Kitabı oku: «Rosmarie Weichsler und das Lächeln des Teufels», sayfa 2

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»Eine Demütigung für die beiden, die nun wirklich in die Jahre gekommen sind. Romeo und Julia könnten sie nur mehr in einer Parodie geben.«

»Für die Macbeths wären sie ideal«, fand Marie Weichsler.

»Sie glauben, dass sie die Mörder sind?«, fragte die Souffleuse.

»Welchen Grund hätten sie dafür? Die Hauptrollen sind und bleiben in anderer Hand. Rache vielleicht?«

»Möglich«, fand Herta Sonnleitner und blätterte weiter in den Frauenzeitschriften.

»Und das Tarot? Sie sprachen von einem Zwiespalt.«

»Ich habe, als ich gestern Nacht nach Hause kam, die Karten befragt und die Teufelskarte gezogen. Sie zeigt einen Zwiespalt an.«

»Zwischen Gut und Böse?«

»Nein. Aber das ist heikel. Ich muss mich erst näher damit befassen.«

Die Kleine bezahlte die drei von ihr gewählten Magazine, huschte bei der Tür hinaus und ließ Marie Weichsler ratlos und neugierig zurück.

Diese entschloss sich, ihre Schwester anzurufen und sie zu bitten, herauszufinden, was genau die Teufelskarte des Tarots zeigte.

»Im Internet, ja. Schau nach!«

Einige Zeit später kam der Anruf mit der gewünschten Auskunft: »Der Teufel sitzt auf einer Art Stein und wirkt ganz und gar nicht bedrohlich, obwohl er recht grimmig dreinschaut. Er hat Hörner, ist behaart. Irgendwie erinnert er mich an Herbert.«

»Frühauf hat keine Hörner und nichts Dämonisches«, verteidigte Marie den gemeinsamen Freund.

»Dieser Teufel auch nicht. Bemerkenswert ist allerdings … Warte einen Augenblick, ich muss zum Herd schauen. Damit die Knödel nicht aufgehen.«

Ein billiger Trick von Rosa, um ihren Recherchen Spannung zu verleihen. Billig und leicht zu durchschauen. Marie würde sich revanchieren.

»So, jetzt bin ich zurück«, meldete sich die Schwester.

»Du entschuldigst mich einen Augenblick. Die Trafik ist voller Leute. Ich ruf dich zurück, sobald es geht.«

Kein Mensch war im Geschäft. Um die Zeit zu überbrücken, nahm sich Marie eine Ausgabe der Tagespost vor und blätterte sie durch, dann tippte sie die Nummer ihres Hauses in die Tastatur des Telefons.

»Du findest etwas bemerkenswert auf der Karte.«

»So, habe ich das gesagt?«

Marie schwieg. Sie wollte ihrer Schwester keine Chance geben, das Hinhaltespiel fortzusetzen.

»Bist du noch dran?«

»Ja. Ich warte auf das Bemerkenswerte.«

»Also, vor dem Teufel, an den Stein angekettet, stehen ein Mann und eine Frau. Nackt.«

»Und der Zwiespalt?«

»Ich habe nichts von einem Zwiespalt gesagt.«

»Du hast Recht. Das war die Souffleuse.«

»Was könnte sie damit gemeint haben?«

»Das musst du sie selbst fragen.«

»Denk nach, Rosa!«

»Zwiespalt zwischen Mensch und Tier, vielleicht. Der Teufel hat Hörner, einen Schwanz, ist stark behaart. Seine Zehen sind eigentlich Klauen.«

»Und die Nackten?«

»Sie haben auch Schwänze.«

»Du meinst den Mann.«

»Auch die Frau.«

»Das versteh ich nicht.«

»Schwänze wie ein Hund, ein Pferd, die vom verlängerten Rücken ausgehen.«

»Ach so.«

»Ganz was anderes. Ich habe Papa eingeladen. Er liebt Marillenknödel. Und er hat Neuigkeiten.«

»Inwiefern.«

»Er hat eine Verabredung mit Herberts Mutter.«

»Nein!«

»Doch. Zwischen den beiden läuft etwas.«

3. UNTERWEGS MIT HERBERT

Der braune Großpudel, der Marie Weichsler überschwänglich begrüßte, als sie von der Garage in den Flur des Hauses trat, das sie mit ihrer Schwester bewohnte, hieß Herbert, wie der Chefinspektor.

Marie kraulte sein gelocktes Haar und gab ihm einen Kuss auf die lange, schlanke Schnauze, dann betrat sie die geräumige Küche, in der es nach gerösteten Semmelbröseln duftete, grüßte ihren Vater und die Schwester und nahm Platz am Esstisch.

