Kitabı oku: «Karl May», sayfa 3
Kegelbub und Seminarist
»Keine Jugend« – so überschreibt Karl May die Jahre 1847 bis 1857 in »Mein Leben und Streben«. Der zuweilen jähzornige Vater entdeckt schon bald die Begabungen seines Sohnes. Karl wird früh eingeschult, und zusätzlich zum Schulpensum traktiert der ehrgeizige Vater ihn mit wahllos zusammengesammelten Büchern und paukt ihm lexikalisches Wissen ein. Später wird es noch schlimmer, schließ-lich soll aus dem Jungen ja einmal etwas »Besseres« werden. Sicher hat sich Karl nicht vehement gegen den Bildungseifer gewehrt. Er ist ja wissbegierig und träumt bald selbst davon, später einmal Arzt zu werden. Er bekommt Privatstunden in Latein, Englisch und Französisch. Die finanzielle Lage mochte sich etwas verbessert haben, weil die Mutter seit 1846 als Hebamme arbeitet, aber um den Unterricht finanzieren zu können, muss Karl sich als Kegelbube in einer Gastwirtschaft verdingen. Das ist eigentlich keine Umgebung für einen 12-Jährigen. Die Restauration beherbergt eine Leihbücherei, aus der sich May kostenlos bedienen kann. Er verschlingt am liebsten reißerische Abenteuerromane der trivialsten Art, die er im Rückblick als »Gift« für seine Seele bezeichnet. Arbeit, Lernen und Lektüre isolieren den ohnehin einzelgängerischen Jungen weithin von einem »normalen Leben«. Wenn er sich vor anderen Kindern profiliert, dann durch seine blühende Fantasie und seine Fabulierkunst. Zeitgenossen aus Ernstthal sagen später von Karl, er habe schon als kleiner Junge fantastische Geschichten erzählt und damit sogar Ältere in seinen Bann ziehen können.
Der Ernstthaler Kantor, ein Nachbar der Familie May, entdeckt Karls musikalische Begabung und nimmt ihn in den Knabenchor auf. Außerdem erteilt er ihm kostenlos Geigen-, Klavier- und Orgelunterricht und legt den Grundstein für Mays lebenslange besondere Beziehung zur Musik.
Nach Konfirmation und Volksschulabschluss sucht die Familie May einen Weg, Karl den Weg zu höherer Bildung zu eröffnen. Das Gymnasium bleibt ihm verwehrt, aber durch ein vom Landesfürsten gestiftetes Stipendium reicht es für den Webersohn immerhin für einen Platz im Lehrerseminar Waldenburg. In der Biografie beschreibt May, wie er sich zwar mit den Verhältnissen arrangiert, aber im Hintergrund schon eine andere Berufung spürt:
Also nicht Gymnasiast, sondern nur Seminarist! Nicht akademisches Studium, sondern nur Lehrer werden! Nur? Wie falsch! Es gibt keinen höheren Stand als den Lehrerstand, und ich dachte, fühlte und lebte mich derart in meine nunmehrige Aufgabe hinein, dass mir alles Freude machte, was sich auf sie bezog. Freilich stand diese Aufgabe nur im Vordergrund. Im Hintergrunde, hoch über sie hinausragend, hob sich das über alles andere empor, was mir seit jenem Abende, an dem ich den Faust gesehen hatte, zum Ideal geworden war: Stücke für das Theater schreiben! Über das Thema Gott, Mensch und Teufel!
May erinnert sich hier an die Puppentheateraufführung einer Wanderbühne, die ihn als Knabe nachdrücklich fasziniert hatte. Zunächst aber geht es für ihn mit der Paukerei von trockenem Lernstoff weiter.
