Kitabı oku: «Leben und Überleben in Mecklenburg und Bremen 1943 bis 1948»
Jobst Schöner
LEBEN UND ÜBERLEBEN
in Mecklenburg und Bremen
1943 bis 1948
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2016
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detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor!
6. überarbeitete Auflage
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Was vorher geschah
Vom Leben in Vimfow
Die goldenen Räder
Das Haus
Der Hof
Das Klo
Schule
Berni
Das Zielgebiet
Berta
Heimaterde
Bertas Freundin
Der rote Rock
Der Abschied
Fohlen
Pferde
Der Zahn
Drücker
Erntehelfer
Galopp vierspännig
Widder
Der Schweinetrog
Ballerbüchse
Pfeil und Bogen
Die Wäschemangel
Machart
Ochsen
Hühner
Habicht
Enten
Haareschneiden und anderes
Im Stroh
Die Landung
Streusel
Buttercreme
Warzen
Die Schwalbe
Das Dreschen
Kraniche
Treibjagd
Holz
Holzhacken
Speck
Schlitten
Der Peekschlitten
Der Krieg kommt näher
Bomber
Russen
Andere Flieger
Treck
Einquartierung
Markstammkohl
Scharlach und Mörser
Die Henker
Jochen: krank und gelähmt
Gisas heimliche Flucht
Topfschießen
Sie kommen
1. Russen, Panzer
2. Der Generalstab
3. Die Waffe
4. Soldateska
Ein Haufen
Die schwarzen Geier
Tage in Vimfow
Kommandantura
Ruhr
Kaputt
Lieber Gott …?
Brot
Spionka
Auszug aus Vimfow
Farbe Grau
Das Leben in Herzberg
Herzberg
Das Schloss
Das Fest
Pulver
Papieri
Geld wie Heu
Der weiße Schirm
Kühe
Mehl und Zucker
Marmelade
Rotes Kreuz
1. Der Schiss
2. Das Bein
3. Holzkohle
4. Typhus
5. Die Binde
6. Die Operation
7. Deutsche Soldaten
Wasili
Eier
Schrot
Dimitri
Der Feuermacher
Janett
Wasserzauber
Igors Schiksal
Das Herz
Partisanenjagd
Schwarze Schafe 1
Schwarze Schafe 2
Schnitterkarl
Das rote Tuch
Der wilde Mann
Einer zu viel
Viel Fett
Der Leckerbissen
Auch Milchkühe können wild werden
Kuhhandel
Der neue Kommandant
Der Blechzahn
1. Der Herr Kommissar
2. Die Behandlung
3. Trinkfest
4. Für das Vaterland
„Heiliger Nikolai“
Karamellpudding
Jochen
Die Reise
Die große Reise und das Danach
Die Ausweisung
Vier Wochen Reise in Etappen
Etappe: Parchim – Ludwigslust
Etappe: Ludwigslust – Wittenberge – Stendal
Etappe: Stendal – Magdeburg
Beklaut
Etappe: Magdeburg – Aschersleben + krank
Etappe: Aschersleben – Erfurt – Eisenach
Der Unfall
Etappe: Eisenach – Bebra – Lager Bebra
Etappen: Bebra – Kassel – Hannover – Bremen
Bremen
Probleme
Der Schock
Ratzeburg- Römnitz
Der Brief
Entnazifizierung
KZ-Ausstellung
Schwarzmarkt
Lebensmittelkarte
Trägerlohn
Ins Schwabenland
Selber Schuld
Die Partei: NSDAP, SA, VDA
Der Krieg
Zum Schluss: Noch eine Bemerkung
Anhang
Nachklapp
Vorwort
Es heißt immer, man solle die Dinge, die damals passiert sind, für die Nachwelt aufschreiben.
Wir haben die Bombenangriffe in Bremen erlebt, die Evakuierung und die Umevakuierung nach Vimfow in Mecklenburg.
