Kitabı oku: «Milon und der Löwe», sayfa 3

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«Fort mit dir, elender Sklave!», herrschte ihn plötzlich die Stimme eines Tempeldieners an. Eine Faust stieß in seine Seite. Milon torkelte zwischen den Säulen durch und sprang fluchtartig die Treppenstufen hinunter zurück zum Forum.

Als er bei seinen Gefährten ankam, zeigten sie schon Unruhe über sein Ausbleiben. Jeden Moment war Fuscus zu erwarten.

Plötzlich, was war das? Ein dumpfes Rollen wurde hörbar. Milon und Tyrios, die sich auf den Rand eines Brunnens gesetzt hatten, verspürten ein Zittern unter sich. Schon erschollen laute Schreie. Die Erde bebte wieder. Menschen stürzten aus den Häusern. Weiber verließen ihre Verkaufsstände und eilten zu den Tempeln, da sie sich auf geweihtem Boden sicher glaubten. Das Beben wiederholte sich stärker. Allgemeiner Tumult. Durch das dumpfe Rollen der Erde und Schreien der Menschen tönten Aufschläge niederfallender Steine, die aus den Fassaden der Häuser brachen. Fuscus, der gerade zurückkam, rief seinen Sklaven zu:

«Rettet euch zum Schiff! Fort zum Hafen!»

Es war kein Leichtes, durch die aufgewühlte, vor Angst rasende Menschenmenge und die verstopften Gassen hindurchzukommen. Als seitlich aus einem Hause ein dicker Wirt herausstürzte, warf er Milon samt seinem Eierkorb um. Schnell wieder auf den Beinen, bemerkte der Jüngling hinter sich eine gelbe Eierspur auf der Pflasterung. Aber was lag an einigen Eiern, wo es jetzt um Leben und Tod ging! Milon hatte die andern Gefährten verloren und musste sich allein zum Hafen durchkämpfen; den Korb ließ er nicht fahren, wie oft er auch seinetwegen stecken blieb. Endlich erreichte er den Hafen. Fuscus und die anderen drei hatten das Boot zur Abfahrt gerichtet; aber der Herr war noch nicht da. Aufgeregte Schiffer stießen ihre Fahrzeuge vom Ufer, um aufs offene Meer hinaus zu fahren. Hie und da sprangen wild Flüchtende in wegfahrende Boote, um sich zu retten. Das Warten war für Fuscus und die vier Sklaven eine harte Geduldsprobe; aber es war ganz unmöglich, jetzt Pomponianus irgendwo suchen zu gehen. Endlich tauchte er auf. Atemlos kam er dahergelaufen, das Gesicht so von Schweiß und Staub bedeckt, dass er kaum zu erkennen war. Mühsam unterdrückte er seine Aufregung. Mit beherrschender Ruhe befahl er:

«Losbinden, wegfahren!»

Vesuvius regiert

Vorn im Schiff saß der Herr mit erstarrtem Antlitz. Niemand redete ein Wort; nur das Knirschen und rhythmische Klatschen der Ruder beim Eintauchen ins Wasser mischte sich in das ferner werdende Getöse von der Stadt her. Pomponianus beobachtete vom Heck des Schiffes, rückwärts zur Stadt gewendet, den dahinter aufragenden Berghügel des Vesuvius. Eine riesige Wolke hatte sich wie eine mächtige Baumkrone über dem Gipfel gebildet und breitete sich mit Windeseile immer weiter aus. Die Wolke erschien bald weiß, bald schmutzig und fleckig, als ob sie mit Asche und Erde beladen wäre. Wiederum schienen Flammen aus dem Krater zu züngeln, und Blitzschein erhellte gewisse Partien. Milon, dessen Blicke beim Rudern dieselbe Richtung hatten, schaute gebannt auf das unheimliche Geschehen über dem Berge, der, unten von Rauch und Dampf verhüllt, Feuer zu speien schien. Die Wolke näherte sich Pompeji. Plötzlich rief Fuscus, der am Steuer saß, Pomponianus zu:

«Herr, da fällt Asche in unser Boot; wenn nur nicht Feuer nachfolgt!»

