Kitabı oku: «Attentäter Null», sayfa 2

Yazı tipi:

“Außerdem”, grinste Alan, “haben wir alle unsere Traditionen. Ich für meinen Teil werde ein ganzes gegrilltes Huhn verzehren und den Motor eines zweiundsiebziger Camaro wiederherstellen.” Er blickte hinüber zu Maria. “Wie steht’s mit dir? Verbringst du Zeit mit dem guten alten Herrn Papa?”

Marias Vater, David Barren, war der Direktor der nationalen Nachrichtendienste, im Grunde genommen der einzige Mann, abgesehen vom Präsidenten, dem der CIA Direktor Shaw Rechenschaft schuldig war.

Doch Maria schüttelte ihren Kopf. “Mein Vater wird in der Schweiz sein. Er ist Teil eines diplomatischen Attachés im Auftrag des Präsidenten.”

Alan runzelte seine Stirn. “Dann wirst du an Thanksgiving allein sein?”

Maria zuckte mit den Schultern. “Das ist nicht weiter schlimm. Ich liege ein bisschen mit dem Papierkram hinten dran, weil ich so viel Zeit mit euch beiden Idioten hier verbracht habe. Ich werde mir ein paar Jogginghosen anziehen, einen Tee machen und mich darauf konzentrieren…”

“Nein”, unterbrach Null sie streng. “Auf keinen Fall. Komm und iss mit mir und den Mädchen.” Er sagte es, ohne es zuvor richtig zu durchdenken, doch er bedauerte das Angebot nicht. Wenn überhaupt, dann spürte er ein wenig Schuld, denn sie war ja nur wegen ihm allein an Thanksgiving.

Maria lächelte dankbar, doch ihre Augen blickten zweifelhaft. “Ich bin mir nicht so sicher, dass das eine gute Idee ist.”

Sie hatte damit nicht ganz unrecht, denn ihre Beziehung endete kaum mehr als einen Monat zuvor. Sie hatten zuvor für mehr als ein Jahr zusammengelebt als… naja, er war sich nicht sicher, was sie waren. Verliebt? Er konnte sich nicht daran erinnern, sie auch nur seine Freundin genannt zu haben. Es klang einfach zu seltsam. Doch letztendlich war es egal, denn Maria hatte zugegeben, dass sie eine Familie wollte.

Falls Null das noch einmal täte, dann gäbe es niemanden in der Welt, mit dem er es lieber als mit Maria täte. Doch als er sich wirklich tief innerlich die Frage stellte, merkte er, dass er das nicht wollte. Er hatte selbst Arbeit zu tun, er musste die Beziehungen zu seinen Töchtern wieder herstellen, die Dämonen aus seiner Vergangenheit verbannen. Und dann war die Dolmetscherin, Karina, in einer allzu kurzen Liebesgeschichte in sein Leben getreten. Es war schwindelerregend und gefährlich und wundervoll und tragisch. Sein Herz schmerzte immer noch von dem Verlust.

Trotz allem hatten Maria und er eine sagenumwobene Vergangenheit, nicht nur romantisch, sondern auch professionell und platonisch. Sie hatten verabredet, befreundet zu bleiben. Keiner der beiden wollte es anders. Doch jetzt, wo er wieder ein Agent war, wurde Maria zur Deputy Direktorin der Spezialeinsätze befördert – was bedeutete, dass sie seine Chefin war.

Es war kompliziert, um es gelinde auszudrücken.

Null schüttelte seinen Kopf. Es musste nicht kompliziert sein. Er musste daran glauben, dass zwei Menschen Freunde sein konnten, ganz gleich der Vergangenheit oder ihrer gegenwärtigen Verbindungen.

“Es ist eine tolle Idee”, sagte er ihr. “Ich lasse kein nein zu. Iss mit uns.”

“Nun…” Marias Blick sprang von Null auf Reidigger und wieder zurück. “In Ordnung”, gab sie nach. “Es klingt gut. Ich sollte mich schätzungsweise besser jetzt schon um den Papierkram kümmern.”

“Ich schreibe dir eine SMS”, versprach Null, während sie mit laut klackenden Absätzen auf dem Beton die Fabrikhalle verließ.

Alan zog seine eigene schusssichere Weste mit einem langen Knurren aus und zog sich dann wieder die schweißbefleckte Fernfahrermütze über sein zerzaustes Haar, bevor er gelassen fragte: “Ist das ein Trick?”

