Kitabı oku: «Bon - Der letzte Highway»

Yazı tipi:

Jesse Fink

BON

DER LETZTE HIGHWAY

DIE UNERZÄHLTE GESCHICHTE

VON BON SCOTT UND AC/DC


www.hannibal-verlag.de

Widmung

Für Flavia, die sich auf dies alles einließ,

als sie noch die Wahl hatte.

Zitate

„Wenn du die Geheimnisse des Universums verstehen möchtest, dann denke in Kategorien wie Energie, Frequenz und Vibration.“

– Nikola Tesla

„Und sauft euch nicht voll Wein,

woraus ein unordentliches Wesen folgt …“

– Epheser 5:18

„Rock and Roll ist kein Beruf. Es ist eine Krankheit.

– Richard Barry Wood,

Roadmanager von Tommy Bolin

„Nun, ihr habt die Wahl, okay. Also trefft sie!“

– Bon Scott, Veterans Memorial Auditorium,

Columbus, Ohio, 10. September 1978

Impressum

Der Autor: Jesse Fink

Deutsche Erstausgabe 2018

Titel der Originalausgabe von Random House Australia, Pty. Ltd., Sidney, Australien: „Bon. The Last Highway“

© 2017 by Jesse Fink

Coverdesign: © Luke Causby

Coverabbildung und Foto Bon Scott Rückseite: © Robert Alford

Autorenfoto Buchrückseite: © Amy Janowski

Layout nd Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Übersetzung: Paul Fleischmann

Lektorat und Korrektorat: Rainer Schöttle

© 2018 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-633-9

Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-632-2

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Inhalt

Opener Shot Down In Flames

Teil I 1977

1 Go Down

2 Bad Boy Boogie

3 Whole Lotta Rosie

4 Problem Child

5 Dog Eat Dog

6 Overdose

7 Hell Ain’t A Bad Place To Be

Teil II 1978

8 What’s Next To The Moon

9 Kicked In The Teeth

10 Rock ’N’ Roll Damnation

11 Gimme A Bullet

12 Up To My Neck In You

13 Riff Raff

14 Down Payment Blues

Bildstrecke 1

15 Sin City

16 Cold Hearted Man

Teil III 1979

17 Walk All Over You

18 Night Prowler

19 Touch Too Much

20 Love Hungry Man

21 If You Want Blood (You’ve Got It)

22 Girls Got Rhythm

23 Highway To Hell

Teil IV 1980

24 Shoot To Thrill

25 Hells Bells

26 Shake A Leg

27 Let Me Put My Love Into You

28 Given The Dog A Bone

29 Have A Drink On Me

Bildstrecke 2

30 Back In Black

31 What Do You Do For Your Honey Money

32 Rock And Roll Ain’t Noise Pollution

Teil V Die Nachwirkungen

33 Rocker

34 Ain’t No Fun (Waiting ’Round To Be A Millionaire)

35 High Voltage

36 It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock ’N’ Roll)

37 Dirty Deeds Done Dirt Cheap

38 Rock ’N’ Roll Singer

39 You Shook Me All Night Long

40 Live Wire

41 Let There Be Rock

Ausklang: Ride On

Epilog: Carry Me Home

Dramatis Personae: Dirty Eyes

Danksagungen: Crabsody in Blue

Bibliografie: Beating Around The Bush

Anhang Gone Shootin’

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Opener

Shot Down In Flames

Es war an einem heißen Sommernachmittag, drei Tage vor Weihnachten 2014, in Kings Cross, einem Stadtteil von Sydney. Ich, mein Vater Fred sowie ein Freund von ihm aus Perth namens David, dem ich ein Exemplar meines ersten Buchs über AC/DC, Die Brüder Young, überreicht hatte, verließen gerade ein Café. Auf dem Weg zurück zum Auto blätterte David in dem Buch. Er hatte AC/DC Live At River Plate auf DVD gesehen, einen Live-Mitschnitt eines ausverkauften Konzerts in Buenos Aires von 2009. „Ich habe noch nie in meinem Leben ein Publikum gesehen, das sich so bewegt“, sagte er. Was er nicht wusste: Wir befanden uns nur ein paar Hundert Meter vom Hampton Court Hotel in der Bayswater Road entfernt, wo AC/DC Anfang 1974 – sie spielten zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate zusammen – mehrere Abende hintereinander vor Betrunkenen und Nutten aufgetreten waren. 40 Jahre später ist vom ursprünglichen Gebäude, das inzwischen in ein Haus mit Eigentumswohnungen umgewandelt wurde, nur mehr wenig übrig. AC/DC hatten einen langen Weg zurücklegen müssen, bevor sie in der Lage waren, südamerikanische Fußballstadien zu füllen.

