Kitabı oku: «Liebe mich nicht-Hasse mich nicht Duett», sayfa 4
Warum soll ich lernen, was John Locke über das Gesetz gesagt hat, wenn ich mich doch auf viel spannendere Dinge konzentrieren könnte? Wie beispielsweise Jamesons nackte Vorderseite gestern Abend in meinem Schlafzimmer.
Ich mag zwar nicht gerade viel über Penisse wissen, aber seiner war… definitiv faszinierend, um es mal vorsichtig auszudrücken. Lang und dick, aber auch zart rosa.
Wie mit dem Mann selbst würde ich nicht einmal wissen, was ich damit tun sollte, sollte ich ihn jemals in die Finger kriegen. Das hält mich aber nicht davon ab, Tagträumen darüber nachzuhängen, nicht wahr?
Der Tag vergeht auf diese Weise recht schnell und ehe ich mich versehe, ist es schon Nachmittag. Als ich schließlich mit dem nicht-richtigen-Lernen in der Jurabücherei fertig bin, packe ich meine Bücher wieder ein und gehe zum Cure.
Ich komme dort an, als Jameson gerade die Türen aufschließt. Er sieht so umwerfend aus wie eh und je in seinem dunkelblauen Shirt mit V-Ausschnitt, einem Paar dunkler Jeans und seinen schwarzen Converse. Er hat auch einen schwarzen Rucksack auf dem Rücken, was mich innehalten lässt. Ich glaube nicht, dass ich ihn jemals mit einem gesehen habe, seit wir Kinder waren.
Obwohl ich ihn buchstäblich erst vor Stunden gesehen habe, sabbere ich ein bisschen und mein Puls schnellt in die Höhe. Er dreht sich um und entdeckt mich, als er mit der Schulter die Tür aufstößt.
„Hey“, grüßt er. Ich erschaudere und laufe rot an, als ich seine Augen auf meiner Brust, meinen nackten Beinen spüre. „Lange nicht gesehen.“
„Ha“, sage ich. Ich wünschte, mir würde noch etwas anderes einfallen, aber das tut es nicht.
Zu meiner Überraschung hält er mir die Tür auf. Ich trete hinein in die dunkle Bar und an ihm vorbei.
„Hilfst du mir bitte, die Jalousien hochzuziehen?“
Jameson ist jetzt ganz geschäftig, sein Kopf stellt offenbar gerade eine Liste an Dingen zusammen, die erledigt werden müssen. Ich bin per se keine Eigentümerin, aber als Ashers Schwester bekomme ich Getränke und Essen im Austausch für gelegentliche Hilfe umsonst.
Ich stelle meine schwere Tasche auf die Bar und mache mich dann daran, die Jalousien hochzuziehen und das Nachmittagslicht hereinzulassen. Jameson verschwindet nach hinten, vermutlich um Geld zu zählen oder so was. Als ich fertig bin, gehe ich zu dem iPad, das sie als Kasse benutzen, und lasse Sade über die Stereoanlage spielen.
Als die aufreizende Musik durch die Bar zu schweben beginnt, lasse ich mich vor der Bar auf einen Hocker sinken. Jamesons Rucksack liegt genau dort und ist leicht geöffnet. Auf meine Lippe beißend schaue ich hoch und vergewissere mich, dass er nicht gleich zurückkommt.
Dann hake ich einen Finger in den aufstehenden Reißverschluss und werfe einen Blick hinein. Oben auf allem liegt ein Buch. Das letzte Buch, das ich jemals in Jamesons Rucksack zu finden erwartet hätte, um ehrlich zu sein.
Es ist ein GED-Mathebuch. Ich schiebe es mit einem Finger zur Seite und entdeckte, dass er auch Bücher über Naturwissenschaften und Gemeinschaftskunde mit sich herumschleppt.
