Kitabı oku: «Die Abtei von Northanger», sayfa 2
Drittes Kapitel
Jeder Morgen brachte seine regelmäßigen Pflichten. Es hieß, Läden und unbekannte Stadtteile zu besuchen und sich in der Brunnenhalle sehen zu lassen. Hier wandelte man eine Stunde lang auf und ab, blickte jeden an, aber sprach mit niemand. Immer noch sehnte Mrs. Allen sich nach einem ausgedehnten Bekanntenkreis, ein Wunsch, den sie jeden Morgen wiederholte und der bewies, daß sie keine Menschenseele kannte.
Sie hielten ihren Einzug in die kleineren Gesellschaftsräume, und diesmal war das Glück Catherine holder. Der Zeremonienmeister stellte ihr einen feinen jungen Herrn namens Tilney als Tänzer vor. Er war vier- oder fünfundzwanzig Jahre alt, ziemlich groß, von gefälligem Äußeren und wenn auch nicht gerade hübsch, so doch nicht weit davon entfernt. Er wußte sich prächtig zu unterhalten, und Catherine pries sich sehr glücklich. Während des Tanzes bot sich nicht viel Muße zu Gesprächen, aber als sie sich zum Tee niedersetzten, fand sie ihn immer noch sehr angenehm. Er sprach flüssig und geistvoll, und in seinem Benehmen lag eine anziehende Schalkhaftigkeit und Schelmerei, obgleich sie deren Sinn nicht immer verstand. Nachdem man sich einige Zeit über die nächstliegenden Dinge unterhalten hatte, sagte er unvermittelt: »Bisher, gnädiges Fräulein, bin ich meinen Pflichten als Gesellschafter nur sehr nachlässig nachgekommen. Ich habe Sie noch gar nicht gefragt, wie lange Sie in Bath weilen, ob Sie schon früher hier waren, ob Sie schon in dem großen Ballsaal getanzt, das Theater oder ein Konzert besucht haben und wie es Ihnen überhaupt hier gefällt. Ich war wirklich sehr unaufmerksam; aber sind Sie jetzt noch bereit, mir diese Fragen zu beantworten? Wenn ja, will ich sogleich beginnen.«
»Sie brauchen sich nicht zu bemühen, mein Herr.«
»Es bedeutet mir nicht die geringste Mühe, gnädiges Fräulein.« Dann zwang er sein Gesicht zu einem verbindlichen Lächeln und flötete mit gezierter leiser Stimme und einfältiger Mi«16-»Sind Sie schon lange in Bath, gnädiges Fräulein?«
»Ungefähr eine Woche, mein Herr«, erwiderte Catherine und kämpfte mit dem Lachen. »Oh, wirklich?« rief er mit gespieltem Erstaunen. »Warum überrascht Sie das, mein Herr?«
Er kehrte wieder zu seinem natürlichen Ton zurück: »Irgendeine Gemütsbewegung muß doch durch Ihre Antwort erregt werden, und Überraschung läßt sich am ehesten heucheln. Aber wir wollen fortfahren. - Waren Sie früher schon einmal hier, gnädiges Fräulein?« »Nein, niemals, mein Herr.« »So, so! Und haben Sie vielleicht schon den großen Saal beehrt?«
»O ja, mein Herr, am Montag.«
»Waren Sie auch schon im Theater?«
»O ja, mein Herr. Am Dienstag im Schauspiel.«
»Und im Konzert?«
»O ja, mein Herr, am Mittwoch.«
»Und wie gefallt Ihnen Bath durchweg?«
»Oh, ich bin sehr gern hier.«
»Ich werde jetzt pflichtschuldigst lächeln, und dann dürfen wir wieder vernünftig werden.« Catherine wandte sich ab, sie wußte nicht recht, ob sie wohl lachen dürfe. »Ich merke wohl, was Sie von mir denken«, sagte er gewichtig. »Ich werde morgen in Ihr Tagebuch als eine kümmerliche Figur eingehen.«
»In mein Tagebuch?«
