Kitabı oku: «Hinter seinem Rücken», sayfa 5

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Nach einer weiteren Viertelstunde kehrten Momme und Max in die Küche zurück. Max, den ich bisher nur ausgeglichen und gutgelaunt kennengelernt hatte, schaute dabei ungewohnt mürrisch, während Momme wie bisher jeglichen Blickkontakt vermied. Ich war auf das Schlimmste gefasst, als Max‛ Gesichtsausdruck freundlicher wurde und er sagte: „Dein Laptop läuft wieder einwandfrei. Es war tatsächlich ein Virus, Ursprung unbekannt, aber für immer vernichtet und unschädlich gemacht.“

Ich sprang von meinem Stuhl auf und fiel Max vor Begeisterung um den Hals. „Vielen, vielen Dank! Dafür hast du was gut bei mir!“

„Ich komme gelegentlich darauf zurück“, erwiderte Max lächelnd. Nach einem Seitenblick auf Momme fuhr er fort: „Aber versprich mir, dass du dir bessere Passwörter ausdenkst und sie schnellstmöglich änderst. Einfache Passwörter sind eine unverantwortliche Sicherheitslücke.“

„Ich verspreche es.“ Gleich am nächsten Tag würde ich sämtliche Passwörter auf meinem Laptop ändern, wenn mir dadurch ein erneuter Schock dieser Art erspart bliebe, außerdem nie wieder ein Passwort in meinem Browser abspeichern. Das Risiko einer Entdeckung war einfach zu groß. Das war mir erst jetzt aufgrund der notwendigen Reparatur des Laptops klar geworden.

Mir war bewusst, wie unhöflich es war, nicht auch Momme zu danken, aber ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, und er hatte sowieso bestimmt nur Max bei dessen Arbeit über die Schulter geguckt.

„Ich denke, ich sollte jetzt aufbrechen“, beendete Nathalie abrupt das Thema. „Ich habe morgen Frühschicht.“

Es war ihr nicht recht, dass ich Max umarmt hatte. Ich hätte es wissen müssen. Dabei hatte ich die beiden doch zusammenbringen wollen. Vielleicht hatte ich beim nächsten Mal mehr Erfolg.

„Schön, dass du da warst“, verabschiedete ich meine beste Freundin an der Tür, als sich Momme an uns vorbeidrängte und mit einem leisen „Tschüss“ im Treppenhaus verschwand.

Da Max noch anwesend war, äußerte ich mich Torben gegenüber nicht zu dem unhöflichen Abgang seines Kollegen. Wir tranken zu dritt noch ein Bier, während Max Torben und mir in möglichst einfachen Worten zu erklären versuchte, was meinen Laptop lahmgelegt und wie er den Schaden behoben hatte. Dann war es auch für Torbens Squashpartner Zeit, nach Hause zu fahren.

„Wieso hast du mir vorher nichts von deiner geplanten Tätigkeit als Vertrauenslehrer gesagt, statt mich vor vollendete Tatsachen zu stellen, noch dazu vor anderen Leuten?“, fragte ich Torben, als wir kurz darauf gemeinsam die Küche aufräumten. Ich spürte, wie der ganze Ärger, der sich im Laufe des Abends in mir aufgestaut hatte, in mir hochkroch, um sich Luft zu verschaffen.

„Ich wollte dich überraschen“, erklärte mein nichtsahnender Freund ruhig und füllte die restliche Suppe in einen Kunststoffbehälter, um sie kaltzustellen.

