Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 690»

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-96688-112-8

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Jan J. Moreno

Nächtliches Gefecht

Die Portugiesen leisten erbitterte Gegenwehr

Drohend lag die Zweimastgaleere des Sultans von Golkonda vor dem schmalen Kanal, dem einzigen Zugang zur Bucht. Der mächtige Rammsporn zeigte auf die „Cabo Mondego“, die portugiesische Karavelle, die elf Tonnen Gold und Silber geladen hatte – ein Schatz, der für den Mogulkaiser Akbar bestimmt gewesen war. Aber Drawida Shastri, ein Vetter des Sultans und dessen erklärter Todfeind, hatte ihn in Madras an sich gebracht.

Mit einer Elefantenkarawane waren Gold und Silber abtransportiert worden – doch nur bis zu einem Küstenschiff nahe Madras. Dort hatten die Inder den Schatz auf die „Cabo Mondego“ umgeladen und auf dem schnelleren Seeweg bis zur Höhe von Gudur verfrachtet, wo erneut Elefanten warteten.

Zufällig wurde die „Cabo Mondego“ entdeckt, bevor der Schatz auf die Elefanten umgeladen werden konnte, und die enge Bucht vor Gudur wurde zur Falle …

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Die Hauptpersonen des Romans:

Drawida Shastri – als der falsche Sultan von Golkonda merkt, daß es ihm an den Kragen gehen könnte, setzt er sich schleunigst ab.

Sultan von Golkonda – er ist sehr erzürnt, als er feststellen muß, daß ihm sein gerissener Vetter entwischt ist.

Luis de Xira – die Freude, einen Gold- und Silberschatz an Bord zu haben, bleibt für den Kapitän der „Cabo Mondego“ nur ein kurzer Traum.

Edwin Carberry – empfängt eine Spillspake ins Kreuz und wird darauf fuchsteufelswild.

Philip Hasard Killigrew – führt seine Arwenacks zum Angriff auf die portugiesische Karavelle, und da fliegen die Fetzen.

1.

Die über Jahre hinweg angestaute Verbitterung hatte ihm den Entschluß leichtfallen lassen, den für den Mogulkaiser Akbar bestimmten Schatz an sich zu bringen. Falls der Sultan dabei sein Gesicht verlor, hieß das, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Shastri wandte sich nicht um, als er leise Schritte vernahm. Schon die Art, wie sich der Mann hinter ihm bewegte, verriet den Portugiesen. Jeder Inder hätte respektvollen Abstand gewahrt und wäre nicht bis auf Tuchfühlung neben ihn getreten.

Shastri mußte an sich halten, um nicht loszubrüllen. Er war erregt, aber weder Zorn noch Wut waren gute Ratgeber. Er brauchte die Portugiesen, war zumindest im Moment mehr denn je auf sie angewiesen und durfte sie folglich nicht durch unbedachte Äußerungen gegen sich aufbringen.

Was wußten die hellhäutigen Fremden schon von den Sitten und Gebräuchen seines Landes? Ihr Augenmerk war doch nur darauf ausgerichtet, möglichst schnell hohen Profit zu erzielen. Sie handelten mit allem, was Gewinn versprach, und schreckten nicht davor zurück, sich gegenseitig zu den Fischen zu schicken.

Unwillkürlich verglich Shastri die Portugiesen mit dem Sultan und seinem Heer. Sich selbst nahm er dabei geflissentlich aus.

„Der Sultan will den Kampf um jeden Preis“, sagte der Mann, der dicht hinter ihm stand. An der Stimme erkannte Shastri Luis de Xira, den Kapitän der Karavelle.

De Xira war ein erfahrener Mann. Trotz seiner fünfzig Jahre wirkte er noch kräftig und ausdauernd. Er war hager, seine von Wind und Wetter gegerbte Haut schimmerte wie Pergament. Die dunkelbraunen, tief in den Höhlen liegenden Augen verliehen dem Gesicht sehr viel Leben. Sein großer Schnauzbart, ebenso wie das schon schütter werdende Haupthaar, war weiß und schwarz und grau. Keine dieser Farben dominierte, vielmehr gingen sie fließend ineinander über.