Fred, David und ich kletterten ins Auto und wollten gerade losfahren, als ich bemerkte, dass ein kleiner Mann auf uns zusteuerte. Er hatte schulterlanges, bräunlich-graues Haar, das unter einem Panamahut herausragte, und trug ein schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans und schwarze Turnschuhe. Eigenartig schien mir, dass er von einem viel jüngeren Pazifikinsulaner gestützt wurde, obwohl er einen relativ jugendlichen Eindruck machte und nicht alt genug wirkte, um so gebrechlich zu sein.

Ich hatte keinerlei Zweifel, wen ich da vor mir hatte. Endlich sah ich mich Malcolm Young gegenüber, dem Gründer von AC/DC. Das unumstrittene Raubein der weltweit populärsten Rock-’n’-Roll-Band kann sich nur mehr mithilfe eines Pflegers fortbewegen. In den Monaten seit der offiziellen Bekanntmachung seiner Demenzerkrankung und der Ankündigung, dass er nicht wieder auftreten würde, war er nirgends öffentlich in Erscheinung getreten. Es kursierten auch keine Fotos. AC/DC veröffentlichten mit Rock Or Bust zum ersten Mal in 40 Jahren ein Album ohne ihn und begaben sich auf eine Welttournee, von der man annahm, dass es sich um ihre letzte handeln würde.

Ich hatte mehrere Jahre meines Lebens damit zugebracht, über jenen Mann, den Rockfans rund um den Globus unter dem Namen „Mal“ kennen, Nachforschungen anzustellen und zu schreiben. Weder AC/DCs Management noch offizielle oder inoffizielle Kanäle hatten es mir ermöglichen können, auch nur in seine Nähe vorzudringen. Immerhin hatte mir ein Mitglied seiner Familie versichert, dass sowohl er als auch seine Frau Linda Die Brüder Young gelesen hatten. Nun saß ich da, festgeschnallt in einem Mazda, nur wenige Meter entfernt vom größten lebenden Rhythmusgitarristen. Der Biograf trifft auf das Objekt seiner Begierde. Ein Zufall mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million. Meine Gedanken überschlugen sich. Inzwischen hatten auch Fred und David mitbekommen, wer sich uns da näherte. Ich hätte einfach aussteigen können, um Malcolm entgegenzugehen und mich überfallartig vorzustellen. Aber das hätte sich falsch angefühlt. Der Mann war krank. Hätte er überhaupt gewusst, wer ich war und worüber ich sprach? Das stand also nicht zur Debatte. Und so saßen wir einfach stumm da und sahen zu, wie er im Rückspiegel immer kleiner wurde. Näher war ich noch nie an ihn herangekommen.

Ich zögerte, ein weiteres Buch über AC/DC zu schreiben, da einer der Hauptdarsteller darin, eben Malcolm, nun an einer degenerativen Erkrankung leidet. Mir ist das bewusst. Genauso ist mir bewusst, dass ich Dinge aus seiner Vergangenheit hervorkrame, obwohl er selbst nicht mehr Stellung dazu beziehen kann. Aber auch wenn er bei guter Gesundheit wäre, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Malcolm sich kooperativ verhalten hätte. Die Youngs gehören wohl zu den verschlossensten Familien im Musikgeschäft und weigern sich seit jeher, Biografen ihre Geschichten zu diktieren – vermutlich aus gutem Grund.

