Kitabı oku: «Fachkräftemangel oder Machkräftemangel?», sayfa 2

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Die »kleine« Bretterbude in Wannsee

Kurz vor der Fußball-WM 2006 bekam ich einen Anruf von meinem Vater aus Berlin: »Jessica, wir haben gerade das Angebot bekommen, die Gastronomie im Strandbad Wannsee zu übernehmen, Europas größtem Strandbad. Hast du Lust, das mit aufzubauen und zu führen?«

Ich war völlig überrascht und musste erst mal nachdenken. Schließlich hatte ich ganz andere Pläne. Ich wollte durch die Welt reisen und Managerin bzw. Direktorin in einem Hotel werden. Doch der Gedanke »Dieses Angebot kriegst du nur einmal in deinem Leben, und zwar JETZT und nicht, wenn du vielleicht irgendwann mal Lust dazu hast oder bereit dazu bist« ließ mich nicht mehr los. Also sagte ich zu und musste innerhalb von zwei Wochen meine Zelte in München abbrechen und meinen Job und meine Wohnung kündigen.

Es war ein unglaublich schöner und heißer Sommer, acht Wochen täglich gefühlt 30 Grad, immer blauer Himmel. An dem 1,2 Kilometer langen Sandstrand am Wannsee lagen die Badegäste wie die Sardinen am Strand auf Mallorca, fast Handtuch an Handtuch, und stritten sich schon frühmorgens um die besten Plätze.

An meinem ersten Arbeitstag, einem Montag, kam ich um 9 Uhr im Strandbad an. Ich hatte mit einer coolen Location gerechnet, doch da war nur ein Verkaufsstand im Freien. Das Ganze glich ehrlich gesagt eher einer Bretterbude.

Die Arbeitsatmosphäre ließ wirklich zu wünschen übrig, bis auf den sensationellen Ausblick war eigentlich gar nichts schön: ein Imbiss im Freien, eine Außenstation, Tische mit Lackfolie, Fritteuse unter freiem Himmel, sandig, eng, Plastikdach oben drüber, da fühlte man sich bei den Temperaturen wie im Gewächshaus. Doch die Mitarbeiter wuchsen leider nicht … Ich war erst mal geschockt.

30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mein Vater erwarteten mich. Ich war 21 Jahre alt und er stellte mich mit folgenden Worten vor: »So, das ist jetzt eure neue Chefin, Frau Bernsteiner (damals noch). Sie ist eure Ansprechpartnerin.« Da war ich zum zweiten Mal geschockt. Alle sahen mich kritisch an und ich konnte ihnen ihre Gedanken am Gesicht ablesen: »Blondie, Tochter vom Chef. Was will die uns denn jetzt bitte schön sagen?«

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie ein Team geführt; ich wusste rein gar nichts, weder, worauf es dabei ankommt noch wie ich mich durchsetzen konnte. Die Mitarbeiter waren teilweise so alt wie ich oder sogar älter. Manche waren mit mir in die Grundschule gegangen – und jetzt musste ich alle mit »Sie« ansprechen und umgekehrt natürlich auch. Das war total crazy. Ich musste mir schließlich erst mal Respekt verschaffen. Nur wie?

Zum Glück hatte ich keine Zeit zum Nachdenken. Jeden Tag hatten wir es mit 8000 bis 10 000 Gästen zu tun. Mir blieb nichts anderes übrig, als einfach zu machen. Wie so oft im Leben – Augen zu und durch.

Gegenwind und plötzliche Krankheitsausfälle statt Respekt

Natürlich haben wir nicht ewig im Freien gearbeitet. Schon ein Jahr später durften wir in einer Nacht- und Nebelaktion in die inzwischen fertigen Räume einziehen. Wir bekamen eine Ladenstraße mit beeindruckenden 200 Metern Verkaufsstand – von der Eisdiele über den Imbiss und das Strandcafé bis zur Pizzeria war endlich alles da. Auch ich durfte meinen Ideen freien Lauf lassen, bei der Konzeption mitwirken und von den Produkten bis zu den einzelnen Arbeitsprozessen überall mitentscheiden.