Tatsächlich fielen leichte und schwere Flocken wie grauer Schnee. Auf der Hand konnte man sie zu Aschenmehl zerreiben. Auf einmal, als ob Hagel fiele, spritzte ums Boot herum Wasser auf. Kleinere Steinstücke prasselten ins Schiff. Bald konnte man drüben am Ufer von Stabiae anlegen neben einem größeren Schiff, das ebenfalls Pomponianus gehörte. Der Herr hatte seine anfängliche Beherrschtheit und Ruhe verloren. Er befahl aufgeregt:

«Rasch hinauf zur Villa! Wenn die Feuersteine noch heißer und größer fallen, brennt mein ganzes Gut nieder. Helft heruntertragen hier in mein Schiff, was zu retten ist. Wir werden aufs Meer hinausfahren!»


Oben in der Villa war ein wirres Durcheinander unter der Familie und Dienerschaft des Pomponianus. Seine Frau stürzte ihm weinend in die Arme, da sie schon um sein Leben gebangt hatte. Er aber wiederholte seine Befehle. Sogleich wurden Kisten und Kasten, Vorräte, Tuchballen und Teppiche hinunter ans Meer in das Schiff getragen. Die Träger mussten ihr Haupt zudecken, da mit der warmen Asche immer mehr Steine herabfielen. Milon bückte sich nach einem größeren Stück, das dicht vor ihm zu Boden fiel. Er nahm es in die Hand und fühlte die verglühende Hitze. Trotz seiner Größe war es seltsam leicht und roch schwefelig. Das war kein gewöhnlicher Stein, von einem Felsen gebrochen, das waren Schlacken aus dem Erdfeuer der Unterwelt, aus der Feuerwerkstatt des Hephaistos. Indes war nicht Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen. Als er eben seine Bürde ins Schiff hineintrug, bemerkte er, dass ein Vierruderboot, vom Meer herkommend, in der Nähe anlegte. Die Insassen stiegen aus und näherten sich mit raschen Schritten dem Schiff des Pomponianus.

Ein würdiger älterer Herr rief ihn an:

«Ist Pomponianus oben im Hause?»

Da Milon bejahte, begab sich der Fremde mit seinen Begleitern den Treppenweg hinauf zur Villa. Als Milon sich auf dem Schiff seiner Ladung entledigte, sah er, dass die beiden Schiffswächter lange Besen in Wasserkübel steckten und die Bretter des Schiffes bespritzten, wo die heiße Asche mit dem Wasser einen grauen dampfenden Brei bildete. Auf dem Rückweg hinauf zur Villa stülpte er sich eine Lederschürze über den Kopf, um sich vor Steinschlag zu schützen. Er kam oben an, als Pomponianus gerade aus dem Hause unter das Vordach trat, um den unerwarteten Gast aus dem Vierruderboot zu begrüßen. Sie mussten alte Freunde sein; denn Pomponianus schloss ihn in die Arme und rief:

«Plinius, du bist es! Die Götter senden dich in dieser schlimmen Stunde zu mir.»

Der Fremde, der von hoher, gebieterischer Gestalt war, lächelte, machte mit der Hand eine beruhigende Gebärde:

«Was seid ihr alle so außer Rand und Band geraten? Wenn ein Berg etwas Asche und Unrat ausspuckt, geht die Welt noch nicht unter! Mein Freund, du willst doch jetzt nicht durch den Sarnus auf das Meer hinausfahren, um nach einigen Stunden des Herumirrens zurückzukehren?»

Pomponianus stammelte einige verlegene Worte. Da sprach der Gast weiter:

«Lieber Freund, ich wollte flussaufwärts zum Hofe des Cessus Bassus fahren; aber der Steinhagel hat mich zu dir getrieben. Lass uns zusammen essen und trinken und der Ruhe pflegen, bis sich Vesuvius wieder beruhigt hat.»

Diese Worte wirkten Wunder. Pomponianus verlor seine Aufgeregtheit und gebot Fuscus, das Hinuntertragen ins Schiff abzubrechen. Dann wendete er sich wieder seinem Gast zu:

«Mein Freund Plinius, ich wähnte dich in Rom. Was führt dich in diese Gegend?»

«Ich bin als Befehlshaber der kaiserlichen Flotte drüben in Misenum und habe Muße, alte Freunde zu besuchen, um sie vor Torheiten zu bewahren!»

Damit verschwanden die Herrschaften im Inneren des Hauses. Fuscus, der in der Nähe mit den Sklaven das Gespräch belauscht hatte, meldete wichtig:

«Das ist einer der mächtigsten Römer. Er gebietet über Tausende und fürchtet sich vor nichts; und wenn der Schlund der Erde vor ihm aufbräche, der kennt kein Zittern.»

