Kitabı oku: «Alaska Kid», sayfa 2

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»Wenn ich mit diesem Bündel auf dem Buckel stürze, bin ich ein für allemal erledigt«, sagte er zu einem anderen, der auch ein Bündel schleppte.

»Das ist noch gar nichts«, lautete die Antwort. »Warte nur, bis du zum Cañon kommst. Da wirst du einen reißenden Strom auf einem sechzig Fuß langen Fichtenstamm überqueren müssen. Da gibt's kein Geländer, gar nichts, und in der Mitte, wo der Stamm sich biegt, reicht dir das Wasser bis zu den Knien. Wenn du mit deinem Bündel auf dem Buckel da 'runterfällst, kommst du nicht mehr aus den Traggurten heraus. Du bleibst drin und versäufst.«

»Schöne Aussichten«, erwiderte er. Und aus dem Abgrund einer völligen Erschöpfung heraus meinte er es beinahe buchstäblich.

»Da versaufen täglich drei oder vier Mann«, versicherte der andere. »Neulich war ich selbst mit dabei. Wir fischten einen Schweden heraus. Er hatte viertausend Dollar in schönen Scheinen bei sich.«

»Wirklich sehr ermutigend«, meinte Kid, während er sich mühsam aufraffte und weiterwankte.

Er und sein Bohnensack wurden allmählich zu einer wandernden Tragödie. Unwillkürlich erinnerte er sich des Märchens von dem alten Mann auf dem Rücken Sindbad des Seefahrers. - Das ist also so ein besonders männliches Ferienvergnügen, dachte er. Im Vergleich mit dieser Schufterei war selbst die Sklavenarbeit bei O'Hara süß und angenehm. Immer wieder wollte er der Versuchung nachgeben, den verfluchten Sack im Gebüsch liegenzulassen, in das Lager zu schlüpfen und in aller Stille mit einem Dampfer in zivilisiertere Gegenden zurückzukehren.

Aber er tat es nicht. Irgendwo in ihm erklang eine harte Saite, und ein Mal über das andere wiederholte er sich, daß, was andere Männer konnten, auch er können müßte. Der Transport gestaltete sich für ihn zu einem wahren Alpdruck, und er klagte jedem, der ihn unterwegs überholte, sein Leid. In anderen Augenblicken beobachtete er, wenn er sich ausruhte, die stumpfsinnigen Indianer, die unter ihren viel schwereren Lasten so leicht und sicher wie die Maultiere dahintrotteten, und er beneidete sie. Sie schienen nie zu ruhen, sondern gingen hin und zurück mit einer Ausdauer und einer Regelmäßigkeit, die ihn verblüfften.

Er saß da und fluchte - solange er schleppte, hatte er nicht Luft genug, um es zu können -, während er einen verzweifelten Kampf mit der Versuchung ausfocht, sich nach Franzisko zurückzuschleichen. Bevor er seine Meile mit dem Bündel gewandert war, hatte er indessen schon aufgehört zu fluchen und begann statt dessen zu heulen. Die Tränen, die ihm über die Wangen liefen, waren Tränen der Erschöpfung und der Selbstverachtung. Wenn je ein Mann ein Wrack war, so war er es. Als das Ziel des Transports in Sicht kam, nahm er sich mit der Kraft der Verzweiflung zusammen, erreichte den Lagerplatz und schlug, so lang er war, mit dem Bündel auf dem Rücken hin. Er starb nicht, aber er blieb immerhin eine Viertelstunde liegen, ehe er so viel Energie zusammengerafft hatte, daß er sich von den Traggurten befreien konnte. Dann wurde ihm tödlich übel, und in diesem Zustand fand ihn Robbie, dem es genauso ging wie ihm. Eigentlich war es Robbies jämmerlicher Zustand, der ihn bewog, sich zusammenzunehmen.

»Was andere Männer können, können wir auch«, sagte Kid zu ihm. In seinem Innersten wußte er freilich nicht recht, ob er dabei aufschnitt oder nicht.