Ich weiß, dass Jameson die Schule jung abgebrochen hat. Als seine Oma starb, ist er in der neunten Klasse abgegangen, um Arbeiten zu gehen und sich um seine jüngeren Brüder zu kümmern. Mir war nicht bewusst, dass es ihn stört, keinen Abschluss zu haben, oder dass er für den GED lernt, dem Diplom für die allgemeine Hochschulreife.
„Hey, hast du –“
Ich schaue auf, erschrocken und schuldbewusst, als Jameson aus dem Hinterzimmer kommt. Ich reiße meine Hand zurück, aber es ist zu spät, um jetzt plötzlich einen auf heimlich zu machen. Er sieht, was ich mir anschaue, und wird leicht rot.
Oh mein Gott, das könnte sehr gut das erste Mal sein, dass ich ihn erröten sehe. Ich wusste bis jetzt nicht einmal, dass es überhaupt etwas gibt, das ihm peinlich ist. Er ist immer so selbstsicher und selbstbewusst.
Manchmal sogar geradezu arrogant. Herauszufinden, dass meine Wahrnehmung von ihm verzerrt ist… ist ein Schock.
„Sorry!“, platzt es aus mir heraus. „Ich bin nur… unglaublich neugierig.“
Er läuft zur Bar und greift sich seinen Rucksack. „Es ist nichts. Nur etwas, worüber ich nachdenke.“
„Es ist nicht nichts“, widerspreche ich.
Ich weiß sofort, dass ich das Falsche gesagt habe, denn seine Miene verschließt sich.
„Nicht jeder hat eine reiche Familie, die einem das Jurastudium finanzieren kann“, knurrt Jameson, der zurück ins Hinterzimmer läuft.
„Oh, Jameson –“, sage ich, doch er verschwindet aus meinem Blickfeld. Ich springe auf meine Füße und eile um die Bar. Als ich das Büro betrete, finde ich ihn, wie er das Geld in der Kasse zählt.
Ich warte, bis er fertig ist, und lehne mich an die Wand. Er wirft mir immer wieder Blicke zu, ist sich meiner Anwesenheit bewusst, aber unterbricht nicht, was er gerade macht.
Als er auch den letzten Geldschein gezählt hat, hole ich tief Luft.
„Das kam falsch raus“, erkläre ich. „Was ich meinte, war, dass ich denke, dass du den GED machen solltest, wenn du daran interessiert bist.“
„Danke für deine Erlaubnis“, sagt er emotionslos. Aber immerhin knurrt er mich nicht mehr an. Er schiebt sich an mir vorbei, geht wieder nach vorne zur Bar und ich folge ihm.
„Mir war nur nie klar, dass du Interesse daran hast. Ehrlich, wegen dem Surfen und deiner Arbeit hier hatte ich irgendwie angenommen, dass du das hinter dir gelassen hast.“
Jameson antwortet nicht. Ich mache mir Sorgen, dass ich mir ein immer tieferes Grab schaufle. Was kann ich sagen, was das hier besser macht? Er beginnt, Obst aus den Kühltruhen zu holen, Zitronen und Limetten und Orangen.
„Hey“, sage ich, greife nach Strohhalmen. „Wie viel weißt du über Algebra?“
Er blickt zu mir hoch, während er sich ein Schneidebrett greift. „Nicht gerade viel, wie du dir vorstellen kannst.“
„Aber ich wette, du weißt so ziemlich alles übers Surfen, stimmt’s?“
Irgendwo hinter der Bar kramt er ein Messer hervor und fängt an, die Zitronen und Limetten in Scheiben und Spalten zu schneiden. „Ich denke schon.“
„Wie wäre es dann mit einem Handel? Ich bereite dich auf den GED vor, denn ich habe eine Wagenladung Zusatzwissen. Und du bringst mir das Surfen bei, denn ich habe nie auch nur ein Board angefasst.“
Er hält inne, sein Messer schwebt in der Luft. „Nie?“
„Nicht ein einziges Mal. Mutter meinte, das schickt sich nicht.“ Ich rolle mit den Augen.
