Kitabı oku: «Mansfield Park», sayfa 3

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3. Kapitel

Das erste wichtigere Familienereignis, das eintrat, als Fanny etwa fünfzehn Jahre zählte, war der Tod von Pastor Norris. Es brachte natürlich gewisse Veränderungen und Umstellungen mit sich. Mrs. Norris verließ das Pfarrhaus und übersiedelte zuerst ins Herrenhaus und später in ein kleines Haus im Dorf, das zu Sir Thomas’ Besitz gehörte. Über den Verlust ihres Gatten tröstete sie sich mit der Überlegung, daß sie eigentlich sehr gut ohne ihn auskam, und über die Verminderung ihres Einkommens mit der Einführung noch drastischerer Sparmaßnahmen.

Die Pfarre war von jeher für Edmund bestimmt; wäre sein Onkel einige Jahre früher gestorben, hätte man sie ordnungsmäßig durch irgendeinen befreundeten Geistlichen betreuen lassen, bis Edmund alt genug wäre, sein Amt anzutreten. Doch Tom hatte inzwischen bereits soviel Geld verschwendet, daß es sich als notwendig erwies, anderweitig über die Pfründe zu verfügen, und der jüngere Bruder mußte für den Leichtsinn des älteren büßen. Zum Familienbesitz gehörte noch eine zweite Pfarre, die auf Edmund wartete, und dieser Umstand erleichterte Sir Thomas’ Gewissen ein wenig. Doch er empfand diese Regelung als arge Ungerechtigkeit gegenüber seinem jüngeren Sohn und bemühte sich ernsthaft, dieses Gefühl auch dem älteren einzuprägen; davon erhoffte er sich einen nachhaltigeren Eindruck als von allem, was er sonst sagen oder tun könnte.

«Ich erröte für dich, Tom», sprach er mit seiner würdevollsten Miene. «Ich erröte, daß ich gezwungen bin, zu diesem Mittel zu greifen, und ich darf wohl annehmen, daß auch du tiefe Beschämung empfindest. Du hast deinen Bruder für zehn, zwanzig, dreißig Jahre, vielleicht für sein ganzes Leben, um mehr als die Hälfte der ihm zustehenden Einkünfte gebracht. In Zukunft mag es mir oder dir (wie ich hoffe) möglich sein, ihm das einträglichere Amt zurückzuerstatten, aber du darfst nie vergessen, daß damit nicht mehr als sein selbstverständlicher Rechtsanspruch erfüllt würde und daß ihn in Wirklichkeit nichts für das sichere Einkommen entschädigen kann, das er jetzt durch die Dringlichkeit deiner Schulden verliert.»

Tom hörte seinem Vater zwar mit einiger Zerknirschung zu, entschlüpfte ihm aber so rasch wie möglich und war in seinem erfreulichen Egoismus bald imstande, einige tröstliche Überlegungen anzustellen: erstens, daß er nicht halb soviel Schulden gemacht hätte wie einige seiner Freunde, zweitens, daß sein Vater sich doch gar zu langweilig über die Sache ausgelassen hätte, und drittens, daß der nächste Inhaber der Pfarre, wer immer er sein mochte, ja doch aller Wahrscheinlichkeit nach bald sterben würde.

Der Nachfolger von Pastor Norris wurde ein gewisser Dr. Grant, der sich in Mansfield niederließ und als kräftiger Mann von fünfundvierzig Jahren nicht gerade geneigt schien, die freundlichen Erwartungen des jungen Mr. Bertram zu

erfüllen. Aber nein, meinte der, so ein kurzhalsiger, schlagflüssiger Kerl, der sich mit allen guten Dingen vollstopfte, würde schon rechtzeitig abkratzen.

Dr. Grant besaß eine um etwa fünfzehn Jahre jüngere Frau, aber keine Kinder, und dem Eintreffen des Paares gingen die üblichen wohlwollenden Gerüchte voraus, daß sie höchst achtbare und angenehme Leute seien.