»Und ich bin erst siebenundzwanzig Jahre alt und ein Mann«, wiederholte er sich immer und immer wieder in den folgenden Tagen. Er hatte es aber auch wirklich nötig. Denn am Ende der Woche war es ihm zwar gelungen, seine achthundert Pfund täglich um eine Meile weiterzuschleppen, aber dabei hatte er von seinem eigenen Gewicht fünfzehn Pfund verloren. Sein Gesicht war mager und ausgemergelt geworden. Alle Spannkraft war aus seinem Körper und seiner Seele verschwunden. Er spazierte nicht länger, er schleppte sich mühevoll dahin. Und wenn er ohne Last zum Lager zurückging, zog er die Füße schlurfend nach, ganz, als wenn er seine Last trüge.

Er war ein richtiges Arbeitstier geworden. Beim Essen nickte er ein, und sein Schlaf war tief und tierisch mit Ausnahme der Augenblicke, da Krämpfe in den Beinen ihn wach hielten und er vor Schmerz laut aufschrie. Sein ganzer Körper war wund und schmerzte. Er hatte Blasen, die nicht verschwinden wollten, und doch war selbst das noch leichter zu ertragen als die furchtbaren Quetschungen, die er sich an den Füßen holte, als er über die vom Wasser scharfgeschliffenen Klippen der Dyea-Watten wandern mußte, durch die der Weg zwei Meilen weit führte. Diese beiden Meilen entsprachen in Wirklichkeit achtunddreißig Meilen gewöhnlichen Wanderns auf glattem Wege. Er wusch sich jetzt nur einmal täglich das Gesicht. Seine Nägel waren zerrissen, abgebrochen und voller Niednägel, und er reinigte sie überhaupt nicht mehr. Seine Schultern und seine Brust, deren Haut von den Traggurten abgescheuert wurde, ließen ihn zum erstenmal in seinem Leben mit Ehrfurcht und Verständnis an die Pferde denken, die er so oft gleichgültig in den Straßen der Städte gesehen hatte.

Eine Prüfung, die ihn zuerst fast ganz vernichtet hätte, bedeutete das Essen. Die ungewohnte Schufterei, die ihm hier auferlegt wurde, erforderte natürlich auch eine außergewöhnliche Heizung unter dem Kessel, aber sein Magen war nicht an die großen Mengen von Speck und die groben, sehr schwer verdaulichen braunen Bohnen gewöhnt. Die Folge war, daß er sich dagegen auflehnte und daß Kid vor Schmerzen und Ärger und auch vor Hunger nahe daran war zusammenzubrechen. Bis endlich der glückliche Tag kam, an dem er wie ein ausgehungertes Tier aß und sogar mit gierigen Wolfsaugen immer mehr verlangte.

Als sie die Ausrüstung über die schmale Brücke am Eingang des Cañons geschafft hatten, änderten sie ihre Pläne. Von jenseits des Passes kam das Gerücht, daß man die letzten Bäume am Linderman-See fällte, um Boote daraus zu verfertigen. Die beiden Vettern gingen mit Werkzeug, Bandsägen, Decken und Lebensmitteln auf dem Buckel los und überließen es Kid und seinem Onkel, sich mit dem gesamten Gepäck abzuquälen. John Bellew teilte sich jetzt mit Kid in das Kochen, so daß sie beide Schulter an Schulter schleppen konnten. Die Zeit verging schnell, und in den Bergen begann schon der erste Schnee zu fallen. Der Ältere nahm hundert Pfund auf seinen eisernen Rücken. Kid bekam einen Schrecken, aber er biß die Zähne zusammen und legte seine Traggurte ebenfalls um ein zentnerschweres Bündel. Angenehm war es nicht, aber er hatte den Dreh schon heraus, und außerdem war sein Körper jetzt von aller Weichlichkeit und vom überflüssigen Fett befreit und abgehärtet, und die Muskeln wurden eckig und hart. Er verstand auch zu beobachten und nachzudenken. Er hatte die Kopfriemen der Indianer gesehen und verfertigte sich jetzt selbst einen, den er in Verbindung mit den gewöhnlichen Schultergurten gebrauchen wollte. Das erleichterte die Arbeit wesentlich, so daß er allmählich begann, einige nicht zu schwere, sonst lästige Gegenstände oben auf das Bündel zu legen. Dadurch wurde es ihm bald möglich, nicht nur die hundert Pfund in den Traggurten zu schleppen, sondern noch weitere fünfzehn oder zwanzig Pfund, die er dicht am Halse lose auf das Bündel legte. Und zu alledem trug er noch eine Axt oder ein paar Riemen in der einen und einige ineinandergestülpte Kochtöpfe in der andern Hand.