Dies hier ist in erster Linie ein Buch für einen Mann, den ich seit Langem verehre, Bon Scott, und nicht für AC/DC. Auch ist es für die Leute gedacht, die sich Back In Black gekauft oder Bons krönenden Höhepunkt „Highway To Hell“ während des Abspanns des Hollywood-Blockbusters Iron Man 2 gehört haben und nun die Geschichte dieses Mannes, dessen Schwächen und Süchte ihn schlussendlich umbrachten, lesen wollen. Die Geschichte von AC/DC, die Existenz der Band selbst, beruht auf der Story dieses einen außergewöhnlichen Mannes, der so verschwenderisch mit sich umgegangen ist: Bon Scott. Malcolms Demenz macht das Schreiben dieser Geschichte nicht unmöglich. Wie er es 1978 in Sheffield selbst einmal gegenüber einem Reporter des New Musical Express ausdrückte: „Ich habe die Schnauze voll davon, irgendeinen Scheiß zu lesen. Du wirst die Wahrheit drucken lassen.“ (Ein Zitat, das sogar für das AC/DC-Boxset Bonfire zu Ehren von Bon verwendet wurde.)

Also gut, Mal. – If you want blood, you’ve got it.

* * *

Die kollektive Erinnerung an Bon bedarf einer ehrlichen und aufrichtigen Überarbeitung – und keiner weiteren Mythenbildung. „Offizielle“ Abbildungen der Geschichte von AC/DC wie etwa Blood + Thunder: The Sound of Alberts von ABC Television (von der BBC als The Easybeats to AC/DC: The Story of Aussie Rock ausgestrahlt) oder auch Behind the Music: AC/DC auf VH1 bekräftigen höchstens die bestehenden Mythen über ihn und die Band. Wie können diese Mythen ernsthaft weitergetragen werden, wenn sogar David Krebs – dessen Managementfirma Leber-Krebs AC/DC von 1979 bis 1981, also in jener Phase, in der die Band ihre kommerziell erfolgreichsten Alben veröffentlichte, betreute – nicht glaubt, dass Brian Johnson die Lyrics zu Back In Black beigesteuert hat?

Wie er mir von seinem Zuhause in Malibu, Kalifornien, aus mitteilte: „Ich war echt verblüfft, als ich Die Brüder Young las und in der AC/DC-Diskografie sah, dass Back In Black von den Young-Brüdern und Brian Johnson geschrieben sein soll. Ich glaub das nicht.“

Außerdem gab ich einem persönlichen Bedürfnis nach. Ich wollte die Leser in eine Zeit mitnehmen, in der AC/DC die aufregendste Rock-’n’-Roll-Band auf dem Planeten waren und nicht das, was sie heute verkörpern: ein eingetragenes Markenzeichen mit einem letzten verbliebenen Gründungsmitglied aus den Siebzigern, Angus Young. Es war mir ein Anliegen, einen kleinen Teil dessen wiederauferstehen zu lassen, was ich für die beste Ära der Rockmusik halte, nämlich die späten Siebzigerjahre – jene Zeit, in der das Genre, das wir heute als „Classic Rock“ kennen, seinen Ursprung hat. In Musikläden wurde Vinyl verkauft. MTV gab es noch nicht. Das Internet, das mit seinen Angeboten wie YouTube, Pandora, Spotify oder iTunes das Angesicht der Popmusik verändern sollte, lag noch Jahrzehnte in der Zukunft. So viele der phänomenalen Bands der Siebziger haben entweder ganz aufgehört oder treten nach dem Ausstieg etlicher Originalmitglieder in Casinos, Weinkellereien oder auf Kreuzfahrten auf. Eine für die Musik besondere Zeit ist für immer verloren.

Um mein Vorhaben, diese Epoche wiederaufleben zu lassen, so erfolgversprechend wie möglich anzugehen, musste ich in alles, was mir zur Verfügung stand, kopfüber eintauchen. Doch AC/DC sind eine Band, die Außenstehenden keinen Zutritt gewährt, und ehemalige Bandmitglieder und Angestellte fürchten den Reichtum und Einfluss der Youngs. Es ist daher nicht leicht, an Informationen heranzukommen. Ein Freund von Brian Johnson warnte mich etwa: „Sie haben nicht einmal ansatzweise mehr Verständnis dafür, dass ihre Aussagen oder Handlungen verzerrt dargestellt werden, damit sich eine Story gut verkauft.“ Ein weiterer Insider flüsterte mir, dass die Geheimniskrämerei um die Band „schlimmer ist als bei der CIA, schlimmer als bei Scientology“.