„Ich weiß nicht“, sagt er stirnrunzelnd. Er macht sich wieder daran, Zitronen und Limetten zu schneiden. „Ich glaube nicht, dass das Asher gefallen würde.“
„Komm schon. Asher redet doch nicht einmal mehr mit dir!“ Ich verschränke die Arme. „Und ich meine es ernst! Ich möchte lernen, wie man surft.“
Und vielleicht möchte ich auch etwas mehr Zeit mit dir verbringen, in weniger Klamotten, denke ich.
Er schüttelt nur minimal den Kopf. „Unh uh.“
„Was ist der Winkel einer Geraden?“, frage ich. „Wie lautet die Quadratformel? Oder der Satz des Pythagoras?“
Seine Ohrenspitzen färben sich rot. „Ich weiß es nicht.“
„Deswegen ist mein Vorschlag perfekt!“, verkünde ich. „Im Ernst, du könntest wahrscheinlich in einem Monat bereit sein. Und ich könnte das Vitamin D gebrauchen, das ich am Strand bekommen würde. Das hebt die Stimmung. Es wird für uns beide gut sein!“
Ich halte den Atem an, warte. Jameson zögert.
„Dein Bruder darf nichts davon wissen“, sagt er. „Er hält mich bereits für einen Versager. Selbst als ich noch nicht seine Hochzeit ruiniert habe, wofür er mir definitiv die Schuld gibt.“
Ich kann mein Grinsen nicht unterdrücken. „Ja! Du wirst das nicht bereuen. Ich verspreche es.“
Als hätten wir ihn heraufbeschworen, zieht Asher in diesem Moment die Tür auf. Er macht nicht dieses Ich-habe-gerade-in-eine-Zitrone-gebissen Gesicht, das ich von ihm erwartet habe, aber er sieht auch nicht glücklich aus.
Um ehrlich zu sein, bin ich schockiert, ihn so bald schon wieder zu sehen. Ich hatte angenommen, dass er sich eine Woche lang einigeln und seine Wunden lecken würde.
„Was?“, schnauzt er mich an. „Such dir einen anderen Ort zum Lernen. Es ist Samstag. Wir werden heute Abend viel zu tun haben.“
Er stürmt an Jameson vorbei, mit dem er nicht einmal Blickkontakt herstellt. Ich schaue zu Jameson, aber er nickt nur sanft.
„Er hat recht“, sagt Jameson.
Ich verdrehe die Augen, dann halte ich mein Handy hoch. Ich forme mit dem Mund die Worte, ich schreibe dir.
Er wirft einen Blick zum hinteren Teil des Ladens, wohin Asher verschwunden ist. Er sagt nichts weiter, weshalb ich meine Tasche schnappe und zur Tür laufe.
Ich gehe den Block hinunter zum Strand, wobei ich mir die Hand über die Augen halte, um sie vor der Helligkeit der Nachmittagssonne zu schützen. Der Ozean ist dort, die Wellen rollen an den Strand. Ich werde Jameson unterrichten. Und er wird mich unterrichten.
Hoffentlich, wenn es nach mir geht, wird er mir viel mehr beibringen, als wie man eine Welle reitet. Vor mich hinlächelnd schlendere ich den Strand hinab.
3
Jameson
Am nächsten Arbeitstag bin ich erleichtert, dass ich nicht für eine Schicht mit Asher eingeteilt bin. Stattdessen sind es Gunnar und ich, die den Laden aufmachen, und Alice und Maia, die etwas später kommen.
Ich bereite meine Bar schweigend vor, während ich darüber nachdenke, wie beschissen der gestrige Abend war. Es war die Hölle los und Asher tat so, als würde ich nicht existieren. Zu sagen, dass der gestrige Abend hart war, wäre eine Untertreibung.
Ich wünschte, ich könnte jetzt toben und mich darüber auslassen, wie verkorkst alles ist, und dass ich nichts davon habe kommen sehen. Doch das Problem ist, dass ich es mir irgendwie gedacht habe.
