Kitabı oku: «Kuba», sayfa 5

Yazı tipi:

„Wie würden Sie aus heutiger Sicht Ihre Leistung damals in Krakau einschätzen?“, möchte ein Journalist wissen. „Ich war um einiges jünger. Meine körperliche Verfassung und Schnelligkeit sind heute sicher auf einem ähnlichen Niveau, aber in Sachen Taktik liegen zwischen dem Kuba von damals und dem heutigen Welten. In dieser Hinsicht habe ich Jahr für Jahr sehr viel dazugelernt. Spieleffizienz, Antizipation auf dem Spielfeld, Selbstsicherheit […] Ich bin der Meinung, dass ein Fußballer sich in jedem Jahr weiterentwickeln sollte. Ich glaube, dass ich diesem Anspruch gerecht geworden bin. (Sport.pl, Januar 2013)

Und wie kommt er damit klar, dass er mit der polnischen Nationalelf nicht annähernd so erfolgreich ist wie mit dem BVB? Bei zwei Großereignissen, der WM 2006 und der EM 2008, warfen ihn Verletzungen aus dem Kader. Błaszczykowski kürzt ab: „Ich gucke immer nach vorne, aber selbstverständlich fehlt mir der Erfolg bei einem internationalen Turnier. (Sport.pl, November 2013)

Dawid:

Ich sehe mir BVB-Spiele an, weil ich diesen Verein liebe, aber mein Herz schlägt jedes Mal höher, wenn ich weiß, dass er auf dem Platz steht. Wir reden dann darüber, was anders, besser sein könnte usw. Oft enden diese Gespräche im Streit, dann wechseln unsere Frauen schnell das Thema. Manchmal sitzen wir mit einem Blatt Papier am Tisch und zeichnen auf, wie es wäre, wenn er es so oder so machen würde. Ob es besser wäre, wenn usw. Jeder beharrt auf seiner Position und lässt nicht locker. Keiner möchte dem anderen zugestehen, dass er recht hat. (Lacht.)

Jurek:

Ich habe das Gefühl, Kubas größter Traum ist, mit der Nationalmannschaft ein großes Turnier zu bestreiten und dort unter die ersten drei zu kommen. Das ist etwas, was ihm in seiner Karriere noch fehlt. Wir haben eine Silbermedaille bei Olympischen Spielen in Barcelona 1992 geholt, einen vergleichbaren Erfolg hat die Nationalmannschaft seither nicht mehr erreicht. Wir haben nicht in solchen Top-Vereinen gespielt wie er und keine solchen Mannschaftserfolge erzielt, aber es sind die Erfolge mit der Nationalmannschaft, die darüber entscheiden, ob ein Spieler in seiner Heimat in die Fußballgeschichte eingeht oder nicht. Da ist Kuba bis jetzt außen vor.

„Ich werde immer danach streben, noch besser zu sein. Mir ist bewusst, dass man diesen Beruf nicht bis zur Perfektion erlernen kann. Nur durch harte Arbeit kann man die gewünschten Ergebnisse erzielen. Ich gehöre noch nicht zu den alten Spielern und ich spiele in einer der besten Mannschaften Europas. Solange ich den Beruf des Fußballers ausübe, werde ich mich bemühen, immer besser zu werden, andernfalls hätte die Arbeit keinen Sinn.“ (Website von JB, Dezember 2011)

KUBAS SPIELSTATISTIK MIT

–Wisła Krakau (Ekstraklasa, Polnischer Pokal, Champions-League-Qualifikationsrunde, UEFA-Pokal)

–Borussia Dortmund (Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League, Europa League)

–der Nationalmannschaft


* Stand vom 21. April 2015


Borussia Dortmund feiert den Sieg und den Einzug ins Halbfinale der Champions League, 09.04.2013, Dortmund

Der Sieg gegen Málaga im Viertelfinale der Champions League war der Hammer. Unglaublich, was dort los war und wie eins aufs andere folgte. Das hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können. (Kuba)


Viertelfinale der Champions League 2012/13, Rückspiel gegen den FC Málaga (3:2), 09.04.2013, Dortmund. Kuba Błaszczykowski (BVB) und Martin Demichelis (Málaga)


Kubas erste komplette 90 Minuten nach der Verletzung: Bundesligaspiel gegen Hannover 96, 21.03.2015, Hannover

Kuba zeichnet sich durch seine Technik und Leichtigkeit im Umgang mit dem Ball aus.