“Ein Trick?” schnaubte Null. “Wozu? Um Maria zurückzubekommen? Du weißt, dass ich nicht darüber nachdenke.”

“Nein. Ich meine ein Trick, damit Maria als Prellbock zwischen ihnen und dir steht.” Für einen Geheimagenten, der die letzten vier Jahre unter einer anderen Identität gelebt hatte, war Alan so brutal aufrichtig, dass es manchmal schon fast beleidigend schien.

“Natürlich nicht”, erwiderte Null fest. “Du weißt, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dass die Dinge wieder so werden, wie sie mal waren. Maria ist eine Freundin. Kein Prellbock.”

“Na klar”, stimmte Alan zu, doch er klang zweifelnd. “Vielleicht war,Prellbock’ einfach nicht das richtige Wort. Vielleicht mehr wie ein…” Er blickte auf die schusssichere Weste, die auf dem Stahlwagen vor ihm lag und zeigte dann darauf. “Na, ich kann gerade an keine bessere Metapher denken.”

“Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst”, beharrte Null und versuchte, nicht die Hitze in seiner Stimme zu zeigen. Er war nicht verärgert darüber, dass Alan ehrlich war, doch er fand die Andeutung irritierend. “Maria hat es nicht verdient, an Thanksgiving allein zu sein und die Dinge mit den Mädchen sind viel besser, seit sie seit mehr als einem Jahr waren. Alles läuft gut.”

Alan hob beide Hände geschlagen hoch. “OK, ich glaube dir. Ich passe nur auf dich auf, das ist alles.”

“Ja, ich weiß.” Null schaute auf seine Uhr. “Ich muss los. Maya kommt heute an. Gehen wir am Freitag ins Fitnessstudio?”

“Ganz bestimmt. Grüß die Mädchen von mir.”

“Mache ich. Genieße dein Hühnchen und den Motor.” Null winkte, als er sich auf die Tür zubewegte, doch jetzt überschwemmten Zweifel seine Gedanken. Hatte Alan recht? Hatte er unbewusst Maria eingeladen, weil er Angst hatte, allein mit den Mädchen zu sein? Was, wenn ihr Zusammentreffen sie erneut daran erinnerte, warum sie überhaupt gegangen waren? Oder noch schlimmer, was, wenn sie dasselbe wie Alan dachten, dass Maria als eine Art Schutzbarriere zwischen ihm und ihnen diente? Was, wenn sie dachten, dass er es nicht ernsthaft versuchte?

Alles läuft gut.

Das war zwar überhaupt kein Trost, doch zumindest war seine Fähigkeit, zu lügen so überzeugend wie eh und je.

Kapitel zwei

Maya schlurfte die Treppen zu der Wohnung im zweiten Stock hinauf, die ihr Vater mietete. Es war in einem neu entwickelten Gebiet außerhalb der Stadtmitte von Bethesda, in einer Nachbarschaft, die während der letzten Jahre mit Apartments, Stadthäusern und Einkaufszentren aufgebaut wurde. Kaum die Art von Ort, von dem sie vermutet hätte, dass ihr Vater dort lebte, doch sie verstand, dass er es eilig hatte, etwas Verfügbares zu finden, nachdem seine Beziehung mit Maria beendet war.

Wahrscheinlich, bevor er es sich anders überlegen konnte, stellte sie sich vor.

Für den kürzesten Moment trauerte sie um den Verlust ihres Zuhause in Alexandria, das Haus, in dem sie, Sara und ihr Vater zusammenlebten, bevor der ganze Wahnsinn begann. Damals, als sie noch glaubten, dass ihr Vater ein Geschichtsprofessor war, bevor sie herausfanden, dass er ein Geheimagent bei der CIA war. Bevor sie von einem psychopathischen Attentäter entführt wurden, der sie an Menschenhändler verkaufte. Damals, als sie glaubten, dass ihre Mutter an einem plötzlichen Schlaganfall verstorben war, während sie nach einem Arbeitstag auf ihr Auto zuging, wobei sie wirklich von einem Mann ermordet wurde, der die Leben der Mädchen mehr als einmal gerettet hatte.

Maya schüttelte ihren Kopf und strich sich den Pony aus der Stirn, als sie versuchte, die Gedanken zu verdrängen. Es war Zeit für einen Neubeginn. Oder zumindest musste sie das ernsthaft versuchen.