Nun war der von Sir Thomas erwartete Zeitpunkt gekommen, zu dem, wie er stets geglaubt hatte, seine Schwägerin ihren Anspruch auf ihre Nichte geltend machen würde. Mrs. Norris’ veränderte Umstände und Fannys reiferes Alter schienen nicht nur angetan, alle früheren Bedenken gegen ein Zusammenleben der beiden zu zerstreuen, sondern ließen es im Gegenteil als die vorzüglichste Lösung erscheinen; da Sir Thomas’ Vermögenslage nicht nur durch die Verschwendungssucht seines ältesten Sohnes, sondern auch durch kürzlich erlittene Verluste aus seinen westindischen Besitzungen einigermaßen gelitten hatte, wäre es ihm nicht unerwünscht gewesen, von den Kosten für Fannys Unterhalt und der Verpflichtung ihrer künftigen Versorgung entlastet zu werden. Er war so fest davon überzeugt, es werde bald zu dieser Veränderung kommen, daß er seine Frau auf diese Wahrscheinlichkeit vorbereitete; und da Fanny zufällig anwesend war, als die Sache Lady Bertram zum erstenmal wieder in den Sinn kam, bemerkte diese in aller Ruhe: «Jetzt wirst du uns also verlassen, Fanny, und bei meiner Schwester leben. Wie wird es dir dort gefallen?»

Fanny war derart überrascht, daß sie nur die Worte ihrer Tante zu wiederholen vermochte:

«Sie verlassen, Tante?»

«Ja, mein Kind, warum verwundert dich das? Du bist jetzt fünf Jahre bei uns gewesen, und meine Schwester hatte stets die Absicht, dich zu sich zu nehmen, wenn ihr Mann nicht mehr da wäre. Aber du mußt trotzdem immer herüberkommen und mir meine Stickmuster einrichten.»

Die Nachricht war für Fanny ebenso schrecklich wie unerwartet. Sie hatte niemals etwas Gutes von ihrer Tante Norris erfahren und war nicht imstande, sie zu lieben.

«Es wird mir sehr schwerfallen, von hier fortzugehen», stammelte sie.

«Ja, Kind, das glaube ich dir. Das ist ganz natürlich. Es kann wohl keinem Menschen besser gehen, als es dir bei uns ergangen ist.»

«Ich hoffe, ich bin nicht undankbar, Tante», sagte Fanny bescheiden.

«Nein, liebes Kind, sicher nicht. Du warst immer ein sehr braves, gutes Mädchen.»

«Und ich soll niemals wieder hier leben?»

«Niemals, mein Kind. Aber du wirst ja auch dort ein behagliches Heim haben. Es kann für dich keinen Unterschied machen, in welchem Haus du wohnst, dort oder hier.»

Fanny verließ das Zimmer mit bleischwerem Herzen. Ihr erschien der Unterschied gewaltig, sie konnte nicht mit Gleichmut an ein Zusammenleben mit ihrer Tante denken. Sobald sie Edmund begegnete, gestand sie ihm ihren Kummer.

«Edmund», sagte sie, «mir steht etwas ganz Schlimmes bevor. Du hast es oft zuwege gebracht, mich mit Dingen auszusöhnen, die mir zuerst schrecklich vorgekommen sind, aber diesmal wird es dir nicht gelingen. Ich soll für immer zu Tante Norris übersiedeln.»

«Nein, wirklich!»

«Ja, Tante Bertram hat es mir gerade gesagt. Es ist schon fest abgemacht. Ich muß von hier fort und im Weißen Haus wohnen – wahrscheinlich, sobald sie dort eingerichtet ist.»

«Weißt du, Fanny, wenn der Plan dir nicht zuwider wäre, würde ich ihn ausgezeichnet finden.»

«O Edmund!»

«Bis auf deine Abneigung spricht alles dafür.

Es ist sehr vernünftig von Tante Norris, daß sie dich zu sich nehmen will. Sie könnte nirgends eine bessere Freundin und Gesellschafterin finden, und es freut mich, daß sie sich diesmal nicht von ihrem Geiz beeinflussen läßt. Du wirst ihr eine Tochter sein. Macht es dir wirklich so großen Kummer, Fanny?»

