Kitabı oku: «Das unerträgliche annehmen», sayfa 2

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Die Rolle der anderen in unserer Trauer

Und wir weinten, dass ein so wundervoller Mensch nur so kurz leben sollte. William Cullen Bryant

Ich lernte Kyles Mutter durch meine Arbeit mit trauernden Eltern kennen. Ihr 14-jähriger Sohn war von einem Querschläger getroffen und getötet worden. Auch wenn der Schuss nicht ihm gegolten hatte, so waren doch alle seine vierzehn Jahre ausgelöscht worden – durch einen Menschen, den man niemals finden und strafrechtlich verfolgen würde.

„Ich hasse Trauern! Ich will es nicht mehr! Sorgen Sie dafür, dass es aufhört! Es bringt mich um!“ Karen schrie und weinte auf dem Boden meines Büros, während ich im Schneidersitz still neben ihr saß. Sie vergoss so viele Tränen, dass sie auf ihre beige Leinenhose tropften und Flecken ihrer blauen Wimperntusche darauf verteilten, die sie – in dem Versuch, irgendwie ihre Verzweiflung zu verbergen – jeden Morgen bei der Arbeit trug. Karen war alleinerziehend und Kyle war ihr einziges Kind gewesen, ihr „Ein und Alles“. Der Tag, an dem er starb, veränderte ihr Leben und ihre Identität, sagte sie. Sie fühlte sich von anderen unter Druck gesetzt, damit abzuschließen, und wollte sich wieder „normal fühlen“.

Sie erzählte mir, wie ihr Cousin sie einem kinderlosen Kollegen als ebenfalls kinderlose Frau vorgestellt hatte. Das war für Karen eine Zäsur, die sie in die Isolation trieb. Ab diesem Moment sah sie sich nicht mehr als Mutter. Ihr Schlaf veränderte sich, sie hörte auf, in die Kirche zu gehen. Sie zog sich von Freunden zurück und fühlte sich in der Welt unsicher. Sie gab das Haus auf, in dem sie Kyle aufgezogen hatte, und zog in eine Wohnung in einem nahegelegenen Vorort.

Sechs Monate nach Kyles Tod kam Karen zu mir und wünschte sich von mir, dass ich ihr helfen würde, ihre Trauer zu „überwinden“ und „sich besser zu fühlen“. Es lag etwas Verzweifeltes in unserem Gespräch, das mir sehr vertraut war. Sie fantasierte darüber zu sterben, um bei Kyle zu sein. Sie wollte nicht wirklich sterben, sondern wünschte sich nur mit aller Kraft, die Zeit zurückzudrehen. Sie wollte Kyle zurück. Seine Rückkehr war das Einzige, das ihr ihren unheilbaren Schmerz nehmen würde. Körper, Geist, Herz und Seele waren im Protestzustand.

Oft sind wir kollektiv wie gebannt, wenn wir erfahren, dass jemand gewaltsam zu Tode gekommen ist, wenn Todesfälle in den Medien thematisiert werden oder wenn ein Star stirbt. Diese Reaktion ist gang und gäbe, oft noch garniert mit öffentlichen Gefühlsergüssen und unpassenden Beileidsbekundungen wildfremder Menschen. Umgekehrt finden Todesfälle wie Kyles, die sich unter privateren, aber ebenfalls tragischen Umständen ereignen und nicht öffentlich bekannt werden, kaum Beachtung.

In Karens Fall waren mitfühlende Gesten der Anteilnahme nur von kurzer Dauer. Ihre Mutterrolle wurde nach dem verfrühten Tod ihres Sohnes verleugnet, sodass sie irgendwann an ihrem eigenen Herzen zweifelte. Sie fühlte sich weiterhin als Kyles Mutter, aber der ständige gesellschaftliche Druck führte schließlich dazu, dass sie nicht nur ihrer Mutterrolle misstraute, sondern auch ihren rechtmäßigen Gefühlen, ihrer Trauer. Niemand erinnerte sich mit ihr an Kyle. Niemand sprach über ihn oder erkannte ihre Trauer an.