Sie fand die Tür zur Wohnung ihres Vaters, bevor sie bemerkte, dass sie keinen Schlüssel hatte und vielleicht zuerst hätte anrufen sollen, um sich zu versichern, dass er zu Hause war. Doch nachdem sie zwei Mal kurz angeklopft hatte, wurde der Sicherheitsriegel zur Seite geschoben und die Tür öffnete sich. Maya starrte für mehrere verblüffte Sekunden in das Gesicht einer relativ Fremden.

Sie hatte Sara länger nicht gesehen, als sie es zugeben wollte und das konnte man dem Gesicht ihrer jüngeren Schwester leicht ansehen. Sara wurde schnell zu einer jungen Frau, ihre Gesichtszüge definierter – oder vielmehr wurden sie zu denen von Katherine Lawson, ihrer verstorbenen Mutter.

Das wird schwieriger, als ich dachte. Während Maya mehr ihrem Vater ähnlich sah, erbte Sara schon immer Aspekte ihrer Mutter, sowohl in ihrer Persönlichkeit, als auch in ihren Interessen und ihrem Aussehen. Ihre junge Schwester war auch bleicher als Maya sich erinnerte, doch Maya war sich nicht sicher, ob das nur eine falsche Erinnerung war oder mit dem Entzug zusammenhing. Ihre Augen schienen irgendwie glanzloser und die dunklen Ringe, die Sara versucht hatte, mit Makeup zu verdecken, waren offensichtlich. Sie hatte ihr Haar irgendwann rot gefärbt, mindestens zwei Monate zuvor und jetzt kamen an den Wurzeln die ersten paar Zentimeter ihres natürlich blonden Tons heraus. Sie hatte es auch kürzlich auf Kinnlänge schneiden lassen, sodass es ihr Gesicht zwar hübsch umrahmte, doch sie ein paar Jahre älter aussehen ließ. So sehr, dass man annehmen könnte, sie und Maya wären gleichaltrig.

“Hallo”, sagte Sara einfach.

“Hi.” Maya schüttelte die anfängliche Überraschung über ihre dramatisch veränderte Schwester ab und lächelte. Sie stellte ihren grünen Seesack ab und tat einen Schritt voran, um ihre Schwester zu umarmen. Sara schien sie dankbar zu empfangen, als ob sie abgewartet hätte, um herauszufinden, wie ihre ältere Schwester sie begrüßen würde. “Ich habe dich vermisst. Ich wollte gleich nach Hause kommen, als Papa mir erzählt hat, was geschehen ist…”

“Ich bin froh, dass du das nicht getan hast”, antwortete Sara offen. “Ich hätte mich fürchterlich gefühlt, wenn du die Akademie wegen mir verlassen hättest. Außerdem wollte ich nicht, dass du mich siehst… nicht so.”

Sara schlüpfte aus der Umarmung ihrer Schwester und griff den Seesack auf, bevor Maya protestieren konnte. “Komm rein”, winkte sie ihr zu. “Willkommen Zuhause, würde ich sagen.”

Willkommen Zuhause. Komisch, dass es sich so wenig wie Zuhause anfühlte. Maya folgte ihr in die Wohnung. Es war ein ganz hübscher Ort, modern, mit viel natürlichem Licht, doch recht nüchtern. Hätte nicht etwas Geschirr in der Spüle gelegen und der Fernseher im Wohnzimmer leise gebrummt, so könnte sich Maya nicht vorstellen, dass jemand tatsächlich hier lebte. Es gab keine Bilder an den Wänden, keine Dekoration, die auf irgendeine Art von Persönlichkeit hingewiesen hätte.

Fast wie ein weißes Blatt. Doch sie musste zugeben, dass ein weißes Blatt passend für ihre Situation war.

“Das ist es also”, kündigte Sara an, als ob sie Mayas Gedanken läse. “Zumindest für den Moment. Es gibt nur zwei Schlafzimmer, also müssen wir eines teilen…”

“Ich schlafe gerne auf der Couch”, bot Maya an.

Sara lächelte leicht. “Es macht mir nichts aus, zu teilen. Es wird so wie damals, als wir klein waren. Es wäre… schön. Dich in der Nähe zu haben.” Sie räusperte sich. Obwohl sie so oft am Telefon sprachen, war es dennoch ganz offensichtlich komisch, wieder im selben Raum zu sein.