„Vielen Dank. Die Überraschung ist dir geglückt.“ Ich ging einen Schritt auf ihn zu. „Das ist auch meine Wohnung, Torben! Ich will nicht, dass sich hier ständig fremde Leute aufhalten und sonst wo herumwühlen!“

Mein Freund hielt in seiner Tätigkeit inne und sah mich erstaunt an. „‚Ständig fremde Leute?‛ Das sind meine Schüler, Sandra. Und sie liegen mir am Herzen. Niemand wird in unserer Wohnung herumwühlen. Wir werden uns in meinem Arbeitszimmer über ihre Probleme unterhalten. Davon wirst du überhaupt nichts mitbekommen.“

„Ach ja?“ Ich schleuderte den feuchten Lappen, mit dem ich gerade den Tisch abgewischt hatte, mit voller Wucht ins Spülbecken und stemmte verärgert die Hände in die Hüften. „So wie ich auch nichts davon mitbekomme, dass deine Mutter hier alle paar Tage aufkreuzt und sich nicht nur in unserem Wohnzimmer, sondern auch in unserem Leben breitmacht?“

„Meine Mutter?“, fragte Torben, der anscheinend gar nicht wusste, wie ihm geschah, verständnislos. „Was hast du denn plötzlich gegen meine Mutter? Wir haben eben ein sehr enges Verhältnis. Das weißt du doch.“

„Ja, ich weiß, Torben.“ Meine Stimme war voller Sarkasmus. „Du und deine Mutter, ihr habt ein ganz besonderes Verhältnis. Da haben Dritte keine Chance. Nicht einmal ich als deine Freundin kann da mithalten, wenn es um deine geliebte Mutter geht. Ich weiß auch, wen du wählen würdest, wenn du dich zwischen uns beiden entscheiden müsstest.“ Ich lachte bitter. „Keine Sorge: In dieser Hinsicht mache ich mir keinerlei Illusionen.“ Böse fügte ich hinzu: „Und führe es mir ruhig schön vor Augen, dass das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir nicht so innig ist. Nur weil ich nicht mit über dreißig noch ständig bei ihnen auf dem Schoß hocke!“

Torben zog besorgt seine Augenbrauen zusammen. „Sag mal, was ist denn plötzlich mit dir los, Sandra? Wir haben einen schönen Abend mit unseren Freunden verbracht, Max hat deinen Laptop repariert und du ...“

„‚Mit unseren Freunden‛! Dass ich nicht lache! Du merkst auch wirklich überhaupt nichts, Torben, oder? Nicht nur deine Mutter, die sich besser endlich mal einen Kerl nehmen sollte, schleppst du hier an, sondern auch noch diesen verklemmten Momme, der anscheinend gegenüber Frauen nur ein Wort herausbekommt, wenn er sie abfällig behandeln kann!“ Meine Stimme war so laut geworden, dass Miezi, die uns Gesellschaft geleistet hatte, in den Flur geflüchtet war. „Und wer kommt mir zur Hilfe, wenn dieser Momme behauptet, ich sei zu blöd, um einen gefälschten E-Mail-Anhang zu erkennen? Mein Freund? Oh nein! Der hüllt sich ja lieber vornehm in Schweigen, um seinen Lieblingskollegen auch ja nicht zu verärgern! Seinen allerliebsten Kollegen, dem er im Gegensatz zu seiner Freundin auch verraten hat, dass er sich den Job als Vertrauenslehrer noch unbedingt aufhalsen will!“

Torben blickte verletzt und schockiert zugleich, als hätte ich ihn soeben geschlagen. Ein Teil von mir bereute meine harten Worte, doch einem anderen Teil, anderem viel größeren Teil, tat es unendlich gut, die ganze aufgestaute Frustration darüber, dass ich durch das Zusammenziehen mit meinem Freund meine Privatsphäre und meine Freiheit verloren hatte, herauszulassen. „Weißt du was:“, stichelte ich weiter, „zieh doch mit deiner Mutter und Momme zusammen! Meinen Segen habt ihr!“ Mit diesen Worten verließ ich wutentbrannt die Küche und knallte die Tür hinter mir zu.