Aber so fleißig sie auch schufteten - die Arbeit wurde immer schwieriger. Der Weg wurde schlechter und schlechter, die Lasten schwerer und schwerer, und mit jedem Tage rückte die Schneegrenze um ein kleines Stückchen weiter bergab. Gleichzeitig schnellten die Frachtpreise bis sechzig Cent empor. Von den Vettern auf der anderen Seite hörten sie kein Wort; die waren sicher schon an der Arbeit, Bäume zu fällen und sie zu Bootsplanken zu zersägen. Allmählich wurde John Bellew jedoch ängstlich. Als ein Haufen Indianer vom Linderman-See zurückkehrte, hielt er sie an, und es gelang ihm, sie zu überreden, die Ausrüstung weiterzutransportieren. Sie forderten nicht weniger als dreißig Cent, um das Gepäck bis auf die Paßhöhe des Chilcoot zu bringen, was John Bellew an den Rand der Pleite brachte.

Aber selbst da blieben noch gut vierhundert Pfund - Säcke mit Kleidern und Zeltbahnen - übrig, die sie nicht mitnehmen konnten. Der Alte blieb deshalb selbst zurück, um diese Sachen weiterzuschaffen, während er Kid mit den Indianern vorausschickte.

Auf der Paßhöhe sollte Kid dann allein bleiben und seine zwanzig Zentner Gepäck langsam weiterschieben, bis er von den vierhundert Pfund, die sein Onkel zu transportieren versprach, eingeholt wurde.

Mühselig schleppte sich Kid mit den Indianern weiter. Da es sich um einen sehr weiten Weg handelte, nämlich ganz bis zur Paßhöhe des Chilcoot, hatte er sich vernünftigerweise nur mit achtzig Pfund beladen. Die Indianer gingen ebenfalls mühsam mit den schweren Lasten auf dem Rücken, aber ihr Gang war schneller als der, welchen er gewohnt war. Dennoch befürchtete er nichts, denn er war allmählich soweit gekommen, daß er sich als ebenso tüchtig wie die Indianer betrachtete.

Als die erste Viertelmeile zurückgelegt war, hoffte er, daß sie eine Ruhepause machen würden. Aber die Indianer gingen weiter. Er blieb deshalb bei ihnen und hielt sich auf seinem Platz in der Reihe. Als sie eine halbe Meile gegangen waren, war er überzeugt, daß er keinen Schritt weitergehen konnte, aber er biß die Zähne zusammen und hielt sich immer noch auf seinem Platz. Als aber eine ganze Meile hinter ihm lag, wunderte er sich, daß er noch am Leben war. Dann trat der eigentümliche Zustand ein, den man als »zweites Stadium« bezeichnen könnte: die nächste Meile war viel leichter als die erste. Aber die dritte tötete ihn fast. Obgleich er jedoch beinahe verrückt vor Schmerz und Müdigkeit war, ließ er keinen Klagelaut hören. Und als er schließlich feststellte, daß er jetzt bald vollkommen versagen mußte, kam die Rast. Aber statt die Gurte umzubehalten, wie die weißen Träger es taten, nahmen die Indianer Schulter- und Kopfriemen ab und machten es sich bequem, schwatzten und rauchten.

Es dauerte eine halbe Stunde, bevor sie weitergingen, und zu Kids größtem Befremden fühlte er sich völlig frisch und erholt. Sein neuester Leitspruch war deshalb von jetzt an: langes Schleppen und langes Rasten. Die Paßhöhe des Chilcoot entsprach genau den Schilderungen, die man ihm gemacht hatte. Es gab mehrere Stellen, wo er tatsächlich auf allen vieren klettern und kriechen mußte. Als er aber in einem stiebenden Schneesturm die Höhe erreichte, hielt er sich trotz allem immer noch auf seinem Platz unter den Indianern. In der Tiefe seines Herzens war er auch sehr stolz darauf, daß er ihnen die Stange gehalten und sich weder beklagt noch schlappgemacht hatte. Fast ebenso gut wie ein Indianer zu sein - das war jetzt das Ziel seines Ehrgeizes geworden.