Das war kein Scherz.

„Es ist gar nicht schlecht, dass du nicht an sie herangekommen bist“, sagt Grahame „Yogi“ Harrison, ein legendärer australischer Roadie, der 1977 für AC/DC bei ihrem Abschiedskonzert in Sydney arbeitete und mit Bon persönlichen Umgang pflegte. „Du könntest schließlich nie wissen, ob das, was sie dir erzählen, auch die Wahrheit ist. Sie halten ihre Ärsche bedeckt bis ins Grab.“

* * *

So wie ich die Sache sehe, bekommen Biografen keinen richtigen Zutritt zur Band gewährt, da die Wahrheit für manche Leute unbehaglich wäre. Würden sie sich auf Gespräche mit Biografen einlassen – also mit Leuten, deren Aufgabe es ist, unter der Oberfläche nach so etwas wie Wahrheiten zu suchen –, hätten sie damit im Endeffekt alles legitimiert, was dabei zutage treten könnte. Es ist viel leichter, die Schlussfolgerungen eines Buches zurückzuweisen, wenn man sagen kann, dass man nicht mit dem Autor zusammengearbeitet hat. Ebenso lässt sich leicht prophezeien, dass AC/DC-Fans sich um ihre Helden scharen werden, um sie in Schutz zu nehmen, sobald der eine oder andere Heiligenschein schief gerückt wurde.

Selbstverständlich gibt es für das Schweigen auch finanzielle Gründe. Verlagshäuser in London und New York bieten für Enthüllungsautobiografien und „offizielle“ Biografien von großen Stars zig Millionen Dollar. Niemals zuvor waren solche Erzählungen gefragter, wie wir an den Vorschüssen in Millionenhöhe ablesen können, die etwa Phil Collins, Elton John und Bruce Springsteen kassiert haben. Fast ebenso viel Kohle wird im Marketing ausgegeben. Der Wert dieser Buchprojekte wird geschmälert oder überhaupt auf Ramschniveau gesenkt, wenn diese Prominenten ihre Geschichten bereits andernorts zum Besten gegeben und sich detailliert zu einem kontroversen Thema geäußert haben.

Daher sind sich Musiker und ihre Agenten in zunehmenden Maße bewusst, wie viel ihre Worte wert sind. Sie werden also keinen Fremden – einen Biografen – bei seinen Recherchen unterstützen, wenn sie doch direkt von Reminiszenzen profitieren können, indem sie selbst ein Buch veröffentlichen. Phil Rudd, AC/DCs ehemaliger Schlagzeuger, beabsichtigt etwa, ein eigenes Buch zu verfassen. Vorausgesetzt, sie müssen sich nicht an Stillschweigevereinbarungen halten, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, könnten sowohl Brian Johnson als auch der frühere Bassist Cliff Williams, nachdem sie nun die Band verlassen haben und deren Zukunft in den Sternen steht, schon bald ihre Memoiren vorlegen.

Vielleicht als Vorboten für alles, was noch folgen wird, veröffentlichten AC/DC 2017 ihr erstes offizielles Fotoalbum. Besser situierten Sammlern bot sich die Gelegenheit, eine in Leder und Metall gebundene Version mit beleuchtbarem Schutzumschlag zu erstehen. Während sich Ghostwriter, Hagiografen und Zuschussverlage auf der Überholspur befinden, finden sich traditionelle Musikbiografen auf der Liste der bedrohten Arten wieder. Dieses Buch sollte jedoch ohnehin nie die Perspektive der Band oder jene von Bons beiden Brüdern und deren Familien repräsentieren. AC/DC haben sich bereits gegenüber den Medien über Bon geäußert. Bons Familie ebenso. Uns liegen diese Aussagen vor und sie werden sich auch nicht mehr ändern.

Eigentlich profitierte Bon – Der letzte Highway sogar davon, sich nicht auf ihre Beteiligung, Aufsicht oder Zustimmung verlassen zu müssen. Das liegt wohl daran, dass die tatsächliche Geschichte – nicht die bevorzugte schöngefärbte, dem Ansehen der Band zuträgliche Version davon – sich irgendwo abseits des Einflusses der Gruppe, der Familie Scott und all ihrer Anwälte abspielt. Es ist nicht die Art von Erzählung, wie sie manchen Leuten vorschwebt.