De Xira war schweigsam und wirkte oft sogar ein wenig verkniffen. Wer ihn näher kannte, wußte, daß dies mit seiner heiseren Stimme zusammenhing. Der Degen eines Gegners hatte vor zwei Jahrzehnten seinen Hals durchbohrt – zu sehen waren heute zwar nur mehr zwei kleine, von wildem Fleisch umwucherte Narben, doch der heisere, gelegentlich krächzende Klang seiner Stimme was als Andenken an jenes Duell geblieben.

Drawida Shastri spie verächtlich aus.

„Mein Vetter wird sich den Schädel einrennen. Was nutzen ihm seine zwanzig Geschütze und die Rudersklaven, solange er die schlechteren Leute an Bord hat? Laß deinen Stückmeister Kettenkugeln laden, Kapitän, dann werden wir ihre Riemen zersplittern und sie in die tiefste aller Höllen schicken. Der Sultan kann keinen Vorteil erringen.“

Luis de Xira seufzte ergeben. Er trat neben Shastri ans Schanzkleid und stützte sich am Handlauf ab. Hinter der Brandung, gerade eine halbe Meile entfernt, lauerte die Galeere wie ein beutegieriges Raubtier, offenbar bereit, jeden Augenblick zuzuschlagen.

„Ich sehe die Situation anders“, sagte der Kapitän. „Der Sultan kann es sich leisten, die Nacht abzuwarten. Mit Hilfe der Rudersklaven wird er sein Schiff gegen den Wind manövrieren und uns rammen.“

„Nein!“ erwiderte Shastri selbstsicher. „Genau das tut er nicht.“

Flüchtig trafen sich ihre Blicke. Luis de Xira wirkte irritiert, schließlich hatte er sich eben noch in den glühendsten Farben ausgemalt, wie er als Kapitän der Galeere vorgehen würde. Die Überlegenheit der Galeere lag eindeutig in der besseren Manövrierfähigkeit und dem mächtigen Rammsporn begründet.

„Ich kann über den Sultan vieles sagen, aber leider nicht, daß er dumm ist“, erklärte Shastri. „Er weiß, daß wir das Gold noch an Bord haben, die Elefanten waren bisher nicht nahe genug heran, und den letzten Versuch hat er vereitelt. Wenn er uns rammt, läuft er Gefahr, die ‚Cabo Mondego‘ zu versenken – und mit ihr den schier unermeßlichen Schatz.“

Der Kapitän zuckte mit den Schultern.

„Dann versucht er eben zu entern, besonders groß ist der Unterschied nicht.“

„Die beste Verteidigung ist immer noch der eigene Angriff.“ Drawida Shastri blickte zu den langen Wimpeln hinauf, die von den Masttoppen wehten. Der Wind stand ziemlich genau aus westlicher Richtung. „Wenn der Sultan gnädig gestimmt ist, wird er jedem von uns nur die Augen ausstechen oder die Hände abschlagen lassen, wenn nicht, läßt er uns köpfen. Natürlich nur, wenn er uns erwischt.“

„Davon war nie die Rede“, knurrte de Xira.

„Ich sagte, daß unser Vorhaben nicht einfach wird.“

„… daß der Sultan uns bestimmt nicht einholen würde, ehe die Elefanten mit dem Schatz im Dschungel verschwunden seien und nichts und niemand etwas beweisen könnte.“

„Das war ein Irrtum“, erwiderte Shastri. „Ich bin darüber nicht minder verärgert, Capitán.“

„Wie viele Soldaten befinden sich auf der Galeere?“

„Ich weiß nicht“, gestand Shastri. „Für gewöhnlich um die dreißig Mann, aber ebensogut kann es jetzt die dreifache Anzahl sein.“