»Ja! Ich weiß ganz genau, was Sie schreiben werden. Freitag: Besuchten kleinen Saal; trug mein Streublumenkleid mit dem blauen Besatz - einfache, schwarze Schuhe; sah reizend aus, wurde aber in seltsamer Weise von einem komischen, halbgescheiten Menschen belästigt, der unbedingt mit mir tanzen wollte und mich mit seinem Unsinn anödete.«
»Etwas Derartiges werde ich bestimmt nicht schreiben.«
»Soll ich Ihnen auch noch sagen, was Sie eigentlich schreiben müßten?« »Bitte, wenn es Ihnen Spaß macht.«
»Ich tanzte mit einem sehr reizenden jungen Mann, den Mr. King mir vorstellte. Wir unterhielten uns sehr angeregt. Er scheint ein außergewöhnliches Genie zu sein. Hoffentlich lerne ich ihn noch genauer kennen. Das , gnädiges Fräulein, wäre nach meinem Wunsche.«
»Aber vielleicht führe ich gar kein Tagebuch.«
»Vielleicht sitzen Sie gar nicht hier in diesem Saal und ich gar nicht neben Ihnen. Ein Zweifel in diesem Punkt wäre ebenso zulässig. Sie führen kein Tagebuch? Wie sollen dann Ihre Basen jemals von Ihren Erlebnissen in Bath erfahren? Und wie sollen dann die Freuden, Aufmerksamkeiten und Höflichkeiten eines jeden Tages der Nachwelt erhalten bleiben, wenn sie nicht allabendlich ins Tagebuch eingetragen werden? Wie könnten Sie sich je Ihrer verschiedenen Toiletten erinnern? Wie den derzeitigen Zustand Ihres Teints, Ihrer Locken in all ihren Einzelheiten, wenn Sie sich nicht jederzeit auf Ihr Tagebuch berufen können? Mein liebes, gnädiges Fräulein, so völlig unwissend in den Angelegenheiten junger Damen bin ich nicht. Gerade diese reizende Gewohnheit, ein Tagebuch zu führen, trägt in großem Maße zu dem flüssigen Stil der Damen bei, den man gewöhnlich so feiert. Man ist einer Meinung über den ausgesprochen weiblichen Vorzug, angenehme Briefe zu schreiben. Die Natur mag hieran nicht ganz unschuldig sein, aber es ist vornehmlich auf die Angewohnheit des Tagebuchschreibens zurückzuführen.«
»Ich habe mir schon manchmal überlegt«, meinte Catherine etwas unsicher, »ob die Damen wirklich so viel bessere Briefe schreiben als die Herren - jedenfalls glaube ich nicht, daß wir ihnen immer überlegen sind.«
»Soweit ich mir ein Urteil bilden konnte, scheint mir der unter Frauen übliche Briefstil einwandfrei bis auf drei Kleinigkeiten.«
»Und welche?«
»Allgemeiner Mangel an Stoff, völlige Gleichgültigkeit gegen Satzzeichen und sehr oft auch grammatische Unwissenheit.«
»Ich brauchte mich also nicht zu bemühen, die Schmeichelei abzuwehren. Sie scheinen auf diesem Gebiet nicht allzu hoch von uns zu denken.«
»Ich möchte es ebensowenig zur Regel machen, daß Frauen bessere Briefe schreiben als Männer, wie sie bessere Duette singen oder Landschaften malen. Auf jedem Gebiet, wo Geschmack entscheidet, ist die Begabung ziemlich gleichmäßig auf beide Geschlechter verteilt.«
Sie wurden von Mrs. Allen unterbrochen. »Meine liebe Catherine, nimm doch bitte diese Nadel aus meinem Ärmel. Ich fürchte, sie hat schon ein Loch gerissen. Es täte mir sehr leid, denn es ist mein liebstes Kleid, obgleich das Meter nur drei Taler gekostet hat.«
»Gerade das hätte ich auch geschätzt, gnädige Frau«, sagte Mr. Tilney und betrachtete den Musselin.