Die Zeit als Seminarist beschreibt May in seinen Lebenserinnerungen als wenig förderlich für eine gesunde innere Weiterentwicklung. Er blieb ein Einzelgänger und fand wenig Gefallen daran, wie im Seminar der Lehrstoff vermittelt wurde. Die religiöse Unterweisung empfand er als besonders abschreckend. Dabei hatte ihm nicht zuletzt das gute Zeugnis des Ernstthaler Pfarrers den Weg aufs Seminar geebnet. May sieht eine Diskrepanz zwischen einem »seelenlosen« institutionalisierten Christentum und seinem persönlichen Hunger nach Liebe:
Die Überzeugung, dass es einen Gott gebe, der auch über mich wachen und mich nie verlassen werde, ist, sozusagen, zu jeder Zeit eine feste, unveräußerliche Ingredienz meiner Persönlichkeit gewesen, und ich kann es mir also keineswegs als ein Verdienst anrechnen, dass ich diesem meinem lichten, schönen Kinderglauben niemals untreu geworden bin. Freilich, so ganz ohne alle innere Störung ist es auch bei mir nicht abgegangen; aber diese Störung kam von außen her und wurde nicht in der Weise aufgenommen, dass sie sich hätte festsetzen können. Sie hatte ihre Ursache in der ganz besonderen Art, in welcher die Theologie und der Religionsunterricht am Seminar behandelt wurde. Es gab täglich Morgen- und Abendandachten, an denen jeder Schüler unweigerlich teilnehmen musste. Das war ganz richtig. Wir wurden sonn- und feiertäglich in corpore in die Kirche geführt. Das war ebenso richtig. Es gab außerdem bestimmte Feierlichkeiten für Missions- und ähnliche Zwecke. Auch das war gut und zweckentsprechend. Und es gab für sämtliche Seminarklassen einen wohldurchdachten, sehr reichlich ausfallenden Unterricht in Religions-, Bibel- und Gesangbuchslehre. Das war ganz selbstverständlich. Aber es gab bei alledem eines nicht, nämlich grad das, was in allen religiösen Dingen die Hauptsache ist; nämlich es gab keine Liebe, keine Milde, keine Demut, keine Versöhnlichkeit. Der Unterricht war kalt, streng, hart. Es fehlte ihm jede Spur von Poesie. Anstatt zu beglücken, zu begeistern, stieß er ab. Die Religionsstunden waren diejenigen Stunden, für welche man sich am allerwenigsten zu erwärmen vermochte.
Die Schule allerdings dreht den Spieß herum: Wegen eines geschwänzten Gottesdienstes vermerkt man in einer Beurteilung des Seminaristen May, er sei in religiösen Dingen »kalt und gleichgültig«.
In Mays Seminarzeit fällt seine erste große Liebe zur gleichaltrigen Anna Preßler aus seiner Heimatstadt Ernstthal. In seinen Lebenserinnerungen erwähnt Karl May, dass er in diesen Jahren Lieder und Gedichte geschrieben habe, nicht aber, für wen sie bestimmt waren. Vermutlich findet Anna deshalb keine Erwähnung, weil sie dem Seminaristen nicht treu bleibt, sondern mit 16 Jahren einen Kaufmann heiratet, von dem sie ein Kind erwartet. Zu dieser Zeit schickte May eine erste Indianergeschichte an die bekannte Familienzeitschrift »Die Gartenlaube« und erhielt nach eigenem Bekunden eine ermutigende Absage: Er möge es in einigen Jahren nochmal probieren, soll der Chefredakteur ihm geschrieben haben.
Die Seminarzeit in Waldenburg endet jäh, als Karl kurz vor Weihnachten 1859 des Kerzendiebstahls beschuldigt wird. Nach Mays Version wollte er mit einigen Talgresten seinen Lieben daheim eine kleine Weihnachtsfreude machen. Die Episode zeigt, dass Karl May auf dem Waldenburger Seminar offensichtlich ein Außenseiter und unbeliebter Schüler war, denn er wird Ende Januar 1860 aus dem Seminar geworfen. Die Katastrophe wird aber noch einmal abgewendet, denn nach einer »untertänigsten« Eingabe ans Ministerium und einem diplomatischen Begleitbrief seines Pfarrers kann er ab Juni 1860 seine Ausbildung im Lehrerseminar Plauen fortsetzen und im September des folgenden Jahres mit der Gesamtnote »gut« abschließen.