Ich stellte mich schlafend, als Torben kurz nach Mitternacht zu Bett ging, und war davon überzeugt, die ganze Nacht lang kein Auge zutun zu können. Meine Wut war inzwischen verflogen, und mir ging wieder und wieder durch den Kopf, was für schlimme Dinge ich zu meinem Freund gesagt hatte. Es war nicht richtig von Torben gewesen, mich nicht vorab über sein Vorhaben, Schüler in unserer Wohnung zu empfangen, zu informieren, doch ich hatte mit meiner Reaktion maßlos übertrieben. Ich hatte Dinge gesagt, die ich niemals hätte aussprechen dürfen, insbesondere hätte ich Torbens inniges Verhältnis zu seiner Mutter nicht kritisieren und lächerlich machen dürfen. Wie konnte ich das nur jemals wieder gutmachen.

Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie zerschlagen. Ich hatte den Eindruck, erst kurz vor dem Weckerklingeln eingeschlafen zu sein. Ich bezweifelte, dass die gelbe Bluse, die ich zu meiner weißen Hose gewählt hatte, im Küchenstudio darüber hinwegtäuschen könnte, dass ich alles andere als heiterer Stimmung war.

Am Küchentisch sitzend trank ich langsam meinen Kaffee, während Torben noch im Bad war. Normalerweise hatte ich schon frühmorgens einen guten Appetit, doch der war mir restlos vergangen. Nicht einmal der Kaffee wollte mir schmecken. Dennoch wollte ich mich nicht so einfach aus dem Haus schleichen, sondern wie sonst auch darauf warten, dass Torben sich zu mir setzen werde. In der Hoffnung, dass Torben unser Streit nicht so sehr auf den Magen geschlagen war wie mir, hatte ich den Frühstückstisch nur für ihn komplett gedeckt. Während er sich stärken würde, wollte ich das, was ich am Vortag angerichtet hatte, unbedingt wieder geradebiegen. Mir war in meiner Verzweiflung eine Idee gekommen, wie mir das gelingen könnte.

Als mein Freund schließlich in Jeans und weißem Oberhemd die Küche betrat, sah ich ihm sofort an, dass auch er schlecht geschlafen hatte.

„Guten Morgen“, begrüßte ich ihn schüchtern.

„Morgen.“ Torbens Stimme klang neutral. Er setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch und goss sich Kaffee ein. Während er anschließend eine Scheibe Brot mit Butter bestrich, sagte er in einem ruhigen Tonfall: „Ich habe nachgedacht und werde den Posten als Vertrauenslehrer nicht antreten, wenn es dich so sehr stört. Heute sage ich allen im Kollegium Bescheid, dass die Stelle wieder frei ist. Das wird zwar merkwürdig wirken, aber ...“

„Nein!“, unterbrach ich.

Torben sah mich erstaunt an.

„Ich möchte, dass du als Vertrauenslehrer tätig bist“, erklärte ich. „Es bedeutet dir so viel, und das, was ich gestern alles gesagt habe, war blödsinnig, unnötig und ... gemein.“ Hastig fuhr ich fort: „Ich mag deine Mutter. Sehr sogar. Und ich finde, dass ihr zwei ein fantastisches Verhältnis habt, um das euch jeder beneiden kann. Das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir ist zwar nicht so eng, aber das ist für mich ... so, wie es ist, ganz in Ordnung. Was ich damit sagen will, ist, dass ich nicht eifersüchtig auf deine Mutter bin oder neidisch auf die Zeit, die ihr gemeinsam verbringt. Das ... ist schon ganz richtig so.“

Die Art, wie mich Torben anschaute, trieb mir die Tränen in die Augen, als ich fortfuhr: „Ich weiß, es ist eigentlich unentschuldbar, was ich gestern gesagt habe, aber ich möchte, dass du weißt, wie sehr mir meine Worte leidtun. Ich kann mir selbst nicht erklären, was gestern in mich gefahren ist.“ Das, was ich dann sagte, war mir in den frühen Morgenstunden als einziger für Torben nachvollziehbarer Grund für mein verletzendes Verhalten eingefallen. „Vermutlich hat es hormonelle Gründe, dass ich so garstig war. Ich habe nämlich ... vor ein paar Tagen die Pille abgesetzt. Weil ich mit dir ein Kind haben möchte. Ich hatte eigentlich vorgehabt, dich demnächst mit meiner Schwangerschaft zu überraschen.“