»So kann nie etwas daraus werden«, setzte ihr Vater das Gespräch mit Rosa fort. »Und die Jüngsten seid ihr auch nicht mehr.«

»Sechsundvierzig«, sagte Marie.

»Wir sind zufrieden, wie es ist«, verteidigte sich Rosa vom Herd her.

»Womit sind wir zufrieden?«, erkundigte sich Marie.

»Mit Herbert.«

»Er ist ganz reizend. Sauber, folgsam und kuschelig.«

»Du meinst den Hund«, brummte der Vater. »Ich spreche von eurer merkwürdigen Beziehung zu Lilys Sohn.«

»Ach, du sprichst vom Chefinspektor.«

»Jawohl, das tue ich. Ihr müsst endlich dieses perverse Spiel aufgeben, das ihr mit ihm treibt. Entscheidet euch, welche ihn am meisten liebt, oder gebt euch als Zwillinge zu erkennen und liebt ihn beide. So aber blockiert ihr alles.«

»Was immer du unter alles verstehst, Papa«, sagte Rosa.

»Und bei dir und deiner Lily ist nichts blockiert?«, fragte Marie.

»Jetzt habt ihr euch wieder verbündet. Zwei gegen einen.«

»Du tust uns wirklich leid. Wie viel?«

»Was heißt das schon wieder?«

»Wie viele Knödel möchtest du?«

»Sie sind ja ziemlich klein.«

»Also acht.«

»Wenn genug für euch übrigbleibt.«

Das Verkosten der saftigen Marillenknödel ließ die Tischgesellschaft verstummen. Erst als sich allmählich Sättigung einstellte, fand Roman Weichsler zum Ausgangsthema zurück: »Man muss in einer Beziehung, die einem wichtig ist, alles auf eine Karte setzen.«

»Und das tust du mit Herberts Mutter.«

»Sie ist noch sehr attraktiv. Eigentlich. Und ich bin auch noch ganz gut in Form.«

Die beiden Töchter schwiegen.

»Oder nicht?«, fragte Vater Weichsler.

»Doch, doch.«

»Eigentlich schon.«

»Sie kommt heute Abend zu mir.«

»Ach.«

»Oh.«

»Ja.«

»Viel Spaß.«

»Hoffentlich.«

»Und die Karte?«

»Welche Karte?«, fragte Papa Weichsler verwirrt.

»Du sagtest, dass man alles auf eine Karte setzen soll.«

»Das ist eine Redensart.«

Teufelskarte, dachten Rosa und Marie und ließen Pudel Herbert ihre Teller leerschlecken.

»Ich weiß nicht, was Trude und ich bei euch falsch gemacht haben. Warum lebt ihr nicht wie andere Menschen?«, raunzte der alte Weichsler.

»Willst du noch einen Knödel?«

»Ja.«

»Dann sei ruhig!«

»Hast du ihr unser Geheimnis verraten?«, fragte Rosa ihren Vater.

»Ich, wieso?«

»Herberts Mutter weiß, dass es zwei von uns gibt.«

»Sie hatte einen Verdacht, und ich fand es kindisch …«

»Du hast geplaudert. Also, so etwas! Dabei hast du uns versprochen …«

»Sie hat mir versichert, ihrem Sohn nichts zu verraten. Und eines Tages wird die Sache ohnehin auffliegen. Er braucht doch nur im Meldeamt nachzufragen. Der Mann ist ja nicht dumm.«

Darauf schwiegen die Zwillingsschwestern.

»Wie auch immer«, meinte der Vater. »Ich lege mich in die Sonne.«

»Tu das! Damit du Liliane mit sportlichem Teint beeindruckst.«

»Ich rufe Herbert an. Wir sollten ihn am Nachmittag bei den Ermittlungen begleiten.«

»Wir?«, fragte Rosa.

»Ich, als die Erstgeborene«, stellte Marie klar. »Und du erkundigst dich bei Monika Hauser in der Trafik, was die Krisensitzung der Theaterleute gebracht hat.«

»In Ordnung. Du bist die Ältere.«

»Willst du mich beleidigen?«

Die Besprechung der Schauspieler war offenbar noch im Gange. Jedenfalls war noch keiner von ihnen in die Trafik gekommen, der Chefinspektor wollte seine Rosmarie gegen vierzehn Uhr abholen, Rosa Weichsler verließ den Garten mit Pudel Herbert durch den Hinterausgang und wanderte den Pfad am Fluss entlang zum Münichholzer Wald, als sich Monika Hauser über das Handy meldete.