Das ist auch der Grund, warum so viele hypothetische Spielfilmprojekte letztlich im Sande verliefen. Solange die Band nicht die Darstellung kontrollieren kann, werden sie niemals ihre Musik dafür zur Verfügung stellen. Auch wird man nie die Wahrheit über AC/DC in irgendeinem Magazin lesen oder in einem Radio- oder Fernsehinterview zu hören bekommen, wenn die Band gerade ein Album promotet. Die speziell indoktrinierten Journalisten, Radioansager und TV-Moderatoren halten sich an die Spielregeln, sowohl an die offiziellen als auch die unausgesprochenen. Angus nuschelt sich dann durch irgendein Tour-Interview, ohne dabei Wesentliches preiszugeben, und die Fans, die nach authentischen Einblicken lechzen, saugen jegliche Info gierig auf.

Es ist schon erstaunlich, wie lange die Wahrheit über die letzten Jahre in Bons Leben unter Verschluss gehalten werden konnte. Mein Ziel war von Anfang an, Bons Geschichte völlig unvoreingenommen niederzuschreiben und dabei keine Rücksicht auf irgendjemandes Interessen zu nehmen. Vor allem wollte ich mich dem Thema völlig offen nähern.

Bon gehört zu den umjubeltsten Rockmusikern aller Zeiten, vor allem auch außerhalb Australiens, wo er womöglich mehr als jeder andere australische Entertainer – tot oder lebendig – gefeiert wird. 2004 setzte ihn das Magazin Classic Rock auf Platz #1 seiner Hitparade der „100 Greatest Frontmen of All Time“, noch vor Freddie Mercury von Queen, Jim Morrison von den Doors und Robert Plant von Led Zeppelin.

Doch Bon war nicht der Danny Kaye der Rockmusik, wie uns Figürchen aus Zinn und diverse andere Devotionalien, die auf eBay erhältlich sind, vielleicht vorgaukeln wollen.

Doug Anderson vom Sydney Morning Herald beschrieb ihn einst als „gefährliches Individuum, das den Eindruck machte, nicht zu wissen, wer es war und wohin es gehörte“. Schon 1984 gab derselbe Journalist den Hinweis, dass nicht nur Alkohol zu Bons Untergang beigetragen hätte: „Bon Scott ist an Rauschgift zugrunde gegangen.“

Anderson lag damit näher an der Wahrheit, als er sich selbst vielleicht gedacht hätte. Bon konnte unberechenbar und zerstörerisch sein. Er konsumierte Drogen, etwa Kokain, Quaaludes und Heroin. Wenn diese Feststellung AC/DC oder ihr Management, die Fans der Band oder die Nachlassverwalter von Bon Scott irritiert, ist das natürlich schade, aber die Beweise dafür liegen auf dem Tisch. Es kann doch nicht als Verrat gewertet werden, wenn man die Wahrheit berichtet. Vielmehr ist es ein Privileg und eine Pflicht. Biografien können mitunter unbequeme Fakten über unsere Helden ans Tageslicht fördern.

Unter Bons Freunden und Bekannten in Australien ist es zu einer Art Trend geworden, damit anzugeben, ihn am besten gekannt zu haben. Und doch verbirgt sich dahinter zumeist nur leere Rhetorik. Live Wire: Bon Scott, a Memoir by Three of the People Who Knew – Mary Renshaws Buch über Bon – ist ein gutes Beispiel dafür. Renshaw lernte Bon 1968 kennen und blieb bis zu seinem Tod mit ihm befreundet. Sie behauptet, ihr Buch – 2015 in Australien erschienen und in Zusammenarbeit mit Bons Freunden John und Gabby D’Arcy entstanden – wäre „ein Weg, sich an den echten Bon zu erinnern, geschrieben von den Leuten, die ihn am besten kannten, um mit dem ganzen Mist, der da draußen kursiert, aufzuräumen“. Mary mag Bon zwar gekannt haben, doch meiner Meinung nach schaffte ihr Buch es nicht einmal ansatzweise, den „echten Bon“ abzubilden oder Mythen bezüglich Bon und AC/DC, die sich hartnäckig halten, aus der Welt zu schaffen.