Die eigentlichen Geschichten spielten sich zwischen dem Sommer 1943 und 1948 ab. Die Erzählungen beginnen infolgedessen mit der Umevakuierung nach Vimfow in Mecklenburg.
In Vimfow fanden wir für einige Zeit eine von den Kriegswirren weniger beschwerte Unterkunft bis zum Einmarsch der Russen. Später wurden wir nach Bremen ausgewiesen. Das Leben danach in Bremen war nicht ohne Probleme. Sie enden vorläufig mit den Schikanen der Entnazifizierung meines gefallenen Vaters und vielem mehr.
Da ich alles aus meiner Erinnerung schreibe, kann es sein, dass ich hier und da in meinen Erzählungen nicht absolut genau bin. Auch bin ich in einigen Punkten auf die Äußerungen meiner Mutter angewiesen. Trotzdem hoffe ich, dass ich mit meiner Arbeit den Lesern Eindrücke über die damaligen Verhältnisse vermitteln kann.
Wiesloch, den 9. 8. 2000
Nachdem ich die ersten unkorrigierten Exemplare meiner Geschichten an meine Geschwister verteilt hatte, wunderten diese sich über mein gutes Gedächtnis und erinnerten sich an vieles, sodass ich einige kleine Ergänzungen vornehmen konnte.
Im Sommer 2001 besuchte ich Vimfow, Mestlin und Herzberg. Ich traf dort auf alte Bekannte. Die dritte Auflage wird durch zwei Fotos ergänzt.
Die vierte Auflage wurde nochmals ergänzt und überarbeitet.
Wiesloch, Januar 2008
Auch die fünfte Auflage wurde ergänzt, überarbeitet und neu gestaltet.
Wiesloch, Juli 2012
Die sechste Auflage wurde ergänzt, überarbeitet und neu gestaltet.
Wiesloch, 1. Juni 2015
Was vorher geschah
Im Dezember 1934 kam ich in Bremen zur Welt. Meine Eltern mussten den damaligen Sitten entsprechend heiraten. Das Leben war, durch die Wirtschaftskrise bedingt recht ärmlich. Im April 1936 wurde mir mein Bruder Karl geschenkt. Im Sommer 1936 bekam mein Vater seine erste Stelle als Hilfslehrer.
1937 erbte meine Mutter ein kleines Vermögen und kaufte ein Haus. Im Januar 1938 kam dort meine Schwester Eke zur Welt und im Juni 1939 folgte mein Bruder Jochen.
Bereits 1937 kaufte meine Mutter einen Opel, mit dem wir im Frühjahr von Bremen nach Freiburg fuhren. Im Sommer 1937, 38 und 39 verbrachten wir mit Auto und Säugling unsere Ferien in Dierhagen an der Ostsee. Bereits 1939 oder 40 wurde das Auto vom Staat konfisziert.
Da mein Vater widerwillig in die Partei eingetreten war, wurde er nur als Hilfslehrer an verschiedenen Orten eingestellt. Da er infolgedessen häufig zu spät zu den Versammlungen kam, wurde nach einer Auseinandersetzung aus der Partei ausgeschlossen und in eine andere unbedeutende Organisation abgeschoben. Ende 1941 wurde mein Vater zum Militär geholt.
Bald danach fielen die ersten Bomben in unserer Nähe. Beim zweiten schweren Angriff im Spätherbst fielen noch mehr Bomben in unmittelbarer Nähe. In unserem Luftschutzkeller wurden wir bei jeder Bombe durchgeschüttelt, dann gab es plötzlich einen Ruck, dass wir fast aus unseren Betten fielen. Das war eine Luftmiene.
Diese Luftmiene hat das Nachbarhaus buchstäblich vom Fundament geblasen und das lag nun als riesiger Schutthaufen über den ganzen Garten verstreut. In unserem Haus gingen alle Fensterscheiben zu Bruch, alle Einweckgläser explodierten, Vaters Schreibtisch rutschte quer durch zwei Zimmer vom Vorderhaus bis beinahe in den Garten.