Torbens große Augen bei diesen Worten verrieten mir, dass ich richtig gehandelt hatte, ihn anzuschwindeln. Ich wusste ja, wie sehr mein Freund Kinder mochte. Dass er am liebsten sofort ein eigenes hätte, hatte er mir gegenüber bereits mehr als einmal angedeutet. Ich hatte mich bei diesem Thema stets bedeckt gehalten und Torben in dem Glauben gelassen, dass ich das vierte Zimmer in unserer Wohnung wie er als Kinderzimmer vorgesehen hatte. Dabei wollte ich keine Kinder. Weder jetzt noch sonst irgendwann.

Torben griff über den Tisch nach meiner Hand. „Ist das dein Ernst?“, wollte er mit warmer Stimme wissen.

Ich nickte. „Verzeihst du mir?“, fragte ich zaghaft.

„Ja ...“ Torben war offensichtlich zu überrascht und gerührt, um die richtigen Worte zu finden. „Ja, natürlich verzeihe ich dir! Ich meine: du und ich und ein Baby! Das ist doch ... das ist doch wirklich zu schön, um wahr zu sein!“

„Noch ist es ja nicht so weit“, dämpfte ich seine Euphorie.

„Nein, aber ... ich freue mich jetzt schon.“ Mein Freund drückte meine Hand, die er nach wie vor hielt. „Wirklich, Sandra: Ich freue mich jetzt schon.“

Ich hatte mein Ziel erreicht. Torben hatte mir verziehen. Das hätte mich fröhlich stimmen sollen, doch das war ich nicht. Die Vorstellung, wie mich mein Freund nun jeden Monat erwartungsvoll ansehen würde, war grauenhaft. Sicher würde er auch Edelgard von unserem vermeintlichen Vorhaben erzählen, und diese würde mir gegenüber mit guten Ratschlägen nicht sparen. Darauf konnte ich wirklich verzichten.

Übelgelaunt und übermüdet betrat ich an diesem Morgen das Küchenstudio und war keineswegs offen für den ausschweifenden Bericht meiner Kollegin Julia Werner über den Verlauf ihres Wochenendes, während wir am Computer Küchenplanungen erstellten. An diesem Tag trug Julia einen grasgrünen Hosenanzug und dazu die farblich passende Brille. Meine Kollegin war verheiratet und hatte zwei Kinder. Obwohl ich selbst keine Brille trug, wusste ich von meiner kurzsichtigen Schwester Caroline, wie teuer diese sein konnten, und fragte mich, wie Julias Mann mit Julias Marotte umging, zu jeder Kleidung eine andere Brille haben zu müssen. Aber vermutlich war dieser Tick längst nicht so schlimm wie dem eigenen Freund vorzuheucheln, mit ihm ein Kind zu wollen, dachte ich bitter. Mir fiel ein, dass ich Philipp Hansen meine Entscheidung mitteilen musste, auf zwei Wochen von meinem bereits eingetragenen dreiwöchigen Juli-Urlaub zu verzichten und diese stattdessen im September zu nehmen. So könnten Julia und ein weiterer Kollege, die gern drei Wochen Sommerurlaub genommen hätten, aber nur zwei bewilligt bekommen hatten, ihren Urlaub verlängern.

Philipps Bürotür stand wie die der anderen Büros wie gewöhnlich offen, und er saß konzentriert an seinem Schreibtisch über ein Schriftstück gebeugt. Mir fiel wieder einmal auf, was für ein attraktiver Mann er war, obwohl er inzwischen die Fünfzig erreicht hatte.