Als vom Wetter abhängiges Saisongeschäft standen wir alle unter enorm hohem Druck. Dazu kam: Ich wollte meinem überaus mächtigen Vater täglich beweisen, dass ich es auch draufhabe. Das war ein Kampf. An manchen Tagen dachte ich: So, heute habe ich alles richtig gemacht. Ich habe mit dem Team die Tresen mit den frischen Brötchen und saftigen Kuchen schön eingeräumt. Unser Mise en Place war unserer Ansicht nach perfekt vorbereitet und wir legten los und verkauften. Ich war morgens immer die Erste und abends die Letzte und hatte keinen freien Tag. Ich wollte als Vorbild vorangehen, in der Hoffnung, dadurch von meinem Team mehr Respekt und Anerkennung zu erhalten.

Doch immer wieder fegte mein Vater wie ein Tsunami brüllend durch die Läden. Kleine Kostprobe gefällig? Ob denn hier keiner sein Gehirn eingeschaltet hätte und niemand sehen würde, dass es fast keine Brezeln mehr gab und dass die Kühlschränke nachgefüllt werden müssten? Die Schilder könnte ja kein Mensch lesen, vor dem Eisladen stünde eine riesige Schlange und was ich denn hier für Idioten beschäftigte, die sich bewegten wie einarmige Banditen. Und so weiter und so fort.

Es gab immer Gegenwind. Jeden Tag. Das Team und ich fühlten uns nicht gut genug. Verzweiflung machte sich breit. Wir dachten: »Egal, was wir tun, es ist immer falsch.« Ich lag nachts wach und überlegte, warum er wohl am nächsten Tag wieder toben könnte; ich stellte mir einen Plan zusammen, der oft nicht funktionierte, da mein Vater doch immer irgendwas fand – wie die Nadel im Heuhaufen. Auch die Mitarbeiter litten sehr unter diesen Attacken, was dazu führte, dass sich einige regelmäßig krankmeldeten – natürlich immer pünktlich zum Wochenende mit Ausreden wie: »Ich habe Magen-Darm-Grippe« oder »Meine Oma feiert ihren 80. Geburtstag« (zum zweiten Mal, wohlgemerkt!). Es war einfach zermürbend.


Jeder weiß, wie fatal es ist, wenn plötzlich zu wenige Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Damals, während der Fußball-WM, fehlte es ohnehin an allen Ecken und Enden an gut ausgebildeten Fachkräften. Und es gab einfach zu wenige, die bei 30 Grad im Strandbad arbeiten und schwitzen wollten. Mir blieb also nichts anderes übrig, als erst mal selbst für zwei oder sogar drei zu arbeiten.

Das ist Männersache – Von der kleinen Tochter zur erfolgreichen Unternehmerin mit Herz

Ich merkte schnell, dass hier etwas gründlich falsch lief. Und so wollte ich das nicht. Es mussten neue Ideen her, um die verfahrene Situation zu verbessern. Ich begann damit, die Teammitglieder in mehrere Bereiche einzuarbeiten – zum Beispiel am Grill oder in der Küche –, um nicht immer von einzelnen Personen und deren Know-how abhängig zu sein. Das klappte auch ganz gut … bis der Tsunami in Gestalt meines Vaters uns wieder plattmachte, denn auch das passte ihm nicht. In seiner Welt hatte jeder immer an seinem vorbestimmten Arbeitsplatz zu bleiben. Und Frauen am Grill oder in der Küche, das ging gar nicht. Auch das Wechseln von Bierfässern oder Fritteusenfett war ausschließlich Männersache. Daraufhin warfen weitere Mitarbeiter entnervt das Handtuch und ich durfte wieder von vorne anfangen. Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich mal ein eigenes Restaurant habe, wird das alles anders laufen!

Doch zunächst vergingen noch ein paar Jahre unter den geschilderten unguten Bedingungen. Selbst bei super anstrengenden Großveranstaltungen mit bis zu 35 000 Gästen (zum Beispiel bei »Energy in the Park«) gelang es dem Tsunami, uns mit seinen Überraschungsangriffen die Stimmung zu vermiesen und die Motivation zu nehmen.