Dazu kommt sein Riesenengagement und natürlich die Erfahrung. (Adam Nawałka)


Sebastian Kehl, Oliver Kirch, Kuba Błaszczykowski, Shinji Kagawa und Pierre-Emerick Aubameyang: Freude nach dem ersten Tor beim Bundesligaspiel gegen Hannover 96, 21.03.2015, Hannover


Marco Reus, Sebastian Kehl, Jürgen Klopp und Kuba Błaszczykowski nach dem Sieg der Dortmunder im Bundesligaspiel gegen Hannover 96, 21.03.2015, Hannover


Mats Hummels und Sebastian Kehl beim Bundesligaspiel BVB – Borussia M‘gladbach, Saison 2013/14

Kuba gehört zu den Mannschaftskollegen, mit denen ich mich am besten verstehe. Er ist nicht arrogant und verhält sich auch nie so. Das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist: Kuba ist ein total normaler Typ. (Mats Hummels)

Seine Vergangenheit, das, was er durchgemacht hat, macht ihn zu einem starken Menschen, aber ich bin sicher, dass er sehr sensibel ist. Empfindsamkeit ist eine immanente Eigenschaft jedes starken Menschen. (Sebastian Kehl)


Marco Reus, Robert Lewandowski und Kuba Błaszczykowski mit dem Wimpel der Kampagne „Nein zu Rassismus“ vor dem Champions-League-Match gegen Arsenal London, 22.10.2013, Emirates Stadium, London


Kuba im Trikot von Wisła Krakau mit Teamkollegen und den Trainern seines ehemaligen Vereins, Raków Częstochowa, im Dezember 2006. Oben von links: Mateusz Sieja, Michał Różycki, Dominik Płaza, Mariusz Warmuziński, Helena Karoń, Tomasz Karoń, Trainer Gothard Kokott, Trainer Mirosław Sieja; unten von links: Marcin Gała, Dariusz Załecki, Paweł Karoń, Kuba Błaszczykowski


Die Junioren von Raków Częstochowa beim „Turniej Orlich Gniazd“ in Zawiercie, Februar 2001. Oben von links: Michał Różycki, Trainer Mirosław Sieja, Mateusz Sieja, Piotr Masters, Marcin Gała, Karol Wojciechowski, Piotr Miedziński, Dominik Płaza. Unten von links: Tomasz Karoń, Mariusz Mazur, Piotr Andrzejewski, Mariusz Stępień, Rafał Lisowski, Kuba Błaszczykowski


Die Juniorenmannschaft von Raków Częstochowa im Mai 2000 im Stadion von Raków Częstochowa. Vierter von links in der unteren Reihe: Kuba Błaszczykowski


Erstes Foto mit der Mannschaft von Wisła Krakau, 01.03.2005. Oben von links: Kamil Kuzera, Sebastian Fechner, Temple Kelechi Omeonu, Vlastimil Vidlička, Jacek Kowalczyk, Marek Holocher (Torwarttrainer), Ryszard Szul (Physiologe), Bartosz Iwan, Kuba Błaszczykowski, Martins Ekwueme, Aleksander Kwiek, Mariusz Urban (Arzt); Mittelreihe von links: Zbigniew Woźniak (Masseur), Marcin Kuźba, Nikola Mijailović, Marcin Juszczyk, Arkadiusz Głowacki, Michał Wróbel, Tomasz Kłos, Radosław Majdan, Radosław Sobolewski, Paweł Brożek, Janusz Trytek (Physiotherapeut); unten von links: Marek Zieńczuk, Mauro Cantoro, Maciej Żurawski, Kazimierz Moskal (Mannschaftsleiter), Verner Lička (Trainer), Tomasz Kulawik (Trainerassistent), Tomasz Frankowski, Marcin Baszczyński, Maciej Stolarczyk


Gruppenphase des UEFA-Pokals 2006/07; Wisła Krakau – FC Basel, 30.11.2006, Krakau. Von links: Kuba Błaszczykowski, Paweł Brożek

Nach ein oder zwei Tagen fragte Mauro Cantoro: Wo haben wir denn den Jungen her? Das kann nicht sein, dass der in der vierten Liga gespielt hat. So fing alles an. (Kuba)


Spiel 23 Lech Posen – Wisła Krakau, 08.04.2006, Posen.

Samba Ba Pape, Kuba Błaszczykowski


Eins ist sicher: Ich war nicht brav. Wie jeder Junge machte ich gern Unfug und war sehr lebhaft. Andererseits fühlte ich mich immer gleich schuldig, wenn ich etwas Schlimmes gemacht hatte und gab es dann auch ziemlich schnell zu. (Kuba)

Kuba Błaszczykowski im Alter von sieben Jahren, Schulausweisfoto, 1992


Kuba sagte immer: Oma, was wäre aus uns geworden, wenn es euch nicht gegeben hätte? Dann wärt ihr ins Heim gekommen. Das werde ich nie vergessen. Ich sagte ihm: Kind, selbst wenn ich hätte betteln müssen, dann hätte ich eben gebettelt, aber zu essen hätte ich euch immer gegeben.