»Verstehen Sie etwas von Musselin, mein Herr?« »Ja, besonders viel sogar. Ich kaufe meine Krawatten immer selbst, und es heißt, ich sei ein besonders guter Kenner. Auch hat mir meine Schwester oft die Wahl eines Kleides anvertraut. So kaufte ich noch vor ein paar Tagen für sie eins, und jede Dame, die das Kleid zu Gesicht bekam, nannte es einen vorzüglichen Gelegenheitskauf. Ich bezahlte für das Meter echt indischen Musselin nur anderthalb Taler.«
Mrs. Allen war von solcher Begabung ganz hingerissen. »Die Männer haben im allgemeinen so wenig Verständnis für solche Dinge. Mr. Allen kann Kleider nie voneinander unterscheiden. Sie müssen ein großer Trost für Ihre Schwester sein, mein Herr.«
»Ich hoffe es, Madam.«
»Und was halten Sie von Miß Morlands Kleid, mein Herr?«
»Es ist sehr reizend, Madam«, erwiderte er nach ernsthafter Prüfung. »Aber ich glaube, es wird sich nicht gut waschen lassen. Ich fürchte, es läuft ein.«
»Wie können Sie nur . . .«, lachte Catherine. Und beinahe hätte sie »seltsam sein« gesagt. »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte Mrs. Allen, »ich warnte Miß Morland schon beim Einkauf.«
»Aber Musselin läßt sich immer noch auf irgendeine andere Weise verwenden. Miß Morland wird noch genug für ein Taschentuch, ein Häubchen oder einen Umhang übrigbehalten. Man kann eigentlich nie behaupten, daß Musselin vergeudet wäre. Das habe ich meine Schwester wohl vierzigmal sagen hören, wenn sie zu verschwenderisch war und mehr als die benötigte Menge eingekauft oder achtlos verschnitten hatte.«
»Bath ist ein reizender Ort, mein Herr. Es gibt hier so viele gute Geschäfte. Auf dem Lande sind wir traurig dran; nicht daß wir in Salisbury keine guten Geschäfte hätten, aber es ist so entfernt. Acht Meilen ist ein weiter Weg. Mr. Allen meint sogar, es wären neun, genau gemessen neun. Aber ich bin überzeugt, daß es nur acht sind. Und es ist so anstrengend, ich komme immer todmüde heim. Hier dagegen braucht man nur vor die Tür zu treten und hat in fünf Minuten alles eingekauft.«
Mr. Tilney war höflich genug, um Teilnahme an allem Vorgebrachten zu heucheln, und sie hielt ihn bei dem Musselinthema bis zum nächsten Tanz. Der Unterhaltung lauschend, fürchtete Catherine, er widme sich zu eingehend den Schwächen seiner Mitmenschen. »Worüber denken Sie so ernsthaft nach?« fragte er, als sie in den Ballsaal zurückkehrten. »Doch hoffentlich nicht über Ihren Tänzer, denn nach Ihrem Kopfschütteln zu urteilen, sind die Gedanken nicht sehr erfreulich.« Catherine erwiderte errötend: »Ich dachte eigentlich an nichts Besonderes.«
»Das ist gewiß sehr tiefsinnig; aber es wäre hübscher, gleich zu sagen, daß Sie es mir nicht gestehen wollen.«
»Also gut, ich will nicht.«
»Schönen Dank! Wir werden uns bald gut kennen, denn jetzt darf ich Sie deswegen bei jedem Zusammentreffen necken, und nichts fördert eine Freundschaft mehr.«
Sie tanzten wieder, und als man sich nach beendetem Ball trennte, bestand wenigstens auf Seiten der Dame Neigung, die Bekanntschaft fortzusetzen. Ob sie, ihren warmen Wein mit Wasser trinkend und sich auskleidend, soviel an ihn dachte, daß et bis in ihre Träume folgte, ist nicht sicher festzustellen. Jedenfalls hoffe ich aber, daß es nur im Einschlummern oder im morgendlichen Hindämmern geschah; denn wenn eine junge Dame nach dem Ausspruch eines berühmten Schriftstellers nicht berechtigt ist, sich zu verlieben, ehe der junge Mann seine Liebe erklärt hat, so muß es ebenso unpassend sein, von einem Herrn zu träumen, ehe es nicht ganz gewiß feststeht, daß dieser von ihr geträumt hat. Wie schicklich Mr. Tilney als Träumer oder auch als Liebhaber sein mochte, kam Mr. Allen vielleicht gar nicht in den Sinn; aber daß gegen ihn als alltägliche Bekanntschaft für seinen Schützling nichts einzuwenden war, erfuhr er auf seine Erkundigungen hin bald; denn er hatte sich gleich zu Beginn des Abends zu erfahren bemüht, wer Catherines Tänzer sei. Es hieß, Mr. Tilney sei Geistlicher und stamme aus einer wohlachtbaren Familie in Gloucestershire.