Kaum hatte Fuscus diese Worte zu den Umstehenden gesprochen, verstärkte sich das Prasseln der Steine wieder, sodass schon Ziegel auf dem Dach zerbrachen. Auf Fuscus’ Befehl begab sich Milon in die Küche, da er mit Tyrios die Tafel für den hohen Gast zu richten hatte.

Der Untergang

Nach Beendigung des ausgiebigen Gastmahls fand Milon Gelegenheit, unter das Vordach des Hauses hinauszutreten und den drohenden Berg zu beobachten. Über den Gärten der Villa lag knöcheltief Asche. Es war sehr dunkel geworden, obwohl es erst Nachmittag war. Vom Vesuvius flammte es durch die Rauchnebel wie eine gewaltige Feuersbrunst. Nach dem Mahle traten auch Pomponianus, seine Angehörigen und der Befehlshaber Plinius unter das Vordach heraus. Ein Ausruf des Entsetzens wurde laut:

«Der ganze Berg brennt!»

Doch Plinius beruhigte:

«Das sind nur einige Bauernhäuser, die brennen, da sie nahe am Berge stehen. Lasst uns jetzt für eine Weile der Ruhe pflegen. Einmal wird der Berg ausgetobt haben. Der Zorn der Götter ist wie der Zorn der Menschen von kurzer Dauer.»

Also begaben sich die Herrschaften wieder ins Innere des Hauses. Plinius legte sich in eine Kammer, die vom Hof aus zu betreten war, um Mittagsschlaf zu halten. Der Regen von Asche und Steinchen ging unaufhörlich weiter.

Etwa nach einer Stunde begann ein so heftiges Beben der Erde, dass man glauben konnte, die Mauern der Gebäude rutschten auf dem Boden dahin. Dazu ertönte ein so entsetzliches Krachen, dass sich die ganze Bewohnerschaft, von Angst ergriffen, wieder unter dem Vordach einfand. Man ging Plinius wecken und musste schon Gewalt anwenden, um die Tür, die nach dem Hofe aufging, zu öffnen, da Asche und Steine bereits ein Hindernis bildeten. Als Plinius die Verschlimmerung der Lage nun auch gewahrte und vor allem die Gefahr, weiter im Hause zu verbleiben, das einstürzen konnte, erwog er mit Pomponianus ernsthaft, wohin man am besten fliehen könnte. Vom Sarnus her kam die Meldung, dass mit größeren Schiffen auf dem Fluss kein Durchkommen mehr sei, da die seichten Stellen bereits verstopft wären vom Schlamm der Asche und vom Steinregen. Es sei auch heftiger Gegenwind ausgebrochen, der eine Ausfahrt aufs Meer selbst für kleinere Boote verhindere.

Als plötzlich einige Balken und Ziegel des Daches herabstürzten, beschloss man nach aufgeregtem Hin und Her, in dem nur Plinius seine unerschütterliche Ruhe bewahrte, in die Felder südostwärts zu flüchten, möglichst weit weg von dem tobenden Berge.

«Stürzt das Haus ein, so sind wir lebendig begraben!», rief Pomponianus.

Nun banden sich die meisten ein Kissen auf den Kopf oder stülpten sich Körbe über, um vor dem Steinregen geschützt zu sein. Die Sklaven wurden angewiesen, Speise, Trank und Decken mitzunehmen. Es war dunkle Nacht geworden, als der geisterhafte Zug die Villa verließ, von schwankenden Windlichtern angeführt. Als er am Fischteich vorbeikam, leuchtete ein ferner Blitzstrahl auf. Milon gewahrte für einen Augenblick den in der Asche tanzenden Faun, immer noch Flöte spielend. Ihm schien, er grinse über die von Furcht ergriffenen, flüchtenden Menschen.

Das Vorwärtskommen über die zerbröckelnden, aschegetränkten Steinfelder war mühsam. Manch einer rutschte aus, stürzte und bedurfte der Hilfe, um sich wieder aufzurichten. Weinen und Jammern der Kinder, mitunter Schreie der Angst durchzitterten das unaufhörliche Prasseln der Schlackensteine. Alle hielten sich möglichst dicht hintereinander, da jeder fürchtete, den Anschluss zu verlieren und in die Irre zu gehen.

Fuscus führte, nach Anweisung des Plinius, den Zug etwas südlich auf die Küste zu, wo sich vielleicht die Gelegenheit einer Rettung aufs Wasser ergeben könnte. Es ging immer langsamer vorwärts, da zu allen Hindernissen die staubige Aschenluft das Atmen zu erschweren begann.