Felicja Brzęczek, Kubas Großmutter


Über manche Sachen spricht er nicht mit uns. Er braucht seine Privatsphäre. Auch mit Journalisten spricht er selten.

Małgorzata, Tante mütterlicherseits


Er gehört zu den Typen, die nichts zerbrechen kann. Später traf er in den entscheidenden Momenten immer die richtigen Leute und ging den richtigen Weg.

Jurek Brzęczek, Onkel mütterlicherseits


Obwohl er viel erreicht hat, ist er bis heute ein normaler Mensch geblieben. Er hilft vielen Menschen. Er prahlt nie und ist immer er selbst. Dafür liebe ich ihn sehr.

Teresa, Tante mütterlicherseits


Mir kommt es vor, als ob Kuba psychisch so gebaut ist, dass er keine Worte der Zuversicht braucht. Wenn es anders ist, zeigt er es zumindest nicht. Wenn er ein tolles Tor schießt, schreibe ich ihm manchmal eine SMS und gratuliere, aber nicht immer. Und er schreibt zurück: Danke und Grinsen und Küsschen. Das war’s…

Dawid Błaszczykowski, Kubas Bruder


Mama hatte zwei Kinder und einen Mann, der nicht half, sondern eher im Weg stand, und trotzdem hielt sie die Familie über Wasser. Die Mutter ist in den Augen eines kleinen Jungen, wie ich es damals war, eine echte Heldin. (Kuba)

Anna Błaszczykowska, Mutter von Kuba und Dawid



Weißt du, manchmal habe ich mich gefragt, ob ich das, was bei uns zu Hause passiert ist, zugelassen hätte, wenn ich älter gewesen wäre. Ich habe mir die Schuld dafür gegeben, dass ich nicht in der Lage war, etwas zu tun. Kurz vor Mutters Tod legte ich Puzzle im Wohnzimmer und sie löste Kreuzworträtsel. In einer Art Vorahnung ging ich zu ihr und sagte: Mama, ich weiß nicht, was ich mache, wenn ich dich verliere. Ich fing an zu weinen. Mutter sagte damals: Bei euch erwartet mich nichts Gutes. Das ist mir im Gedächtnis geblieben. (Kuba)


Kuba am Tag vor dem DFB-Pokalfinale Bayern München – Borussia Dortmund, 16.05.2014, Berlin


Das Spiel lehrt uns Achtung vor uns selbst und vor dem Gegner und die sollten wir uns gegenseitig bekunden, was auch bedeutet, nicht gedankenlos zu foulen. Jemanden mit Absicht zu verletzen, ist abscheulich. (Kuba)

Borussia Dortmund gegen Hannover 96 am 07.11.2010 in der (damaligen) AWD Arena in Hannover. Kuba Błaszczykowski, Karim Haggui


Achtelfinale der Champions League 2014/15, Rückspiel gegen Juventus Turin (0:3), 18.03.2015


Wir reden viel miteinander, ich bemühe mich, alle seine Spiele anzusehen, und dann analysieren wir sie. Wir besprechen, was gut und was schlecht war. Obwohl die Situation jetzt anders ist als früher, weil Kuba inzwischen ein erfahrener Spieler ist. (Jurek Brzęczek)

Kuba Błaszczykowski und Jurek Brzęczek


Agata Błaszczykowska, Jurek Brzęczek, Marzena Brzęczek und Kuba Błaszczykowski, Silvester 2009/10 in Władysławowo


Kuba schreibt eine SMS: In zehn Minuten bin ich da. Was, fragt meine Frau, Kuba ist da? Dann gehen wir irgendwo hin, ins Kino zum Beispiel. Ich komme gar nicht auf die Idee, zu antworten, dass ich schon im Bett liege oder schon gegessen habe, sondern ziehe mich einfach an. (Tomek)

Tomek alias Kicha, Kubas Freund, August 2014


Er hat mir das Würfeln beigebracht, und zwar seine eigene Variante. Als wir gemeinsam im Urlaub auf Sardinien waren, haben wir die ganze Zeit gespielt, sei es um Liegestütze oder um Sprünge in den Pool. (Łukasz Piszczek)

Kuba mit seinem Bruder Dawid und Łukasz Piszczek beim Würfeln im Urlaub auf Sardinien 2012


Ich wünschte, er würde wenigsten einmal anrufen und sagen: Janek, hol mich vom Flughafen ab. Denn wenn ich an ihn als Freund denke, frage ich mich, wobei kann ich ihm helfen? Keiner von uns würde mit ihm tauschen wollen, bei dem, was er durchgemacht hat. (Janek)