»Sie spielen weiter. Ohne Lou Marold und Roger Foltin«, berichtete die Vertretung aus der Trafik.

»Das heißt, dass die Steiner und der Ursprunger die Hauptrollen übernehmen. Wer hat dir das erzählt?«

»Die Kleine.«

»Die Souffleuse?«

Monika Hauser bestätigte das.

Die Gedanken, die anfangs durcheinander wirbelten, setzten sich allmählich. Im Wald war es an diesem heißen Augusttag einigermaßen kühl, Herbert trabte brav die Wege entlang. Er war so gut erzogen, dass er frei laufen konnte, ohne Hasen, Rehe, Jogger oder Radfahrer zu verfolgen. Auch an anderen Hunden zeigte er nur mäßiges Interesse. Ihm waren nur seine beiden Herrinnen wichtig, die sich nie sicher waren, ob er sie auseinanderhalten konnte.

Dem Vater war das nie gelungen. Er war es, der den Namen Rosmarie erfunden hatte. Die früh verstorbene Mutter hatte nie Probleme gehabt, zwischen den beiden Mädchen zu unterscheiden.

Also, überlegte Rosa Weichsler, der Ermordete war ein unsympathischer Mensch gewesen, den niemand wirklich vermisste, außer seiner Familie vielleicht. Er hatte die langjährigen Hauptdarsteller kurzerhand in die zweite Reihe verbannt und zwei wirkliche Stars engagiert. Ein Umstand, der auf Geschick und Durchsetzungskraft schließen ließ. Und jetzt verließen die beiden Großen der Schauspielzunft die Stadt, und Steiner und Ursprunger übernahmen die Rollen. Die Darstellerin des Teufels hatte schon einmal etwas in die Getränke der Tischgesellschaft gemischt. Und die Souffleuse hatte von einer Teufelskarte gesprochen. Und von einem Zwiespalt. Was meinte sie damit? Oder wollte sie sich bloß wichtigmachen?

O Gott, sie war so sehr in Gedanken gewesen, dass sie den herannahenden Herrn Rammerstorfer übersehen hatte. Für gewöhnlich wich sie ihm aus, denn der Mann, der seinen kurzatmigen Mops spazieren führte, konnte dem optimistischsten Menschen die Stimmung vermiesen. Alles Unheil dieser Welt schien sich auf ihn und seinen Hund zu konzentrieren. Rosa nannte ihn den Herrn Jammerstorfer.

»Puppi hat Durchfall«, begrüßte er sie schon von weitem. Herbert machte einen weiten Bogen um den Mops und schnupfte vor sich hin. Der Geruch des Artgenossen schien ihn zu stören.

»Ganz gelb rinnt es aus ihm heraus«, setzte Jammerstorfer die Schilderung der Verdauung seines Hundes fort.

»Hat er etwas Unrechtes gefressen?«, erkundigte sich Rosa Weichsler.

»Der Zimmermann. Sie wissen schon, Frau Rosmarie, die Firma, die unsere Grünflächen betreut, hat die Wege mit Unkrautvernichtungsmittel verseucht und dabei natürlich auch das Gras am Rand erwischt. Puppi hat davon gefressen, und jetzt leidet er. Ich hab es den Leuten vom Zimmermann schon tausendmal gesagt, sie sollen damit aufhören. Aber es nützt nichts. Sie lachen nur frech.«

»Dann wünschen wir Puppsi baldige Genesung«, wollte sich Rosa von Herrn Rammerstorfer verabschieden, doch dieser setzte seine Klagen fort: »Auch mir geht es nicht besonders heute. Die Hitze. Ich bin ganz schwindlig. Mein Gott, der Puppi wäre verloren, wenn mit mir etwas sein sollte.«

»So geht es uns allen«, sagte Rosa und eilte ihrem Herbert nach, der schon längst das Weite gesucht hatte.

Als Rosa Weichsler in den sommerlich blühenden Garten zurückkehrte, wollte Herbert auf Vater Weichsler losstürmen, der, nur mit einer ziemlich knappen Unterhose bekleidet, auf einer Campingliege schlief.

Der Mann hatte für seine 68 Jahre eine gute Figur, fand Marie, seine Hautfarbe jedoch gefiel ihr gar nicht. Sie ähnelte der eines gekochten Krebses. Also ließ sie den Pudel von der Leine. Herbert beschnupperte Roman Weichslers Gesicht und leckte über den schweißbedeckten, grellroten Oberkörper.

»Rabenvieh, elendes!«, brummte der alte Weichsler und wollte weiterschlafen.