Plötzlich sank Plinius erschöpft zu Boden. Tyrios musste für ihn eine Decke ausbreiten. Er verlangte nach kaltem Wasser, das man ihm aus einem Krug reichte. Er trank zweimal. Bald aber trieb der heiße Wind einen stechenden Schwefelgeruch heran, der zu weiterer Flucht zwang. Auf Tyrios und Milon gestützt, richtete sich Plinius auf, brach aber im selben Augenblick tot zusammen.

Verwirrung und Entsetzen der Fliehenden waren nun vollkommen. Da es für sie jetzt nur ein Vorwärts gab, blieb der hohe Tote ohne Wächter in der Nähe des Meeresufers liegen, mit einer Decke zugedeckt. Durch die gewonnene Entfernung hatte der Steinregen nachgelassen; aber die Asche fiel wie Schnee im Winter. Neue Aufregung entstand, als die Frau des Pomponianus hinfiel, obgleich sie von ihrem Mann und einer Sklavin gestützt wurde. Sie verlor die Fassung und schrie auf:

«Es gibt keine Götter im Himmel! Die letzte Nacht ist angebrochen, die ewige Nacht, die unsere Erde verschlingt!»

Schließlich bettete man sie auf eine schwere Decke. Vier Sklaven hoben sie auf und trugen die Jammernde weiter. Pomponianus, mit seinen zwei Töchtern nebenhergehend, versuchte sie zu besänftigen, damit sie nicht ganz von Sinnen käme. Endlich lichteten sich langsam die dunklen Ballungen des Aschengewölks. Ein Schimmer von Tageslicht drang durch, und nach einer Weile leuchtete eine helle Stelle auf, wo die späte Nachmittagssonne am Himmel stand. Grau verstaubte Gestalten, wankten die Flüchtenden durch die weißlich tote Welt. Wohl lebte mit dem Hellerwerden ein Schimmer Hoffnung in den Geängstigten auf; aber das Beben der Erde setzte immer wieder von Zeit zu Zeit ein. Rückwärts, in Richtung Pompeji, war die ganze Gegend weiterhin in Finsternis gehüllt. Fernes Grollen ließ die Schrecken des Untergangs der blühenden Stadt ahnen.

Vor den Augen der Fliehenden erhob sich plötzlich in dunklen Umrissen gespenstisch ein Orangenbaum, aus dessen grauem Laubwerk goldgelbe Früchte wie aus einer unwirklichen Vergangenheit herunterleuchteten. Eine Scheune stand in der Nähe. Ihre festen Pfähle hatten dem Wanken der Erde widerstanden. Pomponianus ließ den Zug anhalten und gebot:

«Hier bleiben wir. Richtet drinnen ein Lager für die Herrschaft. Wir werden hier über Nacht bleiben. Vielleicht ist frühmorgens eine Rückkehr möglich.»

Um in die Hütte hineinzukommen, musste durch Asche und Steine der Zugang frei gemacht werden. Über dem Meer brach auf einmal die niedere Abendsonne unter der Wolkendecke durch und zauberte eine unwirklich rotglühende Landschaft aus Asche und Rauchschwaden hervor. Tyrios kletterte in den Orangenbaum, schüttelte das Geäst. Eine dicke Staubwolke fuhr daraus und eine Anzahl Früchte fielen nieder. Behände sammelte er sie in einen Korb, den er über sich getragen hatte, und rieb mit einem Tuch die Schalen sauber. Dann brachte er seine Gabe zu den Herrschaften, die dankbar danach griffen und die seltenen Früchte als unerwartetes Geschenk der zur Hölle gewordenen Erde verzehrten.

«Tyrios versteht es immer wieder, sich bei den Herrschaften angenehm zu machen», dachte Milon.

Er hatte inzwischen für das Gesinde ein Strohlager auf dem Aschenboden im Freien hergerichtet. Das Stroh hatte man in der Scheune vorgefunden. Plötzlich trat Fuscus zu ihm und sagte:

«Milon, du gehörst zu der Gruppe, die heute Abend mit mir zurück nach Stabiae muss. Pomponianus will das Schiff mit seinen Gütern nicht unbewacht lassen. Bereite dich zum Rückweg! In Kürze brechen wir auf.»