Live Wire schönte die schmuddeligen Umstände von Bons Tod. Auch versäumte das Buch, die ewige Frage zu beantworten, wer denn nun wirklich die Lyrics auf Back In Black verfasst hatte; tatsächlich gab es sich die größte Mühe, dieser Sache aus dem Weg zu gehen.1

In einem Interview mit der schottischen Presse sagte Mary, dass Bons verschollenes Notizheft, in dem er seine Lyrics niederschrieb, „vielleicht“ seiner Familie zurückgegeben worden war, wofür es jedoch keinerlei Beweise gibt. Mary wurde rund um die Buchveröffentlichung als Bons Geliebte, seine Seelenpartnerin oder auch schlicht als seine „Ex“ tituliert. Sie selbst schreibt sogar, dass ein Freund von ihr von Bon kurz vor dessen Tod darüber aufgeklärt wurde, dass es in seinem Leben nur drei Frauen gegeben hätte, die er wirklich geliebt hat: „Seine Mutter, [seine Exfrau] Irene [Thornton] und mich.“

Bei allem Respekt glaube ich dennoch nicht, dass das der Wahrheit entspricht. Aber wer waren die Frauen, zu denen sich Bon wirklich hingezogen fühlte? Wer diente ihm als Inspiration für seine Songs? Falls er tatsächlich – wie viele vermuten – Texte zu Back In Black beisteuerte, stellt sich die Frage, ob er über echte Menschen und reale Vorkommnisse schrieb. Wenn der Songtext zu „You Shook Me All Night Long“ nicht von Brian, sondern, wie ich fest glaube, von Bon stammte, musste es doch eine Vorgeschichte dazu geben.

Wer aber war diejenige, die ihn mit „those American thighs“ ausknockte?

* * *

Während der Arbeit an diesem Buch lernte ich zwei von Bons Geliebten kennen. Diese Liebesbeziehungen waren von prägender Bedeutung für ihn. Beide Frauen waren Amerikanerinnen, beide bis dato unbekannt. Es handelt sich um die Frisörin Pattee Bishop und um Holly X, Model und Fotografin, die aus persönlichen und beruflichen Gründen darum gebeten hat, nur mit Pseudonym und veränderten Personendaten im Buch genannt zu werden. Bon hatte noch eine Reihe weiterer Freundinnen in den Vereinigten Staaten. Manche ihrer Geschichten sind verloren gegangen und werden vermutlich auch niemals erzählt werden. Aber am wichtigsten von allen war vielleicht seine quälende On/Off-Beziehung mit der Australierin Margaret „Silver“ Smith, die durch die Geschichten um Bon geistert und die in den letzten 24 Stunden seines Lebens eine entscheidende Rolle spielen sollte. Silver verstarb am 12. Dezember 2016. Die Interviews, die sie mir für dieses Buch gewährte, sollten ihre letzten sein.

Hier werden zum ersten Mal die Geschichten aller drei Frauen einbezogen. Sie teilten das Bett mit ihm und kannten seine Geheimnisse. Sie kannten den Mann abseits der Bühne und all des Drucks auf Tour. Vieles deutet auch darauf hin, dass Bon einige seiner besten Songs über sie schrieb.

Silver, die gemeinsam mit ihrem erwachsenen Sohn und ihren Hunden im südaustralischen Jamestown ein beinahe einsiedlerisches Leben führte, gab freimütig zu, dass sie mit Heroin dealte und es auch selbst konsumierte. „Doch nicht im heutigen Sinne … die Bezeichnung bedeutet inzwischen etwas völlig anderes als damals. Ich mochte Heroin. Es tut mir nicht leid, dass ich es genommen habe … Solange man vernünftig und bemessen damit umging, konnten die Drogen, die damals angesagt waren, nicht viel Schaden anrichten. Heute ist das was anderes. Da kenne ich mich nicht gut genug aus und möchte es auch gar nicht.“

Ein Jahr vor Bons Tod wurde sie von der Londoner Polizei festgenommen. Phil Lynott von Thin Lizzy, mit dem sie befreundet war, wurde am selben Tag wie sie aufs Korn genommen. Silver wurde wegen Besitzes von Heroin, Kokain und Haschisch sowie der Absicht, es zu verkaufen, angeklagt. (Die Mengen waren jedoch gering: „Zwei Gramm Koks, ein Gramm Heroin und weniger als eine halbe Unze Hasch.“) Sie bekannte sich in Bezug auf den Besitz von Drogen schuldig, bestritt jedoch, geplant zu haben, sie weiterzuverkaufen. In zweiter Instanz wurde sie schließlich freigesprochen. Dieser schillernde Background bedeutet jedoch nicht, dass sie verantwortlich für Bons Tod war. Bon war für sich selbst immer noch am gefährlichsten.