»Dreh dich wenigstens um, sonst brennst du noch an«, sagte die Tochter.

»Ach, du liebe … Was weckt ihr mich denn nicht! Wie sehe ich denn aus!«, schimpfte der Mann.

»Ein Brandopfer.«

»So kann ich mich unmöglich bei Lily sehen lassen.«

»Die glaubt noch, du hast Viagra genommen.«

»Wie kommst du darauf«, klang Papa Weichsler beinahe ertappt.

»Weil du einen so roten Kopf hast.«

»Du musst mich entschuldigen bei ihr.«

»Fällt mir nicht im Traum ein.«

»Sonst verrate ich euer Geheimnis.«

»Das hast du schon.«

»Ich bitte dich darum.«

»Schon gut. Wann, glaubst du, bist du wieder präsentabel?«

»In einer Woche, hoffe ich. Wenn mir dann die Haut in Fetzen …«

»Du bist schon wie der Jammerstorfer«, unterbrach ihn Marie.

»Wer?«

»Ach nichts.«

»Das war ein Wink von Trude.«

»Du machst unsere verstorbene Mutter dafür verantwortlich, dass du in der prallen Sonne einschläfst?«

»Sie ist so eifersüchtig. Sie ist gegen diese Beziehung.«

»Das ist dein schlechtes Gewissen. Sonst gar nichts.«

»Du hast ja keine Ahnung!«

In den drei Jahren, in denen ihm Rosmarie Weichsler bei wichtigen Ermittlungen zur Seite gestanden war, war es aufwärts gegangen mit seiner Karriere. Am Ende des letzten Jahres war Herbert Frühauf zum Chefinspektor befördert worden.

Rosmarie saß in Uniform neben ihm und nannte sich Marie Weichsler. Wenn jemand in ihr die Trafikantin Rosmarie Weichsler zu erkennen glaubte, erklärte man ihm, dass dies ihre Zwillingsschwester Rosa wäre. Marie sei Inspektor bei der Bundespolizei Steyr.

»So eine lächerliche Lüge!«, fand Frühauf. »Aber wenn du meinst, das sei nötig …«

Während der Chefinspektor den Dienstwagen Richtung St. Ulrich lenkte, wo Siegfried Hagens Haus stand, stellte Marie, beziehungsweise Rosmarie, ihm Fragen zum Ermordeten.

»Du kennst ihn von den Schlaraffen. Was für ein Mensch ist er?«

»Eine der Grundregeln unserer Bruderschaft ist Freundschaft, auch wenn das bei manchen nicht so leicht ist.«

»Er war ein Kotzbrocken«, versuchte Marie zum Kern vorzustoßen.

»Sozusagen. Auch wenn ich das nicht so formulieren würde.«

»Inwiefern kotz, inwiefern Brocken?«

»Was soll das werden? Ein Verhör?«

»Ja.«

»Er hat sich etwas zuschulden kommen lassen und sollte dafür ausgeschlossen werden. Durch eine Spende konnte er das verhindern, war aber zum Außenseiter geworden.«

»Er hat in die Vereinskasse gegriffen.«

»Er war Reychsschatzmeister.«

»Das heißt Kassier?«

Der Chefinspektor nickte.

»Und er hat den Schaden beglichen und darüber hinaus gespendet?«

»Ich habe so etwas läuten gehört.«

»Alles klar.«

Das Haus der Hagens fiel auf in der kleinen Siedlung des Steyrer Vorortes St. Ulrich. Ein geschwungenes zweiflügeliges Tor aus Metall verwehrte den Zutritt zur Auffahrtsrampe, die mit Pappeln gesäumt war. Am Ende dieser Straße stand ein burgartiges Gebäude in Schönbrunnergelb.

»Möchtegern-Schlossherr«, lästerte Frühauf.

»Passend zu meiner Möchtegern-Polizistinnen-Uniform«, sagte Marie Weichsler.

»Sie erleichtert uns die Arbeit.«

Frühauf öffnete ein Fenster des VW Touran und drückte den Knopf am linken Torpfeiler. Eine verzerrte weibliche Stimme meldete sich und bat, den Wagen draußen zu lassen, weil sonst die Auffahrt beschädigt werde.

Marie Weichsler und der Chefinspektor näherten sich dem Hauseingang also zu Fuß.

In der offenen Tür stand die extrem schlanke Frau des Ermordeten.

Marie Weichsler fielen Anita Hagens Augen auf. Sie waren groß und dunkel und glänzten unnatürlich. Die Frau hatte entweder Medikamente genommen oder viel geweint, oder beides.