Wie gerne hätte sich Milon auf das eben bereitete Strohlager hingestreckt nach all den überstandenen Strapazen!

Eine Weile später wanderte Fuscus mit sechs jüngeren Sklaven in Richtung des Meeres, da man dem Ufer entlang den Weg in der Nacht besser zu finden hoffte. Die Sonne sank ins Wasser und erlosch. Fuscus trug die einzige brennende Ampel, deren gläserne Hülle das Ölflämmchen vor den Winden schützte. Am Meerufer lagen viele tote Fische, die von den Wellen über die vom Himmel gefallenen Schlackensteine aufs Trockene geworfen worden waren. Dieses Gestein hatte breite Streifen des Wassers zurückgedrängt und ausgefüllt. Tyrios war zur Bedienung der Herrschaft zurückbehalten worden, und so vermisste Milon seinen Kameraden, mit dem er bis jetzt Freud und Leid geteilt hatte. Wortlos schritten die Sklaven der Ampel nach. Der Stein und Aschenregen hatte ganz aufgehört, nur hin und wieder wirbelte der Wind vom Lande hertreibend Staubwolken auf, die zeitweise das Atmen behinderten. Die Müdigkeit hatte Milon dermaßen überwältigt, dass er oft glaubte, im Gehen einzuschlafen und umzusinken, und doch ging’s unaufhörlich weiter. Einmal wurden sie durch Menschen aufgeschreckt, die das Meerufer als Fluchtweg benutzten. Fuscus hielt die Gruppe an. Was sie erzählten, war entsetzlich.

«Pompeji ist über und über verschüttet! Die Stadt mit einem Leichentuch von Asche bedeckt. Keine lebende Seele ist dort mehr anzutreffen. Tausende sind unter den Trümmern der Häuser begraben. Flüssiges Feuer floss in breiten Strömen vom Vesuvius bis in die Stadt.»

Kein Wunder, dass die Flüchtenden Fuscus abrieten weiterzugehen: «Zurück! Da hinten ist nur Tod und Verderben!»

Fuscus erkundigte sich nach dem Flusse Sarnus. Ein Flüchtling erklärte:

«Über den Sarnus konnten wir uns zu Fuß aus der Stadt retten. Das Flussbett ist vom Steinregen ausgefüllt worden. Das war unsere Rettung. Wir blieben zu lange im Hause, das in der Nähe des Flusses stand und zugeschüttet wurde. Schließlich konnten wir uns einen Ausweg schaffen und uns hinüberretten.»

Fuscus versuchte, sich Mut zu machen:

«Keine Stunde mehr und wir sind bei unserem Schiff. Dort finden wir gute und sichere Lagerstätten!»

Wer beschreibt den Schreck des Fuscus und seiner Leute, als sie sich den Gärten und der Villa des Pomponianus näherten. Mannshoch lagen Asche und Steine. Die Mauern des Hauses auf einer Seite eingestürzt, das Dach völlig in Trümmern. Von Fischteich und Faun nichts mehr zu erblicken. Als sie hinunter zum Schiff kamen, erkannte man es nur an zwei hölzernen Masten, die aus einem riesigen Schutthaufen ragten. Ein einziger Stein- und Aschenhügel hatte sich vom Ufer über das Deck des Schiffes gebildet. Jenseits des Sarnus, wo die Stadt lag, flackerten da und dort noch immer Flammen von ausbrennenden Gebäuden. Glücklicherweise wehte der Wind den Rauch in andere Richtung. Fuscus konnte mit seinen Helfern beginnen, einen Zugang zum Schiff frei zu machen, was beim Schein des spärlichen Windlichtes mühsam vor sich ging.

Es mochte gegen Mitternacht gehen, als sie durch eine Falltür in den Rumpf des Schiffes einsteigen konnten. Im Innern war es völlig unversehrt. Unberührt lagen die Güter und Waren des Pomponianus an ihrem Ort. Kurzerhand legte sich die todmüde Mannschaft auf Säcke und Teppiche, als Letzter Fuscus, der in das Windlicht Öl nachfüllte.