Janek, Arek, Adam (Babaś), Kubas Freunde, August 2014


Wann Kuba glücklich war? Wir waren mal mit meinem kleinen Polski Fiat unterwegs und plötzlich war das Benzin alle. Kuba stieg aus und schob. Wir schoben das Auto bis nach Hause und dann zur Tankstelle. Und er war glücklich. Das war ein Spaß. (Radek)

Radek, Freund von Kuba, Częstochowa, August 2014

II. ES WAR EINMAL EIN JUNGE …

„Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“

MATTHÄUS 6, 21

Es verging einige Zeit, ehe Błaszczykowski aufhörte, auf Fragen zu seiner Kindheit – euphemistisch formuliert – nichtssagend und sparsam zu antworten. Alles, was mit der Person seines Vaters Zygmunt Błaszczykowski in Verbindung stand, schien sofort sämtliche Erinnerungen an diese Zeit auszulöschen. Die Antworten waren unerträglich lakonisch. Keine Geschichten von Lieblingsspielzeugen und Holzautos, keine lustigen Begebenheiten. Vor allem fehlte in ihnen die Person des Vaters: kein gemeinsames Fußballspiel, keine Ausflüge und Gespräche, wie sie nur zwischen Vater und Sohn vorkommen. Kann es denn sein, dachte ich immer wieder, dass der erwachsene Mann vergessen hat, dass er der Lieblingssohn seines Vaters war (wie sich später herausstellte)? Schließlich wollte der kleine Kuba doch gerade ihm beweisen, dass er zig Liegestütze konnte; wenn es sein musste, seine Milch austrank und ein liebenswürdiges Kind war. Auf diese Erinnerungen musste ich geduldig warten und hoffen, dass die Zeit dafür kommen würde. Um ein Bild von Kubas Kindheit zu bekommen, fragte ich also zunächst andere und hörte zu, was sie zu erzählen hatten. Ich sah Familienfotos, auf denen ein lachender Junge direkt in die Kamera schaut. Ein schmächtiger Blondschopf. Von einer Tante erfuhr ich, dass eigentlich ein Mädchen geplant war. Karolina sollte sie wohl heißen. Geboren wurde Kuba. Am 14. Dezember 1985.

Ich weiß nicht mehr genau, wann Kuba das Habe-ich-vergessen-Syndrom überwunden hatte, aber als es geschah, fing ich noch einmal von vorne an, ihn zu seiner Kindheit zu befragen. Wann hatte er gelacht, wann war er wütend gewesen, wann hatte er mit dem Fuß aufgestampft und wann war er einfach nur ein glückliches Kind gewesen? Ich wollte wissen, worüber seine Eltern mit ihm sprachen und ob ihre Ermahnungen etwas nutzten. Wer mit ihm schmuste, wer ihm beim Zubettgehen sagte, dass er ein lieber und guter Sohn war. Ob er Spinat mochte oder Hackbraten und wer letzten Endes die Liebe zum Fußball in ihm weckte.