«Ja, ich bin sehr unglücklich. Hier habe ich alles so lieb – das Haus und alles. Dort ist nichts, was ich liebhaben kann. Du weißt ja, wie Tante Norris zu mir ist.»

«Als Kind hat sie dich wirklich nicht nett behandelt – in diesem Punkt kann ich sie nicht in Schutz nehmen. Aber zu uns war sie nicht viel anders – sie hat es nie verstanden, mit Kindern umzugehen. Jetzt, wo du bald erwachsen bist, wird das anders werden. Es kommt mir vor, daß sie dich schon jetzt freundlicher behandelt. Und wenn du erst ihre ständige Gefährtin bist, wirst du ihr sehr viel bedeuten – es kann gar nicht anders kommen.»

«Ich werde niemals einem Menschen etwas bedeuten.» «Warum nicht? Was sollte dich daran hindern?» «Alles … meine Stellung … meine Dummheit und Ungeschicklichkeit …»

«Was deine Dummheit und Ungeschicklichkeit betrifft, meine liebe, kleine Fanny, darfst du mir glauben, daß du keine Spur davon besitzt, außer wenn du so unpassendes Zeug redest. Jeder, der dich richtig kennt, wird dich schätzen und lieben. Du hast einen guten Verstand, ein liebes, sanftes Wesen und ein dankbares Gemüt, das keine Freundlichkeit unerwidert lassen kann. Ich wüßte nicht, wer sich besser zur Freundin und Gesellschafterin eignen könnte.»

«Du bist zu gut», sagte Fanny, über solches Lob errötend. «Wie kann ich dir jemals genug für deine gute Meinung danken? Ach, Edmund, wenn ich von hier weg muß, werde ich bis zu meiner letzten Stunde niemals vergessen, wie gut du zu mir gewesen bist.»

«Ich will hoffen, daß du mich von hier bis zum Weißen Haus nicht vergessen wirst», sagte Edmund lachend. «Fanny, du tust, als müßtest du zweihundert Meilen weit reisen, anstatt einfach den Park zu durchqueren. Du wirst genau so zu uns gehören wie bisher, wir werden an jedem Tag, den Gott gibt, zusammenkommen. Der einzige Unterschied wird darin bestehen, daß du, wenn du mit der Tante allein lebst, dich besser entfalten wirst. Hier gibt es zu viele, hinter denen du dich verstecken kannst. Bei ihr wirst du gezwungen sein, den Mund aufzutun und deine Meinung zu äußern.»

«Ach, sag das nicht!»

«Doch, ich muß es sagen, und ich sage es gern. Gerade jetzt scheint mir Tante Norris viel geeigneter, sich um dich zu kümmern, als meine Mutter. Es liegt in ihrer Natur, daß sie sich höchst energisch für jeden Menschen einsetzt, an dem sie wirklich Interesse hat. Sie wird dich dazu bringen, daß du dich selber richtig einschätzest.»

Fanny seufzte. «Ich kann es nicht so ansehen wie du», sagte sie. «Ich möchte gern glauben, daß du recht hast, und ich bin dir schrecklich dankbar, daß du mir helfen willst, mich mit dem Unabwendbaren abzufinden. Wenn ich nur denken dürfte, daß der Tante wirklich etwas an mir liegt! Es wäre so schön, zu wissen, daß ich einem Menschen etwas sein kann! – Hier, das weiß ich, bin ich niemandem wichtig, und doch hänge ich so sehr an dem Ort.»

«Den Ort, Fanny, wirst du nicht verlassen, auch wenn du das Haus verläßt. Du wirst ganz wie immer über Park und Garten verfügen. Sogar dein anhängliches kleines Herz braucht über eine Veränderung, die nur dem Namen nach eine ist, nicht zu erschrecken. Du wirst die gleichen Spaziergänge machen, deine Bücher aus der gleichen Bibliothek wählen, die gleichen Gesichter um dich sehen, auf dem gleichen Pferd reiten – genau wie bisher.»