„Die Rudersklaven nicht mitgezählt?“

Der Inder lachte spöttisch. „Mein Vetter wird sich hüten, auch nur einen der Sklaven von den Ketten zu befreien – er wäre seines Lebens nicht mehr sicher. Die Kerle, die auf den Ruderbänken sitzen, sind Mörder, Diebe und anderes Gesindel, die würden eher auf unserer Seite kämpfen als für den Sultan.“

„Aber darauf verlassen können wir uns nicht.“

Shastri winkte lässig ab. „Wir müssen den Sultan und seine Soldaten überraschen. Er glaubt, uns in der Falle zu haben und denkt vermutlich gar nicht daran, daß wir den Spieß umdrehen könnten.“

Mittlerweile hatte sich der Himmel über dem Dschungel blutrot gefärbt. Die Sonne war hinter den Baumriesen verschwunden, nur noch vereinzelt brachen Strahlenfinger durch Lücken im Laubdach und huschten irrlichternd über die Bucht und die küstennahe See.

Im Bereich des Südufers, entlang der weitläufigen, sumpfigen Bachmündung, schimmerte das Wasser wie flüssiges Blei. Zum Kanal hin färbte es sich golden, und weiter draußen nahm es eine dunklere, rote Farbe an.

Der Wind wehte beständig aus Westen.

Drawida Shastri ballte die Hände zu Fäusten.

„Du kriegst mich nicht, Vetter!“ Wie einen Fluch stieß er die Worte zwischen den Zähnen hervor. „Wenn du glaubst, ich gebe auf, täuschst du dich. In meinen Adern fließt schließlich das gleiche Blut wie in deinen.“

Im Osten näherte sich die Nacht mit Riesenschritten. Dicht über der Kimm glitzerten die ersten Sterne.

Prüfend sog Kapitän Luis de Xira die Luft ein. Ein leichter Schwefelgeruch war unverkennbar, lastete aber erst seit wenigen Augenblicken über der Küste.

„Ein Gewitter zieht auf“, erklärte er. „In ein, zwei Stunden haben wir den heftigsten Wolkenbruch.“

„Um so besser.“ Hoch erhobenen Hauptes, die Hände immer noch zu Fäusten geballt, stand Drawida Shastri am Schanzkleid und starrte zu der Galeere hinüber. „Ich will, daß der Stückmeister alle Geschütze lädt. Er soll soviel Pulver nehmen, wie er gerade noch verantworten kann. Die ‚Cabo Mondego‘ muß einen Angriff unternehmen.“

„Die Galeere blockiert den Kanal, wir haben keine Chance, an ihr vorbei das freie Meer zu erreichen. Selbst die stümperhafteste Geschützbedienung kann auf eine Distanz von dreißig bis vierzig Schritte nicht danebenschießen.“

„Ich verlange nicht, daß die Karavelle in den Kanal einläuft“, sagte Shastri. „Sie soll vielmehr im letzten Moment abdrehen und eine Breitseite auf die Galeere abfeuern. Mit viel Glück genügen die sechs Kanonen einer Batterie, um der ‚Stern von Indien‘ größere Schäden zuzufügen. Daß deine Männer zu zielen verstehen, Capitán, haben sie bewiesen. Während der Sultan genug zu tun hat, den vermeintlichen Ausbruchsversuch abzuwehren, werden meine Männer und ich ihn von da angreifen, von wo er es am wenigsten erwartet, nämlich von See her.“

De Xira zog überrascht die Brauen hoch. Er wollte spontan etwas sagen, schwieg dann aber, um sich nicht Shastris Unwillen zuzuziehen. Wenn er es recht bedachte, war das Angebot des Inders verlockend und außerdem wirklich der einzige Weg, den Sultan und seine Soldaten loszuwerden.

Nur hätte er nie angenommen, daß sich Drawida Shastri an einem solchen Unternehmen selbst beteiligen würde. Der Kapitän glaubte, über einige Menschenkenntnis zu verfügen, und Shastri war für ihn stets einer der skrupellosen Männer gewesen, die bedenkenlos andere für sich über die Klinge springen ließen.