Auf der Straße lagen am anderen Morgen überall Phosphorspritzer. Man durfte nicht hinein treten, weil er sonst Löcher in die Schuhe brannte. Viele Dutzend Stabbrandbomben steckten in den Gärten und lagen auf den Straßen herum.
Nach diesem Bombenangriff wurden wir evakuiert. Das heißt, wir wurden mit den wichtigsten Habseligkeiten quer durch Deutschland nach Herrnhut in die Oberlausitz verfrachtet und dort einfach bei einer fremden Familie in die Wohnung gesetzt. Fünf Personen in einem Zimmer, Küche und Toilette mit der Gastfamilie gemeinsam.
Dort, in Herrnhut, kam meine zweite Schwester am 1. Februar 1943 zur Welt, die Nummer fünf von uns Geschwistern.
Meine Mutter zog im Frühjahr mit meinen drei jüngeren Geschwistern nach Vimfow in Mecklenburg in ein altes Gutshaus um, bzw. ließ sich umevakuieren. Vimfow gehörte, neben Mestlin und Groß Thurow, meinem Großonkel und Patenonkel meiner Mutter. Mein Bruder Karl und ich folgten im Sommer 1943.
Dort fanden wir für einige Zeit eine von den Kriegswirren weniger beschwerte Unterkunft, … und damit beginnen meine Erzählungen.
Als dann im Frühjahr 1945 die Russen kamen, war meine Mutter 33 Jahre alt. Ich war 10 Jahre alt, mein Bruder Karl 9, meine Schwester Eke 7, Jochen mit fast 6, an beiden Beinen gelähmt und meine Schwester Heilwig war erst 2 Jahre alt.
Auch nach unserer Ausweisung zurück nach Bremen war das Leben nicht ohne Probleme.
Vom Leben in Vimfow
DIE GOLDENEN RÄDER
Mein Bruder Karl und ich saßen im Zug zwischen Neustrelitz und Waren. Wo das ist? Etwas mehr als 100 km nördlich von Berlin. Wir waren schon frühmorgens, eigentlich noch in der Nacht, in Herrnhut auf den Bahnhof gebracht worden. Von dort ging es über Zittau nach Görlitz. Von dort über Cottbus, Frankfurt a. d. Oder nach Neustrelitz. Dort wurden wir wieder umgesetzt in Richtung Waren.
Jedes Mal das Gleiche, wenn der Zug auf einer größeren Station hält. Frauen mit weißen Schürzen schauen in die Waggons, in denen Kinder sitzen, rufen Namen und lesen die Pappschilder, die wir um den Hals hängen haben und schreiben etwas auf die Listen in ihren Händen. Einmal bekommen wir Kornkaffee mit ein wenig Milch und ein Margarinebrot. Mittags bekommen wir beim Umsetzen auf einer Station eine Kohlsuppe mit Kartoffeln.
Ich saß rechts im Waggon und schaute zum Fenster hinaus. Karl saß links und döste vor sich hin. Außer uns beiden saß niemand in unserem Waggon. Die Papptafeln mit unserem Namen, Adressen und dem Reiseziel hingen wie zwei steife Lätzchen an unseren Hälsen.
Rechts drehte sich die Landschaft wie ein riesiges Rad am Zugfenster vorbei. In der Ferne stand fast unbeweglich ein Baum, um den schien sich alles zu drehen. Am Zug sausten Gebüsch, einzelne Bäume und die schwarzen Stangen mit den Telegrafenleitungen vorbei. Dazwischen bis zu dem Baum fast am Horizont goldgelbe Felder mit vereinzelten grünen Tupfen von Gesträuch und noch einmal Felder und Felder, so weit man sehen konnte, goldgelb bis zum Horizont, wo der hellblaue, wolkenlose Himmel begann.