«Ja, das ist wahr. Mein liebes, altes graues Pony! Ach, Edmund, wenn ich daran denke, wie ich mich vor dem Reiten gefürchtet, mit welcher Angst ich zugehört habe, wenn die Rede darauf kam, daß es mir guttun würde! (Wie habe ich immer gezittert, daß Onkel den Mund auftun würde, wenn das Gespräch auf Pferde kam!) Und wenn ich mich erinnere, wie lieb du dich bemüht hast, mir Vernunft zuzusprechen und mir meine Angst auszureden und zu versichern, daß es mir nach einer Weile Freude machen würde – und wenn ich denke, wie recht du behalten hast, könnte ich beinahe hoffen, daß du auch diesmal richtig prophezeist.»

«Siehst du! Und ich bin ganz überzeugt, daß das Zusammenleben mit Tante Norris deinem Geist und Gemüt ebenso guttun wird wie das Reiten deiner Gesundheit, und daß es dir Glück bringen wird.»

Damit endete das Gespräch. Was seinen praktischen Nutzen für Fanny betraf, hätte es ebensogut nicht stattfinden können, denn Mrs. Norris hatte nicht die leiseste Absicht, sie zu sich zu nehmen. Auch jetzt war ihr diese Möglichkeit nur als eine Gefahr in den Sinn gekommen, die sie sorgfältig zu vermeiden gedachte. Um allen diesbezüglichen Erwartungen vorzubeugen, hatte sie unter den Häusern der Pfarrgemeinde das allerkleinste gewählt, das noch als halbwegs herrschaftlich gelten konnte; das sogenannte «Weiße Haus» bot gerade Raum für sie, ihre Dienstboten und ein Gastzimmer, dessen Unentbehrlichkeit Mrs. Norris unablässig betonte. Das Gastzimmer im Pfarrhaus war niemals benützt worden, jetzt aber vergaß sie bei keiner Gelegenheit zu bemerken, daß sie für allfällige Besuche unbedingt ein Gastzimmer benötige. Jedoch alle ihre Vorsichtsmaßnahmen schützten sie nicht davor, daß man ihr bessere Absichten zutraute; vielleicht hatte auch gerade ihr ständiges Herumreiten auf der Notwendigkeit eines Gastzimmers Sir Thomas zu der Annahme verführt, es sei in Wirklichkeit für Fanny bestimmt. Eine beiläufige Bemerkung Lady Bertrams brachte Klarheit in die Sache.

«Ich denke, Schwester, wenn Fanny jetzt bei dir wohnen wird, brauchen wir Miss Lee nicht länger zu behalten.»

Mrs. Norris fuhr beinahe in die Luft. «Bei mir wohnen? Meine Liebe, was soll das heißen?»

«Ja, wird sie denn nicht bei dir wohnen? Ich dachte, du hättest es mit Sir Thomas abgemacht?»

«Ich? Niemals! Ich habe darüber mit keiner Silbe zu Sir Thomas gesprochen und er nicht zu mir. Fanny bei mir wohnen! Das Allerletzte, was jeder, der uns beide kennt, für wünschenswert halten könnte! Du meine Güte! Was sollte ich mit Fanny anfangen? Ich, eine arme, hilflose, verlassene Witwe, die zu nichts mehr taugt, die keine Kraft mehr hat – was sollte ich mit einem Kind in diesem Alter, einem fünfzehnjährigen Mädchen anfangen? Das ist genau das Alter, in dem sie ständige Beaufsichtigung brauchen und auch das geduldigste Gemüt auf eine harte Probe stellen. Sir Thomas kann es nicht so gemeint haben, dazu ist er mir ein zu guter Freund. Niemand, der es gut mit mir meint, könnte so etwas vorschlagen. Wie ist Sir Thomas darauf gekommen, dir davon zu sprechen?»

«Ich weiß wirklich nicht. Er hält es vielleicht für richtig.» «Aber was hat er gesagt? Er kann unmöglich gesagt haben, es sei sein Wunsch, daß ich Fanny zu mir nehme. Nein, das kann nicht sein aufrichtiger Wunsch sein!»

«Er hat nur gesagt, er hielte es für sehr wahrscheinlich – und ich habe das auch gedacht. Wir dachten beide, es würde dir ein Trost sein. Aber wenn du sie nicht willst, ist nichts weiter darüber zu sagen. Hier stört sie nicht.»