MAI 2014


MD Es war einmal ein Junge …
KB Er ist immer noch ein Junge. (Lacht.)
MD Was siehst du, wenn ich sage: der kleine Kuba?
KB Ich bin vielleicht sechs Jahre alt und fahre mit Mama auf einem Klapprad. Ich weiß noch, wie ich auf dem Gepäckträger sitze und zusehe, wie sich die Speichen drehen und auf ihnen die Sonne reflektiert. So richtig habe ich wohl nicht verstanden, was da vor sich geht, denn irgendwann habe ich meinen Fuß reingesteckt.
MD Seid ihr gestürzt?
KB Ich hatte ein ziemlich lädiertes Bein, ich erinnere mich noch wie heute an die Schmerzen. Alle Verletzungen aus Kindertagen sind mir im Gedächtnis geblieben, und einige davon waren wirklich schmerzhaft, glaub mir. Die Sache mit dem Fahrrad hab ich mir gemerkt. Als Kind merkst du dir alles, was dir zum ersten Mal begegnet. Es sei denn, du bekommst so viel Zeug, dass du es auch schnell wieder vergisst – wie das heute oft der Fall ist. Wir hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten und also auch nicht solche Probleme.
MD Hattest du einen Teddy zum Einschlafen?
KB Nein.
MD Und ein Lieblingsspielzeug?
KB Nein, hatte ich auch nicht.
MD Du hattest kein Lieblingsspielzeug?
KB Nein.
MD Wenn deine Eltern dir einen Gefallen tun wollten, dann …?
KB Erlaubten sie mir, bei ihnen zu schlafen. Ich wollte immer bei Mama schlafen. Oder sie wenigstens im Schlaf mit dem Bein berühren. Dann fühlte ich mich sicher, und wehe, Mama stand auf, bevor ich fest eingeschlafen war. Ich hatte einen sehr leichten Schlaf. Wenn sie sich nur ein wenig bewegte, fragte ich gleich: Wohin gehst du?
MD Wie alt warst du da?
KB Weiß nicht, vielleicht fünf oder sechs.
MD War Dawid genauso?
KB Ich weiß nicht, aber ich mochte nicht allein schlafen.
MD An wen hast du dich öfter gekuschelt?
KB An Mama. Das ist doch ganz natürlich, dass die Mutter einem kleinen Jungen näher ist.
MD Als der Vater?
KB Schon allein, weil sie eine Frau ist. Sie ist wärmer und gibt schneller nach. Eine Mutter ist eine Mutter. Das heißt nicht, dass mein Vater außen vor war, ich hatte ein gutes Verhältnis zu ihm. Und bis zum Moment der Tragödie war es zwischen uns einigermaßen okay, nur später hat sich, verständlicherweise, alles geändert.
MD Jungen und später auch Männer reden nicht gern darüber, dass die Mutter für sie wichtig war und ist. Sie schämen sich, ihre Gefühle zu zeigen.
KB Ich habe mich nie geschämt und schäme mich auch jetzt nicht dafür, dass meine Mutter für mich das Wichtigste ist. Im Leben ist es ja so: Solange du jemanden nicht unwiederbringlich verloren hast, ahnst du nicht, wie viel Freude und Geborgenheit er dir gegeben hat. Deshalb spreche ich offen darüber.
MD Was hat deine Mutter gesagt, wenn sie böse auf dich war?
KB Dass ich ein Dickkopf wäre. Wir sind zu zweit aufgewachsen, Dawid und ich, und zwischen uns gab es oft Schlägereien, wir waren oft ungezogen. Darüber war Mutter nicht gerade froh. Immer gab es Kämpfe zwischen uns, die oft mit blauen Flecken endeten. Das war für mich die erste Schule des Lebens. (Lacht.) Mama wollte, wie jede Mutter, dass ihre Kinder die liebsten sind.
MD Wurdet ihr bestraft?
KB Ja. Das musste sein.
MD Womit konnte man dich am meisten bestrafen?
KB Das Schlimmste war, wenn ich nicht rausdurfte.
MD Dann hast du am Fenster gestanden und zugesehen, wie deine Freunde gespielt haben.
KB Ich fing sofort an zu betteln, ob ich nicht doch zu ihnen dürfte. Und zu schwören, dass ich ab sofort lieb sein würde. Genau wie heute meine Tochter: Entschuldigung, Papa, ab jetzt bin ich ganz lieb. Wenn ich meine Tochter ansehe, verstehe ich besser, was Mutter damals wollte. Was sie meinte, wenn sie sagte: Mach dies nicht, tu das nicht!
MD Hat sie sich oft rumkriegen lassen?
KB Nicht immer. Kam darauf an, was ich angestellt hatte.
MD Kannst du dich an etwas erinnern, das sie richtig wütend gemacht hat?
KB Ich weiß, dass ich, als wir unser neues Haus gebaut haben, gern vom Balkon in den Sand gesprungen bin. Einmal bin ich gestolpert, unterm Balkon lagen Hohlblocksteine und auf die bin ich gefallen. Schau, ich habe hier über dem Auge so eine Narbe, da habe ich mir damals die Stirn aufgeschnitten, und weißt du, was ich gemacht habe? Mich hinter dem Schuppen versteckt und gewartet, bis es nicht mehr blutete. Irgendwann kam ich dann hinter dem Schuppen hervor, blutüberströmt. So ist das Leben. Unsere Kinder werden die gleichen Erfahrungen machen. Und wir mit ihnen.