„Warum so nachdenklich?“ fragte der Inder. „Mein Plan ist gut, und meine Leute schwimmen ausgezeichnet. Niemand wird uns sehen, wenn wir die Galeere entern.“

„Die Gefahr …“

Shastri lachte hell. „Haben nicht die Götter längst bewiesen, daß sie mich beschützen? Die schwarze Kali hat mir geholfen, den Schatz zu erlangen, und Schiwa war es, der den Verrat meines Vertrauten Dilip Rangini aufdeckte.“

„Trotzdem …“ Der Kapitän zeigte sich hartnäckig. Warum, wußte er selbst nicht genau zu sagen, aber irgendwie hatte er das Gefühl, daß es nicht gut war, wenn er die Inder allein ziehen ließ. „Solange wir nur eine Breitseite abfeuern, werden nicht alle Männer an Deck gebraucht, bei deinem Vorhaben kann jedoch jede Faust entscheidend sein.“

„Die Fehde zwischen dem Sultan und mir ist unsere ureigenste Angelegenheit“, widersprach Shastri heftig. „Sie wird zwischen uns Indern ausgetragen, ohne daß sich Fremde einmischen.“

Die Betonung des Wortes „Fremde“ ließ de Xira zusammenzucken, Drawida Shastri hatte es hart, beinahe verächtlich ausgesprochen.

Ebenso schroff erwiderte er: „Egal, wer den Kampf weswegen begonnen hat oder weiterführt, wir von der ‚Cabo Mondego‘ stecken mittendrin. Selbst wenn wir wollten, könnten wir nicht mehr zurück.“

Shastri drehte auf dem Absatz um und schickte sich an, zur Kuhl abzuentern.

„Ich rufe meine Leute zusammen. Wir gehen von Bord, sobald wir von der Galeere nicht mehr beobachtet werden können.“

Unwillig zog er die Stirn in Falten, als ihm der Kapitän die Hand auf die Schulter legte und ihn sanft, aber nachdrücklich, zurückhielt.

„Was ist noch? Wir haben alles gesagt, was zu bereden war.“

„Zwischen uns besteht eine Vereinbarung, Drawida, und ich halte meinen Teil ein. Dazu gehört, daß sich meine Männer nicht nur aus der Ferne am Angriff auf die ‚Stern von Indien‘ beteiligen. Unser beider Ziel ist es, den Sultan loszuwerden, wenngleich aus unterschiedlichsten Gründen. Deshalb gebe ich dir einige kampferprobte Männer zur Seite.“

Der Inder vollführte eine entschieden ablehnende Handbewegung.

„Greift mit der Karavelle an und lenkt die Aufmerksamkeit des Sultans und seiner Wachen ab, das ist für mich die größte Hilfe.“

Capitán Luis de Xira lächelte verbindlich.

„Für einen Scheinangriff brauche ich nicht die ganze Mannschaft, und der versprochene Anteil am Schatz ist mir einige Ausfälle wert.“

„Die Anteile der Toten …?“

„… fallen zu zwei Dritteln dem Kapitän zu.“

„Unter diesen Umständen darf ich das großzügige Angebot wohl nicht ausschlagen.“

Der spöttische Zug, der Shastris Mundwinkel umspielte, ließ nicht erkennen, wie er die Bemerkung meinte. Jetzt war es de Xira, der unnahbar wirkte wie eine verwitterte Statue.

Seine Neider und Gegner konnten Drawida Shastri viel nachsagen, doch keinesfalls, daß er nicht flexibel reagierte. Er hängte sein Fähnchen nicht nur nach dem Wind, denn das wäre einfach gewesen. Er schaffte es oftmals sogar, eben dieses sprichwörtliche Fähnchen gegen die stärkste Brise flattern zu lassen – in der Hoffnung, der Wind werde drehen. Das war meist auch der Fall. Anders ausgedrückt: Drawida Shastri, jung und heißblütig, hatte einen Riecher für unvorhersehbare Ereignisse.