“Wo ist Papa?” fragte Maya plötzlich und vielleicht zu laut, um die Spannung zu lösen.

“Der sollte gleich ankommen. Er wollte nach der Arbeit noch ein paar Sachen für morgen einkaufen.”

Nach der Arbeit. Sie sagte es so gelassen, als ob er nach getaner Arbeit ein Büro anstatt der CIA Hauptquartiere in Langley verließe.

Sara setzte sich an der Theke, welche die Küche und das kleine Esszimmer voneinander trennte, auf einen Barhocker. “Was macht die Akademie?”

Maya lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Theke. “Die Akademie ist…” Sie hielt inne. Obwohl sie erst achtzehn war, besuchte sie gerade ihr zweites Jahr in West Point in New York. Sie hatte das letzte Jahr der High School übersprungen und wurde an der Militärakademie aufgrund eines Briefes des ehemaligen Präsidenten Eli Pierson angenommen. Agent Null hatte ein Attentat auf ihn vereitelt. Jetzt war sie Klassenbeste, vielleicht sogar die Beste der ganzen Akademie. Doch ein kürzlicher Streit mit ihrem Ex-Freund Greg Calloway hatte zu Schikanen und etwas Mobbing geführt. Maya weigerte sich, es an sie heranzulassen, doch sie musste zugeben, dass es ihr in letzter Zeit das Leben erschwert hatte. Greg hatte viele Freunde und es waren alles ältere Jungs an der Akademie, denen Maya es mindestens ein oder zwei Mal bewiesen hatte.

“Die Akademie ist toll”, sagte sie letztendlich und erzwang ein Lächeln. Sara hatte schon genügend eigene Probleme. “Aber irgendwie langweilig. Ich will wissen, wie es mit dir steht.”

Sara prustete fast und streckte dann ihre Hände zur Seite heraus, um in einer großen Geste auf die Wohnung zu zeigen. “Du schaust es dir an. Ich bin verbringe jeden Tag ganz hier. Ich schaue Fernsehen. Ich gehe nirgendwo hin. Ich habe kein Geld. Papa hat mir ein Handy auf seinem Plan gekauft, damit er meine Anrufe und SMS überwachen kann.” Sie zuckte mit einer Schulter. “Es ist wie eines dieser vornehmen Gefängnisse, in das sie Politiker und Berühmtheiten stecken.”

Maya lächelte traurig über den Witz und fragte dann vorsichtig: “Aber du bist… sauber?”

Sara nickte. “Soweit wie möglich.”

Maya zog die Stirn in Falten. Sie wusste über viel Bescheid, doch Drogenkonsum gehörte nicht dazu. “Was bedeutet das?”

Sara starrte die Granittheke an, zog mit ihrem Zeigefinger kleine Kreise über die glatte Fläche. “Das bedeutet, dass es schwer ist”, gab sie leise zu. “Ich dachte, dass es nach den ersten paar Tagen leichter würde, nachdem der ganze Stoff aus meinem Körper war. Doch das wurde es nicht. Es ist… es ist, als ob mein Gehirn sich immer noch an das Gefühl erinnert, es immer noch vermisst. Die Langeweile hilft nicht. Aber Papa will noch nicht, dass ich mir einen Job suche. Er will nicht, dass ich Geld habe, bis es mir besser geht.” Sie schnaubte verächtlich und fügte hinzu: “Er will, dass ich für die High School Prüfungen lerne.”

Das solltest du auch, stieß Maya fast hervor, doch hielt sich im Zaum. Sara hatte die High School abgebrochen, nachdem ihr die Emanzipierung zugesprochen wurde, doch das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine Standpauke, besonders, wenn sie sich ihr so öffnete.

Doch Eines war ganz klar: Saras Problem war schlimmer, als Maya bemerkt hatte. Sie dachte, dass ihre jüngere Schwester nur ein wenig experimentiert hatte, und dass die Beinahe-Überdosis an Pillen nur ein Unfall war. Doch das Gegenteil war der Fall. Sara war eine genesende Süchtige. Und es gab nichts, was Maya tun konnte, um ihr zu helfen. Sie wusste nichts über Abhängigkeiten.

Doch stimmt das wirklich?