MD Na, ich weiß nicht. Ich bin nicht vom Balkon gesprungen.
KB Aber in den Sand. (Lacht.) Ich war kein braves Kind. Diese verrückten Ideen hätten auch ganz anders ausgehen können.
MD Mit elf standst du vor Gericht. Ich kann mir die Schlagzeilen vorstellen: Jugendlicher Draufgänger … Das passiert nicht jedem in dem Alter.
KB Ich stand vor Gericht wegen eines Kaugummis und zwanzig Groschen. In der Schule haben wir in den Pausen gewürfelt, das war in der sechsten oder siebten Klasse. Ich kann mich nicht mal erinnern, wo und mit wem ich um diesen Kaugummi und die zwanzig Groschen gespielt hatte. (Lacht.)
MD Du machst Witze?
KB Nein. Fünf von uns mussten vor Gericht. Die Richterin war empört, wie der Schuldirektor so ein Verfahren anstrengen konnte. Sie war auch böse, dass die Polizei Minderjährige wegen so einer Lappalie derart ins Gebet nahm. Heutzutage würde so etwas anders aussehen.
MD Hattest du eine Erklärung für dein Verhalten?
KB Ich habe es einfach zugegeben. (Lacht.) Insgesamt ging es bei uns fünf um dreieinhalb Złoty.
MD Wer hat euch angezeigt?
KB Der Direktor.
MD Lebt er noch?
KB Ja, aber ich habe keinen Kontakt zu ihm.
MD Bestimmt freut er sich, wenn er dich heute sieht.
KB Wer weiß.
MD Wann hast du deine erste Zigarette geraucht?
KB Ich habe geraucht, aber ich wusste nicht, wie man einen richtigen Zug macht. Mein Bruder hat mich zur Rede gestellt, da war ich vielleicht dreizehn Jahre alt. Danach war Schluss. Darauf bin ich eigentlich ziemlich stolz. Ich bin bis heute ein Gegner all dieser Suchtmittel.
MD Von allem?
KB Ich habe niemals geraucht. Sie wollen es ja ganz genau wissen, Frau Reporterin.
MD Und das ist erst das Vorspiel …
KB Da werde ich wohl erfahren, was Vorspiel bedeutet. (Lacht.)
MD Endlich ist eine Journalistin mal zu etwas nütze. Kehren wir noch mal zur sorglosen Kindheit zurück. Hat deine Mutter jeden Tag gekocht?
KB Ja, sie war eine sehr gute Köchin.
MD Was mochtest du am liebsten?
KB Hackbraten. Mama hat auch sehr gute Frikadellen gemacht. Kartoffeln mit Soße und Rinderbraten. Rotkohl mit Mayonnaise. Ich liebte das. Mir läuft regelrecht das Wasser im Mund zusammen …
MD Warst du ein guter Esser?
KB Ich habe mich nicht zurückgehalten. (Lacht.)
MD Warst du ein Kind, das man leicht gern haben konnte?
KB Eins ist sicher: Ich war nicht brav. Wie jeder Junge machte ich gern Unfug und war sehr lebhaft. Andererseits fühlte ich mich immer sofort schuldig, wenn ich etwas Schlimmes gemacht hatte und gab es auch ziemlich schnell zu.
MD Ziemlich schnell?
KB Es gibt zwei Phasen in meiner Kindheit. Vor und nach der Tragödie, die mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat. Von da an war es ein anderes und auch ich war nicht mehr derselbe. Früher habe ich alles sofort zugegeben, später hat es immer ein wenig gedauert.
MD Den kleinen, glücklichen Kuba hätte ich gern einmal gesehen.
KB Ich war damals wirklich klein. Aber weißt du was? Obwohl ich eigentlich ein sorgloses Leben hatte, habe ich von Anfang an aus einer Art Trotz heraus gehandelt. Ich ärgerte andere und hatte am Ende immer selbst den Ärger. Daraus bin ich aber nicht klug geworden, sondern machte ihnen weiter Schwierigkeiten. Selbst gegenüber meinem Bruder ließ ich nie locker.
MD Hattest du keinen Respekt vor deinem drei Jahre älteren Bruder?
KB Nein, wir haben oft miteinander gekämpft. Als ich sechs Jahre alt war und Dawid neun, übertraf er mich an körperlicher Kraft. Aber in solchen Momenten wird der Stahl gehärtet, wie man so schön sagt. (Lacht.) Ich sag ja, das war für mich die erste Schule des Lebens. Auch wenn Dawid in der Regel nachgab, um mir nicht wehzutun, ließ er mir doch ab und zu die Chance, mich mit ihm zu messen. Für mich war Rivalität immer eine starke Motivation und ist es bis heute.
MD Wie wär’s damit: Du kommst angeschlagen und schmutzig nach Hause und sagst stolz: Mama, ich habe gerade ein Tor geschossen …
KB Das habe ich nicht gemacht. Ich habe mich nicht gerühmt. Wenn mir auf dem Platz mal etwas gelungen ist, dann habe ich gewartet, bis jemand mich lobt.