Deshalb war selbst sein Vertrauter, Dilip Rangini, nicht in alle Pläne eingeweiht worden. Zu Recht, wie sich vor Madras herausgestellt hatte.

Rangini hatte ihn um das Gold betrügen wollen. Zusammen mit einer der übelsten Räuberbanden der Südostküste Indiens wäre ihm das beinahe gelungen. Den Verrat hatte er jedoch mit dem Leben bezahlt – da Shastri Sinn für Details hatte, in Sichtweite des englischen Dreimasters, der die elf Tonnen Gold und Silber nach Madras gebracht hatte.

Sogar in den letzten Augenblicken seines Lebens, ehe sein Kopf unter dem Richtschwert fiel, war Rangini noch überzeugt gewesen, daß die Elefantenkarawane, auf die der Schatz umgeladen wurde, ins Landesinnere ziehen würde. Tatsächlich aber hatte zu jenem Zeitpunkt die „Cabo Mondego“ schon nördlich von Madras vor Anker gelegen, um das Gold zu übernehmen.

Die Engländer waren zu vertrauensselig gewesen. Aber wie hätten sie erkennen sollen, ohne den Spuren der Karawane zu folgen, daß Drawida Shastri nicht der Sultan war, als der er sich ausgegeben hatte.

Alle diese Gedanken schossen dem Inder durch den Kopf, während er seine Soldaten musterte, die sich auf der Kuhl versammelten. Jeder von ihnen war ein guter Kämpfer, im Umgang mit Säbel oder Krummdolch geübt, einige verstanden auch, Musketen und Steinschloßpistolen treffsicher zu handhaben. Nur mußten sie die langläufigen Feuerwaffen zurücklassen.

Luis de Xira hätte zweifellos Verdacht geschöpft. Niemand konnte so verrückt sein, mit einer geladenen Muskete die Brandung zu durchschwimmen und auch noch zu hoffen, daß die Waffe funktionsfähig blieb. Trotz seiner mehrjährigen Bekanntschaft mit Shastri, die immerhin zu beiderseitigem Nutzen war, legte der Kapitän bestimmt nicht seine Hand für den Inder ins Feuer.

Von der Karavelle aus war nur noch ein Streifen fahler Brandung zu sehen. Die Galeere des Sultans mit dem hochtrabenden Namen „Stern von Indien“ war inzwischen von der Nacht verschluckt worden.

Eine düstere, bedrückende Stimmung breitete sich aus. Nur wenige Sterne funkelten über der Kimm, der Rest des Firmaments verdunkelte sich zusehends. Während jedoch in großer Höhe die Wolkenbänke schnell nach Osten trieben, flaute der Wind über dem Wasser ab. Innerhalb weniger Augenblicke hingen die Wimpel schlaff von den Masten.

Über dem Dschungel wetterleuchtete es.

Drawida Shastri musterte die fünf Portugiesen, die de Xira für das Unternehmen abgestellt hatte. Sie waren kräftige, bärtige Burschen, und wo sie hinlangten, wuchs gewiß kein Gras mehr. Die Gesichter hatten sie mit einem Gemisch aus Asche, Ruß und ranzigem Fett geschwärzt, das auch nicht vom Salzwasser schnell abgewaschen werden konnte.

„Deine Leute sind in der Nacht so unsichtbar wie Schatten“, sagte Shastri zum Kapitän, „aber sie verraten sich durch ihren Gestank. Mein Vetter wittert sie dreißig Schritte gegen den Wind.“

„Ich kann dafür sorgen, daß dir das ranzige Fett auf den Zwieback gestrichen wird“, entgegnete de Xira schroff. „So schlimm wie eure Elefanten stinken meine Männer noch lange nicht.“

Ihr Verhältnis hatte sich während der letzten Stunden zunehmend verändert und war inzwischen von einer deutlichen Spannung geprägt, die sowohl auf de Xira als auch auf Shastri herausfordernd wirkte. Sie entstammten verschiedenen, einander fremden Kulturen, dennoch ähnelten sich ihre Charaktere in mancher Hinsicht verblüffend.