Natürlich hat es auch schöne Tage gegeben und ich habe in diesen Jahren viel Positives und Wertvolles von meinem Vater gelernt. Und ich kann heute sagen: Ich bin dankbar dafür. Ich habe mir das Beste abgeschaut, es umgesetzt und einfach gemacht, bis es auch mich zum Erfolg geführt hat. Nur in Sachen Mitarbeiterführung kamen wir einfach nicht auf einen Nenner. In diesen Jahren habe ich mich immer wieder bei meiner Mutter ausgeheult und wollte aufhören. Sie sprach mir gut zu und ermutigte mich immer wieder, durchzuhalten und weiterzumachen. Sie ist bis heute meine Mentorin, meine Alltagsheldin.

Doch im Jahr 2011 geriet ich derartig mit meinem Vater aneinander, dass ein Tsunami nichts dagegen ist. Ich hatte keine Kraft mehr für diese Art von Auseinandersetzung. Egal, was ich machte, er fand immer etwas zu meckern und würde nie zufrieden sein. Ich fühlte mich wie in einer Zwangsjacke. Und ich war auch nicht mehr wirklich ich selbst. Ich fühlte mich wie eine Soldatin, die nur noch funktioniert und das macht, was der General ihr gesagt hatte. Und ich merkte darüber hinaus, dass ich, entgegen meinem Naturell, nach und nach selbst die strikte Art meines Vaters übernommen hatte.

Viele Jahre später bekam ich das immer noch zu hören, dass ich manchmal so hart sei, kalt, strukturiert, nicht nach links und rechts schaute und mein Ding durchzog. Die meisten wussten schon, dass ich auch sehr warmherzig sein kann. Doch wenn ich im »Business-Modus« war, wirkte es manchmal so, als setzte ich eine Maske auf. Ich schlüpfte in eine Rolle, um als »Geschäftsfrau« glaubhaft zu sein. Damals dachte ich, dass ich das so machen musste, damit ich trotz meines Alters von meinen Geschäftspartnern mit dem nötigen Respekt behandelt würde. Ich hatte noch nicht verstanden, dass viele Mitarbeiter nicht hinter diese Fassade schauen konnten und mich nur als kalt und streng erlebten. Das ging so lange, bis mir meine Mitarbeiter den Spiegel vorgehalten haben und ich gemerkt habe, dass ich so nicht sein wollte.

In den Seminaren, die ich seitdem besucht habe, habe ich mühsam gelernt, diese Maske wieder abzulegen. Das hat für mich alles verändert. Schließlich habe ich es geschafft, Mitarbeiter langfristig an meinen Betrieb zu binden und sie zu Höchstleistungen zu motivieren – wie über Nacht hatte sich bei mir irgendwann ein Schalter umgelegt und ich wurde authentischer.

Natürlich ist es in einem Familienbetrieb nie einfach, sich durchzusetzen, vor allem nicht in jungen Jahren und besonders als Tochter eines übermächtigen Vaters. Doch ich war nun an dem Punkt angelangt, an dem ich mich fragte: »Jessica, jetzt bist du 26. Möchtest du die nächsten zehn Jahre so weiterarbeiten? Unter Druck, Stress, mit Angstzuständen, sechs bis sieben Tage in der Woche, zwölf bis 16 Stunden täglich? Wofür? Damit du dann Leute ersetzen musst, wenn einer nicht kommt? Dafür, dass du kein Privatleben hast und schon gar keine persönliche Weiterentwicklung? Dafür, dass man dir ständig das Gefühl vermittelt, nicht gut genug zu sein? Oder möchtest du es anders machen?« Die Antwort fiel sehr deutlich aus: ANDERS!

Also warf ich in jenem Jahr selbst das Handtuch und sagte zu meinem Vater: »Mach alleine weiter. Ich gehe.«

Nach diesem Schritt fragte ich mich nun selbst:

• Was kann ich besonders gut?

• Was macht mir Freude?

• Wie kann ich anderen damit helfen?