„Guten Morgen, Philipp“, begann ich, da er so vertieft war, dass er mein Eintreten nicht bemerkt hatte.

Philipp blickte von seiner Arbeit auf. „Ah, Sandra. Guten Morgen. Schönes Wochenende gehabt?“

„Ja“, antwortete ich knapp in der Hoffnung, er werde keine weiteren Fragen hierzu stellen. Doch meine Befürchtung war unbegründet, da Philipps Blick auf das Schriftstück auf seinem Schreibtisch fiel, das ihn offenbar sehr beschäftigte, bevor er wieder mich ansah.

„Philipp, ich würde gern mit dir über meinen Sommerurlaub sprechen.“

An seinem Gesichtsausdruck sah ich, dass dieses Thema nicht willkommen war, noch bevor Philipp abwehrte: „Sandra, ich habe mich wirklich bemüht, allen gerecht zu werden, und du hast, wenn ich mich recht entsinne, drei Wochen zugesprochen bekommen. Mehr als andere. Können wir es also bitte dabei belassen?“

„Das ist es ja gerade. Ich ...“

„Lass uns später darüber sprechen, ja?“, lenkte Philipp ungeduldig ein. „Wenn ich hiermit durch bin.“ Er zeigte auf die Papiere auf seinem Schreibtisch. „Ich habe im Moment keinen Kopf für andere Dinge, tut mir leid.“

„Ja, in Ordnung“, stimmte ich zu, obwohl es mich schon etwas verletzte, so abgefertigt zu werden. Ich hatte mir immer eingebildet, bei Philipp wegen unseres einstigen Verhältnisses einen Sonderstatus einzunehmen. „Dann komme ich später noch einmal vorbei.“

Philipp hatte sich bereits wieder den Unterlagen zugewandt und nickte abwesend.

Lustlos fuhr ich an meinem Computer mit einer Küchenplanung fort. Nichts wollte heute auf dem Bildschirm so recht zusammenpassen. Kurz darauf erhielt ich einen Anruf vom Empfang unten, dass eine Beratung gewünscht werde. Obwohl Gespräche mit Kunden normalerweise das waren, was ich an meinem Beruf am meisten liebte, musste ich mich an diesem Tag regelrecht dazu aufraffen.

Während der zeitintensiven Beratung eines Paars, das sich eine kostspielige Küche mit vielen Extras leisten wollte, war ich nicht recht bei der Sache. Wiederholt blickte ich unauffällig auf meine Armbanduhr und war erleichtert, als die beiden mit der Zusage, sich meine Vorschläge durch den Kopf gehen lassen zu wollen, endlich verschwanden und ich in meine Mittagspause gehen konnte.

Vielleicht lag es an dem schönen Wetter, dass das Küchenstudio an diesem Tag weniger stark besucht war als normalerweise. Was auch immer der Grund dafür war, ich war erleichtert, den Nachmittag an meinem Computer verbringen zu können, ohne vor Kaufinteressenten Begeisterung heucheln zu müssen, denn dafür fehlte mir der Elan. Zwischendurch gestattete ich mir einen kurzen Besuch im Chat-Room. Black Tiger hatte mir eine Nachricht geschrieben, doch sie löste bei mir nicht die übliche Euphorie aus. Er schlug mir ein Online-Treffen am Abend vor. Da ich nicht sicher war, ob ich dazu in der Stimmung war, ließ ich die Nachricht erst einmal unbeantwortet. Julia, die mir gegenüber an ihrem Schreibtisch saß, langweilte sich anscheinend und versuchte daher, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Meine einsilbigen Antworten führten glücklicherweise dazu, dass sie ihre Bemühungen aufgab.