Ihr fuchsartiges Gesicht war von tiefen Falten geprägt, sie war nicht geschminkt, trug nur einen Hauch von Lippenstift.

Sie bat Marie Weichsler und Herbert Frühauf in die Küche und bot ihnen Kaffee an.

»Die Kinder sind bei meinen Eltern. Ich versuche hier durchzuhalten, weil einige Formalitäten zu erledigen sind«, erklärte die Frau.

»Hat Ihr Mann ein Testament hinterlassen?«, fragte der Chefinspektor.

»Darauf habe ich bestanden.«

»Und Sie sind finanziell abgesichert?«

»Die Ausbildung der Kinder ist durch eine Lebensversicherung gedeckt. Der Rest ist fraglich.«

»Wie meinen Sie das, Frau Hagen?«, stellte Marie Weichsler ihre erste Frage.

»Siegfried war ein Spieler«, erklärte die Frau. »Kein Glücksspieler, nein. Ich meine das beruflich. Ein Projekt führte zum nächsten und wurde durch dieses finanziert. Kredite, Stiftungen, neuerdings in den ehemaligen Oststaaten. Einkaufszentren, die er selbst mieten musste, weil sich keine Interessenten fanden. All das bezeichnete er als Anfangsschwierigkeiten. Er sprach von notwendigen Investitionen, die sich tausendfach rechnen würden. Daneben schlug er sich noch mit gesellschaftlichen Verpflichtungen herum, die er als Netzwerk bezeichnete, ohne das man nicht an die entscheidenden Leute herankomme.«

»Die Intendanz der Sommerspiele«, bemerkte Marie Weichsler.

»Eine völlig überflüssige Angelegenheit, die ihm nur Ärger brachte.«

»Das kann man wohl sagen«, meinte Frühauf, entschuldigte sich jedoch umgehend bei Frau Hagen für die unbedachte Äußerung.

»Wie meinten Sie das mit dem Ärger?«, nahm Marie Weichsler den Gesprächsfaden auf.

»Man wollte ihn nicht mehr als Intendant. Statt dass er froh darüber gewesen wäre, diese Last endlich ablegen zu können, bemühte er sich um die beiden Stars. Die Folge waren Hasstiraden der Schauspieler, die sich benachteiligt fühlten.«

»Steiner-Optresal und Ursprunger«, sagte Rosa Weichsler.

Die Frau nickte.

»Wie ist es Ihrem Mann gelungen, die beiden Stars zu engagieren?«, wollte Marie Weichsler wissen.

»Er kannte Lou Marold persönlich.«

»Wie hat er sie kennengelernt?«

»Mein Mann war in einem Internat in Bad Ischl, wo er auch maturierte. Frau Marold war Mitschülerin.«

Frühauf wiederum fragte Frau Hagen, wie sie selbst ihren Mann beschreiben würde.

»Ruhelos, immer auf der Suche. Ein unerlöster Mensch, der nach dem Paradies strebte, das er an den falschen Orten suchte«, war die Antwort.

»Und Sie konnten ihn nicht beruhigen, auf den richtigen Weg bringen?«

»Ich dachte, dass mir das gelingen könnte, als ich ihn kennenlernte. Aber es erwies sich leider als unmöglich.«

»Sie denken, sein Tod war die logische Folge der Art, wie er lebte?«, fragte Frühauf.

»Das weiß ich nicht«, meinte die Frau. »Aber ich erwartete etwas in dieser Richtung.«

»Seine Ermordung?«

»Seinen Tod. Er schonte sich und seinen Körper nicht.«

»Daher drangen sie auf eine Lebensversicherung.«

»Ich habe nichts mit seinem Tod zu tun«, sagte die Frau ernst. »Wenn Sie das andeuten wollen.«

»Daran habe ich nicht einmal gedacht«, entschuldigte sich Frühauf. »Ich meinte …«

»Ich wollte nicht mittellos dastehen, sobald das Ende nahte, das sich abzuzeichnen begann.«

»Sie haben nie mit ihm darüber geredet?«, fragte Marie Weichsler.

»Das war nicht möglich. Man konnte nur warten, bis es so weit war.«

»Und ihn vorher verlassen?«

»Das hätte er nicht zugelassen. Die Kinder mochte er ja. Auf seine Art.«

»Sie sind eine starke Frau.«

»Ich glaube, damit haben Sie Recht«, stimmte ihr Anita Hagen zu.

»Wer, glauben Sie, hat Ihren Mann getötet?«, fragte Marie Weichsler.