Im scharfen Kontrast dazu waren die Leute völlig entsetzt, als Charlotte Helen Bacon in Newtown, Connecticut, schlagzeilenträchtig von einem Amokläufer getötet wurde, viele bekundeten ihre Trauer über ihren Tod, obwohl sie sie nie gekannt hatten.

In der Sandy Hook Elementary School wurden 20 Erstklässler und sechs Angestellte der Grundschule ermordet. Es war eine Horrorgeschichte, die über Monate und Jahre immer wieder von den Massenmedien aufgegriffen wurde. Viele Menschen, die persönlich vom Tod eines Kindes oder eines anderen geliebten Menschen betroffen waren, fühlten sich der unaufhörlichen Berichterstattung hilflos ausgeliefert.

Ich lernte Charlottes Eltern im Sommer 2014 kennen. Charlotte, ein kluges, mutiges und beharrliches Mädchen, das „ein bisschen frech“ und voller Lebensfreude gewesen war, wurde ermordet, als sie sich mit ihren Klassenkameraden in den Toilettenräumen der Schule verschanzte. Alle Kinder bis auf eines in den Toilettenräumen starben an diesem verhängnisvollen Tag. Charlottes Eltern Joel und JoAnn rangen mit dem tragischen Tod ihrer einzigen Tochter und widersetzten sich gleichzeitig der öffentlichen Ausschlachtung ihrer privaten Tragödie. In einem offenen Brief schrieb eine wütende, verletzte und frustrierte JoAnn:

Am 14. Dezember 2012 hat jemand meine Tochter ermordet und damit ihre und meine Zukunft gestohlen. Sie wurde mit ihren Klassenkameraden in die Toilettenräume ihrer Schule gedrängt und niedergeschossen. Völlig schutzlos und wehrlos. UND ICH BIN WÜTEND. Meiner Erfahrung nach mögen die Leute Wut am allerwenigsten. Es gibt drei Arten, wie sie darauf reagieren: Entweder sie versuchen, meine Einstellung zu ändern und mich dazu zu bringen, „positiv zu denken“ und „das Gute zu sehen“, oder sie wechseln das Thema oder sie kommen gar nicht mehr vorbei. All das bringt mich nur noch mehr zur Weißglut. Es ist ein Teufelskreis. Ich kann meine Wahrheit aussprechen, dann sind alle pikiert und ergreifen die Flucht, oder ich kann so tun als ob, lächeln und nicken und mich dabei wie eine Heuchlerin fühlen. Beides ist furchtbar, und so oder so fühle ich mich isoliert und unverstanden.

Ich möchte wirklich wissen, wie irgendjemand auf die Idee kommen kann, ich würde jemals mit der Ermordung meiner Tochter klarkommen? Ich bin empört und will schreien: „Warum seid ihr nicht empört?“ Und was das Gute angeht, das ich doch sehen soll: Diesen Weg wollt ihr sicher nicht mit mir gemeinsam gehen. Ihr könnt gern das Gute sehen, ich sehe davon gerade nicht sehr viel. Ihr braucht mir auch nicht zu erzählen, dass aus großen Tragödien auch immer Großes erwächst. Ich will nicht hören, dass ihr durch den Tod meiner Tochter irgendwas Tiefgründiges gelernt oder getan habt. Meine Tochter ist nicht auf die Welt gekommen, um durch ihr Ableben neue Perspektiven zu schaffen. Charlotte war hier, weil sie gewollt war, geliebt wurde und dieser Welt zu ihren Lebzeiten etwas zu geben hatte. Alles andere fühlt sich an wie Beschwichtigung – und es tut weh. Nichttrauernde suchen gerne Inspiration, den Silberstreif am Horizont, das triumphale Ende. Ich hasse es, erzählt zu bekommen, ich sei eine Inspiration. Mir wird schlecht davon. Ich bin eine trauernde Mutter.