«Liebste Schwester, wie könnte sie mir ein Trost sein? Bedenke doch meinen unglücklichen Zustand! Hier sitze ich, eine arme, trostlose Witwe, die den besten aller Gatten verloren hat. Meine Gesundheit ist bei der schweren Pflege draufgegangen, von meiner seelischen Stimmung will ich gar nicht reden, meine Ruhe auf dieser Welt ist dahin, nichts ist mir geblieben! Ich habe kaum genug , um mich standesgemäß zu erhalten, um wenigstens so zu leben, daß ich dem Andenken des teuren Verschiedenen keine Schande mache – wie kann es mir da ein Trost sein, eine solche Last auf mich zu nehmen!

Sogar wenn ich es um meiner selbst willen wünschte, wäre es dem armen Mädchen gegenüber ein Unrecht. Hier ist sie in guten Händen und hat ein gesichertes Dasein. Ich muß mich allein durch meine Sorgen und Schwierigkeiten hindurchkämpfen, so gut ich es eben vermag.»

«Es macht dir also nichts, ganz allein zu leben?» «Liebste Schwester, tauge ich für etwas anderes als für Einsamkeit? Von Zeit zu Zeit hoffe ich einen lieben Gast in meinem bescheidenen Heim zu sehen (für meine Freunde wird stets ein Bett bereit sein), aber ansonsten werde ich den Rest meiner Tage in tiefster Abgeschlossenheit verbringen. Wenn ich nur recht und schlecht durchkomme – mehr verlange ich nicht.»

«Aber, Schwester, gar so schlecht geht es dir doch nicht. Sir Thomas sagt, du wirst über sechshundert Pfund im Jahr verfügen.»

«Ich klage nicht, Lady Bertram, ich klage nicht. Ich weiß, daß ich nicht mehr so leben kann wie früher. Da heißt es eben, sich einschränken, wo man kann, und besser haushalten lernen. Früher habe ich aus dem vollen gewirtschaftet, aber jetzt werde ich mich nicht schämen, Sparsamkeit zu üben. Meine Stellung hat sich ja ebensosehr verändert wie mein Einkommen. Vieles, was mein armer Norris seinem Amt als Pfarrherr der Gemeinde schuldig war, kann von mir nicht gefordert werden. Niemand weiß, wie viele Bedürftige in unserer Küche mitgegessen haben. Im Weißen Haus wird strengere Aufsicht geführt werden. Ich muß mich eben nach meinem Einkommen richten, sonst gerate ich ins Elend. Und ich gestehe, es wäre mir eine große Befriedigung, wenn es mir gelänge, darüber hinaus noch jedes Jahr eine Kleinigkeit zurückzulegen.»

«Oh, das wird dir sicher gelingen. Das hast du doch immer getan, nicht wahr?»

«Mein Ziel, liebe Schwester, ist es, denen, die nach mir kommen, von Nutzen zu sein. Wenn ich reicher zu sein wünsche, ist es um deiner Kinder willen. Ich habe für niemand sonst zu sorgen. Ich wäre froh, wenn ich ihnen eine Kleinigkeit hinterlassen könnte, die ihrer nicht unwürdig ist.»

«Das ist sehr lieb von dir, aber mach dir um sie keine Gedanken. Sie werden sicher gut versorgt sein, das wird Sir Thomas schon veranlassen.»

«Du weißt ja, daß seine Einkünfte sich empfindlich verringern werden, wenn die Besitzung in Antigua weiterhin so schlecht trägt.»

«Ach, das wird bald in Ordnung kommen. Ich weiß, daß Sir Thomas deswegen schon einen Brief geschrieben hat.»

«Also, liebe Schwester», schloß Mrs. Norris, indem sie sich zum Gehen wandte, «ich kann nur wiederholen, daß es mein einziger Wunsch ist, deiner Familie von Nutzen zu sein – und falls Sir Thomas je wieder darauf zu sprechen kommt, daß ich Fanny zu mir nehmen sollte, wirst du ihm mitteilen können, daß meine angegriffene Gesundheit und meine seelische Stimmung das jetzt leider nicht zulassen. Abgesehen von allem anderen hätte ich gar kein Bett für sie, denn mein Gastzimmer muß ich meinen Freunden zur Verfügung halten.»