„Bon wurde nicht ‚Ronnie Roadtest‘ genannt, weil er auf Motorräder abfuhr“, erklärte sie mir und bezog sich damit auf ein aktuelles Buch, in dem diese lachhafte Behauptung aufgestellt worden war. „Wenn irgendjemand bei einem Tierarzt oder so eingebrochen war und sich nun nicht sicher war, was er hatte mitgehen lassen, fand Bon es für ihn auf die harte Tour heraus. Ich habe es einfach so satt, als Junkie hingestellt zu werden, der Bon Heroin verschafft hat. Das macht mich und viele andere Leute echt sauer. Ich habe ihm definitiv niemals Heroin gegeben, nie.“

* * *

Bons Rang als Legende steigert sich immer weiter. Das beschränkt sich mittlerweile nicht nur auf die Musik; inzwischen gilt er als Inbegriff eines Menschen, der sein Leben auszukosten versteht. 2016 wurde sein 70. Geburtstag in Australien wie eine Art nationaler Event begangen. 1980 jedoch stuften ihn Zeitungen von Australien über Großbritannien bis hin zu Kontinentaleuropa und Nordamerika nicht einmal als wichtig genug ein, um seinen Namen in ihren Schlagzeilen zu erwähnen. „ROCKSÄNGER TOT AUFGEFUNDEN“ in der australischen Canberra Times war ein typisches Beispiel dafür. Der Artikel, ganze sechs Zeilen lang, fand sich fernab der Titelseite direkt unter einer Story über den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau durch die Vereinigten Staaten. Es war einfach keine große Sache, ganz anders als etwa John Lennons Ermordung im Dezember desselben Jahres in New York.

Doch Bons Musik aus dieser Zeit gehörte zum Besten, was das Jahrzehnt zu bieten hatte. Weshalb erhielt er damals dafür kein bisschen Anerkennung? Die Wahrheit ist, dass nur wenige Kritiker AC/DC jemals richtig ernst genommen haben. Nach Bons Tod sollte es noch 28 Jahre dauern, bis die prestigeträchtigste Musikzeitschrift der Welt, Rolling Stone, AC/DC auf ihr Cover hievte. Als 2008 Black Ice erschien, stellte Chefredakteur Jason Fine ein paar Nachforschungen an, die ihn zutiefst überraschten: „Die letzte größere Story über AC/DC haben wir 1980 gebracht. Wir haben die Band buchstäblich übersehen. Sie kam bei uns nur ganz selten in ein paar Kurzberichten vor. Aber Rolling Stone stand damit nicht allein. AC/DC waren einfach nie ein Band, die von vielen Kritikern beachtet wurde. Irgendwie hat man sie immer von oben herab behandelt.“

Das trifft absolut zu, vor allem in Bezug auf den Rolling Stone. Bei ihrer ursprünglichen Veröffentlichung wurden Bons beste Platten – Let There Be Rock, Powerage, If You Want Blood You’ve Got It und Highway To Hell – dort nicht einmal einer Besprechung für würdig befunden.2

Der späte Respekt, der AC/DC seitens der amerikanischen Mainstream-Musikpresse zuteilwurde, kam viel zu spät für Bon. Angus amüsierte dies ungemein: „Es ist schon seltsam, weil, als er noch lebte, alle über Bon gesagt haben, dass er direkt aus der Gosse käme. Niemand nahm ihn ernst. Dann, nachdem er tot war, war er plötzlich ein großer Poet. Sogar er selbst hätte darüber gelacht.“3