MD Das scheint bis heute so zu sein … Ich kann mich an ein Spiel erinnern, das ich nicht gesehen habe, in dem du aber ein Tor geschossen hast. Du hast nicht damit geprahlt, sondern danach geschrieben, dass das erzielte Tor nur noch halb so viel wert gewesen wäre, wenn du damit angegeben hättest … Machst du dir das Leben nicht zu schwer?
KB So bin ich eben. Aber wie du siehst, besteht ja immer die Aussicht, dass ein anderer mich lobt. (Lacht)
MD Angenommen, du müsstest ein Puzzle mit dem Bild „glücklicher Kuba“ legen …
KB Bis zu jenem Moment?
MD Ja, bis zu jenem Moment.
KB Es gibt ein Video von meiner Kommunion. Da habe ich einen Fußball geschenkt bekommen und stehe in Anzug und Fußballschuhen auf dem Hof vor der Kamera. Das ist das einzige Filmmaterial aus meiner Kindheit, andere Aufnahmen, die es gab, sind bei irgendeiner Gelegenheit in der Post verschollen. Damals war ich wirklich glücklich. Es ist vermutlich auch der einzige handfeste Beweis dafür, was ich wirklich von Anfang an wollte: Fußball spielen. Ich erinnere mich genau an den Tag, als ich zu meinem ersten Training bei Raków Częstochowa fahren sollte. Wir spielten wir mit Freunden Räuber und Gendarm.
MD Du warst – lass mich raten? (Lacht.)
KB Ich bin lieber der, der jagt. (Lacht.) Obwohl es im Leben mal so und mal so war. Ich verletzte mich an einer Flasche, ein Schnitt lief übers Knie. Mit Mama ging ich zur Sportlehrerin, die sich das ansehen sollte. Es war eine tiefe Wunde. Aber ich sollte doch zum ersten Training in meinem Leben fahren! Ich verzichtete auf das Nähen, denn ich wollte unbedingt fahren. Ich fuhr hin und da war ich auch glücklich. Mein erster Kontakt mit dem Mannschaftsfußball. Schon kurz darauf wurde ich in eine höhere Altersgruppe versetzt. Ich trainierte mit Jungen, die zwei Jahre älter waren. Und wenn ich ihnen ebenbürtig oder manchmal sogar besser war, dann war ich natürlich auch …
MD … glücklich. Das ist ein anderes Bild: Der Teenager Kuba rennt mit dem Ball über den Platz und weiß bereits, dass er besser als die anderen ist. Und was denkt er da?
KB Immer nur an das Eine: Fußball spielen und ein Fußballer sein. Immer mit Ball. Mit Dawid habe ich schon gespielt, als ich vier war. Aber so richtig ernst wurde es, als ich mit ihm nach Częstochowa zu Raków fuhr. Man musste früh aufstehen und täglich zum Training fahren. Ferien gab es nicht. Auch keinen Urlaub. Davor war ich in Schulsportvereinen gewesen. Vater war Sportlehrer und leitete sie. Da habe ich auch mit Älteren trainiert. Damals sah das noch anders aus als heute. Manchmal musste ich eine Stunde warten, um nur für fünf Minuten auf dem Platz stehen zu können und auch nur dann, wenn jemand anders keine Lust mehr hatte. Heute ist alles viel leichter für junge Leute. Sie halten das, wofür wir kämpfen mussten, für selbstverständlich und wissen es nicht zu schätzen.
MD Was ist am Fußball so toll, dass man sich dafür aufopfert?
KB Die frische Luft. (Lacht.)
MD Hmm … du sprichst wohl mit einer Blondine, was? Ich wiederhole meine Frage: Was ist so toll am Fußball außer der frischen Luft?
KB Die Liebe zum Fußball wurde mir über Generationen vererbt. Mein Bruder und ich, wir waren quasi zum Spielen verurteilt. Jurek [Brzęczek] spielte toll und von klein auf sahen wir, dass er Erfolg hatte und in dem, was er machte, aufging. Wollen nicht viele Jungen deshalb spielen, weil sie ein Vorbild haben? Das Champions-League-Finale zwischen Real und Atlético im Mai 2014 hat wunderbar gezeigt, was außer der frischen Luft am Fußball toll ist. (Lacht.) Und das Allertollste ist seine Unvorhersehbarkeit. Jeden Moment kann auf dem Spielfeld etwas passieren, mit dem absolut niemand gerechnet hat.
MD Es kommt der Moment, da die pickeligen Jugendlichen sich damit abfinden müssen, dass auf dem Platz ein anderer besser ist …
KB Warum picklig? (Lacht.)
MD Das war die Revanche für die frische Luft.
KB Gut. 1:1.
MD Ein Teil der Kameraden bewundert dich. Aber es gibt doch auch solche, die über dich herziehen?
KB Manche werden neidisch, weil sie nicht so spielen können wie du. In solchen Momenten ist jemand aus der Familie das Wichtigste. Jemand, der dir Gutes will, dich aber nur lobt, wenn du auch etwas wirklich Gutes erreicht hast. Das Wichtigste, denn ich wette, das aufrichtigste Lob ist das von Verwandten.
MD Kuba …
KB Pickel hatte ich nicht. (Lacht.)