Jeder verfolgte seine eigenen Ziele, hatte Geheimnisse vor dem anderen und dachte schon gar nicht daran, nachzugeben. Sie benutzten sich gegenseitig, weil sie aufeinander angewiesen waren, und gerade das Wissen darum ließ sie immer häufiger aggressiv reagieren.

Auf der Karavelle brannte nur die große Hecklaterne. Der Docht war indessen so weit zurückgeschraubt, daß die kleine, flackernde Flamme kaum ausreichte, das Achterdeck zu erhellen. Was auf der Kuhl geschah, blieb im Dunkeln verborgen. Kein noch so scharfes Auge, nicht mal, wenn es mit einem Spektiv bewaffnet war, konnte von der Galeere aus mehr als vage Umrisse erkennen.

Shastri gab das Zeichen zum Aufbruch. Schon vorher hatten seine Inder Taue über das Steuerbordschanzkleid geworfen, an denen sie sich nun in das Brackwasser der Bucht gleiten ließen. Langsam strebten sie dem östlichen Rand des sumpfigen Mündungsdeltas zu.

Die meisten trugen nur dunkle Wickelhosen und ihren Turban. Mit den nackten Oberkörpern und ihrer geschmeidigen Art, zu schwimmen, erinnerten sie an einen Fischschwarm, der nur gelegentlich die Wasseroberfläche durchbricht.

Die Portugiesen hingegen hielten es nicht für erforderlich, die leichten Schnürschuhe abzulegen. Sie hatten weite Pluderhosen an und trugen außerdem Leinenhemden. Beim Anblick ihrer Waffen schüttelte Shastri unwillkürlich den Kopf. Gegen die in den Gürteln steckenden Dolche hatte er nichts einzuwenden, aber die schweren Schiffshauer waren beim Schwimmen mehr als hinderlich.

„Imposant“, sagte er. „Deine Männer werden absaufen wie eiserne Karnickel.“

Luis de Xira musterte forschend den Inder. Er verschenkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an eine der geladenen und feuerbereiten Culverinen.

„Die Mannschaft ist nicht groß“, sagte er überlegen, „da muß jeder überall seinen Mann stehen. Meine Mission in Indien ist rein privater Natur, und ich bin froh, mehrere ehemalige Seesoldaten an Bord zu haben, die zuzupacken verstehen. Sie schaffen es bis zur Galeere, darauf kannst du dich verlassen.“

„Ich schätze keinen der fünf älter als fünfundzwanzig. Werden portugiesische Soldaten schon so jung entlassen?“

„Spielt das eine Rolle?“

Drawida Shastri schürzte die Lippen, dann spie er gezielt in die nächste wassergefüllte Pütz.

„Deserteure sind mir zuwider“, erwiderte er.

„Ja, mein Freund“, de Xira zuckte mit den Schultern, „daran läßt sich nun mal nicht rütteln. Du hast früher nie danach gefragt, warum also plötzlich dieser Umschwung?“

Drawida Shastri überging die Frage geflissentlich.

„Es wird Zeit“, sagte er. „Lange genug habe ich den Moment herbeigesehnt, in dem ich endlich meinem Vetter als Sieger gegenüberstehe, in dem er vor mir auf den Knien liegt und um Gnade winselt. Aber ich werde ihn nicht töten, o nein, das wäre zu einfach. Er soll erfahren, was es heißt, gedemütigt zu werden.“

Er hatte sich in Zorn geredet und schwang sich mit einem kräftigen Satz übers Schanzkleid. Unmittelbar vor ihm enterten die fünf Portugiesen ab.

Seinen kostbaren Turban hatte er nicht abgelegt. Von der Karavelle aus war Shastri länger zu sehen als die anderen, aber letztlich verschlang auch ihn die Dunkelheit.

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