Ich liebe Asher. Ich liebe ihn, schlicht und ergreifend. Er ist mir genauso ein Bruder wie Forest oder Gunnar. Ich würde mit ihm durch die Hölle gehen, sollte das nötig sein. Als wir uns auf seiner Verlobungsfeier betranken und er sagte, er hätte einen Plan für das Cure, habe ich ihn unterstützt, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, wovon er redete.
Das Problem ist seine Verlobte. Oder Ex-Verlobte, schätze ich mal. Jenna war immer wahnsinnig eifersüchtig auf Ashers Zeit. Sie hatte gegen jedes bisschen Zeit, das er im Cure verbringen musste, etwas einzuwenden, rastet mindestens einmal in der Woche aus.
Dann ist da noch die Tatsache, dass sie jeden wie Dreck behandelt. Nur ist das noch nicht einmal der schlimme Teil. Wie sie über die Zukunft spricht, ist das, was mich vor allem dazu bringt, sie zu hassen.
Sie ist sich immer so sicher, dass Asher der Bar irgendwann überdrüssig werden wird, dass er irgendwann Erwachsen werden wird und plötzlich ihre Freunde mehr mag als uns. Ihre Meinung zu diesem Thema hat sie mehrere Male klar und deutlich verkündet.
Deswegen war ich gestern so von den Socken, als sie sich an mich rangemacht und versucht hat, meinen Schwanz zu packen und mich zu küssen. Es schien einfach aus heiterem Himmel zu kommen, aber vielleicht ist das auch nur irgendein reiche Leute Scheiß, den ich nicht verstehe.
Der Teil, bei dem es zu meinem Problem wurde, ist der Teil, bei dem ich beschloss, Asher damit zu konfrontieren. Doch anstatt sich anzuhören, was ich sagte, und es sich zumindest durch den Kopf gehen zu lassen, flippte er völlig aus. Dann schlug er um sich.
Die Lage ist nun schon seit gut zwei Monaten angespannt, aber ich hatte nichts Derartiges erwartet wie das, was vorgestern Abend passiert ist. Asher, der zufällig in diese Situation platzt, und annimmt, dass ich etwas Falsches getan habe…
Es war ziemlich brutal.
Als die Kunden in den Laden zu strömen beginnen, kümmere ich mich darum, die Cocktailbestellungen der Tische zu mixen, da ich keine Lust habe, herumzustehen und mit den Gästen zu plaudern. An Tagen wie heute mache ich diese Arbeit sehr gerne, denn dadurch habe ich so gut wie keine Zeit zum Nachdenken.
Maia und Alice bringen die Bestellungen vorbei und ich muss die Getränke zubereiten. Den Großteil der Cocktailrezepte kann ich auswendig. Es ist beinahe wie am Fließband, verschiedene Varianten der gleichen sechs oder sieben Drinks.
Ich mache das fast vier Stunden lang, wobei ich die Zeit zwischen den Bestellungen nutze, um die Geschirrspülmaschine unter der Theke laufen zu lassen und den Alkohol in den Regalen aufzufüllen.
Erst als Gunnar hinter mich tritt und mir auf beide Schultern klopft, halte ich inne, um mich umzusehen. Die Bar ist ruhig, was für einen Sonntagabend ziemlich normal ist.
„Du kannst gehen“, meint er. „Ich werde auch gleich eines der Mädels nach Hause schicken. Ich weiß, der Laden war gestern Abend proppenvoll. Du hast wahrscheinlich nicht viel Schlaf bekommen, hm?“
„Mir geht’s gut.“ Doch selbst als ich das sage, verspüre ich den starken Wunsch zu gehen. „Eigentlich… yeah. Ich möchte heute früher von hier verschwinden.“
„Ich wusste es“, sagt Gunnar. „Ich bin Hellseher.“
„Bist du dir sicher, dass du klarkommst?“, frage ich, während ich mir über den Hinterkopf reibe.