• Wo will ich in zehn Jahren stehen?

Ich fing an, für andere Firmen zu arbeiten, investierte mein gesamtes Erspartes in meine Weiterbildung und machte mich im Coaching- und Trainingsbereich selbstständig. Über Monate baute ich mir mein eigenes Business-Modell auf.

In dieser Zeit hatten mein Vater und ich keinen Kontakt. Kein Geburtstagsanruf, kein gemeinsames Weihnachtsfest – und all das nur, weil er sich persönlich gekränkt fühlte und zu stur war, um mit mir über das Problem und die Lösung zu sprechen. Doch als meinem Vater nach einiger Zeit klar wurde, wohin ich mich beruflich entwickelt hatte und was ich für andere Firmen tat, fragte er mich, ob ich das nicht auch für seine Unternehmen machen könnte. Meine Antwort lautete: »Ja, wenn ich führen darf, wie ich will, und du dich operativ nicht mehr einmischst, komme ich zurück.« Er stimmte zu – und es hat sich tatsächlich etwas geändert. Von diesem Tag an waren wir auf Augenhöhe und ich war nicht mehr länger nur die »kleine Tochter«.

Was hatte sich bei mir in der Zwischenzeit geändert? Nun, ich hatte mich dazu entschlossen, beruflich zu wachsen. Meine Vision: Ich wollte ein Team aufbauen, das gerne zur Arbeit kam und sich gegenseitig unterstützte. Ich wollte Mitarbeiter, die sich wohlfühlten, die Lust hatten, bei 30 Grad im Strandbad Wannsee zu schwitzen. Die zu Fans des Unternehmens wurden und von ihrem Job so begeistert waren, dass sie selbst gute neue Leute mitbrachten, die die gleichen Werte teilten, und so weiter und so fort. Mit dem Ergebnis, dass ich selbst gar nicht mehr täglich anwesend sein musste und währenddessen etwas Neues aufbauen konnte. Ich wollte einen Ort kreieren, wo mein Team auch im Winter arbeiten konnte – kurz: Ich wollte für meine Mitarbeiter ein Fundament schaffen.


Ich wollte weiterkommen, andere groß machen, und ich hatte den festen Glauben daran, dass das funktionieren konnte. Aber ich wusste auch, dass es ein langer Weg sein würde, ein Prozess, der mir viel Durchhaltevermögen und Verzicht abverlangen würde. Und ich entschied mich DAFÜR. Meine Vision ist bis heute groß. Daraus ist das FAN-Modell entstanden und ich kann dir sagen, dass es funktioniert!

2015 konzipierten und gründeten mein Vater und ich schließlich gemeinsam ein Restaurant bzw. eine Eventlocation am Rande von Berlin auf einem Schießplatz: die »Schützen-Wirtin«. Alles, was ich bis dahin aus meinen negativen und positiven Erfahrungen gelernt hatte, konnte ich in diesem neuen Restaurant ausprobieren – insbesondere was die Themen Teamführung und Self-Leadership anging.

Viele, die meine Erfolgsgeschichte aus dem Strandbad kannten, hielten es damals für komplett verrückt, eine heruntergewirtschaftete Gastronomie mitten im Wald zu übernehmen. Das konnte ja nichts werden … Und ob das etwas wurde! Davon war ich überzeugt und wollte es mir (und den anderen) beweisen. Dieses neue Restaurant würde für die Beschäftigten ein Arbeitsplatz sein, zu dem sie gerne kamen und wo sie mit Freude und Motivation arbeiteten. Das Motto, das mein Team und ich in der Schützen-Wirtin lebten, lautete dann auch: »Normal ist langweilig, unsere Lieblingsfarben sind bunt und wir sind das freundlichste Wirtshaus in ganz Berlin.«

Und so sind wir langsam, aber erfolgreich gewachsen. Dass wir das Restaurant bzw. das Konzept im Oktober 2019 wieder verkauften, hatte eher private Gründe. Salzburg war mittlerweile immer mehr zu meinem Lebensmittelpunkt geworden, ich hatte geheiratet und 2018 kam unsere Tochter zur Welt.