»Jemand, der von Siegfried in die Enge getrieben wurde.«

»Wie meinen Sie das?«

»Er konnte nicht loslassen, wenn er sich in jemanden verbissen hatte. Er war gnadenlos.«

4. LABILES GLEICHGEWICHT

»Wir müssen System in die Ermittlungen bekommen«, stellte Marie Weichsler im Wagen Frühaufs fest. »Es hat keinen Sinn, in Aktionismus zu verfallen, bevor wir uns einen Überblick verschafft haben.«

»Ich weiß schon, was jetzt kommt«, meinte Frühauf achselzuckend.

»Genau. Rosmarie Weichslers Mörderbuch.«

Mit diesen Worten entnahm Marie ihrer Handtasche ein quadratisches Poesiealbum, das sie mit einem kleinen Schlüssel entriegelte.

Der Fall Hagen schrieb sie in Druckbuchstaben auf die erste Seite.

Hagen, Versicherungsmakler, 34 Jahre alt. Matura in einem Internat in Hallein. Ermordet am 9. August, gegen 22:15 Uhr. Auf offener Bühne. Zwei kleine Kinder, eine Frau.

Verdächtige: Ehefrau, Lebensversicherung.

Enttäuschte Schauspieler. Steiner-Optresal, Ursprunger.

Andere Menschen, die er in die Enge trieb. Die Darstellerin des Teufels, die einen Grund haben musste, die Getränke zu manipulieren.

Ostgeschäfte.

»Fast alles richtig«, sagte der Chefinspektor, der mitgelesen hatte.

»Wo ist mir ein Fehler passiert?«

»Er ging in Bad Ischl zur Schule, nicht in Hallein.«

Rosa Weichsler bedankte sich und schrieb ein weiteres Wort in das Mörderbuch: Schlaraffe.

»Aber das ist doch fast jeder Mann in dieser Stadt, der gesellschaftlich etwas darstellt«, protestierte Herbert Frühauf.

»Eben.«

»Was heißt eben

»Eben darum müssen wir uns diesem Kapitel widmen.«

»Das ist heikel.«

»Eben.«

In diesem Moment meldete sich Frühaufs Handy.

»Meine Mutter«, sagte er nach einem Blick auf das Display.

»Hallo Mutti! Was gibt es? Wie geht es dir?«

Dann trat eine lange Stille ein. Die Mutter hatte einiges zu sagen.

Als er das Gespräch beendet hatte, schüttelte er zweimal den Kopf: »Mutti bringt jetzt wirklich schon einiges durcheinander. Sie behauptet, du hättest sie soeben angerufen und das Treffen mit deinem Vater abgesagt. Er habe einen Sonnenstich erlitten.«

Marie Weichsler bemühte sich um einen möglichst ruhigen Tonfall, als sie sagte: »Ja, da kommt einiges auf uns zu. Die beiden werden älter. Umso wichtiger wäre es, wenn sie zueinander fänden.«

»Meinst du wirklich?«

»Ja. Damit unsere Familien wenigstens auf diese Weise verbunden werden.«

Dieser Angriff war notwendig gewesen, um Frühauf auf andere Gedanken zu bringen. Sie musste darauf achten, dass keine Telefongespräche mehr von zu Hause geführt wurden, sobald eine der Schwestern unterwegs war.

Frühauf nahm die rechte Hand vom Lenkrad und berührte damit Maries Hüfte.

»Und warum sollen das nicht wir sein? Ich meine, diejenigen, die unsere Familien näher zusammenbringen?«

»Darüber unterhalten wir uns, sobald dieser Fall gelöst ist.«

»Das sagst du immer.«

»Dieses Mal meine ich es ernst.«

»Gut. Dann müssen wir Tempo machen.«

»Womit?«

»Mit der Lösung des Falles.«

»Du musst mich zu einer Sitzung der Schlaraffen mitnehmen.«

»Das ist schwer im Sommer. Die eigentlichen Sippungen finden vom 1. Oktober bis zum 30. April statt. Da müssten wir zu lange warten.«

»Ihr habt im Sommer gar keine Sitzungen?«

»Sippungen heißt das. Es gibt monatliche Treffen der Sassen, und für morgen ist anlässlich des Todes des ehemaligen Reychsschatzmeisters eine Sondersippung angesetzt.«

»Du nimmst mich mit.«

»Das ist nicht möglich. Als Mitglieder sind nur Männer zugelassen.«

»Dann werde ich mich von einer Rosmarie in einen Raimund verwandeln müssen.«

»Nein.«

»Was heißt nein?«

»Das werden wir bleiben lassen.«

»Warum?«

»Weil ich das nervlich nicht durchstehe. Mir genügt schon der Betrug, dass ich dich als Inspektor auf Ermittlungen mitnehme. Mehr Chaos verträgt mein Leben nicht.«

»Ein labiles Gleichgewicht kann sich als stabiler erweisen als so manches starre System.«

»Kann sein.«

»Metastabilität, wie man das labile Gleichgewicht auch nennt, ist eine Form der Stabilität.«

»Kann sein.«

»Also?«

»Nein, das tu ich mir nicht an. Und das ist endgültig«, sagte Frühauf mit fester Stimme.