„Yeah“, bestätigt Gunnar fröhlich. „Ich habe alles unter Kontrolle.“
Ich klopfe ihm auf die Schulter und laufe zum Hinterzimmer. Ich tausche meine Barkeeperschürze gegen meinen Hoodie aus, schnappe mir meinen Rucksack und gehe dann zur Eingangstür.
Inzwischen ist es offiziell dunkel. Ich laufe zum Strand, der nur einen Block entfernt liegt. Auch wenn ich nicht viel vom Ozean sehen kann, bewirken die salzhaltige Luft und das Geräusch der Wellen wahre Wunder. Ich mache einen tiefen, beruhigenden Atemzug.
Auf einem kleinen Pfad laufe ich zum Strand hinab, während ich meinen Gedanken nachhänge. Ich spüre mein Handy in meiner Tasche vibrieren. Es ist das erste Mal an diesem Abend, dass ich es spüre.
Ich ziehe es heraus und bemerke, dass ich einige SMS von Emma verpasst habe.
Hey! Was machst du gerade?
Willst du lernen?
Schlüpfe gleich in meinen Pyjama, wenn du mir nicht zurückschreibst…
Die letzte Nachricht ist erst eine Minute alt. Ich sehe ein Bild von ihr in ihrem Pyjama vor meinem inneren Auge, das mir von Anfang dieser Woche ins Gedächtnis gebrannt ist.
Ich weiß, ich darf meine Gedanken nicht in diese Richtung wandern lassen, aber ich komme einfach nicht dagegen an. Ich lächle leicht vor mich hin, während ich ihr texte.
Ich bin hier. Komme gerade von der Arbeit. Es ist noch nicht zu spät zum Lernen, oder?
Einige Sekunden später erhalte ich meine Antwort.
Nö. Willst du herkommen?
Das möchte ich wirklich, wirklich gerne tun. Aber ich schreibe nur zurück: Okay. Bin in 5 Minuten da.
Ich laufe zu ihrem Haus, das nur eine Handvoll Blocks vom Strand entfernt liegt. Es ist ein winzig kleines Haus, das in Babyblau gestrichen ist, und kaum genug Platz für zwei Schlafzimmer bietet. Kein nennenswerter Garten, nur Sand umgeben von einem weißen Lattenzaun.
Als ich mich dem Haus nähere, sitzt Emma auf der Veranda und liest in einem riesigen Buch. Ihre dunklen Haare sind wie eine Krone um ihren Kopf geflochten und ihre langen Beine sehen in ihren kleinen, kurzen Shorts hübsch gebräunt aus. Sie hat ein zu großes pinkes Shirt an, aber keine Schuhe, und sie hat es sich auf einem großen grauen Papasansessel gemütlich gemacht.
Das ist wirklich eine fürchterliche Idee, sagt eine Stimme in meinem Hinterkopf. Nur ein Blick auf sie und ich fühle mich bereits verdammt schuldig. Aber ich schiebe die Stimme beiseite und trete durch das quietschende Tor des weißen Lattenzauns.
Emma schaut auf und lächelt, ihre blauen Augen blicken mich warm an.
„Hey“, begrüßt sie mich.
„Unterbreche ich etwas?“, frage ich und nicke zu ihrem Buch.