Die Schützen-Wirtin war für mich immer auch eine Art Spielwiese, auf der ich mein Erfolgsrezept für das Recruiting und den Teamgedanken entwickeln konnte. Was dort gut funktioniert hat, gebe ich heute in meinen Coachings, Trainings und Keynotes an andere Unternehmen weiter. Denn ich will mein Wissen und meine Erfahrungen mit anderen und mit den nachfolgenden Generationen teilen. Ich möchte so viele Menschen wie möglich inspirieren, ihren Erfolg selbst in die Hand zu nehmen. Es geht mir darum, den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen – für mich eine Grundvoraussetzung dafür, auch selbst wieder bewusster und glücklicher zu leben und zu führen.

Ich habe mir in der Schützen-Wirtin ein großartiges Team aufgebaut, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden zu Fans des Betriebes, der Organisation und ich zu ihrem Fundament. Daraus haben sich teilweise wunderbare Freundschaften entwickelt, ganz nach dem Motto: »Einer für alle und alle für einen.« Einige dieser Menschen befinden sich bis heute im Reisebus meines Lebens und ich bin davon überzeugt: Jetzt geht es erst richtig los …

3. Problem Fachkräftemangel

»Wer sich selbst nicht zu führen versteht, kann auch andere nicht führen.«

Alfred Herrhausen

Alle reden heute vom Fachkräftemangel – egal, wo ich hinhöre, egal, in welcher Branche ich mich bewege. Und ja, es stimmt, wir haben einen Mangel an Menschen, die in bestimmten Branchen / Bereichen eine Ausbildung oder ein Studium durchlaufen haben. Doch wie ist dieser Mangel überhaupt entstanden? Was war der Auslöser? Warum gibt es heute immer weniger Fachkräfte und weshalb rücken keine neuen nach? Und was machen wir als Führungskräfte, wenn wir merken, dass dem Mitarbeiter die nötige Kompetenz, das nötige Fachwissen fehlt?

Im Endeffekt geht es immer um beides: die Kompetenz (Können) und die Motivation (Wollen). Doch wir fokussieren uns in meinen Augen viel zu sehr auf das Können anstatt auf das Wollen. Wir erkennen oft nicht, dass sich Mitarbeiter dem Unternehmen anpassen, statt dass wir – als Führungskräfte – auf ihre individuellen Interessen, Fähigkeiten und Talente schauen.

Ich habe mal gelesen, dass die fachliche Qualifikation nur 20 Prozent des Unternehmenserfolges ausmacht und dass die anderen 80 Prozent von den Leadership-Qualitäten der Führungskräfte abhängen. Dies gilt nicht nur für mittelständische Betriebe – von der kleinen Strandbar über Restaurants bis hin zur Hotellerie –, sondern für die gesamte Dienstleistungsbranche, den Einzelhandel und auch ganz klar für große Konzerne.

Kleine Zeitreise

Wenn ich mich an meine Ausbildung erinnere, die im Jahr 2000 begann, dann war diese damals noch etwas ganz Besonderes. Wir waren stolz darauf, in einem bekannten Haus zu arbeiten, das wir später in unserem Lebenslauf angeben konnten. Es machte immer einen guten Eindruck, wenn jemand schon in namhaften Betrieben gearbeitet hatte. Es ging oft lediglich um den Namen und weniger darum, was sie oder er dort konkret gemacht oder wie sich die Person persönlich weiterentwickelt hatte. Auch heute ist das leider immer noch oft so.

Dabei gäbe es dazu viel zu sagen. Gerade in der Gastronomie haben wir uns oft gefühlt zu Tode gearbeitet. Der Umgangston war eher rau, ab und zu flog auch mal eine Pfanne – und bei alldem herrschte eine strenge Disziplin. Manches ist wohl bis heute so. Ich hätte mich damals niemals getraut, zu spät zu kommen, zu widersprechen, geschweige denn, mich wegen Kopfschmerzen krankzumelden.