Gegen 15:00 Uhr ging ich in die Teeküche, um mir einen starken Kaffee zuzubereiten. Ich hatte das Gefühl, sonst auf der Stelle einzuschlafen. Dazu wollte ich den Berliner essen, den ich mir in der Mittagspause gegönnt hatte. Wenn ich meinen Platz so wie bei diesem Anlass nur kurz verließ, sperrte ich nie meinen PC-Bildschirm. Ich hielt es nicht für nötig, fand so ein Misstrauen vielmehr übertrieben und lächerlich. Bis zu diesem Nachmittag.

Denn als ich mit meinem Kaffeebecher in der Hand in das Büro zurückkehrte, saß Julia vor meinem Computer, klickte schnell mit der Maus und sprang erschrocken hoch.

„Was machst du an meinem Computer?“, fragte ich verblüfft und verärgert zugleich.

„Ich ...“, stotterte Julia und bekam einen roten Kopf. „Ich ... wollte nur kurz etwas nachsehen.“

„Ach ja?“ Ich ging schnell ein paar Schritte auf sie zu. „Und das geht nicht an deinem PC?“

„Doch, doch“, versicherte meine Kollegin hastig. „Das ginge schon, nur ... es ist etwas heikel, und wenn jemand erfährt, dass ich ... Es ist, wie gesagt, ... etwas heikel.“

Ich ging um Julia herum und stellte meinen Kaffeebecher neben meinem Computerbildschirm ab, der die Küchenplanung zeigte, an der ich gerade arbeitete. Ich sah wieder zu meiner Kollegin. „Wenn jemand was erfährt?“

„Es ist ...“ Julia befeuchtete nervös ihre Lippen, bevor sie kleinlaut hinzufügte: „Ich habe mir, glaube ich, ein Virus oder so was eingefangen.“

„Wieso sagst du das nicht gleich? So was hatte ich auch erst am Wochenende zu Hause auf meinem Laptop“, kam ich Julia entgegen und fuhr verständnislos fort: „Aber damit kannst du doch nicht so einfach an deinem Computer weiterarbeiten! Seit wann hast du denn Probleme mit dem Rechner? Das muss jedenfalls sofort behoben werden. Sag doch unten am Empfang Bescheid, dass die diese IT-Firma anrufen. Wie heißt die denn noch mal ...?“

Julia schüttelte zu meinem Erstaunen den Kopf. „Es ist kein Virus auf meinem PC. Ich habe mir ein Virus eingefangen.“

Du?“ Ich ließ mich auf meinem Schreibtischstuhl nieder. „Dann geh doch zum Arzt und lass abklären, was es ist.“

„Das ... habe ich gerade im Internet selbst herausgefunden. Denke ich zumindest. Es ist etwas ... peinlich. Das könnte ich einem Arzt unmöglich sagen. Und wenn mein Mann davon erfährt ...“

„Ach, verstehe“, erwiderte ich sarkastisch. Mein ohnehin beanspruchtes Nervensystem begann zu brodeln. „Du sackst dir bei irgendeinem Typen eine Geschlechtskrankheit auf und recherchierst dann dazu an meinem PC! Ist es das, was du mir versuchst zu erklären?“

„Ja, ich ... Das musst du verstehen.“ Julia stand vor mir wie ein verängstigtes Schulmädchen. Doch das konnte mich nicht im Geringsten beeindrucken.

Wütend sprang ich auf. „Ach ja?“, schrie ich. „Muss ich das? Muss ich Verständnis dafür aufbringen, dass meine Kollegin sich hinter meinem Rücken an meinem PC zu schaffen macht, ja? Wie oft hast du das schon schon getan?“ Ich ging mit einem großen Schritt auf Julia zu, die ängstlich vor mir zurückwich und den Kopf schüttelte. „Antworte! Habe ich dir auch die vermasselte Bestellung von neulich zu verdanken? Sabotierst du mich hinter meinem Rücken, um mich aus der Firma zu ekeln? Recherchierst du deshalb an meinem PC nach irgendwelchen abartigen Dingen, um meinen Ruf zu zerstören? Oder bist du einfach nur eifersüchtig auf das gute Verhältnis zwischen Philipp und mir? Na sag schon! Mach verdammt noch mal den Mund auf! Wird‛s bald!“

Julia hatte es angesichts meiner harschen Worte anscheinend die Sprache verschlagen. Gleichzeitig waren ihr die Tränen gekommen, die nun über ihre Wangen liefen.