Sie erinnerte sich plötzlich an eine Nacht, etwa zwei Wochen zuvor, als sie ihre Zimmerpartnerin geweckt hatte, weil sie um ein Uhr nachts aus dem Fitnessstudio kam. Die verärgerte Kadettin hatte ihr halb schlafend etwas zugemurmelt, das wie,Fitness Junkie’ klang. Und dann war Maya noch eine weitere Stunde wachgeblieben, um zu lernen, nur damit sie um sechs Uhr morgens joggen gehen konnte.

Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr wurde sie sich bewusst, dass sie sehr wohl über Abhängigkeit Bescheid wusste. War sie nicht davon abhängig, sich zu beweisen? Hatte sie nicht ihren Rausch in ihrem eigenen Erfolg gefunden?

Und ihr Vater war trotz des ganzen Tumults der letzten zwei Jahre wieder zu seinem Beruf zurückgekehrt. Sara vermisste den chemischen Rausch, sowie Maya Erfolg brauchte und ihr Vater den Nervenkitzel der Jagd suchte – vielleicht waren sie einfach nur eine Familie voller Abhängiger.

Aber Sara ist die Einzige, die es zugegeben hat. Vielleicht ist sie die Klügste von uns allen.

“Hey.” Maya lehnte sich zu ihr herüber und legte ihre Hand auf Saras. “Du kannst das schaffen. Du bist stärker, als du glaubst. Und ich glaube an dich.”

Sara lächelte halb. “Da bin ich aber froh, dass einer das tut.”

“Ich rede mit Papa”, bot Maya ihr an. “Mal sehen, ob er sich nicht ein bisschen entspannt, dir etwas Freiraum gibt —”

“Nein,” unterbrach sie Sara. “Papa ist nicht das Problem. Er geht toll mit mir um, vielleicht viel besser, als ich es verdient habe.” Ihr Blick schweifte über den Boden. “Ich bin das Problem. Weil ich ganz genau weiß, dass wenn ich hundert Dollar in der Tasche hätte und hinkönnte, wo ich wollte, er mich wieder abholen müsste. Und das nächste Mal kommt er vielleicht nicht rechtzeitig an.”

Mayas Herz brach, als sie offensichtliche Qual in den Augen ihrer Schwester bemerkte und wusste, dass es nichts gab, was sie tun könnte, um zu helfen. Sie hatte nur leere Worte der Ermutigung, die bedeutungslos waren, um ihre Probleme zu lösen.

Plötzlich fühlte sie sich ganz fehl am Platz in dieser fremden Küche. Sie hatten zusammen so viel durchgestanden. Aufgewachsen. Um ihre Mutter getrauert. Ihren Vater entdeckt. Familienurlaub und Flucht vor Mördern. Die Art von Dingen, von denen man annahm, dass sie zwei Menschen einander näherbrachten, eine unzerbrechliche Verbindung schafften, hatten stattdessen die leere Stille erzeugt, die sich in dem Raum zwischen ihnen aufblähte.

Würde es jetzt immer so sein? Würde das Mädchen vor ihr immer unerkennbarer werden, bis sie nur noch Fremde waren, die zufällig verwandt waren?

Maya wollte etwas sagen, irgendwas, um sich davon zu überzeugen, das sie falsch lag. Sich gemeinsam an einen glücklichen Moment erinnern. Oder sie Mäuschen nennen, ihren Spitznamen aus der Kindheit, den sie wer weiß wie lange schon nicht mehr benutzt hatte.

Bevor sie überhaupt etwas sagen konnte, rasselte der Türknauf hinter ihnen. Maya drehte sich um, als die Tür aufging, ihre Hände ballten sich instinktiv zu Fäusten an ihrer Seite. Ihre Nerven spannten sich immer noch an, wenn es um unerwartete Eindringlinge ging.

Doch es war kein Eindringling. Es war ihr Vater, der zwei Einkaufstaschen trug und scheinbar vorsichtige Schritte in die Küche tat, als er sie sah.

“Hallo.”

“Hallo Papa.”

Er stellte die Einkaufstaschen auf den Boden und ging einen Schritt auf sie zu, öffnete die Arme, doch hielt dann inne. “Darf ich…?”

