diese Zeit so gut wie möglich gestalten konnte und auch so gut überstanden hatte.
Es war ein großer Zusammenhalt zwischen den vier Geschwistern entstanden und auch das Gefühl, dass man schwierige Situationen zusammen meistern kann. Pia dachte sehr oft, dass ihr Vater auch daran seine Freude gehabt habe und somit auch diese schwere Zeit ihren Sinn gehabt hatte.
Pia wurde sich später bewusst, dass es viele Menschen geben wird, die ihr Handeln vielleicht nicht verstehen können, einfach weil sie die Situation nicht selbst erlebt hatten.
Eine neue Option für den Freitod
Das Erkenntnis des VfGH kann sich auch auf diejenigen auswirken, die im Augenblick mit dem Gedanken an einen Suizid spielen, sei es wegen ihrer schweren Krankheit oder weil sie die Probleme ihres Lebens nicht mehr bewältigen können. Viele dieser Lebensunwilligen werden nun vermutlich die gesetzliche Regelung der Beihilfe zum Selbstmord abwarten, die der Gesetzgeber erlassen wird. Sie werden warten, um nicht selbst an sich Hand anlegen zu müssen, weil sie keinen blutigen Selbstmord begehen wollen. Sie erhoffen sich, durch die Hilfe Dritter einen weniger schlimmen Tod zu erleiden als durch einen Sturz von einer Brücke oder mit einer Waffe, die sie sich selbst an den Kopf halten müssten.
1Pressemitteilung des EGMR zum Urteil Haas vs. Schweiz, online 20. 1. 2011.
2Tiroler Tageszeitung, Chat mit Hermann Glettler am 14. 12. 2020.
3Alle Zitate: Hermann Glettler: „Menschenwürde geht anders“, Tiroler Tageszeitung, 19. 4. 2021, S. 2.
4Hermann Glettler: „Freigabe hat mich enttäuscht“, Krone Tirol, 2. 4. 2021, S. 37.
5Michael Schrom: „Hilfe zum Suizid in christlichen Heimen?“, Publik-Forum, 29. 1. 2021, S. 36.
6„Angebot schafft Nachfrage – Prominente Theologen lehnen Vorstoß ihrer Kollegen zu assistiertem Suizid ab“, Publik-Forum, 12. 2. 2021, S. 43.
7Christian Marte: „Zurückhaltung bei Sterbehilfe“, Gastkommentar, Tiroler Tageszeitung, 7. 10. 2020, S. 2.
8Michaela Reibenwein und Ida Metzger: „Ich weiß, dass ich jetzt sterbe“, Kurier, 13. 12. 2020, S. 9.
9Herbert Pichler bei einer Diskussion am 27. 9. 2020 abends im österreichischen Fernsehen.
10 Der Schlussbericht des Dialogforums Sterbehilfe findet sich auf der Homepage des Justizministeriums, siehe: www.bmj.gv.at/themen/Dialogforum-Sterbehilfe.
Kapitel 2
EIN NEUES GESETZ MUSS HER
Der Gesetzgeber steht in der Pflicht
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 11. Dezember 2020 die Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord aufgehoben und festgehalten, dass die teilweise Aufhebung des § 78 des Strafgesetzbuches erst mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft tritt – wohl auch deshalb, damit in der Zwischenzeit die Gesetzgeber, also Nationalrat und Bundesrat, Zeit haben, die entsprechenden gesetzgeberischen Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch auszuhandeln und zu beschließen.
Er hat erklärt, dass es nun am Gesetzgeber liege, durch neue gesetzliche Bestimmungen die Voraussetzungen zu schaffen, damit ein Missbrauch der Beihilfe zum Selbstmord ausgeschlossen wird.
Der Gesetzgeber muss also tätig werden und sich mit dem Thema befassen. Es braucht nun intensive Diskussionen, bis mehrheitsfähige Lösungen erarbeitet und im Nationalrat und Bundesrat als Gesetze beschlossen werden können.
Den Vorschlag, die Regelungen der neuen Gesetze in der Verfassung zu verankern, lehne ich ab. Dies aus folgenden Gründen: Um die Verfassungsmehrheit, also 2/3 der Stimmen, zu bekommen, ist es denkbar, dass die Parteien, die nicht in der Regierung sind, eine Gegenleistung für ihre Zustimmung einfordern, die überhaupt nichts mit diesem wichtigen Thema zu tun hat.