Als er die Indianer entlohnt hatte und sie weggehen sah, wurde es dunkel. Der Sturm wehte noch immer, und er war ganz allein hier oben, tausend Fuß über der Baumgrenze, auf der Höhe des Bergrückens.

Sein ganzer Oberkörper war durchnäßt, er war hungrig und erschöpft, und er hätte die Einnahmen eines ganzen Jahres für ein Feuer und eine Tasse heißen Kaffees gegeben. Statt dessen mußte er sich mit einigen kalten Eierkuchen begnügen; dann kroch er in die Falten einer zusammengelegten Zeltbahn hinein. Bevor er einnickte, hatte er nur noch Zeit, John Bellew einen flüchtigen Gedanken zu opfern, und er lachte schadenfroh vor sich hin, als er sich ausmalte, wie der die folgenden Tage zu tun haben mußte, um die vierhundert Pfund auf seinem männlichen Buckel bis zur Paßhöhe des Chilcoot zu schleppen. Er selbst hatte freilich zweitausend Pfund zu schleppen, aber sein Weg ging doch bergab.

Am nächsten Morgen war er noch ganz steif vor Müdigkeit und halb erstarrt vor Kälte, als er aus den Falten der Zeltbahn kroch. Dann aß er etliche Pfund kalten Speck, legte seine Traggurte um einen Zentner Gepäck und marschierte den steinigen Weg bergab. Ein paar hundert Schritte weiter hin führte der Weg über einen schmalen Gletscher zum Krater-See hinab. Mehrere Männer waren gerade dabei, ihr Gepäck über den Gletscher zu tragen.

Den ganzen Tag über legte Kid alles, was er herbeischleppte, am oberen Rande des Gletschers nieder, und da der Weg, den er zu gehen hatte, nur kurz war, lud er sich jedesmal hundertundfünfzig Pfund auf.

Sein Erstaunen, daß er hierzu imstande war, hielt sich unverändert auf derselben Höhe. Für zwei Dollar kaufte er einem Indianer drei steinharte Schiffszwiebacke ab, und hieraus sowie aus einer ansehnlichen Menge rohen Specks bereitete er sich verschiedene Mahlzeiten. Ungewaschen, durchfroren und in Kleidern, die von seinem Schweiß ganz feucht waren, verbrachte er auch die zweite Nacht in den Falten seiner Zeltbahn.

Früh am nächsten Morgen breitete er eine Persenning auf dem Eis aus, lud einfach sein ganzes Gepäck darauf und begann sie zu ziehen. Als der Gletscherhang steiler wurde, begann seine Ladung schneller zu gleiten und überholte ihn sogar bald, so daß er sich auf das mächtige Bündel setzen mußte, das mit ihm weiter hinuntersauste.

Mehr als hundert Männer, die ihre Ausrüstung mühsam schleppten, blieben stehen, um ihm nachzusehen. Er stieß wilde Warnungsschreie aus, und alle, die ihm im Wege standen, sprangen erschrocken beiseite, um ihm schnell Platz zu machen.

Unten, wo der Gletscher aufhörte, stand ein kleines Zelt, und es sah aus, als ob es ihm entgegenliefe, so schnell rutschte er den Berg hinab. Er schwenkte von dem festgetretenen Wege ab, dem die Gepäckträger folgten und der nach links führte, und sauste durch den frisch gefallenen Schnee, der ihn wie eine eisige Wolke umstob, ihn aber gleichzeitig bremste.

Plötzlich sah er das Zelt wieder vor sich auftauchen, aber erst im selben Augenblick, als er dagegenflog. Er saß noch immer auf dem mächtigen Haufen von Lebensmitteln auf der Persenning, als er die Eckpflöcke umwarf und die vor dem Eingang hängende Zeltbahn beiseite riß. Er kam erst wieder zu sich, als er sich schon im Zelt befand, das wie ein Betrunkener hin und her schwankte. In dem eiskalten Dampf fand er sich plötzlich Angesicht zu Angesicht mit einer ziemlich verblüfften jungen Dame, die aufrecht in ihrem Bett saß und ihn anstarrte… und es war ausgerechnet dieselbe Dame, die ihn in Dyea einen Grünschnabel genannt hatte!

»Haben Sie gesehen, wie ich gesaust bin… wie der Sturm?« fragte er vergnügt.

Sie sah ihn mißbilligend an.