Lehrer, Hochstapler, Mustergefangener, Rückfalltäter
Die Lehrerlaufbahn wird nur ein kurzes Intermezzo. Seine erste Stelle, die er im Oktober in einer Armenschule in Glauchau antritt, verliert er nach nicht einmal zwei Wochen wegen eines angeblichen Verhältnisses: Er wird beschuldigt, die Frau seines Vermieters diesem »in der unwürdigsten Weise abwendig« gemacht zu haben. Am Ende bleibt die junge unglücklich verheiratete Krämerfrau bei ihrem Mann, und der junge Lehrer wird vom Superintendenten, der als kirchlicher Vertreter die Schulaufsicht führt, ohne viel Federlesens seines Amts enthoben.
Schon am Monatsende nimmt May eine Stelle als Fabrikschullehrer in Altchemnitz an. Er wird bei einem Buchhalter der Firma einquartiert, dem es offensichtlich nicht behagt, das Zimmer mit dem Neuankömmling teilen zu müssen. Während seines Weihnachtsurlaubs wird May in Ernstthal verhaftet, und man findet bei ihm eine Taschenuhr, die seinem Zimmergenossen gehört. Er wird des Diebstahls angeklagt, später aber »nur« wegen widerrechtlichem Gebrauch fremden Eigentums zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. May hatte angeführt, dass er die Uhr leihweise überlassen bekommen und versehentlich beim Heimatbesuch mitgenommen habe. Unglücklicherweise hatte er vor der Gendarmerie in einer Panikreaktion zunächst den Besitz der Uhr abgestritten. Die schlimmste Folge der Verurteilung ist der Entzug von Mays Lehrerlaubnis. Trotz mehrfacher Eingaben bleibt es bei einem lebenslangen Berufsverbot als Lehrer, so dass die von seiner Familie »erhungerte« Ausbildung von einem auf den anderen Tag wertlos geworden ist.
Anfangs versucht sich May, der nun wieder bei seinen Eltern wohnt, noch mit Privatstunden über Wasser zu halten, möglicherweise erprobt er sich in den beiden folgenden Jahren auch schon als Schriftsteller. Er ist Mitglied des Gesangvereins »Lyra« in seiner Heimatstadt und tritt zuweilen singend oder deklamierend bei Abendunterhaltungen auf. Wachsende Verzweiflung führt ihn schließlich auf die schiefe Bahn: Ob es »Rache an der Gesellschaft« war oder nur pure materielle Not, jedenfalls verlässt May seine Heimatstadt und begeht ab Juni 1864 eine Serie teilweise sehr skurriler Betrügereien. Dabei gibt er sich einmal in Penig als Augenarzt Dr. Heilig aus, ein anderes Mal in Chemnitz als Seminarlehrer Dr. Lohse und erbeutet Kleider und Pelze. Bei einer dritten Aktion im März 1865, diesmal nennt er sich »Hermes«, will er sich in Leipzig bei einem Kürschner erneut mit unbezahlten Rauchwaren aus dem Staub machen, wird aber gestellt. Im Juni wird er zu vier Jahren und einem Monat Arbeitshaus verurteilt. Die Strafe verbüßt er in Schloss Osterstein in Zwickau, aus dem er im November 1868 wegen guter Führung vorzeitig entlassen wird.