JoAnn spricht wichtige Punkte an, wie andere Menschen unsere Trauer wahrnehmen. Das kann viele Gefühle in uns aufwühlen und unsere Trauererfahrung noch komplizierter machen. Für JoAnn ist die ausgesprochene oder stillschweigende Annahme, Charlottes Tod sei dazu da, andere zu inspirieren oder eine bessere Welt zu schaffen, nicht hilfreich. Welches „Vermächtnis“ ihr Tod auch immer haben mag, für ihre Familie ist der Preis viel zu hoch. Und den tiefen, absoluten Schmerz nicht anzuerkennen, der ihrem „neuen“, so nicht gewünschten Leben vorausgegangen ist, ist respektlos.

Unsere kulturellen Normen befördern eine unerklärliche Doppelmoral, die oft großen Schaden bei Trauernden anrichtet. Tragödien, die man für würdig erachtet, erhalten Aufmerksamkeit, woraufhin dann oft fremde Menschen diese Todesfälle an sich reißen und für sich eine Trauer beanspruchen, die nicht die ihre ist. Persönliche Trauer ist unerwünscht, ja sogar verpönt, wenn sie über eine kurze Zeitspanne hinausgeht. Noch Jahre später erinnert man in unserer Gesellschaft gerne öffentlich an private Tragödien, ohne die persönlich Betroffenen vorher um ihre Einwilligung gebeten oder Rücksprache mit ihnen gehalten zu haben. Wenn ein Verlust hingegen nicht dramatisch genug ist, die Massen nicht bewegt oder unbrauchbar für die öffentliche Bühne ist, dann kann es sein, dass die Öffentlichkeit sich überhaupt nicht mehr daran erinnert.

Wenn andere unsere Trauer infrage stellen, unsere jahrelange Beziehung zu unseren geliebten Verstorbenen missachten, uns wie Aussätzige behandeln, uns aus dem Weg gehen und uns zur Heilung drängen, bevor wir dazu bereit sind, dann machen sie unsere Last noch schwerer.

Es scheint fast so, als könnten wir unseren Schmerz nur auslöschen, indem wir unsere Liebe aufgeben – indem wir den Platz für den geliebten Menschen in unserem Leben entfernen. Doch wenn wir auf die Weisheit unseres Herzens hören, wissen wir, dass das unmöglich ist.

Trauer und Liebe gehen Hand in Hand.

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Öffentliche und private Trauer

Mögen wir so sehr eins sein, dass, wenn einer weint,n der andere Salz schmeckt. Khalil Gibran

Am 22. Dezember 2009 verabschiedeten sich Katie und Zack von ihrer Mutter, um sich in ihrer Kleinstadt im Süden Arizonas mit Freunden zu treffen. Es war das letzte Mal, dass sie sich sahen. Bei einem plötzlich aufkommenden Staubsturm kollidierten neun Sattelzüge und 13 Personenkraftwagen in einem so überwältigenden Flammenmeer, dass von der Straße auch acht Stunden später noch Rauch aufstieg. Bei dem schrecklichen Unfall verloren Katie und Zack ihr Leben. Ihre Eltern Sandie und Mark erlitten einen unwiederbringlichen Verlust, der sie für immer verändern sollte. Alle zwei Wochen besuchten sie mich in Phoenix, eine vierstündige Fahrt von ihrem Wohnort entfernt. Sandie saß oft einfach nur weinend da. Auch Mark weinte, war aber offener für Gespräche.

Indem sie ihrer Trauer Ausdruck verliehen, fühlten sich Sandie und Mark ein wenig besser. Sandie sagte: „Es ist so, als ob man zu viel gegessen hätte und einen Teil davon wieder abführen würde. Das schafft ein bisschen mehr Platz für die Traurigkeit, von der ich schon so lange esse.“

Katies und Zacks Tod war stark in den Medien präsent, sie wurden schon im Fernsehen genannt, als ihr älterer Bruder noch gar nicht verständigt worden war. Medienvertreter stellten Sandie und Mark nach, um an Interviews zu kommen. Verstörende Bilder des Unfalls wurden weltweit im Fernsehen gezeigt. Die respektlose Art und Weise, wie Katies und Zacks Tod unsensibel und sensationslüstern von den Massenmedien ausgeschlachtet wurde, führte bei den Eltern zu nur noch größerer Angst und Vereinsamung. Sechs Jahre später sind die Kinderzimmer noch immer unangetastet, wie eine heilige Stätte, an der alles seinen festen Platz hat. Freunde fanden, es sei für Sandie und Mark nicht gut, die Zimmer einfach so zu belassen. Den Tränen nah erwiderte Sandie, wenn sie etwas an den Zimmern verändern würde, habe sie das Gefühl, sie würde noch mehr von dem Wenigen verlieren, was noch von ihnen übrig war. Die Zimmer unangetastet zu lassen, war ein symbolischer Weg für sie, um ihren Kindern weiterhin nahe zu sein – was viele einfach nicht verstanden. Und ohne dieses Verständnis zweifelten und urteilten andere, als hätten sie selbst die immense Last zu tragen.