Viertes Kapitel
Eifriger als sonst eilte Catherine am nächsten Morgen zur Brunnenhalle. Sie war ganz sicher, Mr. Tilney noch im Laufe des Vormittags zu begegnen, und bereit, ihn mit einem Lächeln zu empfangen. Aber es bedurfte keines Lächelns. Mr. Tilney erschien nicht. Jedes Lebewesen in Bath war während der Promenadenstunden am Brunnen zu treffen, nur er nicht. Eine Unzahl Menschen ging jeden Augenblick aus und ein, die Treppen hinauf und hinunter, Menschen, um die sich niemand kümmerte, die niemand erwartete - nur er war nicht dabei. »Wie reizend doch Bath ist!« sagte Mrs. Allen, sich in der Nähe der großen Uhr niederlassend, nachdem man die Halle bis zur Ermüdung hinauf- und hinabgebummelt war, »und wie schön es erst wäre, wenn wir hier Bekannte hätten!«
Dieser Wunsch war nun schon so oft vergebens geäußert worden, daß Mrs. Allen keinen triftigen Grund zu der Hoffnung hatte, es möchte sich noch einmal zu ihren Gunsten ändern; aber es heißt bekanntlich, man soll an der Erfüllung eines Wunsches niemals verzweifeln, da unerschütterliche Ausdauer schließlich doch zum Ziele führt. Und die unerschütterliche Ausdauer, mit der sie sich jeden Tag das gleiche gewünscht hatte, fand endlich ihre gerechte Belohnung; denn sie saßen noch kaum zehn Minuten, als eine fast gleichaltrige, neben ihr sitzende Dame, sie nach aufmerksamer Betrachtung freundlich ansprach: »Ich glaube mich nicht zu irren, Madam. Es ist zwar lange her, seit ich das Vergnügen hatte, Sie kennenzulernen - aber heißen Sie nicht Mrs. Allen?« Auf die bereitwillige Antwort nannte die Fremde ihren Namen: Mrs. Thorpe. Mrs. Allen erkannte unverzüglich die Züge ihrer früheren Schulkameradin und Busenfreundin, die sie seit ihrer beider Heirat nur noch einmal wiedergesehen hatte, und das lag viele Jahre zurück. Beider Freude über diese Begegnung war groß, da sie während der letzten fünfzehn Jahre nichts voneinander gehört hatten. Man tauschte Komplimente über das gute Aussehen; und nachdem man festgestellt hatte, wie schnell die Jahre seit dem letzten Beisammensein verflogen waren, wie wenig man eine Begegnung in Bath erwartet hatte und welche Freude es sei, einer alten Freundin wieder zu begegnen, fragten sie nach ihren beiderseitigen Familien, Schwestern und Basen. Sie sprachen beide gleichzeitig, und jede gab viel lieber Auskunft, als zuzuhören, so daß die eine nur sehr wenig von den Worten der anderen verstand. Mrs. Thorpe hatte jedoch einen großen Vorteil vor Mrs. Allen, da sie eine ganze Reihe Kinder besaß. Und als sie sich über die Begabung ihrer Söhne und die Schönheit ihrer Töchter verbreitete, als sie von ihren verschiedenen Stellungen berichtete - über John in Oxford und Edward bei einem Tuchgroßhändler, und daß William zur See fahre und einer bei seinen Vorgesetzten beliebter sei als der andere -, da hatte Mrs. Allen nichts dagegenzusetzen und keine ähnlichen Triumphe dem unwilligen und ungläubigen Ohr ihrer Freundin aufzuzwingen. Sie war dazu verurteilt, mit freundlichem Lächeln vorzugehen, als lausche sie aufmerksam den Ergüssen der stolzen Mutter. Aber sie tröstete sich derweilen mit der Entdeckung, daß die Spitze auf Mrs. Thorpes Umhang nicht annähernd so hübsch wie ihre eigene war.