Sie klappt es zu und schüttelt den Kopf. „Ganz und gar nicht. Ich habe ohnehin nach irgendeinem Grund gesucht, kein Grundstücksrecht mehr lernen zu müssen.“
„Mmm“, mache ich. Ich schaue auf den leeren Stuhl neben ihr, auf dem sich einige weitere Bücher stapeln. „Kann ich mich setzen?“
„Jepp.“ Sie zieht alles von dem Stuhl und stapelt die Bücher ordentlich auf dem Boden. „Mach es dir bequem. Möchtest du etwas trinken?“
Ich setze mich und bin mir meiner selbst plötzlich ziemlich bewusst. Bei dem Stuhl handelt es sich um einen einfachen Holzstuhl und er ist zu klein für meinen großen Körper. Ich nehme meinen Rucksack von meiner Schulter und stelle ihn auf den Boden. „Oh… ne.“
„Ich habe Wein“, sagt sie mit nachdenklicher Miene. „Ein paar Flaschen, die Asher vorbeigebracht hat. Pinot noirs, glaube ich.“
„Nein danke. Ich bin immer noch damit beschäftigt, das Komasaufen vom Freitagabend vollständig hinter mir zu lassen“, erwidere ich und schneide eine Grimasse. „Du kannst aber gerne etwas trinken, wenn du möchtest.“
Sie winkt mit der Hand ab. „Nicht nötig. Hast du deine Bücher mitgebracht?“
„Jepp.“ Ich ziehe den Reißverschluss meines Rucksacks auf und die Naturwissenschafts- und Mathevorbereitungsbücher für den GED heraus. „Ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll.“
„Hast du einen Lernplan? Dass du an bestimmten Tagen in der Woche bestimmte Fächer lernst? Oder…“
Mein verlorener Gesichtsausdruck reicht, um ihren Wortschwall zu stoppen. Ich schüttle den Kopf. Diesbezüglich bin ich völlig ahnungslos. Das ist kein angenehmes Gefühl.
„Okay“, sagt sie. „Das ist keine große Sache. Ich denke allerdings, es wäre das Beste, wenn wir ein Lernsystem aufstellen.“
Ich neige meinen Kopf. „Wenn du das meinst.“
Emma lächelt mich an. „Das meine ich. Lass mal sehen… wie viele Tage stehen dir zum Lernen zur Verfügung und für wie lange?“
Sie streckte ihre Hand aus und nimmt mir das Mathebuch ab. Dabei streift ihre Hand meine. Ich schlucke und bemühe mich, mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich kein Middle School Schüler mehr bin und dass das hier keine Seifenoper ist. Hier läuft kein scharf-auf-den-Tutor Ding.
Ich rutsche auf meinem Stuhl herum und zwinge meinen Körper dazu, den Wünschen meines Gehirns zu gehorchen.
„Vermutlich zwei Abende pro Woche, ein oder zwei Stunden?“, antworte ich.
Sie sieht von meinem Buch auf und beißt sich auf die Lippe. „Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass du drei Tage schaffst? Und zwei Stunden machst? Das wäre wirklich ideal.“
Ich zögere, dann schüttle ich den Kopf. „Ich glaube nicht. Zumindest in Bezug auf die Anzahl der Tage. Ich muss das Cure schmeißen und ich muss mindestens ein paar Mal pro Woche surfen gehen. Ansonsten springe ich wirklich schnell jemandem an die Gurgel.“
Sie sieht leicht verblüfft aus, aber zuckt nur mit den Achseln.
„Okay. Dann dauert es wahrscheinlich… eineinhalb oder zwei Monate“, meint sie, wobei sie durch das Buch blättert. „Ich hoffe, du kannst eine Menge Stoff in dein Gehirn stopfen.“
„Nun, es hilft, dass die Prüfungen in Fächer unterteilt sind. Den Englisch- und Gemeinschaftskundeteil habe ich bereits gemacht.“
Emmas Gesicht hellt sich auf. „Wirklich? Das hast du gemacht?“
Ich nicke.
„Ich kann nicht fassen, dass du das niemandem erzählt hast!“, sagt sie und boxt mich leicht auf den Arm. Sie kräuselt die Nase. „Meine Güte, es ist, als würde ich auf einen Stein oder so was schlagen.“
Darüber lache ich. „Soll ich meine Muskeln für dich spielen lassen?“
Sie grinst. „Vielleicht später. Wo bist du gerade bei diesem Buch?“
Ich zucke mit den Schultern und fühle mich wieder unwohler. „Mmh, ungefähr ein Viertel hab ich durch. Aber um ehrlich zu sein, bin ich mir bei gar nichts davon sicher.“
Sie schürzt die Lippen, denkt nach.