Sie nickte einmal und er legte seine Arme um sie. Es war zuerst eine zögerliche Umarmung – doch dann bemerkte Maya seltsamerweise, dass er immer noch genauso roch. Es war ein überwältigend nostalgischer Duft, ein Duft aus ihrer Kindheit, der nach tausend weiteren Umarmungen roch. Und vielleicht war sie älter und vielleicht sah Sara anders aus, vielleicht war sie sich immer noch nicht ganz sicher, wer ihr Vater war und vielleicht standen sie an einem neuen Ort, den sie Zuhause nennen sollte, doch in diesem einen Moment fühlte sich nichts davon wichtig an. Der Moment fühlte sich an wie Zuhause und sie lehnte sich an ihn, drückte ihn fest an sich.

* * *

Maya zog die Glasschiebetür am Ende der Wohnung auf und sich einen Kapuzenpulli an, um sich vor der kühlen Nachtluft zu schützen. Die Wohnung hatte keinen Garten, aber es gab eine kleine Veranda, die mit einem kleinen Tisch und zwei Stühlen ausgestattet war.

Ihr Vater saß in einem von ihnen, nippte an einem Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Maya setzte sich auf den anderen und bemerkte, wie klar die Nacht war.

“Schläft Sara?” fragte er.

Maya nickte. “Sie ist auf der Couch eingedöst.”

“Das macht sie in letzter Zeit viel”, sagte er besorgt, “schlafen, meine ich.”

Sie erzwang ein kleines Lachen. “Sie hat schon immer viel geschlafen. Ich würde mir darüber nicht so viele Sorgen machen.” Sie zeigte auf das Glas in seiner Hand. “Bier?”

“Eistee.” Er grinste verlegen. “Seitdem ich wieder bei der Arbeit bin, trinke ich nicht mehr.”

“Und wie läuft es?”

“Nicht schlecht”, gab er zu. “Ich war in letzter Zeit bei keinen Einsätzen, weil ich mich um Sara kümmere und immer noch trainiere.”

“Ich wollte schon erwähnen, dass du abgenommen hast. Du siehst besser aus als…”

Als das letzte Mal, an dem ich dich sah, wollte Maya sagen, doch hielt sich zurück, da sie nicht die Erinnerung an diesen Besuch heraufbeschwören wollte, als sie Greg mitgebracht hatte, wütend wurde, hinausstürmte, ihn dort hinterließ und ihrem Vater sagte, dass sie ihn nie wieder sehen wollte.

“Danke”, sagte er schnell und dachte offensichtlich dasselbe. “Alles OK mit der Akademie?”

Sie hatte es ihm schon zuvor beim Abendessen erzählt, doch es schien, als ob er ihr nicht ganz glaubte – und sie erinnerte sich daran, dass es ein Teil seiner Arbeit war, Leute lesen zu können. Es hatte keinen Sinn, ihn anzulügen, doch das bedeutete nicht, dass sie alles erzählen musste.

“Ich möchte eigentlich nicht über die Akademie reden”, antwortete sie ihm gerade heraus. Sie wollte nicht darüber reden, wie manchmal Dinge aus ihrem Schließfach verschwanden. Oder wie Jungs ihr gemeine Sachen über den Innenhof zuriefen. Oder dass sie nicht das Gefühl loswerden konnte, dass dies erst der Anfang der Schikanen war. Dass je mehr sie versuchte, sie zu ignorieren, die Jungs bei West Point weitermachen würden.

“In Ordnung.” Ihr Vater räusperte sich. “Äh, es gibt da allerdings etwas, das ich erwähnen möchte. Ich hätte dich zuerst fragen sollen. Doch Maria war morgen nirgendwo eingeladen und es erschien mir nicht richtig…”

“Ist schon in Ordnung, Papa.” Maya grinste bei seinem ungelenken Versuch, ihre Erlaubnis einzuholen. “Natürlich macht es mir nichts und du brauchst nicht meine Erlaubnis.”

Er zuckte mit den Schultern. “Du hast wohl recht. Es ist nur – du bist so erwachsen jetzt. Ihr beide. Ich habe ein paar wichtige Momente verpasst.”

Maya nickte ein wenig, doch sie fand es nicht notwendig, ihre Zustimmung auszusprechen. Stattdessen änderte sie das Thema. “Was du für Sara machst, ist toll. Ihr so zu helfen. Es scheint, als bräuchte sie das wirklich.”

Dieses Mal nickte ihr Vater leicht, starrte über die Veranda ins Nichts. “Ich würde alles was ich könnte für sie tun”, sagte er versonnen. “Aber das ist vielleicht immer noch nicht genug.”