»Das hier ist was anderes als der Wunderteppich im Märchen«, erklärte er.

»Würden Sie vielleicht den Sack da von meinen Füßen wegnehmen?« fragte sie sehr kühl.

Er sah sie an und stand schnell auf. »Es war gar kein Sack - es war mein Ellenbogen. Verzeihen Sie bitte.«

Diese Berichtigung störte sie nicht im geringsten, und der kühle Empfang wirkte wie eine Herausforderung.

»Noch ein Glück, daß Sie nicht den Ofen umgeworfen haben«, sagte sie.

Er folgte ihrem Blick und bemerkte einen eisernen Ofen und darauf eine Kaffeekanne, die eine junge Indianerin überwachte.

Er sog den Kaffeegeruch ein und wandte sich wieder zu dem Mädchen.

»Ich bin ein Chechaquo«, sagte er.

Ihr gelangweilter Blick zeigte ihm, daß es offenbar überflüssig gewesen war, das in Worten festzustellen. Er war indessen nicht kleinzukriegen.

»Ich habe mein Schießeisen schon weggeworfen«, fügte er hinzu.

Jetzt erst erkannte sie ihn wieder, und ihre Augen wurden etwas lebhafter.

»Ich hätte nie gedacht, daß Sie so weit kommen würden«, teilte sie ihm freundlich mit.

Er sog wieder den Kaffeeduft ein, diesmal mit sichtbarer Gier.

»So wahr ich lebe… Kaffee!« Er drehte sich um und redete sie direkt an. »Ich gebe Ihnen meinen kleinen Finger, ich haue ihn mir auf der Stelle ab, ich tue, was Sie wollen, ich werde Ihr Sklave für ein Jahr und einen Tag sein oder für jeden anderen blöden Zeitraum, wenn Sie mir eine einzige winzige Tasse aus dem Pott da geben wollen.«

Und als sie beim Kaffee saßen, nannte er ihr seinen Namen und erfuhr den ihren. Joy Gastell hieß sie. Er erfuhr auch, daß sie zu den »Alten« im Lande gehörte. Sie war in einer alten Handelsstation am Großen Sklavensee zur Welt gekommen und als Kind mit ihrem Vater über die Rocky Mountains nach dem Yukon gegangen.

Jetzt war sie unterwegs ins Innere des Landes - mit ihrem Vater, der von Geschäften in Seattle aufgehalten, dann mit der unseligen »Chanter« verunglückt und von dem Dampfer, der ihnen zu Hilfe kam, wieder nach Puget Sund zurückgebracht worden war.

Da sie noch immer im Bett lag, zog er die Unterhaltung nicht in die Länge. Er lehnte heldenmütig eine zweite Tasse Kaffee ab und entfernte sich und seine dreiviertel Tonne Proviant aus dem Zelt.

Außerdem nahm er noch verschiedene Erkenntnisse von dort mit, zunächst die, daß sie einen bezaubernden Namen und ein Paar noch bezauberndere Augen hatte. Auch, daß sie höchstens zwanzig oder ein- oder zweiundzwanzig Jahre alt sein konnte. Ferner, daß ihr Vater offenbar Franzose war und daß sie selbst einen energischen Willen und ein bemerkenswertes Temperament besaß. Und schließlich, daß sie ihre Erziehung jedenfalls nicht im Grenzland genossen hatte.

Der Weg führte über vom Eis glattgescheuerte Felsen oberhalb der Baumgrenze um den Krater-See herum bis zu dem Bergpaß, über den man Glückslager und die ersten verkrüppelten Fichtenbäume erreichte. Wenn Kid sein schweres Gepäck um den ganzen See herum schleppen mußte, bedeutete das mehrere Tage unbeschreiblich harten Schuftens.

Auf dem See lag freilich ein Boot aus Segelleinen, das als Fähre benutzt wurde. Zwei Fahrten damit, nur zwei Stunden im ganzen - und er war mit seinem Gepäck von zwanzig Zentnern Gewicht drüben. Aber er war vollkommen abgebrannt, und der Fährmann forderte vierzig Dollar für jede Tonne!

»Sie haben ja eine Goldmine in dem mistigen Boot, lieber Freund«, sagte er zu dem Fährmann. »Aber haben Sie nicht Lust auf noch eine Goldmine?«

»Zeigen Sie sie mir«, lautete die Antwort.