Es hat den Anschein, als habe sich Mays Psyche in den Haftjahren stabilisiert. Bei diesem Prozess spielt seine Musikalität eine Rolle. Der zunächst nervlich zerrüttete und kontaktscheue Gefangene wird in ein Bläserkorps und in einen Singkreis aufgenommen. Zuletzt arbeitet er als Schreiber eines Beamten und hat Zugang zu einer umfangreichen Bibliothek. Er will nun ernsthaft Schriftsteller werden und macht sich an die Auflistung eines so genannten »Repertoriums C. May« mit 137 Titeln, die er zu schreiben beabsichtigt: Heimatgeschichten, Humoresken und einige wenige exotische Stoffe. Allerdings zerschlagen sich nach der Entlassung seine hochgesteckten Erwartungen, und er bringt nur einige unbedeutende Gelegenheitsreimereien und Geschichten in Zeitschriften unter. Ein aus dieser Zeit erhaltenes unveröffentlichtes Fragment mit dem Titel »Engel und Teufel« zeigt ihn im Fahrwasser des atheistischen Philosophen Feuerbach: Ich kenne einen Gott bloß im Menschen, der sich zur Allmacht und Allwissenheit erheben und dessen Leben ein durch Generationen fortgesetzt ewiges sein soll. Der Text spiegelt Mays innere Zerrissenheit und seine Kämpfe mit den gefühlten Dämonen wider, die ihn zwischen Gut und Böse hin und her zerren.
Es dauert nicht lange, bis die »Teufel« wieder Besitz von ihm ergreifen. Im Frühjahr 1869 begeht er rings um seine Heimatstadt weitere Hochstapeleien und Diebstähle und verbirgt sich zeitweise in einem alten Stollen, der heutigen »Karl-May-Höhle«. Als Polizeileutnant von Wolframsdorf zieht er »Falschgeld« ein. Anfang Juli wird er verhaftet, kann jedoch einige Wochen später bei einem Lokaltermin »unter Zerbrechung seiner Fessel« fliehen und wird erst im Januar 1870 in Böhmen aufgegriffen. Dort tischt er den vernehmenden Beamten die Mär auf, er sei Albin Wadenbach, ein Plantagenbesitzer von der Insel Martinique. Er wird aber als steckbrieflich gesuchter Flüchtling identifiziert und tritt nach seiner Verurteilung eine weitere lange Haftstrafe an: Vom 3. Mai 1870 bis 2. Mai 1874 ist er Häftling Nr. 402 im Zuchthaus Waldheim.
Trotz der widrigen Haftbedingungen wird in Waldheim das Fundament für Mays Resozialisierung gelegt. Die Musik spielt dabei wiederum eine wesentliche Rolle, denn der katholische Katechet Johannes Kochta wählt ihn als Organisten für die Anstaltsgottesdienste aus. Nach Mays eigener Darstellung ist Kochta eine Schlüsselfigur: Er war nur Lehrer, ohne akademischen Hintergrund, aber ein Ehrenmann in jeder Beziehung, human wie selten einer und von einer so reichen erzieherischen, psychologischen Erfahrung, dass das, was er meinte, einen viel größeren Wert für mich besaß als ganze Stöße von gelehrten Büchern. Nie sprach er über konfessionelle Dinge mit mir. Er hielt mich für einen Protestanten und machte nicht den geringsten Versuch, auf meine Glaubensanschauung einzuwirken. … Grad dieses sein Schweigen war so beredt, denn es ließ seine Taten sprechen, und diese Taten waren die eines Edelmenschen, dessen Wirkungskreis zwar ein kleiner ist, der aber selbst das Kleinste groß zu nehmen weiß.
May findet lobende Worte für die katholischen Gottesdienste, die er regelmäßig miterlebt: Über den Unterschied zwischen dem protestantischen und dem katholischen Gottesdienst gehe ich hinweg, aber jeder vernünftige Mensch wird es für ganz naturgemäß und selbstverständlich halten, dass ich nicht vier Jahre lang an dem letzteren teilnehmen, ja sogar aktiv an ihm beteiligt sein konnte, ohne von ihm beeinflusst zu werden. Wir sind doch keine Steine, von denen alles Weiche abprallt! Und sogar dieser Stein wird warm, wenn der Sonnenstrahl ihn trifft! Und diese Gottesdienste waren ja Sonnenstrahlen! Bis an den Lebensabend bleibt May dem Katecheten und dem Anstaltspfarrer dankbar für diese Wärme und diese Güte … , die sich meiner annahm und keinen einzigen Vorwurf für mich hatte, als alles andere gegen mich war.