„In Ordnung. Lass uns damit anfangen, den ersten Übungstest in dem Buch zu machen. Dann kann ich sehen, wo du stehst und von dort können wir weitermachen.“
„Okay.“ Ich rücke etwas näher zu ihr, um in das Buch zu schauen.
Sie lächelt mich an und klemmt eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Als sie wieder nach unten auf das Mathebuch in ihrem Schoß blickt, bemerke ich die schlanke Säule ihres blassen Halses, der hier und dort mit winzigen Sommersprossen gesprenkelt ist.
Sie blättert durch das Buch und entdeckt den ersten Test. „Das hätten wir. Bist du bereit?“
Ich nicke. Emma stellt mir die ersten paar Fragen. Sie sind recht einfach und die mathematischen Aufgaben sind leicht zu lösen. Dann muss ich für die nächsten Fragen einen Notizblock und Stift herausholen.
„Es sieht so aus, als hättest du das meiste von diesen Sachen drauf, kein Problem“, stellt sie fest, als ich den Test beendet habe.
„Yeah. Es ist eher… die Formel, von der du gestern geredet hast. Oder das Ding, das einem sagt, wann man multiplizieren und subtrahieren muss… wie nennt man das nochmal?“
„Die Operatorrangfolge?“ Sie winkt mit der Hand ab. „Solche Dinge sind relativ einfach. Da kommt es wirklich nur darauf an, die Sachen auswendig zu lernen. Ich kann dir bis zum nächsten Mal, wenn wir uns treffen, einige Lernkärtchen machen.“
„Klingt gut“, sage ich mit einem weiteren Achselzucken. „Jetzt das Naturwissenschaftszeug… das ist eine andere Sache. Da kommt man nicht so leicht dahinter wie bei Mathe. Mathe ist irgendwie… konkreter, schätze ich.“
Sie runzelt die Stirn. „Versuchst du etwa, mir zu sagen, dass du kein Astrophysiker werden wirst?“
„Nicht in naher Zukunft.“ Ich schaue nach unten und registriere, dass ich aus reiner nervöser Unruhe meine Fäuste balle und öffne. Emma ist so verdammt gebildet und ich kapiere kaum das Mathe für Dummies Zeug, mit dem sie mir zu helfen versucht.
Ich habe so verdammt wenig Ahnung, dass es schon nicht mal mehr lustig ist. Zum Glück bemerkt sie nicht, dass ich mich so unwohl fühle… oder zumindest sagt sie nichts.
„In Ordnung, dann lass mich mal einen Blick in dein Naturwissenschaftsbuch werfen.“ Sie streckt die Hand aus und ich lasse das schwere Buch hineinfallen. „Meine Güte. Anscheinend muss man eine Menge Naturwissenschaften können, um den High School Abschluss zu machen.“
Ich nicke schweigend und sie blättert durch das Buch. „Oh, das ist super. Es sieht so aus, als hättest du hier mehr Spielraum. Du kannst vermutlich jede zweite Frage erraten, indem du einfach gründlich liest und logisch denkst. Das ist wahrscheinlich ein Kinderspiel für dich.“
Ich zucke mit den Schultern. „Wenn du es sagst. Ich habe von dem Naturwissenschaftszeug noch nicht wirklich viel gelernt, weil es so unmöglich aussieht.“
Emma schaut zu mir hoch, ihre Stirn legt sich in Falten. „Jameson, du bist einer der klügsten Menschen, die ich kenne. Ernsthaft, deswegen hat es mich auch so umgehauen, dass du den GED überhaupt machen willst. Wenn du bereit bist, wird dieser Test ein Zuckerschlecken für dich.“
Ich spüre, dass meine Ohren leicht warm werden. Dass ich von jemandem, der zehn Jahre jünger ist als ich, zu etwas motiviert werde, dass so poplig ist…. ist ein ziemlicher Egokiller. „Ich werde beim ersten Mal definitiv durchfallen, mit Pauken und Trompeten.“
„Auf keinen Fall“, protestiert sie und schüttelt den Kopf. „Deswegen lernen wir doch überhaupt zusammen. Wenn wir fertig sind, wirst du die Tests mit Bestnote bestehen. Aller guten Dinge sind eins.“
Ich verdrehe die Augen. „Du scheinst dir ja ziemlich sicher wegen des Ergebnisses zu sein.“
Sie wirkt nachdenklich. „Du brauchst eine Motivation. Etwas Großes, wenn du die Prüfung abgelegt hast. Eine Belohnung für deine Mühen.“
„Was zum Beispiel?“, hake ich nach und werfe ihr einen skeptischen Blick zu.