Milon fand nicht so rasch den Schlaf wie seine Genossen, zu sehr bewegte das Erlebte seine Gedanken. Er klaubte aus seinem Gürtel die Münze hervor, die Alkides ihm auf der Akropolis zum Abschied geschenkt hatte, und drückte sie gegen seine Stirn. Seine Lippen wollten danken für die Errettung aus den Schrecken dieses Tages; aber sie fanden die Worte nicht. Ihm war, als wären die Götter Athens nicht mit ihm hierher gezogen. Die Götter der Römer erschienen ihm als Feinde der Menschen, da sie so Entsetzliches zuließen, wie er es heute erfahren hatte. Er versuchte, abgerissene Sätze, die bei den Opfern auf der Akropolis sich in sein Gedächtnis geprägt hatten, zu flüstern. Da stiegen für einen Augenblick die hellen Tempel vor seinem inneren Auge auf. Sachte schob er die Münze in die Gürteltasche zurück. Er fühlte, das Römerreich konnte ihm keine neue Heimat geben. Mit dem Geschmack bitterer Asche auf der Zunge schlief Milon ein.


Die tote Stadt

Fuscus, der oftmals gefürchtete Aufseher der Sklaven, war seit dem gestrigen Erlebnis merkwürdig still und freundlicher geworden. Sonst weckte er mit einem Stockschlag die schlafenden Sklaven. Heute begnügte er sich, dem nächstliegenden seine schmutzige Fußsohle in die Seite zu drücken und ein kameradschaftliches: «Auf, auf, ihr Burschen!» zu schnarren. Aus dem Schiffsvorrat gab es hartes Brot mit getrocknetem Fisch zum Frühstück und Wasser aus einem Fass, das erst am Vortage aufgefüllt worden war. Danach befahl er den Sklaven:

«Eure erste Aufgabe ist, das Schiff von Steinen und Asche zu befreien. Ausfahren kann es nicht mehr. Wenn Pomponianus zurückkehrt, was heute der Fall ist, wird er mit seiner Familie hier im Schiff Unterkunft nehmen müssen. Oben in der Villa können nur Ratten und Mäuse wohnen. Auf, an die Arbeit!»

Werkzeug, Körbe und Besen waren auf dem Schiff genügend vorhanden, und bald fing auf Deck ein Schaufeln und Räumen an. Schlackensteine und Asche wurden in das Flussbett geworfen, sodass um das Schiff herum ein Wall von Gesteinen hochwuchs. Da das ausgeglühte Vulkangestein fünfmal leichter ist als gewöhnliche Steine, machte das Räumen rasche Fortschritte. Zu Mittag war das ganze Verdeck des Schiffes gesäubert und bis zum Ufer ein kleiner Damm als Zuweg aufgeschüttet. Nach kurzem Mahl gewährte Fuscus eine längere Mittagsrast. Er selber ließ sich einen Krug herrschaftlichen Weines schmecken und legte sich aufs Ohr. Milon fragte einen der Mitsklaven namens Vargo:

«Kommst du mit mir über den Sarnus, um einen Blick auf Pompeji zu werfen? Fuscus wird sich einen langen Schlaf gönnen.»

«Gerne komme ich mit», erwiderte dieser.

Mit Stöcken bewaffnet, um mehr Sicherheit im Gehen zu haben, überquerten sie das Flussbett des Sarnus. Spärlich nur sickerte Wasser durch, verborgen unter der hohen, durchlässigen Steinschicht, die das Flussbett ausfüllte. Als sie drüben am Ufer mühsam eine Schutthalde erstiegen hatten, entfuhr Milon ein Schreckensruf. Wo früher die Stadt gewesen war, dehnte sich eine zum Teil noch rauchende, graue Steinwüste aus. Kein Haus, kein Lebewesen, soweit das Auge reichte. Der Vesuvius im Hintergrund war mächtig gewachsen. Eine weiße Rauchfahne zog sich von seinem Gipfel weit ins Hinterland. Bei näherem Hinschauen bemerkte Milon, dass die Steinwüste Unebenheiten hatte. Wo früher Gassen und Straßen durchführten, waren längliche Steingräben zu sehen. Wo größere Häuser gestanden hatten, erhoben sich höhere Steinhügel.

«Horch! Hörst du den Hund bellen?», sagte Vargo.

Wirklich, auch Milon hörte zeitweise ein gar nicht so fernes, dumpfes Bellen.

«Ist der arme Kerl irgendwo verschüttet und eingeschlossen?», vermutete Vargo.

«Komm, wir suchen ihn!»