Im Laufe der Jahre brachten einige wenige Menschen ihnen aktives Mitgefühl entgegen, worüber Sandie und Mark sehr froh waren. Ein Lehrer aus der Schule ihrer Kinder organisierte einen Gedächtnismarsch für Katie und Zack, um ein Stipendium zu ihrem Gedenken zu finanzieren. Wegen Katies beständigem Engagement für den Vegetarismus trat Sandie in ihre Fußstapfen und ernährte sich von nun an pflanzlich. Und wegen der tiefen Liebe ihrer Kinder zu Tieren engagieren sie und Mark sich jetzt in der Hunderettung.

Bis sie an diesen Punkt gelangten, war es für sie ein langer, beschwerlicher Weg.

Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als das Begräbnis von Prinzessin Diana im Fernsehen übertragen wurde und Millionen von Zuschauern die Prozession verfolgten.

In derselben Woche rief mich eine Frau an, die sich Sorgen machte, weil ihre Schwester, deren Baby bei der Geburt gestorben war, das Begräbnis ihres Babys auf Video aufnehmen wollte. Die Anruferin fand das makaber und anormal und bat mich, ihre Schwester davon zu überzeugen, es nicht zu tun.

„Haben Sie zufällig das Begräbnis von Diana gesehen?“, fragte ich ganz behutsam. Sie verstand sofort. Es ergab keinen Sinn, sich das Begräbnis einer Fremden anzusehen und dabei gleichzeitig das persönliche Gedenken ihrer Schwester infrage zu stellen. Das Begräbnis von Prinzessin Di und die Geburtstagsfeierlichkeiten für Elvis in Graceland sind beispielhaft für das öffentliche Zelebrieren einer fiktiven zwischenmenschlichen Beziehung zu Fremden. Unsere Gesellschaft akzeptiert Graceland als Museum, aber kritisiert Sandies und Marks legitime Entscheidung, die Zimmer ihrer Kinder unangetastet zu lassen. Berechtigte Trauer wird hinterfragt, während die Trauer um fremde Prominente glorifiziert wird. Genau betrachtet ist das doch ziemlich merkwürdig.

Entscheidungen, die wir als Trauernde treffen, verdienen den Respekt der anderen.

Trauernde müssen von ihrem Umfeld respektvoll gefragt werden, ob und wie ihr Schicksalsschlag öffentlich gemacht werden soll. Wir sollten unseren Schmerz so zum Ausdruck bringen und unserer Lieben so gedenken können, wie wir es wollen. Wenn wir Glück haben, schenkt unser Umfeld uns Großzügigkeit ohne die Erwartung von Gegenleistungen, Privatsphäre, ohne uns dabei zu isolieren, selbst gekochtes Essen, ohne dafür unseren Dank zu erwarten, und das gut gemeinte „Ich bin für dich da“, ohne dass wir darauf eingehen müssen.

Beistand wie dieser, so vergleichsweise selten es ihn gibt, ist allerdings oft nur von kurzer Dauer, die Trauer aber bleibt. Die Leute kehren rasch wieder in ihren gewohnten Alltag zurück. Normalität stellt sich ein, zumindest für diejenigen, die nicht trauern.

Aber wenn wir Angst haben und leiden, brauchen wir andere, mit denen wir ehrlich sein können. Wir brauchen andere, die mit uns gemeinsam durch das Tal der Tränen gehen, manchmal immer und immer wieder. Wir brauchen jemanden, an den wir uns wenden können, der vertrauenswürdig ist, nicht urteilt, nicht dichtmacht oder unserem Leid ausweicht. In unserem Schmerz brauchen wir vielleicht auch erst einmal den Mut, uns überhaupt an andere zu wenden. Und all das brauchen wir auf unbestimmte Zeit.