»Ich will sie Ihnen verkaufen, wenn Sie meine Ausrüstung übersetzen. Es ist freilich nur eine Idee, und ich habe kein Patent darauf, aber Sie können ja abspringen, wenn sie Ihnen nicht zusagt. Einverstanden?«

Der Fährmann nickte, und Kid fand sein Gesicht hinreichend vertrauenerweckend.

»Also hören Sie: Sie sehen die Gletscher da? Nehmen Sie jetzt eine Axt und gehen Sie damit hin. An einem Tage können Sie eine ganz ordentliche Rinne vom Gipfel bis zur Sohle machen. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill? Die Vereinigten Rutschbahnen von Chilcoot und Krater-See, Aktiengesellschaft! Sie können fünfzig Cent je hundert Pfund verlangen und hundert Tonnen täglich schaffen… und Sie haben nichts anderes zu tun, als die Pinke in die Tasche zu stecken.«

Zwei Stunden später stand Kid schon mit seinem Gepäck auf der anderen Seite des Sees und war seinen Berechnungen um drei Tage voraus. Und als John Bellew ihn endlich einholte, war er schon ein gutes Stück nach dem »Tiefen See« unterwegs, der gleichfalls von einem mit Eiswasser gefüllten vulkanischen Krater gebildet wurde.

Das letzte Stück Weges, das sie den Proviant noch tragen mußten, nämlich vom »Langen See« bis zum Linderman-See, betrug nur drei Meilen. Aber der Weg (wenn man ihn überhaupt so nennen konnte) kletterte erst über einen tausend Fuß hohen Bergkamm, schlängelte sich dann durch ein Gewirr von glatten Felsen in die Tiefe hinab und überquerte schließlich einen ausgedehnten Sumpf. John Bellew protestierte, als er sah, wie Kid mit hundert Pfund in den Traggurten aufstand und dann noch einen Mehlsack von fünfzig Pfund oben auf das große Bündel legte.

»Nur los, du Apostel der Abhärtung!« antwortete Kid. »Jetzt kannst du zeigen, was du leisten kannst… du mit deinem Bärenfutter und deiner einen Garnitur Unterwäsche.«

Aber John Bellew schüttelte den Kopf.

»Ich fürchte, ich werde doch alt, Christoffer.«

»Du bist erst achtundvierzig. Vergiß nicht, daß mein Großvater, also dein Vater, der alte Isaac Bellew, noch mit neunundsechzig einen Mann mit der Faust zu Boden schlug.«

John Bellew grinste und schluckte heldenmütig die bittere Pille.

»Lieber Onkel, ich will dir mal was Wichtiges sagen: Ich bin erzogen wie der kleine Lord Fauntleroy, aber ich kann mehr tragen als du, besser gehen als du, ich kann dich sogar werfen oder dich mit meinen bloßen Fäusten vertrimmen.«

John Bellew streckte die Hand aus und sagte feierlich: »Ich glaube tatsächlich, daß du recht hast, Christoffer, mein Junge. Ich glaube sogar, daß du es mit der Last da auf dem Buckel schaffen kannst. Du hast dich gut entwickelt, mein Junge, obgleich ich es nie von dir erwartet hätte.«

Auf dieser letzten Strecke machte Kid den Weg viermal am Tag hin und zurück - das heißt, daß er täglich vierundzwanzig Meilen im Gebirge herumkletterte, davon zwölf Meilen unter einer Last von hundertfünfzig Pfund. Er war stolz und müde, aber glänzend in Form. Er aß und schlief, wie er noch nie in seinem Leben gegessen und geschlafen hatte. Und als das Endziel ihrer Reise in Sicht kam, war er ganz traurig darüber.

Ein Problem quälte ihn immer noch. Er hatte schon die Erfahrung gemacht, daß er mit hundert Pfund auf dem Rücken hinfallen konnte, ohne sich das Genick zu brechen. Aber er war davon überzeugt, daß er es sich bräche, wenn er mit dem Extrabündel von fünfzig Pfund obendrauf stürzen würde. In alle Wege, die durch den Sumpf führten, wurden von den Tausenden von Gepäckträgern sehr schnell tiefe Löcher getreten, und man mußte deshalb immer neue Wege ausfindig machen. Bei der Suche nach einem solchen neuen Weg hatte Kid Gelegenheit, das Problem mit der Extralast von fünfzig Pfund persönlich zu lösen.