Vorsichtig einen Graben entlanggehend, spürten die beiden, wie von unten her immer noch Wärme durch Gestein und Asche heraufglühte. Unheimlich, dieser Gang durch die Totenstadt. Gestern noch buntes Leben und Treiben! Erschrocken hielten sie an, als plötzlich neben ihnen ein kleiner Steinhügel einbrach und Qualm herausschoss. Ein Dach war eingestürzt, dessen ausgeglühte Balken dem Druck der Steinmasse nachgegeben hatten. Näher und lauter ließ sich jetzt das Gebell vernehmen, und als der Steingrabenweg in einem Winkel umbog, sahen die beiden den Hund, der an einer bestimmten Stelle scharrte und wieder hilflos bellte. Vargo rief:

«Der sucht hier jemand, ob tot oder lebendig; vielleicht ist sein Herr da unten begraben.»

Das Tier ließ sich durch die Angekommenen nicht vertreiben und fuhr in seinem Gebaren fort.

«Ich hole Schaufeln und bin gleich zurück!», rief Milon. Als er nach einem kurzen Lauf zurückkam, hatte er auch Stricke, einen Krug mit Wasser und etwas Brot mitgebracht, wovon er dem Hund ein Stück zuwarf. Heißhungrig stürzte dieser sich auf den Bissen. Vargo erklärte:

«Ich habe inzwischen diese Stelle mit einem Stock untersucht und schon eine Reihe von Steinen weggeräumt. Den Eingang von der Gasse her freizuschaufeln ist viel zu langwierig, da beim Graben immer wieder Steine nachrutschen. Hingegen kann man eine Ecke des Daches freilegen, Ziegel abdecken und versuchen, ins Innere zu steigen.»

Fieberhaft gingen sie ans Werk. Es war, als ob das Tier den Helferwillen der Männer verstünde. Sein Bellen wurde ruhiger. Nicht lange ging’s, so waren Steine und Asche bei einer Hausecke in den Gassengraben hinuntergeworfen. Die Ziegel ließen sich leicht abdecken, und durchs offene Gebälk sah man in eine Halle hinunter. Milon und Vargo streckten ihre Köpfe in die Öffnung. Vargo rief ins Dunkle:

«Ist hier unten jemand?» Wie aus Kellertiefe kam als schwache Antwort ein unverständliches, jammerndes Rufen. Der Hund hatte sich neben die beiden zur Öffnung hingedrängt und bellte wieder.

«Da unten ist noch ein menschliches Wesen am Leben», sagte Vargo. «Milon, du bist schlank und leicht. Ich lasse dich am Seil hinunter und ziehe dich wieder herauf, wenn du den Überlebenden gefunden hast.»

Vargo knüpfte sogleich das Seil an einem Dachpfosten fest. Milon ließ sich daran hinunter. Als er Boden unter den Füßen verspürte, mussten sich seine Augen zunächst an die Dunkelheit gewöhnen. Die Luft roch hier immer noch dick und schweflig. Vargo brach einige weitere Ziegel weg, damit es unten um einen Schimmer heller wurde. Milon schrak zusammen, als seine Augen richtig wahrnehmen konnten. Auf dem Boden lagen reglose Gestalten, erstickt vom schwefligen Rauch. Durch eine Türöffnung, die mit einem dicken Wandteppich verhängt und zugeknöpft war, hörte Milon nun deutlich jammernde Laute eines Kindes. Unter Toten noch eine lebendige Seele! Er knüpfte den Vorhang frei und schob ihn zur Seite. In das finstere Gemach rief er gedämpft:

«Wo bist du? Komm zu mir!»

Da umschlangen ihn plötzlich die Ärmchen eines kleinen Knaben, der schluchzte und am ganzen Leibe zitterte. Milon hob ihn auf an seine Brust und versuchte, ihn zu trösten. Da Tränen seine Augen füllten, erkannte der Knabe die Leichen seiner Eltern nicht. Aufwärts richtete sich sein Blick, dem Tageslicht zu, woher das Winseln des Hundes herunterdrang. Mit seinem Gürtel band Milon den Knaben, der etwa siebenjährig sein mochte, auf seinen Rücken und ließ sich von dem starken Vargo hochziehen. Ein Griff ins Gebälk, die Füße an der Mauer aufgestützt – und Vargo konnte ihm den Knaben vom Rücken nehmen. Im schmerzlich blendenden Mittagslicht deckte er seine Augen mit beiden Händen zu. Gleich machte der Hund sich an ihn heran, winselte freudig und beleckte seine Arme und Beine. Jetzt löste der Knabe die eine Hand, umschlang den Hund und nannte ihn bei seinem Namen:

«Carus!»