„Könnt ihr mir bitte verraten, was hier los ist?“, hörte ich plötzlich Philipps tadelnde Stimme. Unser Chef stand in der Bürotür, hinter ihm ein paar neugierige Kollegen. „Man hört dich bis nach unten, Sandra“, wies mich Philipp zu meinem Entsetzen zurecht. „Vielleicht denkst du auch ab und zu einmal daran, dass wir einen Ruf zu verlieren haben.“

„Philipp, du hast ja keine Ahnung ...“, setzte ich zu meiner Verteidigung an, doch er ließ mich nicht aussprechen.

„Gehört das jetzt zum Umgangston in unserer Firma, die Kollegen so lange zu schikanieren, bis sie in Tränen ausbrechen? Glaube nicht, dass ich so etwas toleriere, Sandra. Glaube das bitte nicht!“ Er warf einen mitleidigen Blick auf Julia und legte vertraut eine Hand auf ihre Schulter. „Wird es denn gehen, Julia?“, fragte er sanft.

Meine Kollegin nickte und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl, um in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch zu wühlen. Philipp drehte sich Richtung Flur um. „Könnt ihr bitte in eure Büros zurückgehen, statt hier sensationslüstern herumzustehen!“, forderte er die Schaulustigen auf, die sich sodann zurückzogen. Dann fiel sein Blick auf mich. „Und jetzt zu dir, Sandra. Ich möchte dich sofort in meinem Büro unter vier Augen sprechen.“

„Julia ist ohne zu fragen an meinen PC gegangen“, rechtfertigte ich mich, kaum dass Philipp seine Bürotür hinter uns geschlossen hatte.

„Bitte nimm Platz“, forderte er mich auf, und wir setzten uns gegenüber auf die Ledersitzgruppe. „Und das ist ein Grund, auf Julia loszugehen?“, fragte Philipp verständnislos. „So kenne ich dich nicht, Sandra.“

„Das ist ja noch nicht alles“, fuhr ich fort. Natürlich konnte ich Philipp unmöglich sagen, dass meine größte Angst darin bestand, Julia könnte meine Besuche in dem Chat-Room entdeckt haben. „Sie hat meinen PC nicht für betriebliche Zwecke genutzt, sondern um privat etwas im Internet zu recherchieren. Etwas, das ihr angeblich an ihrem eigenen PC zu peinlich war. Vielleicht will sie mich auch nur in Verruf bringen. So wie neulich mit der fehlerhaften Bestellung.“

„Du meinst, dass Julia deine Bestellung sabotiert hat?“, wollte Philipp ungläubig wissen. „Nun mach aber mal einen Punkt, Sandra! Hast du dafür auch nur irgendeinen Beweis?“

„Nein“, musste ich zugeben. „Aber ich glaube Julia ihre Geschichte einfach nicht. Ich meine, sie ist doch angeblich so glücklich verheiratet! Ständig muss ich mir ihre Geschichten von ihrem traumhaften Eheleben und ihren zwei perfekten Kindern anhören. Und dann will ausgerechnet sie sich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt haben, zu der sie angeblich an meinem PC recherchieren muss! Das ist doch wirklich lächerlich!“ In der Tat lachte ich kurz auf, bis mich Philipps merkwürdiger Gesichtsausdruck verstummen ließ.

„Julia ... hat eine Geschlechtskrankheit?“, stammelte er fassungslos.

„Ja. Angeblich“, erwiderte ich trocken. „Wieso ... nimmt dich das so mit?“, fragte ich, plötzlich durch Philipps Reaktion verunsichert. Denn er sah aus, als wäre ihm schlecht. Auch war die Farbe aus seinem Gesicht gewichen.