Der weiche, nasse Boden unter ihm gab nach, so daß er strauchelte und kopfüber hinfiel. Die fünfzig Pfund drückten sein Gesicht in den Schlamm, glitten aber vom Hals weg, ohne ihm das Genick zu brechen. Mit den übrigen hundert Pfund auf dem Rücken gelang es ihm, auf Hände und Knie zu kommen - weiter aber nicht. Der eine Arm sank bis zur Schulter ein, so daß seine Backe tief in den Schlamm gedrückt wurde. Als er den Arm mit großer Mühe wieder herauszog, versank der andere bis zur Schulter. In dieser Lage war es ihm unmöglich, die Traggurte zu lösen, andererseits aber konnte er nicht daran denken, aufzustehen, solange er die hundert Pfund auf dem Rücken hatte. Er machte einen Versuch, auf Händen und Knien zu der Stelle zu kriechen, wo der Mehlsack lag, aber bald versank der eine, bald der andere Arm im Schlamm. Er erschöpfte seine Kräfte, ohne vorwärts zu kommen. Und bei seinen heftigen Bewegungen zerschlug und zerriß er die mit Gras bewachsene Oberfläche des Sumpfes derart, daß sich allmählich unmittelbar vor seinem Mund und seiner Nase eine Pfütze von schlammigem Wasser zu bilden begann, die ihm sehr gefährlich zu werden drohte.

Er versuchte, sich auf den Rücken zu werfen, so daß das Bündel unten läge, aber der einzige Erfolg war, daß beide Arme gleichzeitig im Sumpf versanken und er einen kleinen Vorgeschmack des Ertrinkens bekam.

Mit unsäglicher Geduld zog er langsam erst den einen, dann den anderen Arm aus dem Schlamm und streckte sie dann gerade über dem Boden aus, so daß er sein Kinn stützen konnte. Jetzt begann er um Hilfe zu rufen. Bald darauf hörte er Schritte im tiefen Schlamm schlabbern, und jemand näherte sich ihm von hinten.

»Reich mir eine Hand, Kamerad«, sagte er. »Oder wirf mir eine Leine zu oder sonst etwas.«

Eine Frauenstimme antwortete ihm, und er erkannte sie sofort wieder.

»Wenn Sie nur die Riemen aufschnallen wollen, kann ich aufstehen«, sagte er.

Die hundert Pfund rollten mit einem nassen Klatschen in den Schlamm, und es gelang ihm, langsam auf die Beine zu kommen.

»Eine nette Patsche«, lachte Fräulein Gastell als sie sein schlammbedecktes Gesicht sah.

»Durchaus nicht«, antwortete er überlegen. »Es ist meine beliebteste Turnübung. Sie müssen es mal versuchen. Es ist besonders gut für die Brustmuskeln und das Rückgrat.«

Er wischte sich das Gesicht ab und schleuderte dann den Schlamm mit einer raschen Bewegung von der Hand.

»Großer Gott!« rief sie, als sie ihn erkannte. »Das ist… das ist ja Herr… Herr Alaska-Kid!«

»Ich danke Ihnen aufrichtig für Ihre rechtzeitige Hilfe und für diesen Namen«, antwortete er. »Jetzt bin ich zum zweiten Male getauft - künftig werde ich darauf bestehen, daß man mich stets Alaska-Kid nennt. Das ist ein klangvoller Name und nicht ohne Vorbedeutung.«

Er machte eine Pause. Dann wurden sein Gesicht und seine Stimme plötzlich grimmig: »Wissen Sie, was ich jetzt muß?« fragte er. »Nach den Staaten zurückkehren. Ich soll heiraten. Ich werde eine große Kinderschar erziehen. Und abends werde ich dann die Kinder um mich versammeln und ihnen von den Leiden und Entbehrungen erzählen, die ich auf dem Wege nach dem Chilcoot durchgemacht habe. Und wenn sie dann nicht dabei heulen… ich wiederhole es: wenn sie nicht dabei heulen, dann werde ich sie gehörig verdreschen.«

Jetzt näherte sich der arktische Winter mit schnellen Schritten. Der Schnee, der den ganzen Winter über liegenbleiben sollte, lag schon sechs Zoll hoch, und auf geschützt liegenden Gewässern bildete sich trotz der heftigen Stürme schon Eis. Es war spät am Abend, als John Bellew und Kid eine kurze Pause während eines solchen Sturmes benutzten, um den beiden Vettern beim Verstauen des Gepäcks im Boot behilflich zu sein. Dann blieben sie am Strande stehen und sahen sie im Schneegestöber auf dem See verschwinden.