»Hier kommen meine lieben Töchter«, rief Mrs. Thorpe und wies auf drei hübsche Mädchen, die sich Arm in Arm näherten. »Meine liebe Mrs. Allen, ich brenne darauf, sie Ihnen vorzustellen. Alle drei werden entzückt sein, Sie kennenzulernen. Die größte ist Isabella, meine Älteste. Ist sie nicht eine hübsche junge Dame? Aber auch die anderen werden ziemlich bewundert. Ich halte jedoch Isabella für die Schönste.«
Die Damen Thorpe wurden vorgestellt und Miß Morland, die man für kurze Zeit ganz vergessen hatte, ebenfalls präsentiert. Der Name schien allen aufzufallen, und nach einigen getauschten Höflichkeiten bemerkte die älteste der jungen Damen: »Wie sehr Miß Morland ihrem Bruder ähnelt!«
»Ganz sein Ebenbild, wirklich!« rief die Mutter aus. »Ich hätte überall sogleich erkannt, daß sie seine Schwester ist«, wiederholten alle einige Male. Im Augenblick war Catherine überrascht. Aber Mrs. Thorpe und ihre Töchter berichteten kaum über die Geschichte iher Bekanntschaft mit Mr. James Morland, als sie sich entsann, ihr ältester Bruder habe sich unlängst mit einem jungen Mann seines Colleges, namens Thorpe, befreundet und die letzten acht Tage der Weihnachtsferien bei seiner Familie in der Nähe Londons verbracht.
Als alles erklärt war, drückten die Damen Thorpe den Wunsch aus, einander näher kennenzulernen, zumal man sich durch die Freundschaft der Brüder bereits jetzt als Freundinnen betrachtete. Catherine hörte erfreut zu und antwortete mit all den zierlichen Sprüchen, die ihr zu Gebote standen. Als ersten Beweis ihrer Freundschaft schlug die älteste Miß Thorpe einen gemeinsamen Rundgang durch die Halle vor. Catherine war über diese Erweiterung ihrer Bekanntschaften in Bath entzückt und vergaß während der Unterhaltung mit Miß Thorpe beinahe Mr. Tilney. Freundschaft ist ein vorzüglicher Balsam auf die Wunden enttäuschter Liebe.
Ihre Unterhaltung wandte sich jenen Themen zu, deren Erörterung viel zur Vertrautheit zwischen zwei jungen Damen beiträgt: nämlich Bälle, Kleider, Liebeleien und Lästereien. Miß Thorpe, vier Jahre älter und mindestens um vier Jahre erfahrener als Catherine, verfügte über einen entschiedenen Vorteil auf diesen Gebieten. Sie konnte die Bälle von Bath mit denen von Tunbridge vergleichen, die Moden von dort mit denen von London; sie vermochte die Ansichten ihrer neuen Freundin hinsichtlich geschmackvoller Kleidung zu berichtigen; konnte aus dem Lächeln zwischen irgendeinem Herrn und einer beliebigen Dame den Grad der Tändelei feststellen und verstand es, im dichtesten Gewühl zu lästern. Catherine waren solche Fähigkeiten völlig neu, und sie zollte ihnen die gebührende Bewunderung. Die so hervorgerufene Achtung hätte eine Vertrautheit kaum zugelassen, wenn nicht die leichte Heiterkeit in Miß Thorpes Benehmen und die häufigen Versicherungen ihres Entzückens über diese Bekanntschaft jede Ehrfurcht gemildert und nur zärtliche Liebe zurückgelassen hätten. Ihre wachsende Zuneigung war nicht mit ein paar Runden um die Brunnenhalle befriedigt, sondern veranlaßte Miß Thorpe, ihre Freundin Miß Morland bis zu Mr. Allens Wohnung zu begleiten, wo sie sich mit einem liebevollen und ausgedehnten Händedruck verabschiedeten. Es diente zur beiderseitigen Erleichterung, daß man sich noch am gleichen Abend im Theater von einer Loge zur anderen begrüßen und am nächsten Morgen die Andacht in der gleichen Kirche verrichten werde. Catherine rannte sofort hinauf und verfolgte vom Wohnzimmerfenster aus Miß Thorpes Weg die Straße hinab. Sie bewunderte die Grazie ihres Ganges, ihre vornehme Haltung, ihre geschmackvolle Kleidung und empfand gebührenden Dank für den Zufall, der ihr eine solche Freundin beschert hatte.