Redakteurstätigkeit und frühe Schriftstellerlaufbahn
May kehrt zu seinen Vorsätzen zurück, sein Glück als Schriftsteller zu probieren, und hat diesmal nach der Haftentlassung mehr Erfolg. Die Unterhaltungsblätter boomen in den Jahren nach der Reichsgründung. May kann in solchen Zeitschriften diverse Geschichten platzieren, und der Dresdener Verleger Münchmeyer bietet ihm sogar eine Stelle als Redakteur an. May steht unter Polizeiaufsicht und muss sich daher regelmäßig beim Ernstthaler Gendarmen melden. Sein eigenmächtig vollzogener Umzug nach Dresden führt deshalb dort zu einer Ausweisung, aber Münchmeyer hält ihm die Treue. May kann von Ernstthal aus die Herausgabe von zwei Zeitschriften betreiben. Durch die Verheiratung mit seiner Schwägerin Minna Ey möchte der Verleger seinen Mitarbeiter näher an sich binden, doch der aufstrebende Schriftsteller hat nach zweijähriger Zusammenarbeit beruflich und privat andere Pläne. Schon 1876 hat er eine Freundin seiner Schwester kennengelernt: Emma Pollmer, eine Dorfschönheit, die nach dem Tod der Eltern bei ihrem Großvater lebt. May verfällt ihr, obwohl sie ihm vom Temperament und ihren Interessen von Anfang an nicht unbedingt entspricht. Der Widerstand des Großvaters stachelt die Eroberungslust noch weiter an. Emma flieht nach Dresden, wo sie ab 1878 mit May zusammenlebt, der inzwischen als Redakteur der Zeitschrift »Frohe Stunden« des Verlegers Bruno Radelli arbeitet. Ende des Jahres kommt es zur Versöhnung mit dem alten Pollmer, und das Paar zieht zu ihm nach Hohenstein. May hofft, sich von nun an als freier Schriftsteller über Wasser halten zu können.
Anfang 1879 wird May nochmals zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Man lastet ihm Amtsanmaßung an, weil er sich in Stollberg als Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft ausgibt, um auf eigene Faust den Tod eines Verwandten von Emma zu untersuchen. Auch wenn es »nur« drei Wochen Strafe sind, die er absitzen muss, trifft ihn diese Affäre hart, eine Schmach, der er durch Bitt- und Gnadengesuche vergeblich zu entfliehen sucht. Nachdem er zwischenzeitlich wieder ins Elternhaus gezogen war, ein Indiz für Schwankungen in der Beziehung zwischen Karl und Emma, heiraten die beiden im Spätsommer 1880. Das Paar bezieht eine Wohnung am Hohensteiner Markt.
Emma und Karl May Anfang der 1890er-Jahre
Karl May hat später in einer nicht zur Veröffentlichung gedachten »psychologischen Studie« kein gutes Haar an Emma Pollmer gelassen und diese als geldgierig und sexsüchtig bezeichnet. Die Opferrolle, in der er sich selbst sieht und die er voller Selbstmitleid schildert, ist allerdings nicht geeignet, ein günstiges Bild auf ihn zu werfen. Sicher hat er jahrelang die Hoffnung gehegt, Emma werde sich unter seinem Einfluss ändern, für geistige und geistliche Fragen offener werden und sich zu einer passablen Schriftsteller-Gattin entwickeln, aber gleichzeitig scheint es ziemlich wahrscheinlich, dass sie ihn zumindest zeitweise gerade durch ihre vulgäre Sinnlichkeit gereizt hat.