Lady Bertram erzählte ihrem Mann genug von diesem Gespräch, um ihn erkennen zu lassen, daß er sich in den Absichten seiner Schwägerin gründlich getäuscht hatte, und diese hatte von diesem Augenblick an auch nicht die leiseste Anspielung von ihm zu befürchten. Es erstaunte ihn nur, daß sie es ablehnte, etwas für die Nichte zu tun, für deren Adoption sie sich so eifrig eingesetzt hatte. Doch da sie es auch ihm gegenüber nicht an Andeutungen fehlen ließ, daß alles, was sie besaß, dereinst seinen Kindern gehören sollte, fand er sich bald mit dieser Bevorzugung ab, die für ihn vorteilhaft und schmeichelhaft war und ihn überdies befähigen würde, selber ein übriges für Fanny zu tun.

Fanny erfuhr bald, wie überflüssig ihre Angst vor einer Trennung gewesen war, und ihre kindliche Freude darüber tröstete Edmund ein wenig über seine Enttäuschung, denn er glaubte noch immer, daß der Plan zu ihrem Besten gewesen wäre. Mrs. Norris nahm das Weiße Haus in Besitz, die Grants trafen im Pfarrhaus ein, und nach diesen Ereignissen ging alles in Mansfield weiter seinen gewohnten Gang.

Die Grants erwiesen sich als liebenswürdige, gesellige Leute und erwarben sich rasch die Sympathie ihrer neuen Bekannten. Allerdings hatten sie auch ihre Fehler, wie Mrs. Norris bald herausbekam. Dr. Grant legte großen Wert auf gutes Essen und mußte jeden Tag ein üppiges Dinner haben; Mrs. Grant hingegen – anstatt alle Kunst aufzubieten, um ihn mit bescheidenen Mitteln zufriedenzustellen – hielt sich eine Köchin, die einen ebenso hohen Lohn bezog wie die Köchin in Mansfield Park selbst! Und die Hausfrau persönlich ließ sich kaum jemals in den Wirtschaftsräumen blicken! Von solchen Übelständen mit Gleichmut zu sprechen, lag einfach nicht in Mrs. Norris’ Natur. Und die Unmengen von Butter und Eiern, die jetzt regelmäßig im Pfarrhaus verbraucht wurden! Niemand habe mehr für großzügige Gastlichkeit übrig als sie selber, sagte Mrs. Norris – niemandem sei Kleinlichkeit verhaßter – sie dürfe wohl behaupten, daß es zu ihrer Zeit im Pfarrhaus an nichts gefehlt und daß es in keinem schlechten Ruf gestanden habe – aber eine solche Großtuerei sei ihr einfach unverständlich! In einer Landpfarre die große Dame spielen – das passe eben nicht, und sie möchte meinen, ihre eigene Vorratskammer sollte für Mrs. Grant gerade noch gut genug sein. Dabei habe Mrs. Grant nicht mehr als fünftausend Pfund Mitgift bekommen – soviel sie auch herumfrage, höre sie nichts anderes.

Lady Bertram lauschte diesen Ausbrüchen ohne großes Interesse. In die Entrüstung einer in ihrer Sparsamkeit gekränkten Hausfrau konnte sie sich nicht hineindenken, fühlte sich aber als anerkannte Schönheit durch den Umstand beleidigt, daß Mrs. Grant, die nicht einmal hübsch zu nennen war, sich so glänzend versorgt hatte. Sie drückte ihr Erstaunen über diesen Punkt fast ebensooft, wenn auch weniger weitläufig aus, wie Mrs. Norris ihrer Empörung über Mrs. Grants Verschwendungssucht Luft machte.