Auf der linken Seite des Zuges drehte sich ein ebensolches goldgelbes Rad, genau so schnell oder langsam, ganz wie man es betrachtete. Die grünen Zweige der Büsche und Bäume sausten mit einem Tempo am Zug vorbei, dass einem schwindlig werden konnte, aber die goldenen Felder drehten sich gemächlicher, je weiter sie weg zu sein schienen. Wenn der Baum in der Ferne sich zu weit nach hinten verschoben hatte, begann sich die riesige Scheibe ganz unmerklich um einen neuen Fixpunkt am Horizont zu drehen. – Es sah wunderschön aus.
Einmal kam ein Stück Feldweg mit einer Schranke auf meiner Seite vorbeigesaust. Als wieder einmal ein Feldweg oder eine Straße auf meiner Seite nahte, sah ich schnell nach, ob auf der anderen Seite des Zuges vielleicht die andere Hälfte sich näherte. Ich ging bis an das Waggonende zurück, sodass ich in Fahrtrichtung am anderen Ende des Waggons gleichzeitig rechts und links aus den Fenstern sehen konnte. Beide Hälften sausten im gleichen Augenblick vorüber. Ich passte die nächste Straße ab. Wieder beide Hälften im gleichen Augenblick.
Die Straßen erkennt man an den langen Baumreihen, die sie auf beiden Seiten begleiten und sich in der goldgelben Ferne verlieren. Dazwischen tauchen Baumgruppen auf, durch die rötlich-braune Dächer hervorlugen.
Der Zug hält. Wieder kommt eine Frau mit weißer Schürze und Rote-Kreuz-Binde. Sie setzt uns um in einen anderen Zug.
Der Waggon, in den wir in Waren umgesetzt werden, ist kurz. Es ist ein Bummelzugwagen mit nur zwei Achsen. Vorne und hinten eine Plattform. Wir dürfen nicht aus dem Wagen auf die Plattform. Also bleiben wir drinnen. „Ratat … ratat … ratat“ rüttelt der Wagen. Karl mault und quengelt. Später schläft er ein. Wieder Felder, Felder, dann Bäume und kleine Waldstücke und kleine Teiche und nichts als goldgelbe Felder.
Dann endlich wieder eine Bahnstation: „Karooow …“ und immer noch kein Ende der Bahnfahrt. Man tröstet uns: Bis Goldberg ist es nicht mehr weit. Und es ist doch noch weit und immer noch goldgelbe Felder mit grünen Tupfen. Ich mag nicht mehr aus dem Zug sehen. Die Augen tun weh. „Taktat … taktat … taktat“ der Zug scheint auf der Stelle zu stehen. Die Büsche, Bäume und schwarzen Telegrafenstangen scheinen vorbei zu kriechen. Ich bin so müde.
Die Bremsen quietschen und kreischen müde und gequält. „Goldbeeerg …“. Der Zug hält an einem Bahnübergang. Zwei Reihen Häuser stehen die Straße entlang. Die Kleinstadt liegt weit ab. Einige Leute stehen auf dem staubigen Bahnsteig. Wir werden wieder von einer Frau mit einer weißen Schürze und Rote-Kreuz-Binde aus dem Zug geholt.
Mutter steht da. Unsere Papptafeln werden von unseren Hälsen abgehängt. Wir werden unserer Mutter übergeben. „Freut ihr euch nicht?“ – „Nö“, sagt Karl halbwach und stolpert an Mutters Hand den staubigen Weg zur Straße. Dort wartet eine viersitzige Droschke mit zwei Pferden und Kutscher.
Wir fahren auf einer dieser endlosen Straßen mit Baumreihen rechts und links. Auf dem Kleinpflaster aus Blaubasalt singen die Räder der Droschke: „RRrrr RRrrr RRrrr.“ Die Hufeisen klappern munter: „Kluk-klak-klukklak.“
Es ist Spätnachmittag, es riecht nach reifem Getreide, es geht ein kühler Wind und Mutter redet und redet. Dafür bekommen Karl und ich vor Müdigkeit den Mund nicht auf. Weil wir nicht antworten, ist Mutter sauer und klemmt den Mund zu. Karl und ich sind froh, dass wir endlich Ruhe haben.