Beruflich landet er Erfolge; insbesondere legt er durch die langfristige Zusammenarbeit mit der in Regensburg erscheinenden katholischen Zeitschrift »Deutscher Hausschatz« den Grundstein für seine späteren »Gesammelten Werke« und findet als Schriftsteller seine eigene »Handschrift«. Hier nimmt sein populärer Winnetou Gestalt an und macht sich Kara Ben Nemsi zusammen mit Hadschi Halef Omar auf lange Verbrecherjagden durch den Orient. Während die meisten belletristischen Beigaben in vergleichbaren Unterhaltungsblättern in der Regel anspruchslos und austauschbar waren, werden Mays Erzählungen im »Hausschatz« zu einem prägenden Element, durch das sich Leserinnen und Leser an das Blatt binden lassen. Die exotischen Erzählungen aus der Ich-Perspektive legen die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Autor um einen weitgereisten Menschen handelt. Der Eindruck wird durch die Redaktion gerne gefördert, indem man die Romane als »Reise-Erinnerungen« bezeichnet. Es ist ja nichts Ungewöhnliches, dass »Weltläufer« nicht nur trockene Berichte liefern, sondern ethnographische Romane schreiben: Friedrich Gerstäcker und Balduin Möllhausen sind in diesen Jahren populäre Beispiele. Dass May nicht auf Erinnerungen, sondern nur auf Landkartenmaterial, Berichte anderer und lexikalisches Wissen bauen kann, merken die »Hausschatz«-Leser nicht.
Die Einkünfte aus der Schriftstellertätigkeit fließen regelmäßig, aber nicht allzu üppig, obwohl May noch weitere Zeitschriften beliefert. Dass trotz rasch wachsender Popularität die Honorare bescheiden bleiben, wirkt sich auf seine schriftstellerische Entwicklung verhängnisvoll aus, denn sein früherer Verleger Münchmeyer kann ihn wieder zur Zusammenarbeit bewegen und nimmt ihm von nun an jährlich einen umfangreichen, unter einem Pseudonym erscheinenden Roman ab, der in wöchentlichen »Lieferungen« erscheint. Der Vertrag sieht nach Mays späterer Darstellung vor, dass Münchmeyer bis zu 20.000 Exemplare jedes Romans drucken darf und dass danach die Rechte an den Verfasser zurückfallen. May hat zwar zunächst manche Vorbehalte gegenüber dem »Schundverlag«, aber seine Frau freundet sich mit der Verlegersgattin Pauline an und nötigt ihren Mann 1883 sogar zum Umzug nach Dresden.
Die nächsten Jahre schreibt May sich an literarisch minderwertigen Produkten, für die er seinen Namen nicht hergeben möchte, die Finger wund und arbeitet zuweilen mehrere Nächte durch. Das teurere Leben in Dresden frisst die Mehreinnahmen auf. Den »Deutschen Hausschatz«, in dem die »Reiseerzählungen« Mays mit den Helden Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi begeisterten Anklang der Leserschaft fanden, kann er nur noch sporadisch bedienen. Die Redaktion begründet das Ausbleiben neuer Manuskriptlieferungen immer wieder damit, dass der beliebte Erzähler auf neuen Abenteuerreisen sei. Durch solche Täuschungsmanöver wird das Fundament dafür gelegt, dass May von den Lesern mit den Helden seiner Bücher identifiziert wird.
Im Jahr 1887 schafft May den Absprung von der Kolportage und schreibt für die renommierte Zeitschrift »Der Gute Kamerad« fortan Jugenderzählungen, die später als gediegene Bücher erscheinen. In Titeln wie »Der Schatz im Silbersee« oder »Der Ölprinz« tauchen die populären Helden seiner Reiseerzählungen auf. Der Indianerhäuptling Winnetou überflügelt bald Coopers »Letzten Mohikaner« an Popularität bei der deutschen Jugend. Auch der »Hausschatz« wird jetzt wieder beliefert.
Das Ehepaar May leistet sich einen höheren Lebensstandard, so dass man trotz hoher Produktivität immer wieder mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Miete für eine Villa in einer ruhigen Wohngegend des Dresdener Vororts Kötzschenbroda bleibt May im Jahr 1890 teilweise schuldig, so dass er vor dem Amtsgericht verklagt wird.
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