Trost und Zuwendung kommen aus vielerlei Richtungen. Aufmerksame, achtsame, nicht urteilende Zuhörer sind oftmals dort zu finden, wo wir es am wenigsten erwarten. Achten Sie auf Menschen, die bereit sind, Ihnen beizustehen, und suchen Sie ihre Hilfe.

Die Zeit mit solchen Menschen kann Ihnen in unwegsamem Gelände Halt geben.

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Ritueller und künstlerischer Umgang mit Trauer

Zu lieben bedeutet, uns sowohl Trauer, Kummer und Enttäuschung als auch Freude, Erfüllung und somit einer Intensität des Bewusstseins zu öffnen, die wir zuvor nicht für möglich gehalten haben. Rollo May

Je nach der Region, in der wir leben, unserer Religion und unserer ethnischen Zugehörigkeit können wir Trauer auf unterschiedliche Weise ritualisieren, verstehen und verarbeiten, doch gleichzeitig ist Trauer der am meisten verbindende Aspekt der menschlichen Erfahrung. Jede Kultur und jede Religion weiß von der Trauer.

Siddhartha Gautama, der zum Buddha wurde, verlor bereits im Säuglingsalter seine Mutter Mayadevi. Mit der Kreuzigung Jesu wurde die Jungfrau Maria zur trauernden Mutter. Jesus trauerte, als sein Freund Lazarus starb, auch wenn er an das ewige Leben glaubte. Mohammed verlor seinen jungen Sohn Ibrahim und seinen Enkel. Abraham begrub seine Frau Sarah und der Thora zufolge brauchte ihr Sohn Isaak nach ihrem Tod drei Jahre, bis er wieder Liebe und Trost in den Armen seiner Frau Rebekka fand. In der Bahai-Tradition starb Bahá’u’lláh’s Vater in dessen früher Jugend.

Über Zeiten, Kulturen und Religionen hinweg berührt Trauer uns alle. Trauer ohne festes Verfallsdatum ist eine unausweichliche Wahrheit der menschlichen Existenz. Trauer ist von Natur aus labyrinthisch und rätselhaft; sie hat emotionale, körperliche, soziale, zwischenmenschliche, wirtschaftliche, spirituelle und existenzielle Auswirkungen.

Zahlreiche Faktoren beeinflussen, wie Trauer sich manifestiert: unsere Beziehung zum Verstorbenen, die Todesart, die Intensität unserer Liebe und Verbindung, gegenseitige Abhängigkeiten, Totenrituale bei frühzeitigen Todesfällen, wie während des Trauerfalls mit uns umgegangen wird, wie wir darüber benachrichtigt werden, das Verhalten anderer uns gegenüber in der Zeit danach, unsere Weltsicht, unsere geistige und spirituelle Orientierung, frühere Verluste und Traumata und wer wir in unserem Innersten sind. All das beeinflusst unsere Trauererfahrung zutiefst – und ebenso einzigartig können auch Trauerrituale sein.

Es ist eine Herausforderung, Studenten etwas über das Trauern beizubringen, wenn sie selbst noch nie getrauert haben, aber es ist auch kein Ding der Unmöglichkeit. Als Professorin an der Arizona State University liegt mein Schwerpunkt in der Forschung, aber ich leite auch vier Kurse im Jahr. Am beliebtesten ist mein Kurs über traumatische Todesfälle und Trauer. Die Studenten schreiben sich für ein Semester Erlebnispädagogik ein, weil sie offenbar verstehen, dass ihnen später als Berater, Therapeuten, Fachkräften oder einfach als Menschen, die lieben, irgendwann einmal die Trauer begegnen wird. Als Teil der Lehrveranstaltungen bitte ich die Studenten darzulegen, was sie unter Trauer verstehen, woraus sich dann ein kreatives Kunstprojekt entwickelt.