Zudem wäre für jede künftige Änderung einer Regelung (weil etwa eine Bestimmung missbraucht wurde) wieder eine 2/3-Mehrheit erforderlich. Dies könnte zu einer dauerhaften Einzementierung einer falschen Lösung führen, weil die Opposition wiederum die Möglichkeit hätte, ihre Zustimmung zu verweigern.
Solange der Gesetzgeber keine Gesetze beschließt, mit denen die Bedingungen für die Hilfe beim Selbstmord ausgestaltet sind, wird diese Hilfe in Österreich ohne jede Regelung straffrei bleiben.
Dann kann es zum Beispiel passieren, dass ein Sohn, der dem Gericht glaubhaft macht, dass er seinem Vater auf dessen Wunsch eine tödliche Tablette in den Kaffee gegeben hat, nicht bestraft werden kann. Dies wird so sein, weil das Gegenteil sehr schwer zu beweisen sein wird. Der bereits Gestorbene kann nicht mehr als Zeuge aussagen, dass er das überhaupt nicht wollte.
Bis zum 31. Dezember 2021 könnte der Sohn nur wegen „Mitwirkung am Selbstmord“ und nicht zum Beispiel wegen Mord (um an die Erbschaft zu kommen) bestraft werden. Nach dem 31. Dezember 2021 würde der Sohn ohne neue gesetzliche Regelung, wenn er das Gericht vom Sterbewunsch seines Vaters überzeugt, voraussichtlich gar nicht mehr bestraft werden können, doch Achtung:
„Wer ohne festgelegte Rahmenbedingungen jemandem beim Suizid helfen will, begibt sich auf dünnes Eis. Denn die Verleitung zum Suizid und die Tötung auf Verlangen bleiben auch nach dem Jahreswechsel strafbar. Weil die Abgrenzung heikel ist, riskieren Hilfswillige, unbeabsichtigt im Kriminal zu landen.“11
Das Gesetz muss Missbrauch ausschließen
Der Gesetzgeber muss Regeln festlegen, unter welchen konkreten Voraussetzungen straflose Beihilfe möglich sein wird.
Man muss Antworten auf folgende zentrale Frage finden: Wie muss die Mithilfe beim Selbstmord zukünftig gesetzlich geregelt werden, damit kein Missbrauch möglich wird?
Dazu hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Urteilsbegründung einiges festgehalten:
•Es geht um das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung. Dieses Recht umfasst auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben; dazu gehört aber auch die Entscheidung des Einzelnen, ob und aus welchen Gründen er sein Leben in Würde beenden will.
•Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst auch das Recht des Suizidwilligen, die Hilfe eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen.
•Da die Selbsttötung irreversibel, also endgültig und nicht mehr widerrufbar ist, muss die entsprechende freie Selbstbestimmung der zur Selbsttötung entschlossenen Person tatsächlich auf einer nicht bloß vorübergehenden, spontanen, sondern dauerhaften und überlegten Entscheidung beruhen.
•Der Schutz des Lebens verpflichtet den Gesetzgeber, die Hilfe eines Dritten bei der Selbsttötung zuzulassen, sofern der Entschluss auf einer freien Selbstbestimmung beruht, diesem also ein aufgeklärter und informierter Willensentschluss zugrunde liegt. Hierbei hat der Gesetzgeber auch zu berücksichtigen, dass der helfende Dritte eine hinreichende Grundlage dafür hat, dass der Suizidwillige tatsächlich eine auf freier Selbstbestimmung gegründete Entscheidung zur Selbsttötung gefasst hat.
•Die Entscheidung des Sterbewilligen, sich unter Mitwirkung eines Dritten zu töten, kann also nur dann Grundrechtsschutz genießen, wenn diese Entscheidung auf einer freien und unbeeinflussten Entscheidung fußt.
•Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass die freie Selbstbestimmung auch durch vielfältige soziale und ökonomische Umstände beeinflusst wird. Dementsprechend hat der Gesetzgeber Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vorzusehen, „damit die betroffene Person ihre Entscheidung zur Selbsttötung nicht unter dem Einfluss Dritter fasst“12. Es sind daher gesetzgeberische und sonstige staatliche Maßnahmen erforderlich, um den Unterschieden in den Lebensbedingungen der Betroffenen entgegenzuwirken.
•Zudem soll jedem ein Zugang zu einer palliativmedizinischen Versorgung offenstehen.