Im Grunde genommen stellen die Blütejahre 1977 bis 1979 den Ursprung der Legende um Bon dar. Sie bilden auch die Grundlage für AC/DCs großen Durchbruch, der sich schließlich 1980 mit Back In Black einstellen sollte. Es gab im Bereich der Rockmusik wohl kaum eine Band, die härter als AC/DC schuftete. Immerhin gaben sie in dieser Zeit 450 Konzerte, den Großteil davon in den USA. Ihr Terminplan war mörderisch und viele andere Bands wären daran zerbrochen. Bons letzte zwei Touren durch Nordamerika zogen sich fast ohne Unterbrechung von Mai bis Oktober 1979 hin – eine schier endlose Abfolge von Flughafenhallen und Imbisslokalen am Straßenrand. Am Ende dieses kritischen Jahres hatten AC/DC Auftritte in drei Dutzend amerikanischen Bundesstaaten sowie drei kanadischen Provinzen absolviert. Sie waren so gut, so unnachgiebig, so voller Schwung, dass andere große Bands keine große Lust hatten, mit ihnen eine Bühne zu teilen. So etwa die Gruppe Molly Hatchet, die gerade erst ihr Album Flirtin’ With Disaster veröffentlicht hatte.

„Wir sollten zehn Shows mit AC/DC spielen“, sagte ihr leider verstorbener Leadsänger Danny Joe Brown. „Zwar hatten sie bereits mehr Alben veröffentlicht, doch wir verkauften uns zu diesem Zeitpunkt besser als sie. Als wir festlegten, wer die Shows eröffnen und wer sie abschließen sollte, einigten wir uns darauf, dass wir uns abwechseln würden. Wir spielten in Knoxville, Tennessee4,und AC/DC gingen auf die Bühne. Verdammt, die Leute rissen sich ihre Shirts vom Leib. Die Show war halb vorüber und man konnte sehen, wie alle jedes verdammte Wort von jedem Song mitsangen. Und ich sagte: ‚Ach du Scheiße, und diesen Vögeln sollen wir jetzt ‚Gator Country‘ vorsingen.‘ Das war schon unwirklich. Ich rief unseren Manager an und sagte zu ihm, dass er uns niemals wieder diese Hunde auf den Hals hetzen sollte. Unnötig zu erwähnen, dass wir für den Rest der Tour vor ihnen auftraten. Das war die einzige Band, die Molly Hatchet echt einen Arschtritt verpasst hat. Aber dafür ordentlich.“

Die drei Jahre, in denen AC/DC durch Nordamerika tingelten, versorgten Bon auch mit reichlich Material für sein Songwriting. In dieser Zeit fasste die Band auch Fuß im amerikanischen und kanadischen Radio und mauserte sich zu einem legitimen Headliner. Sie traten in riesigen Arenen auf und teilten sich die Bühnen mit Gruppen, die bereits zu den größten der Welt gehörten oder sich auf dem Weg an die Spitze befanden: Aerosmith, Journey, Van Halen, Kiss. Doch Bon erwartete sich mehr von seinem Leben, sowohl privat als auch musikalisch. Kreativ frustriert glitt er in eine depressive Stimmung ab. Er litt unter seiner Alkoholsucht und seinem Drogenmissbrauch. Auch stand er auf Kriegsfuß mit Malcolm Young. Sein Rücken schmerzte und seine Leber war in einem bemitleidenswerten Zustand. Außerdem war er Asthmatiker. Allerdings sagt Pattee Bishop: „Ich sah ihn nie einen Inhalator verwenden.“ Silver meint hingegen, dass er gelegentlich nach dem Rauchen einen benutzte.

Bon umschrieb seinen Alltag mit AC/DC mit den Worten: „Tagein, tagaus, fliegen, fahren, rein ins Hotel und wieder raus.“ Doch trotz all der Herausforderungen war er prinzipiell glücklich mit dem Weg, den er eingeschlagen hatte.

„Manchmal ist es schon anstrengend, wenn man jeden Abend in einem anderen Hotel absteigt, aber es ist sicher nicht so schlimm, als würde man fünfzig Jahre seines Lebens an einer Drehbank stehen. Ich bin hier und ich bin frei. Ich sehe jeden Abend neue Gesichter und berühre neue Körper oder was auch immer. Das ist doch toll. Es gibt nichts Vergleichbares.“

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