Ein hervorragendes Beispiel kam von einer zurückhaltenden, feinfühligen Studentin namens Theresa:

Rezept für unverarbeitete Trauer

Aus Theresas Herzküche

1 Portion

Zutaten:

1 gehäufte Tasse Ungläubigkeit

1 Esslöffel von dem Unwillen, Abschied zu nehmen

16 Unzen qualvoller Schmerz

3 Tassen brutale Traurigkeit

2 Esslöffel Verwirrung (ersatzweise Zweifel)

½ Tasse permanente Qual

8 Unzen Wut (ersatzweise Unverstandensein)

2 Teelöffel quälende Schuldgefühle

¾ Tasse Scham

1 Liter Einsamkeit

1 Prise Vorzeitigkeit und Sinnlosigkeit

Zubereitung: Ofen auf 1200 Grad vorheizen. In einer kleinen Schüssel Ungläubigkeit mit dem Unwillen, Abschied zu nehmen, mischen. Dann aus qualvollem Schmerz Binsenweisheiten schneiden und beiseitelegen. Den Schmerz mit der Mischung überziehen. In heißer Eisenpfanne braten, bis alles schwarz ist. Zur Seite stellen. Großen Topf mit Tränen füllen und zum Kochen bringen. Hitze herunterschalten; brutale Traurigkeit in den Topf gießen und abdecken. Wochenlang köcheln lassen. Wenn die Traurigkeit taub geworden ist, vom Herd nehmen und Tränen abgießen. Verwirrung und permanente Qual in Traurigkeit einrühren und zur Seite stellen. Wut mit einem Hammer weich schlagen. In mundgerechte Stücke schneiden. Mit quälenden Schuldgefühlen und Scham bei starker Hitze in einer Pfanne braten. Wenn die Wut rot wird, Pfanne vom Herd nehmen. Nun den Schmerz auf dem Boden einer Auflaufform verteilen. Die Traurigkeitsmischung darauf geben und mit Wut, Schuldgefühlen und Scham bedecken. Mit Einsamkeit abschließen. Mit Vorzeitigkeit und Sinnlosigkeit würzen. In den Ofen stellen und backen, bis die Einsamkeit zu heftiger Sehnsucht wird. Ein Leben lang ziehen lassen.

Hinweis: Passt gut zu totaler Angst. Am besten erstickt in Liebe und Mitgefühl servieren (braucht eventuell etwas Unterstützung). Mit einem Hauch Frieden garnieren.

Ähnlich wichtige Aspekte wurden von vielen weiteren Studenten angesprochen.

Eine junge Frau schrieb einen Brief an ihre Schwester, die schon vor fast dreißig Jahren gestorben war, als sie selbst noch gar nicht lebte. Sie schrieb ihrer Schwester, dass sie erst jetzt durch diesen Kurs wirklich nachvollziehen konnte, was ihre Eltern durchgemacht hatten, als sie ihren Tod ertragen mussten. Sie entschuldigte sich bei ihrer Schwester, dass sie sie an Feiertagen und wenn andere fragten, ob sie eine Schwester hatte, nicht gewürdigt hatte. Sie entschuldigte sich bei ihr sogar dafür, dass sie ihrer beider Mutter in dem Brief „meine Mutter“ nannte. Sie versprach, von nun an ihren Platz als Erstgeborene in der Familie anzuerkennen. Sie beendete den Brief mit den Worten: „Ich werde mit unserer Mutter über dich sprechen und deiner gedenken.“

Eine andere Studentin fertigte ein Kunstwerk für ihren Vater an, der Selbstmord begangen hatte, als sie acht Jahre alt gewesen war. Es war eine Skulptur von ihm in seinem letzten Moment, kurz vor seinem Tod, mit Engelsflügen, die ihn umfingen. Sie stand als kleines Mädchen mit ausgestreckter Hand vor ihm. Seine Augen blickten sie an. Sie nannte ihr Werk Catharsis.

Um etwas an dem feindseligen Verhältnis unserer Gesellschaft zur Trauer zu verändern, kommt der Trauerschulung eine wesentliche Bedeutung zu – und expressive, kreative Kunst ist ein wichtiger Teil davon.

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23 aralık 2023
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