MD Sonst würde ich auch kein Buch mit dir schreiben. (Lacht.) Du hättest Feuerwehrmann werden können oder Rallyefahrer, weil du schnelles Fahren liebst, oder auch Winnetou, den du bewundert hast, obwohl ausgerechnet der nicht Fußball spielte …
KB In der Tat, als ich klein war, haben wir pausenlos mit Freunden alle Teile von Winnetou geguckt. Ich kannte die Filme auswendig. Wir saßen unterm Tisch, der unser Wigwam war. Ich erinnere mich auch, dass wir uns die Gesichter wie Indianer angemalt haben. Dennoch stand der Fußball immer an erster Stelle. Einfach rausgehen und bolzen.
MD Wolltest du berühmt sein oder hören, dass du der Beste bist?
KB Nein, ich wollte Fußball spielen, um ein Profifußballer zu werden. So war das. Der kleine Kuba hatte keine Probleme oder Sorgen. Er hatte alles, was für einen jungen Menschen wichtig ist.
MD Messi wurde von seiner Oma zum ersten Mal zum Sportplatz gebracht. Die Oma des kleinen Cantona kam mit einem Schirm zu den Spielen, um sofort einzuschreiten, falls jemand ihrem Enkel etwas antun wollte.
KB Meine hätte sich das auch nicht gefallen lassen. Wir hatten einen kleinen Sportplatz hinter der Feuerwache. Ich erinnere mich, dass Opa, der Mann von Oma Fela, manchmal dorthin kam und zusah, wie wir spielten. Wenn du klein bist, willst du zuerst deinen Opa beeindrucken, damit fängt es irgendwie an. Du willst zeigen, was du draufhast, den Großeltern und den Eltern imponieren. Später überträgt sich das auf das Spiel. Spielst du gut, loben sie dich und das immerfort. Du gewöhnst dich daran, aber wenn es aufhört, fehlt es dir.
MD Mit andern Worten: Sie haben dich gelobt?
KB Haben sie mich eigentlich gelobt? Daran kann ich mich gar nicht erinnern, aber wenn ich gut gespielt habe, dann ging Opa mit mir Eis essen. Für ein Tor hat er mich vielleicht auch noch gelobt. Aber wirklich wichtig ist, dass du selbst weißt, wie du deine Arbeit gemacht hast. Ein Lob kann auch gefährlich sein. Es kann zu Selbstzufriedenheit führen. Du denkst dann vielleicht, dass du schon gut genug bist und nicht mehr an dir arbeiten musst.
MD Bestand bei dir jemals die Gefahr?
KB Wenn du etwas aus Leidenschaft machst, kann es dir gar nicht langweilig werden. Du gibst immer hundert Prozent. Ohne Fußball konnte ich schon als Kind nicht leben. Erst später stellte sich die Zufriedenheit ein. Zuerst deine eigene, dann die derjenigen, die sich dein Spiel ansehen und denen das, was du machst, gefällt. Aber das ist die nächste Stufe. Die guten Worte von Jurek [Brzęczek], der sah, wie ich spiele, drangen erst viel später zu mir durch. Niemals hat er mich an Ort und Stelle beurteilt, aber wenn er mir später eine gute Leistung bescheinigte, machte mich das zufrieden. So sehr, dass sich bald eine Unsicherheit und Angst dazugesellte, die Menschen ja nicht zu enttäuschen, und der Drang, bei jedem Spiel erneut zu beweisen, dass ich immer noch gut war. Ich verband damit eine Verantwortung.
MD Hast du dir überlegt, was wäre, wenn es dir nicht gelänge?
KB Nein, ein Misslingen war nicht eingeplant. Niemals. Natürlich gab es Momente des Zweifels, aber immer setzte sich die Überzeugung durch, dass es gutgehen muss. Das hat sich in meinem Kopf festgesetzt. Sicher, man muss auch Glück haben, aber das Wichtigste ist der Glaube. Manche Leute behaupten, dass sie an etwas glauben, aber sie tun nichts, um das, was ihnen wichtig ist, zu verwirklichen. Sie glauben also eigentlich nicht wirklich daran. Heute kann ich natürlich so reden, weil ich es geschafft habe.
MD Das Wort „geschafft“ will irgendwie nicht zu dir passen.
KB Du hast recht, es gibt kein „geschafft“. Es gibt Talent, harte Arbeit und die Frage, wie weit du in der Lage bist, dich aufzuopfern. Ob du dafür den Lohn bekommst und machen kannst, was du liebst, steht auf einem anderen Blatt. Das ist ungewiss. Meinen Charakter verdanke ich in starkem Maße meinem Bruder. Er war älter und ließ nie locker, ich musste immer noch mehr und noch mehr schaffen. Er ließ mich nicht einfach gewinnen, nur weil ich kleiner war. Es gab immer einen Kampf, keiner hat nachgegeben. Und wenn ich sah, dass er doch nachgab, damit ich gewinne, habe ich es nicht erlaubt. Ich wollte, dass er richtig spielt. Nur dann war es ein echter Zweikampf.

Dawid:

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