»Dann muss ich meinen Vater bitten, sich um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Du wirst ihn zur Sippung mitnehmen.«

»Ich denke, er hat einen Sonnenstich.«

»Er wird damit in eurer Mitte nicht weiter auffallen.«

»Dein letztes Wort?«

»Mein letztes Wort.«

Es war das erste Mal in seinem Leben, dass das Wesen, das sich in der Welt seiner Fantasien Sanny nannte, jemanden getötet hatte. Sanny, nicht Sunny, darauf legte das Wesen Wert. Um Hagen war nicht schade. Er war zeitlebens ein Schwein gewesen. Schweine schlachtete man. Und wenn das zu drastisch war, griff man zu Gift. Der Mann hatte in seiner Gier immer alles an sich gerissen, in seinem widerlichen Mund verschwinden lassen und geschluckt. Er war unersättlich gewesen. Man hatte ihn satt haben müssen.

Wie würde es weiter gehen? Gar nicht, außer jemand schöpfte Verdacht. In diesem Fall würde man wieder töten müssen. Ansonsten konnte das Leben weiter gehen wie bisher.

Wenn nicht … Die verkrüppelte kleine Souffleuse tat so, als hätte sie etwas gesehen. Sie sollte sich nur nicht spielen mit Sanny! Ein Freak wie sie würde niemandem fehlen. Sie hatte etwas von Karten und vom Teufel gefaselt. War sie hinter Sannys Geheimnis gekommen?

Sanny würde es herausfinden. Und niemand würde Sanny verdächtigen. Niemand wusste, dass Sanny auf Hebräisch Teufel hieß. Und niemand ahnte, wer Sanny war.

»Das ist aber lieb, dass du so um mich besorgt bist«, begrüßte Roman Weichsler eine seiner Töchter an der Tür. Er wohnte in einer Pensionistenwohnung im Steyrer Stadtteil Tabor. Mit Ausblick auf den Friedhof, wie er nicht müde wurde zu betonen.

»Ich bin Marie«, sagte die Tochter, die bemerkte, wie der Vater sie von der Seite betrachtete, auf der Suche nach einem Erkennungszeichen.

»Das weiß ich natürlich. Glaubst du, ich kann euch nicht unterscheiden?«

»Das glaube ich sehr wohl. Übrigens angeführt! Vor dir steht Rosa.«

»Natürlich. Ich habe nur bei euren üblichen Spielchen mitgemacht.«

»Ich habe dir etwas aus der Apotheke mitgebracht. Für den Sonnenbrand.«

»Danke. Dann kann ich mich schon für morgen Abend mit Lily verabreden.«

»Übermorgen.«

Als der Vater Rosa nach dem Grund für den gewünschten Aufschub des Treffens mit Frühaufs Mutter fragte, kam diese zur Sache.

»Du musst uns bei den Ermittlungen helfen.«

»Nicht schon wieder!«, stöhnte der Vater und fragte, was die Töchter dieses Mal von ihm wollten.

»Der Ermordete war Mitglied bei den Schlaraffen. Und weil dort Frauen keinen Zutritt haben, musst du das für uns machen. Sie haben morgen Abend ein außertourliches Treffen, und du sollst so tun, als ob du Mitglied werden wolltest.«

»Und mich dabei umsehen.«

»So ist es. Hör dich um, was die Schlaraffen vom Ermordeten halten, wer etwas gegen ihn hatte und warum. Und übermorgen bist du völlig wiederhergestellt und kannst dich mit Herberts Mutter treffen.«

Als Rosa Weichsler nach Hause kam, wässerte Marie den Garten hinter dem kleinen Siedlungshaus, das aus einem relativ geräumigen Erdgeschoss und drei kleinen Mansardenzimmern bestand, die unter dem steilen Ziegeldach untergebracht waren.

Großpudel Herbert begrüßte Rosa voll Freude und verfolgte sie auf Schritt und Tritt. Er erhoffte sich ein Leckerli.