Mrs. Thorpe war Witwe, und nicht einmal eine reiche; sie war eine gutmütige und wohlwollende Frau und eine sehr nachsichtige Mutter. Ihre älteste Tochter zeichnete sich wirklich durch große Schönheit aus, und die jüngeren wirkten auch gut, sie täuschten sich vor, ebenso hübsch zu sein, ahmten ihre Haltung nach und kleideten sich im gleichen Stil.
Dieser kurze Bericht über die Familie Thorpe soll die Notwendigkeit einer langen und eingehenden Schilderung von Mrs. Thorpe, ihren früheren Abenteuern und Leiden ersetzen, die leicht einige Kapitel ausfüllen könnte über die Unwürdigkeit von Lords und Rechtsanwälten sowie über die unzähligen Unterhaltungen, die vor zwanzig Jahren stattgefunden hatten.
Fünftes Kapitel
Catherine war am Abend im Theater von Miß Thorpes Kopfnicken und Lächeln doch nicht so sehr in Anspruch genommen,um nicht in jeder ihrem Auge erreichbaren Loge nach Mr. Tilney auszuspähen. Aber sie schaute vergebens umher.
Mr. Tilney schien für das Theater nicht mehr Neigung zu verspüren als für die Brunnenhalle. Sie hoffte, am nächsten Tag erfolgreicher zu sein; und als dann herrliches Wetter herrschte hegte sie keinen Zweifel mehr, denn ein strahlender Sonntag lockt in Bath alle Welt hervor.
Gleich nach dem Gottesdienst gesellten sich die Thorpes und Allens zueinander; und als man nach längerem Aufenthalt in der Brunnenhalle festgestellt hatte, daß die Menschenmenge unerträglich und nicht ein vornehmes Gesicht anwesend sei -eine Entdeckung, die jedermann während der ganzen Saison an jedem Sonntag aufs neue machte -, eilten sie zum Crescent, um die frische Luft besserer Gesellschaft zu genießen. Catherine und Isabella gingen Arm in Arm und schwelgten unter rückhaltloser Vertraulichkeit in der Süßigkeit ihrer Freundschaft. Aber Catherines Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Tanzpartner wurde erneut enttäuscht. Nirgendwo war er aufzuspüren, alles Suchen blieb gleich erfolglos, sei es morgens in den Salons oder bei den abendlichen Veranstaltungen. Ebensowenig befand er sich unter den Fußgängern, den Reitern oder den Herren, die morgens ihre Kabriolets kutschierten. Sein Name war in der Kurliste nicht verzeichnet. Mehr konnte die Neugier nicht erreichen. Er mußte Bath verlassen haben, obgleich er nichts davon hatte verlauten lassen, daß sein Aufenthalt so begrenzt sein würde. Diese Art von Geheimnis, die einem Helden so wohl ansteht, warf eine Gloriole um seine Gestalt und sein Wesen und verstärkte Catherines Wunsch, mehr über ihn zu erfahren. Zwar war von den Thorpes, die erst zwei Tage vor der Begegnung mit Mrs. Allen in Bath angekommen waren, nichts zu erwarten. Aber es war wenigstens ein Gesprächsstoff, der sie immer wieder an ihn denken ließ. Auf diese Weise erlitt ihre Erinnerung keine Einbuße. Isabella war bald überzeugt, daß er ein reizender junger Mann und sehr entzückt von ihrer lieben Catherine sei. Darum würde er wahrscheinlich auch bald zurückkehren. Es gefiel ihr, daß er Geistlicher war, denn sie habe eine besondere Schwäche für diesen Stand, wie sie mit einem Seufzer gestand. Vielleicht hätte Catherine nach der Ursache dieser zarten Empfindung fragen sollen; aber sie war in den Abstufungen von Liebes- und Freundespflichten noch nicht bewandert genug, um zu wissen, wann ein Scherz am Platze war oder man auf der Enthüllung eines Geheimnisses bestehen mußte.