Oberste Priorität hat also folgendes Ziel: Es müssen alle Anstrengungen aufgebracht werden, damit die Gesetze so formuliert werden, dass kein Missbrauch der Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs möglich ist. Den Höchstrichtern ist bewusst, welch heikle Entscheidung sie getroffen haben.
An das künftige Gesetz stellt der damalige Direktor der Caritas Innsbruck, Georg Schärmer, den folgenden Anspruch:
„Es muss so gestaltet sein, dass es keinen Missbrauch zulässt. … Bei einer guten Betreuung verschwindet der Wunsch zu sterben auch wieder, aber wenn ich das nicht anbieten kann, manifestiert er sich.“13
Wilhelm Ortmayr, Chefredakteur der Academia, fordert:
„Geschaffen werden soll also ein klares, einschränkendes Regulativ, das Missbrauch möglichst verunmöglicht und dem Leben eine reelle Chance gibt. … Zu hinterfragen, warum ein Mensch sterben möchte (unerträgliche Schmerzen, ein Konkurs, Liebeskummer?), lässt der Verfassungsgerichtshof nach bisheriger Einschätzung nicht zu. Wenn man eine wirksame Schranke setzen will, dann muss man bei der Autonomie ansetzen. Dabei geht es im Grund um die Frage, ob eine freie und nachhaltige Entscheidung überhaupt möglich ist und wie der Nachweis darüber erbracht werden kann.“14
Die Frage des Nachweises der freien Entscheidung des Sterbewilligen ist von grundlegender Bedeutung und ich bin der Meinung, dass die vorherige Überprüfung und Dokumentierung dieser Entscheidung durch einen unabhängigen Richter zu erfolgen hat.
Vielleicht scheint einigen diese Vorgangsweise zu umständlich. Aber dem ist entgegenzuhalten, dass es um ein Menschenleben geht. Ich habe selbst miterlebt, dass bei einem Patienten in der Psychiatrie eine Richterin kommen musste, um zu prüfen, ob die Verwendung einer Fußmatte vor dem Patientenbett mit Alarmauslösung beim Betreten durch den Patienten eine Freiheitseinschränkung dieses Patienten ist. Wegen einer möglichen Freiheitseinschränkung muss nämlich die Verwendung jeder einzelnen Fußmatte durch einen individuellen Gerichtsbeschluss genehmigt werden.
Umso mehr ist der Aufwand gerechtfertigt, einen Richter einzuschalten, wenn es um die Genehmigung einer Tötung geht, um sicherzustellen, dass sich hinter der Mitwirkung am Selbstmord kein Mord verbirgt. Die Genehmigung der Beihilfe zum Selbstmord, also zur Tötung, soll der Gesellschaft durchaus einen besonderen Aufwand wert sein. Nur dadurch kann ein Missbrauch der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vermieden werden.
Der kritische Punkt bei der Beihilfe zum Selbstmord ist die Gefahr, dass der Betroffene ohne seine Zustimmung „gestorben werden“ kann. Nur wenn dieser Missbrauch verlässlich und hundertprozentig ausgeschlossen sein wird, könnte man Verständnis für die neuen Regelungen haben.
Der Europäische Gerichtshof urteilte in bisherigen Entscheidungen, dass alles, was den Missbrauch nicht tatsächlich ausschließt, gemäß § 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) untersagt ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte positionierte sich diesbezüglich deutlich:
•„Art. 2 EMRK verpflichtet die Behörden, eine Person an einer Selbsttötung zu hindern, wenn sie die Entscheidung dazu nicht frei und in Kenntnis aller Umstände getroffen hat.“
•Insbesondere dort, wo – wie in der Schweiz – von Gesetzgeber und Praxis ein relativ liberaler Umgang mit der Suizidbeihilfe getroffen worden sei, „müssen geeignete Maßnahmen zur Durchführung einer solchen Gesetzgebung insbesondere zur Verhinderung von Missbrauch getroffen werden.“
•Die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK reicht daher jedenfalls so weit, dass der Staat denjenigen, der nicht oder sogar unfreiwillig Suizid begehen bzw. sich Sterbehilfe leisten lassen will, hieran hindern kann und muss.