„Ich dachte ...“, brachte er mühsam hervor. „Ich dachte ..., ich wäre der Einzige. Neben ihrem Mann natürlich.“

Was?“ Nun verspürte auch ich Übelkeit in mir aufsteigen. „Du und Julia?“

Philipps Blick machte eine Antwort überflüssig.

„Verstehe. Deshalb hast du sie eben vor der versammelten Mannschaft in Schutz genommen und mich wie ein Ungeheuer dastehen lassen!“ Mich erstaunte selbst, wie sehr es mich verletzte und in Wut versetzte, dass Philipp und Julia anscheinend ein Verhältnis hatten, während mich weder Philipps erste Ehefrau noch seine zweite je gestört hatte. Auch wenn Philipp kein Kind von Traurigkeit war, hatte ich mir immer eingebildet, für ihn etwas Besonderes, eine einmalige Erfahrung innerhalb der Belegschaft gewesen zu sein. Da hatte ich mich wohl getäuscht.

„Was ... wolltest du denn heute Vormittag mit mir besprechen?“, versuchte Philipp, das Thema zu wechseln.

Nie und nimmer würde ich es zulassen, dass gerade Julia von meinem Urlaubsrücktritt profitierte. „Vergiss es. Hat sich erledigt.“

„Gut. Dann geh bitte wieder an die Arbeit.“

Ich stand auf. „Nein. Ich mache jetzt Feierabend. Ich habe nämlich eine beschissene Nacht hinter mir und mehr als genug Überstunden.“ Ich verließ Philipps Büro, bevor er etwas dagegen einwenden konnte.

Miezi erwartete mich im Flur, als ich die Wohnung betrat. Ich hatte zunächst überlegt, das schöne Wetter zu nutzen und im Park spazierenzugehen, doch dazu fehlte mir die Energie. Gleichzeitig fühlte ich mich zu aufgewühlt, um den Schlaf nachzuholen, den ich dringend benötigt hätte. Die Tür von Torbens Arbeitszimmer war geschlossen, und dahinter waren leise Stimmen zu hören. Anscheinend führte er schon das erste vertrauliche Gespräch mit einem Schüler. Wie schön für ihn.

Ich ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Anschließend wollte ich mich vor meinen Laptop setzen, um Black Tiger auf morgen zu vertrösten. Stattdessen ging ich ins Wohnzimmer und starrte eine Weile aus dem Fenster ins Leere. Als ich den Raum verlassen wollte, fiel mein Blick auf den Umschlag im Wohnzimmerschrankfach, der die Einladung zum Klassentreffen enthielt. Ich nahm den Umschlag und hielt ihn einen Moment lang vorsichtig in meinen Händen, als könnte eine falsche Bewegung eine Explosion auslösen. Dann zog ich das Blatt heraus und las mir den albernen Einladungstext mehrere Male hintereinander langsam durch. Dabei dachte ich zunächst daran, dass ich Philipp, obwohl unser Verhältnis längst vorbei war, dennoch auf eine gewisse Weise an Julia verloren hatte. Auf eine Weise, die mir wehtat. Meine Gedanken schweiften weiter zurück in die Vergangenheit. Vor Jahren hatte ich noch viel mehr verloren. Damals war der Verlust noch viel schmerzlicher gewesen. Er hatte mir das Herz gebrochen. Und jetzt, mit der Einladung zum Klassentreffen, erhielt ich die einmalige Gelegenheit, mir das zurückzuholen, was mir genommen worden war. Peter Astor. Ich musste nur das Glück haben, ihm auf der Feier zu begegnen. Dann würde ich ihn zurückerobern. Ich war dumm gewesen zu glauben, dass es ein Fehler wäre, zu dem Klassentreffen zu gehen. Dabei war es doch ein Wink des Schicksals.

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