Auch Mrs. Allen war jetzt recht zufrieden mit Bath. Endlich hatte sie die heiß erwünschten Bekannten und mit ihrer würdigen Freundin eine ganze Familie gefunden, die obendrein keineswegs so kostbar gekleidet war wie sie selbst. Statt des beständigen Wunsches: »Hätten wir doch Bekannte in Bath!« hieß es jetzt: »Wie froh bin ich, daß wir Mrs. Thorpe begegnet sind!« Sie pflegte diese Freundschaft ebenso wie Catherine und Isabella. Den größten Teil des Tages verbrachte sie mit Mrs. Thorpe, um, wie sie es nannte, Konversation zu treiben. Aber es war kaum ein Meinungsaustausch, da Mrs. Thorpe sich hauptsächlich über ihre Kinder und Mrs. Allen über ihre Toiletten verbreitete.
Catherines und Isabellas warme Freundschaft entwickelte sich schnell. Sie nannten einander beim Vornamen, gingen immer Arm in Arm, steckten sich beim Tanzen gegenseitig die Schleppe auf und waren immer unzertrennlich. An regnerischen Tagen besuchten sie einander, trotz Schmutz und Nässe. Dann schlössen sie sich mit ihren Romanen ein. Ja, mit Romanen; denn ich will nicht in den kleinlichen und ungeschickten Fehler der meisten Romanschriftsteller verfallen, die sich durch die verächtliche Kritik der Werke, deren Zahl sie mit ihren eigenen Schöpfungen vermehren, ihren ärgsten Feinden anschließen. Nicht einmal ihrer eigenen Heldin gestatten sie, Romane zu lesen; nimmt sie aber zufällig einen solchen in die Hände, wird sie seine geschmacklosen Seiten sicherlich voll Abscheu umwenden. Ach, wenn die Heldin des einen Romans nicht von der Heldin eines anderen in Schutz genommen würde, wer sollte sich dann wohl ihrer annehmen und sie beschützen? Da kann ich nicht mitmachen! Überlassen wir es doch den Kritikern, die Früchte der Phantasie nach Belieben zu tadeln und sich über jeden neuen Roman in jenen fadenscheinigen Tiraden zu ergehen, unter denen jetzt die Presse stöhnt. Wir aber wollen einander nicht im Stich lassen, denn man greift uns als Gesamtheit an. Obgleich unsere Werke ausgedehntere und natürlichere Freude ausgelöst haben als andere literarische Schöpfungen, sind sie doch mehr verunglimpft worden als jede andere Art des Schrifttums. Wir besitzen mindestens ebensoviel Feinde wie Freunde. Während die Fähigkeiten des neunhundertsten Bearbeiters der Geschichte von England oder des Mannes, der in einem Sammelband etliche Verse von Milton, Pope und Prior, einige Spalten aus dem »Spectator« und ein Kapitel von Sterne veröffentlicht, von tausend Federn gepriesen werden, unterschätzt und verspottet man die Leistungen eines Romanschreibers und schmälert den Wert von Arbeiten, die sich nur durch Geist, Witz und Geschmack empfehlen. »Ich gehöre nicht zu den Romanlesern. - Ich schaue selten in Romane hinein. - Bitte, stellen Sie sich nicht vor, daß ich häufig Romane lese. - Für einen Roman ist das Buch eigentlich ganz nett.« So lautet das übliche Urteil. »Und was lesen Sie gerade, Miß . .?« »Oh, nur einen Roman!« erwidert die junge Dame und legt mit gezwungener Gleichgültigkeit oder plötzlicher Scham das Buch auf den Tisch. »Es ist nur >Cecilia< oder >Camilla< oder >Belinda<, kurz, ein Werk, das die größten Geisteskräfte und beste Menschenkenntnis verrät, die treffendste Abwandlung menschlicher Eigenart, lebhaften Witz und gute Laune in der gewähltesten Sprache vermittelt. Wenn aber die gleiche junge Dame soeben in einen Band des »Spectator« vertieft gewesen wäre, wie stolz würde sie das Buch vorzeigen und seinen Titel nennen! Obgleich es für sie nachteilig wäre, sich mit irgendeiner dieser umfangreichen Veröffentlichungen zu beschäftigen, die entweder im Gegenstand oder in der Art ihrer Wiedergabe einen jungen Menschen von Geschmack entsetzen müßten - denn sie handeln so häufig von unwahrscheinlichen Umständen, unnatürlichen Charakteren und Gesprächsstoffen, sind für keinen Lebenden mehr interessant, und ihre Sprache ist obendrein oft so grob, daß sie keinen allzu guten Eindruck von dem Zeitalter vermitteln, das dergleichen duldete.