»Und jetzt werden wir die Nacht durchschlafen und morgen ganz früh abfahren«, sagte John Bellew. »Wenn uns der Sturm nicht auf der Paßhöhe festhält, können wir schon morgen abend Dyea erreichen. Und haben wir dann das Glück, gleich den Dampfer zu bekommen, so können wir schon in einer Woche in San Franzisko sein.« - »Warst du zufrieden mit deinen Ferien?« fragte Kid geistesabwesend.

Ihr Lager am Linderman-See bot diese letzte Nacht einen traurigen Anblick dar. Die beiden Vettern hatten alles mitgenommen, was irgendwie brauchbar war, selbst das Zelt. Eine zerfetzte Persenning, die sie ausgebreitet hatten, schützte sie nur zum Teil gegen das Schneegestöber. Ihr Abendbrot kochten sie in ein paar zerbeulten und zerschlagenen Töpfen über dem offenen Feuer. Sonst waren ihnen nur ein paar Decken und Proviant für wenige Mahlzeiten geblieben.

Von dem Augenblick an, da das Boot abgefahren war, schien Kid seltsam unruhig und geistesabwesend geworden zu sein. Sein Onkel hatte seinen Zustand bemerkt, dachte aber, es käme nur daher, daß es jetzt mit der Schufterei vorbei war.

Einige Minuten später entfernte sich Kid in der Richtung des Zeltdorfes, wo die Goldgräber, die noch im Begriff waren, ihre Boote zu bauen oder zu beladen, Schutz gegen den Sturm suchten. Er blieb mehrere Stunden fort. Als er wiederkam und sich in seine Decken hüllte, war John Bellew schon eingeschlafen.

Es war ein dunkler, stürmischer Morgen, als Kid aus seinen Decken kroch und, nur in Strümpfen, ein Feuer zu machen begann, bei dem er zunächst seine gefrorenen Stiefel auftaute. Dann kochte er Kaffee und briet Speck. Es war dennoch eine kalte und ungemütliche Mahlzeit. Sobald sie vorbei war, legten die beiden ihre Decken zusammen.

Als John Bellew sich dann anschickte, den Rückweg über den Chilcoot anzutreten, reichte Kid ihm die Hand und sagte: »Auf Wiedersehen, lieber Onkel.«

John Bellew sah ihn an und fluchte vor lauter Überraschung.

»Aber was in aller Welt hast du vor?«

Kid zeigte unbestimmt mit der Hand nach dem Norden über den sturmgepeitschten See hinaus.

»Was für einen Sinn hat es umzukehren, wenn ich schon so weit gekommen bin?« fragte er. »Außerdem habe ich Geschmack an Bärenfleisch gefunden. Ich esse es sehr gern. Deshalb gehe ich los.«

»Aber du bist ja ganz abgebrannt«, entgegnete ihm John Bellew, »und hast keine Ausrüstung.«

»Ich habe eine Stellung gefunden. Guck dir mal deinen Neffen Christoffer Bellew an! Er hat jetzt eine Stellung! Er ist Angestellter bei einem feinen Herrn! Er hat eine Stellung mit hundertfünfzig Dollar monatlich und freier Beköstigung. Er geht nach Dawson mit zwei Trotteln und einem anderen Angestellten dieses feinen Herrn - als Lagerkoch, Bootsführer und Mädchen für alles. Und O'Hara und die Woge können zum Teufel gehen! Auf Wiedersehen.«

John Bellew war immer noch ganz aus dem Häuschen und konnte nur stottern: »Aber ich verstehe nicht…«

»Man sagt, daß es eine Menge von Grizzlybären im Yukon-Tal gibt«, erklärte Kid. »Na - und ich habe nur eine Garnitur Unterwäsche und Lust auf Bärenfleisch, das ist alles.«

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