Diese Dinge hatten etwa ein Jahr lang einen willkommenen Gesprächsstoff abgegeben, als sich ein neues Ereignis ankündigte; und diesmal war es von solcher Bedeutung für die Familie, daß es wohl einigen Raum in den Gedanken und Unterhaltungen der beiden Damen beanspruchen durfte. Sir Thomas fand es notwendig, persönlich nach Antigua zu reisen, um seine dortigen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Er nahm seinen ältesten Sohn mit, den er auf diese Weise von einigen höchst unerwünschten Freunden loszumachen hoffte. Sie verließen England mit der Aussicht, fast ein Jahr lang fernzubleiben.

Die Unerläßlichkeit der Reise aus finanziellen Gründen und die Hoffnung, daß sie sich für seinen Sohn günstig auswirken würde, erleichterten Sir Thomas den schweren Entschluß, sich von seiner Familie zu trennen und insbesondere seine Töchter in diesem für sie so bedeutungsvollen Lebensabschnitt der Führung anderer zu überlassen. Er glaubte nicht, daß Lady Bertram ganz der Aufgabe gewachsen sei, ihnen gegenüber seine Stellung einzunehmen oder, besser gesagt, ihre eigene Stellung richtig auszufüllen; doch er hatte genügend Vertrauen in Mrs. Norris’ Wachsamkeit und Edmunds richtiges Urteil, um ohne Besorgnis um seine Töchter abzureisen.

Lady Bertram sah es gar nicht gern, daß ihr Mann sie verließ. Doch ihre Seelenruhe wurde durch keinerlei Angst um seine Sicherheit, keine Sorge um sein Wohlbefinden getrübt. Sie gehörte zu den Menschen, die sich nicht vorstellen können, daß irgend etwas gefährlich oder schwierig oder anstrengend sein könnte, was ihnen nicht selber zustößt.

Sehr waren bei diesem Anlaß die jungen Damen zu bedauern, nicht etwa wegen ihres Kummers, sondern weil sie nichts Derartiges empfanden. Sie brachten ihrem Vater, der ihren Vergnügungen niemals günstig gesinnt schien, keine Liebe entgegen, und seine Abwesenheit war ihnen betrüblicherweise höchst erwünscht. Sie fühlten sich von jedem Zwang befreit. Auch wenn sie im Augenblick nicht an irgendein bestimmtes Vergnügen dachten, das Sir Thomas ihnen vermutlich nicht gestattet hätte, empfanden sie ganz allgemein, daß sie jetzt ihre eigenen Herrinnen wären und niemand ihnen Schranken auferlegen würde. Fanny fühlte sich ebenso erleichtert wie ihre Cousinen und war sich dessen gleichfalls bewußt, doch ihrem zärtlicheren Gemüt erschien dieses Gefühl als Undank, und sie grämte sich aufrichtig darüber, daß sie nicht imstande war, sich zu grämen. Sir Thomas, der soviel für sie und ihre Brüder getan hatte, verreist – vielleicht auf Nimmerwiedersehen – und sie hatte ihn ohne Träne wegziehen gesehen! Welch schändliche Gefühllosigkeit! Obendrein hatte er ihr am allerletzten Morgen gesagt, er hoffe, daß sie William im Lauf des nächsten Winters wiedersehen werde, und hatte ihr aufgetragen, dem Bruder zu schreiben und ihn nach Mansfield einzuladen, sobald das Geschwader, zu dem er gehörte, nach England zurückkehrte. Wie lieb und fürsorglich war das gewesen! Und hätte er nur ein Lächeln für sie gefunden und sie «meine liebe, kleine Fanny» genannt, wäre alle seine frühere Kälte und Strenge augenblicklich vergessen gewesen. Doch wie es seine Art war, hatte er seine Rede mit einem Satz beendet, der sie aufs tiefste kränkte: «Wenn William nach Mansfield kommt, wirst du hoffentlich in der Lage sein, ihm zu beweisen, daß die vielen Jahre, die seit euerer Trennung verflossen sind, für dich nicht gänzlich ohne Nutzen waren – obwohl ich fürchte, daß er eine sechzehnjährige Schwester finden wird, die in vielen Punkten noch allzusehr einer zehnjährigen gleicht.» Als ihr Onkel davongefahren war, weinte Fanny bitterlich über diese Worte, und ihre Cousinen, die ihre geröteten Augen sahen, erklärten sie prompt zur Heuchlerin.

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