Rosa trug eine Flasche Wein, Mineralwasser und ein getrocknetes Schweinsohr für Herbert zum Holzpavillon.

»Die Blüten der Nachtkerze öffnen sich gerade«, rief Marie.

Dieses Schauspiel ließ sich Rosa nicht entgehen. Sie entledigte sich ihrer Schuhe und watete durch das feuchte Gras zum Beet, in dem die Pflanze stand. Schon als Kinder hatten die Zwillingsschwestern diese Blume als Naturwunder betrachtet. Ihre leuchtend gelben Blüten öffneten sich am Abend in Zeitlupe, wie in einem der Naturfilme im Fernsehen, wo das als optischer Trick gezeigt wurde.

Rosa hielt ein halbvolles Glas in der Hand und sah zu, wie sich eine Blüte nach der anderen entfaltete.

Summer Wine dachte sie und summte die Melodie des Songs, den sie und ihre Schwester so liebten.

And so we‘ll drink another glass of summer wine

as we recall sweet memories of yours and mine …

Und dann hieß es noch

as we recall the sun that always shines …

Allein der Gedanke daran tat gut.

»Du grübelst?«, fragte Marie, die sich zur Schwester gesetzt hatte.

»Nichts Wichtiges. Er macht es. Vater geht zu den Schlaraffen.«

»Fein«, sagte Marie. »Und Herbert hat angerufen.«

»Wir haben doch vereinbart, auf Telefongespräche zu verzichten, wenn eine von uns unterwegs ist.«

»Es hat so durchdringend geläutet, dass ich nicht anders konnte, als abzuheben«, entschuldigte sich die Schwester.

»Was will er?«

»Hagen hat seine Frau betrogen.«

»Und sie wusste davon?«

»Das ist noch unklar.«

»Mit wem?«

»Du wirst es nicht glauben …«

»Wir werden sehen. Mit wem?«, wiederholte Rosa die Frage.

»Mit der Darstellerin des Teufels.«

»Wäre ich etwas jünger, würde ich wow sagen.«

»Das überlassen wir am besten Herbert.«

Als ihre Schwester sie fragend anblickte, präzisierte sie die Aussage: »Ich meine den Hund.«

»Wauwau. Ich verstehe. Das also ist des Pudels Kern.«

»Goethe, Faust.«

»Pudel, Teufel.«

»Und Herbert …«

»Du meinst den Chefinspektor.«

»Richtig. Und Frühauf fühlt sich bestärkt in seinem Verdacht, dass Viola Gattinger, die den Teufel spielt, den Intendanten vergiftet hat.«

»Er vermutet, dass er sie fallen lassen wollte. Als Geliebte, als Schauspielerin.«

»Und wer hat ihm verraten, dass zwischen den beiden eine Beziehung bestanden hat?«

»Frühauf hat eine Nachricht per Mail erhalten. Anonym. Er wird die Schauspielerin morgen früh aufsuchen.«

»Das heißt, dass uns Monika in der Trafik vertritt, und dass ihn eine von uns begleitet.«

»Wer?«

»Darüber soll das Los entscheiden«, sagte Marie.

Es war Marie Weichsler, die mit dem Chefinspektor zu Viola Gattinger fuhr.

»Die Katzenvilla«, erklärte ein Passant den Weg, »liegt am Ende der Straße. Links.«

Frühauf hielt vor einem total verwachsenen Grundstück, in dem das Haus kaum zu erkennen war. Als er am Gartentor läutete, eilten Katzen aus allen Richtungen auf ihn und seine Begleitung zu.

»Kommen Sie herein! Sie beißen nicht«, tönte die heisere Stimme der Darstellerin des Teufels vom Haus her.

»Sie leben allein hier?«, fragte Frühauf.

»Mit den Katzen.« Nach einem Blick auf Marie Weichslers Uniform sagte sie: »Sie sind von der Polizei.«

Frühauf stellte seine Kollegin und sich selbst vor, dann sagte er: »Ein paar Fragen nur zum Premierenabend und einem Vorfall, der …«

»Das Abführmittel in den Getränken«, unterbrach ihn Viola Gattinger und lächelte. »Ich dachte mir, dass man darauf zurückkommen würde. Begleiten Sie mich zur Höhle.«

»Hölle?«, fragte Frühauf.

»Höhle«, korrigierte ihn die schwarz gekleidete Frau, die auch ihr Haar dunkel gefärbt hatte. »Privat bin ich kein Teufel.«

Sie führte Marie Weichsler und den Chefinspektor einen schmalen Weg entlang zu einer Höhle im Hang, in der sie Gartenmöbel aufgestellt hatte.

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