Ja, so wurden wir erzogen und das wurde uns auch in der Ausbildung eingetrichtert: »Wer feiern kann, kann auch arbeiten.« Wie oft habe ich durchgemacht, mir am nächsten Tag nichts anmerken lassen, um nach Feierabend direkt ins Bett zu fallen und 14 Stunden zu schlafen. Durchhalten und fleißig sein. Egal für wie viel (bzw. wenig) Geld.

Die Azubis waren eher schüchtern und hatten eine ganz bestimmte Einstellung von zu Hause mitbekommen. Auf jeden Fall erst mal eine Ausbildung fertig machen (Stichwort Kompetenz), zu Hause wohnen, Geld sparen und dann: Ab in die große Welt. Es gab immer eine gewisse Anzahl an Bewerbern, die diesen Beruf lernen wollten oder mussten. Der Arbeitgeber konnte eine Auswahl treffen.

Und heute?

Die jungen Leute – die Generation Y, die zwischen 1980 und 2000 Geborenen – wollen immer früher selbstständig werden, zu Hause ausziehen und die Welt bereisen. Ohne Geld ist das natürlich schwierig. Also gehen viele als Quereinsteiger in irgendwelche Berufe, wo sie oft um einiges mehr verdienen als in einer normalen Ausbildung. Oder sie verdienen als Studierende nebenbei noch etwas dazu.

Diese jungen Leute, auch »Socials« genannt, wollen ihr Leben so früh wie möglich selbst bestimmen. Sie wollen mehr Freizeit, sie wollen ihre Sozialkontakte pflegen und sind permanent mit ihrem Handy zu sehen. Sie wollen sich alles offenhalten, und das ist auch ihr gutes Recht. Sie wollen sich nicht gleich auf einen Beruf festlegen. Sie wollen sich erst einmal selbst finden und fragen sich, ganz anders als ihre Vorgängergeneration, oft: »Wer bin ich eigentlich und was will ich?«

Manche suchen nach Aufmerksamkeit auf den Social-Media-Plattformen, manche wollen damit ein Business starten oder sie teilen ihr ganzes Leben auf diesen Plattformen. Mein Eindruck ist, dass die wenigsten von ihnen auch nur eine Stunde mehr arbeiten wollen; und wenn sie merken, dass sie eventuell krank werden, melden sie sich auch gleich arbeitsunfähig. Ja, du hast recht, das war jetzt etwas hart und einseitig formuliert – und ja, wir dürfen die Generation Y auch so akzeptieren und sie schätzen und dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlt und ihre Träume leben kann. Wir sind durch die Besonderheiten dieser Generation aber auch mit neuen Herausforderungen konfrontiert.

Wir haben also weniger Fachkräfte, weil immer weniger junge nachrücken, das heißt, wir haben alle weniger Auswahl. Doch warum kommen immer weniger nach?

Nun, heute befinden sich gut qualifizierte Fachkräfte in der glücklichen Lage, sich ihren Arbeitsort, ihre Organisation bzw. die Firma, in der sie arbeiten wollen, aussuchen zu können. Wenn es ihnen dort nicht mehr gefällt, dann kündigen sie einfach – in dem Wissen, dass sie innerhalb kürzester Zeit den nächsten Job finden. Dabei geht es übrigens schon lange nicht mehr primär um das Gehalt. Geld ist heutzutage nicht mehr das einzige und längst nicht das wirkungsvollste Lockmittel.

Infolge der Corona-Krise wird sich die Fachkräftesituation vermutlich verändern. Einige Betriebe werden schließen und somit kommen wieder mehr Fachkräfte auf den Markt. Doch wie finden wir sie und wie können wir sie überzeugen, zu uns zu kommen?

Jeder arbeitende Mensch, egal ob Fachkraft, Quereinsteiger oder Azubi und egal welcher Generation oder Herkunft, wünscht sich einen Ort, an dem er sich wohlfühlt, wo die Balance zwischen Arbeit und Freizeit stimmt, er nicht rund um die Uhr arbeiten muss, wo man sich um seine persönliche Weiterentwicklung kümmert und seine Arbeit wertschätzt. Die Generation meiner Eltern, die sogenannten »Babyboomer«, versteht das natürlich nur schwer.

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