“Was meinst du?”

Er nahm einen Schluck Eistee, bevor er erklärte. “Letzte Woche sind wir Essen gegangen, nur wir beide, in der Stadtmitte. Es war schön. Wir haben geredet. Es schien, ihr gut zu gehen. Als die Rechnung kam, bezahlte ich mit einem Hundert-Dollar-Schein. Und da geschah etwas. Es schien, als ob ein Schatten über sie fuhr. Ich sah, wie sie das Geld anschaute und dann die Tür und…”

Ihr Vater wurde still, doch Maya verstand ihn ohne weitere Worte. Jetzt verstand sie Saras vorheriges Kommentar. Sie hatte tatsächlich darüber nachgedacht, das Geld zu nehmen und wegzulaufen. Mit hundert Dollar wäre sie nicht besonders weit gekommen, doch sie dachte vermutlich nur darüber nach, so schnell wie möglich an eine Dosis Drogen zu gelangen.

“Ich bin mir sicher, dass du bemerkt hast”, fuhr ihr Vater fort, “dass die Wohnung ziemlich schmucklos ist. Ich habe nicht viel Dekoration aufgestellt, weil…”

Weil du Angst hast, dass sie die vielleicht stiehlt. Sie verpfändet. Wieder abhaut. Die CIA hatte ihn, seit Sara bei ihm lebte, nirgendwo hingeschickt, doch früher oder später würde das geschehen – und was wäre dann? Würde Sara nur hier sitzen und darauf warten, dass er zurückkäme? Oder stünde sie unter einem Fluchtrisiko, wenn man sie sich selbst und ihren Dämonen überließ?

“Es ist so viel schlimmer als ich dachte”, murmelte Maya. Dann fügte sie entschieden und ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verschwenden hinzu: “Ich bleibe.”

“Was?”

Sie nickte. “Ich bleibe. Es sind nur noch drei weitere Wochen an der Akademie vor den Weihnachtsferien. Ich kann die Arbeit nachholen. Ich bleibe hier über die Ferien und gehe nach Neujahr nach New York zurück.”

“Nein”, entgegnete ihr Null streng. “Absolut nicht —”

“Sie braucht Hilfe. Sie braucht Unterstützung.” Maya war sich nicht sicher, welche Art von Hilfe oder Unterstützung sie ihrer Schwester bieten konnte, doch sie hätte noch Zeit, um sich etwas zu überlegen. “Ist schon in Ordnung. Ich schaffe das.”

“Das ist nicht deine Aufgabe.” Ihr Vater lehnte sich zu ihr herüber und berührte ihre Hand. Sie zuckte fast zusammen, doch dann schlossen sich ihre Finger um seine. “Ich weiß das Angebot zu schätzen, und Sara sicherlich auch. Doch du hast Ziele. Du hast einen Traum. Du arbeitest hart für ihn und du musst ihn verwirklichen.”

Maya blinzelte ein wenig verblüfft. Ihr Vater hatte ihr noch nie zuvor Unterstützung für ihr Ziel, der CIA beizutreten, die jüngste Agentin der Geschichte zu werden, gezeigt. Stattdessen hatte er häufig versucht, es ihr auszureden, doch sie blieb standhaft.

Er lächelte und schien ihre Überraschung zu bemerken. “Verstehe mich nicht falsch. Es gefällt mir immer noch überhaupt nicht. Doch du bist jetzt erwachsen, es ist dein Leben. Deine Entscheidung.”

Sie lächelte zurück. Er hatte sich verändert. Und vielleicht gäbe es tatsächlich noch eine Möglichkeit, wieder das zu werden, was sie einst waren. Doch es müsste immer noch gelöst werden, was mit Sara geschähe.

“Ich glaube”, sagte sie vorsichtig, “dass Sara vielleicht mehr Hilfe braucht, als wir ihr geben können. Ich glaube, sie braucht professionelle Hilfe.”

Ihr Vater nickte, als ob er es schon gewusst hätte – als ob er dasselbe gedacht hätte, aber es von jemand anderem hören musste. Sie drückte sanft und beruhigend seine Hand und die beiden ließen die Stille um sie herrschen. Keiner von ihnen wusste, was als Nächstes geschähe, es war nur wichtig, dass sie Zuhause waren.

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Litres'teki yayın tarihi:
15 nisan 2020
Hacim:
371 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9781094313139
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