Milon war nun ebenfalls herausgeklettert und sah den Hund mit dem Knaben vereint. Vargo meinte:

«Gewiss ist der Hund bei Ausbruch des Erdbebens aus der Stadt entlaufen und hat heute, als das Schlimmste vorüber war, seinen Unterschlupf wieder verlassen, um seine Leute hier aufzusuchen.»

Er langte nach den Ziegelsteinen und deckte die Dachöffnung wieder zu, indes Milon dem Knaben, der sich Florus nannte, den Krug zum Wassertrinken bot. Gierig schlürfte er in langen Zügen. Dankbar nahm er einen Brocken Brot. Als sich seine Augen allmählich ans Tageslicht zu gewöhnen begannen, schweiften seine Blicke wie erstarrt und voll Angst über die Steinwüste. Er erfasste nicht, was sich zugetragen hatte und wo er sich befand. Er erinnerte sich nur an einen schrecklichen Lärm und an die Finsternis. Er musste lange in Ohnmacht gelegen haben.

«Wir müssen zu Fuscus zurück», sagte jetzt Vargo. «Milon, trag du den Knaben, ich nehme den Hund an den Strick.»

Als die vier zum Schiff an den Sarnus kamen, war Fuscus kurz zuvor vom Mittagsschlaf erwacht. Er hatte zornig das Fehlen der beiden Sklaven bemerkt. Da sie nun mit einem Hund und dem geretteten Pompejanerknaben zurückkehrten, vergaß er das Schelten. Als er von dem Knaben hörte, dass sein Name auf den einer bekannten, vornehmen Familie lautete, lobte er Milon und Vargo für ihre Tapferkeit. Der Hund wurde auf dem Schiff angebunden. Florus folgte Milon auf Schritt und Tritt, weil er ihn aus der Düsternis befreit hatte; aber bald legte ihn dieser im Inneren des Schiffes auf eine Decke, wo er sogleich in tiefen Schlaf fiel.

Vargo und Milon mussten auf dem Schiff bleiben und alles zum Empfang des Pomponianus in Ordnung bringen. Fuscus begab sich mit den vier anderen Sklaven zur Villa hinauf, um aus Schutt und Gemäuer zu retten, was noch brauchbar war. Am späten Nachmittag meldete ein Bote die baldige Ankunft der Herrschaft. Vargo überbrachte die Meldung Fuscus, der sogleich mit seinen Helfern, die mit Geräten und Säcken beladen waren, zum Schiff zurückkehrte.

Müde schleppte sich der Zug mit Pomponianus und seinem Gefolge auf das Schiff zu. Vor Furcht, Trostlosigkeit und Erschöpfung waren ihre Gestalten gebeugt. Irr schauten die Augen umher. Als Pomponianus das Schiff betrat und die eingerichtete Wohnlichkeit wahrnahm, hellte sich sein Antlitz etwas auf. Erschöpft ließen sich die Seinen auf die bequemen Lagerstätten nieder. Pomponianus konnte Fuscus nicht genug loben, wie gut er alles hergerichtet hatte. Im vorderen Schiffsteil mit den kleinen Fensterluken war Raum für die Herrschaften; unter dem hinteren Deck, im Lagerraum, gab es Schlafstätten für das Gesinde und ihre Kinder.

Auf einem späteren Rundgang durch das Schiff führte Fuscus seinen Herrn zu dem Knaben mit dem Hund, die schlafend in einer Ecke des Hinterdecks beieinander lagen. Er berichtete über die wunderbare Errettung. Als der Knabe etwas später aufwachte und nun an Deck gebracht wurde, rief Pomponianus:

«Bist du nicht Florus, der Sohn des Attikus? Gestern noch war ich bei euch in Pompeji zu Gast.»

Der Knabe nickte. Tränen schossen ihm in die Augen; auch er erkannte jetzt den Freund seines Vaters. Pomponianus nahm ihn gerührt auf seine Arme und versuchte, ihn zu trösten. Sogleich begab er sich mit dem Kleinen in den Herrschaftsraum, um ihn seiner Frau und den beiden Töchtern zu bringen. Nachdem er ihnen die Entdeckung des Verschütteten geschildert hatte, schloss er mit den Worten:

«Der Untergang von Pompeji hat mir einen Sohn und euch einen Bruder beschert. Er soll von nun an immer bei uns bleiben!»

«Der Hund aber auch!», meinte Lulla, die jüngere Tochter.

Und so geschah es.


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