•Zentrales Abgrenzungskriterium ist die freiverantwortliche Entscheidung des Sterbewilligen: Der in Art. 2 EMRK verankerte Schutz des Lebens verpflichte die Mitgliedstaaten dazu, „durch ein angemessenes Verfahren sicherzustellen, dass die Entscheidung, sein Leben zu beenden, tatsächlich dem freien Willen des Betroffenen entspricht.“15
Mein Bedenken zur straffreien Beihilfe zum Selbstmord ist die Unmöglichkeit, jeden Missbrauch auszuschließen. Ich bin überzeugt, dass es auch ohne straffreie Beihilfe zum Selbstmord Lösungen gibt, die praktikabel sind. Diese Lösungen sind ohne ausführliche und krampfhaft gesuchte Argumentationen umsetzbar. So kann jeder darauf bestehen, dass seine ärztliche Behandlung eingestellt wird. Der Arzt muss sich daran halten. Und jeder kann darauf bestehen, dass er schmerzstillende Mittel erhält, auch wenn dadurch sein Tod schneller kommt. Und jeder kann für sich eine Patientenverfügung verfassen, die eine gefürchtete endlose Behandlung, die nur mehr der ungewollten Lebensverlängerung dient, verhindert.
Tötung ohne Zustimmung ausschließen!
Besonders Menschen mit Demenzkrankheit und psychiatrischen Patienten droht die Gefahr, dass sie ohne ihre Zustimmung getötet werden könnten. Es geht also um Menschen, die sich nicht mehr selber artikulieren können, die auch nicht mehr selbst handeln können, Demente oder Menschen, die im Koma liegen.
Die Tötung könnte damit gerechtfertigt werden, dass dem Dementen weiteres Leid erspart wird. Aber gilt dies auch, wenn er nicht gefragt werden kann, ob er diese Ersparnis an Leid überhaupt will?
Heute wird oft nur mehr ein produktives und schönes Leben als wertvoll erachtet. Ein dementer Mensch, der aus der Sicht der Angehörigen schwere Schmerzen hat, der in seiner Demenz in einer völlig anderen Welt lebt, ist aus der Sicht der Umgebung manchmal nur mehr eine Last. Es kann dann sehr schnell gehen bis zur Entscheidung anderer, dem Dementen sein Leiden zu beenden. Wenn sich die Kinder einig sind, dann kann es eine reine Zeitfrage sein, bis sie zum Ergebnis kommen: Jetzt hat die demente Mutter nichts mehr von ihrem Leben. Es sei jetzt nur noch ein Dahinvegetieren. Es sei jetzt Zeit, ihr zum Ende zu verhelfen.
Man werfe einen Blick in die Niederlande. Dort ist die von vielen befürchtete Gefahr, dass bei dementen oder im Koma liegenden Menschen, die sich nicht mehr selber artikulieren können und die auch nicht mehr selbst handeln können, von dritter Seite entschieden wird, ob sie getötet werden oder noch weiterleben dürfen, längst zur Realität geworden. Die Tiroler Tageszeitung berichtete beispielsweise im Jänner 2018 vom Rückzug der Medizinerin Berna van Baarsen aus einer Kontrollkommission:
„Aus Protest gegen die ausufernde Zahl von Demenzpatienten, die in den Niederlanden durch Euthanasie getötet werden, ist eine für die Regulierung dieser Methode zuständige Medizinethikerin zurückgetreten. Sie könne den ‚deutlichen Wandel‘ in der Auslegung der Euthanasie-Gesetze hin zu tödlichen Injektionen für Menschen mit Altersdemenz nicht mittragen, begründete Berna van Baarsen den Schritt. Die Zahl der jährlichen Tötungen in dieser Patientengruppe habe sich in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht, sagt die Medizinerin … Van Baarsen gehörte einem der fünf regionalen Komitees an, die für die Kontrolle von Euthanasie zuständig sind. … Die Niederlande waren im Jahre 2002 das weltweit erste Land, das die Sterbehilfe legalisierte. Seither gibt es einen rasanten Anstieg der damit zusammenhängenden Todesfälle auf derzeit fast 17 pro Tag. 2016 nahmen 6091 Menschen aktive Sterbehilfe in den Niederlanden in Anspruch, wobei über 400 Patienten ohne ausdrückliche Zustimmung getötet wurden.
Bereits vor einem Jahr warnten 200 holländische Ärzte in einer gemeinsamen Erklärung, die gesetzlichen Schutzmaßnahmen würden ‚langsam brechen‘. Viele Menschen mit Demenzkrankheit und psychiatrische Patienten würden ohne tatsächliche mündliche Zustimmung getötet.
Bisher erstmals starteten in Holland vor wenigen Monaten Ermittlungen gegen einen Arzt, der auf Bitten eines Pflegeheims einer älteren Frau gegen deren Willen die Todesspritze verabreichte.“16
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.