„Hmm. Ich weiß nicht. Ich werde darüber nachdenken müssen. Hast du dieses Jahr irgendwelche größeren Anschaffungen geplant?“
„Nicht wirklich. Ich habe mehrere Surfbretter. Ich habe ein Auto. Ich habe mein Motorrad. Ich habe die Bar. Die einzigen Dinge, die ich möchte, habe ich alle schon.“ Und das stimmt auch größtenteils. Ich habe fast alles, das ich will.
Nun, mit Ausnahme einer Freundin, aber das ist kompliziert. Ich habe vor ein paar Monaten mit meiner letzten Freundin Schluss gemacht. Und wegen dem GED und der Arbeit im Cure habe ich seitdem nicht einmal mehr ans Daten gedacht.
Nicht, dass ich irgendetwas davon Emma anvertrauen würde. Ich räuspere mich und rutsche leicht auf dem Stuhl herum, um einen zusätzlichen Zentimeter Raum zwischen uns zu schaffen.
„Tja, denk darüber nach. Das hier war eher eine Informations-Sammel-Session. Das wird mir helfen einen Angriffsplan zu erstellen.“
„Nur… leg die Messlatte nicht zu hoch.“ Ich reibe mir über den Nacken. „Denk dran, ich werde vermutlich durchfallen. Ich bin nicht ohne Grund von der neunten Klasse abgegangen.“
Emma sieht sofort zornig aus.
„Ja, du bist abgegangen, um dafür zu sorgen, dass Forest und Gunnar einen Ort zum Wohnen hatten. Ich –“ Sie stoppt sich, dann legt sie ihre Hand auf mein Knie. Sie fühlt sich durch meine Jeans warm an. „Ich hoffe, dir ist klar, dass es dich nicht zu einem dummen Menschen macht, dass du früh von der Schule abgegangen bist.“
Ich werde zappelig, weil ich sie diese Dinge sagen höre, und stehe auf. Ich weiß, dass es unhöflich ist, aber so ist es besser. „Yeah, alles klar. Sind wir für heute Abend fertig?“
Falls sie von meiner Reaktion überrascht ist, so kann ich es nicht erkennen.
„Ja. Natürlich.“ Sie stapelt meine Bücher aufeinander und reicht sie mir. Ich nehme sie, hole meinen Rucksack und stopfe sie hinein. „Hey, wann bringst du mir das Surfen bei?“
Ich zucke mit den Achseln. „Wann immer du willst. Morgen nicht, aber vielleicht… am Tag darauf?“
Ihr sonniges Lächeln kehrt zurück. „Das fände ich toll!“
„Ich schreibe dir.“ Ich schultere meinen Rucksack, bereit zum Gehen. Ich halte inne. „Und Emma? Danke.“
Sie errötet. „Keine Ursache. Nächstes Mal, wenn wir uns zum Lernen treffen, werde ich besser vorbereitet sein. Ich denke, ich werde eine Packung Lernkärtchen besorgen.“
Fuck, sie nimmt diesen Scheiß wirklich ernst. Das Ganze wird vermutlich nicht so enden, wie sie denkt, dass es enden wird.
Ich neige nur den Kopf und laufe von der Veranda und durch ihren sandigen Vorgarten. Ich werfe noch einen letzten Blick nach hinten und sehe, dass sie mich beobachtet. Ihre strahlend blauen Augen sehen alles.
Das war keine gute Idee, denke ich, während ich nach Hause gehe.