Rechts neben der Straße kommen Bäume und Häuser auf uns zu. An der Straße steht ein Schild. Mutter sagt: „Das ist Techentin. Wir sind gleich da.“ Die Bäume und Häuser verschwinden hinter uns. Links tauchen Bäume und Häuser auf, ein kleiner Junge kommt uns entgegen gelaufen. Mutter hebt ihn in die Droschke und sagt: „Das ist euer Bruder Jochen.“ Der kräht laut und deutlich: „Ich bin Babarossa-Schnickefett!“
Wieder ein Schild: „Vimfow“. An der ersten Zufahrt fahren wir vorbei. Dann biegen wir links ab in Gegenrichtung in den Gutshof: links eine riesige Scheune mit Fachwerk und Strohdach, rechts der Dorfteich mit Weiden an den Ufern und dahinter weitere Scheunen und Ställe, da zwischen ein großer freier Platz.
Hinter einer Baumgruppe mit einem verwahrlosten Rondell, ein anderthalbstöckiges, leicht vergammeltes Gutshaus aus Backstein,
„unser neues Zuhause.“
Wir werden aus dem Wagen gehoben. Wir sollen etwas essen. Als wir ins Bett sollen, wissen wir nicht mehr, ob wir müde sind. So müde sind wir.
DAS HAUS
Karl und ich müssen wie zwei Felsen geschlafen haben. Aus dem Bett waren wir heraus, gewaschen hatten wir uns bestimmt auch. Jetzt saßen wir mit Mutter und den anderen Geschwistern am Frühstückstisch. Heilwig, die Kleinste, lag im Stubenwagen. Das Frühstück machte mich munter. Mein Taten- und Erkundungsdrang erwachten. Da ich nicht aufstehen durfte, bevor alle fertig gegessen hatten, blieb ich ungeduldig sitzen. Karl, der das merkte, aß besonders langsam und viel, was mich nervte. Irgendwann war auch er fertig und ich durfte hinaus. Meine Schwester Eke führte mich herum.
Das Haus, in dem wir jetzt zu Hause waren, war ein ehemaliges lang gestrecktes Gutshaus aus roten Backsteinen. Es lag am östlichen Ende des Gutshofes hinter einem Rondell mit einigen Bäumen. Wir wohnten auf der Rückseite und hatten oben unter dem Dach noch ein Zimmer und eine Kammer. (Siehe: Foto und Skizze)
In der Mitte der Rückseite des Hauses befand sich der rückwärtige Ausgang unseres Wohnzimmers mit einer etwas zu klein geratenen Freitreppe, die in den Park führte. Das Wohnzimmer hatte ein kleines Nebenzimmer. Dort schlief meine Mutter.
Ein ziemlich verlotterter Park zog sich in einem großen Halbkreis um die Freitreppe herum. Am Haus entlang gab es einige Gemüsebeete mit Karotten, Erbsen, Salat und anderem, weniger interessantem Gemüse. Meine Schwester holte einige Salatblätter und sagte, dass wir Mutter nichts sagen dürften. Dann ging sie zu einem Sandkasten, zeigte uns stolz ihre griechischen Landschildkröten, fütterte sie und beteuerte, dass sie sich eigentlich vor diesen Tieren ekle, was nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen musste. Meiner Schwester bereitet es auch heute noch großes Vergnügen, von gruseligen und ekligen Dingen zu erzählen.
Die Tiere fesselten unser Interesse. Schildkröten kannten wir nur aus Bilderbüchern. Sie bewegten sich sehr langsam. Nur wenn es Salat gab, wurden sie munterer. Angeblich sollen sie, wenn man nicht auf sie aufpasst, sehr flink das Weite suchen. Aus diesem Grund hatte Mutter allen Tieren ein Loch hinten durch den Panzer gebohrt und eine Schnur hindurch gezogen, damit man sie außerhalb des Sandkastens festbinden konnte.
Bei der Untersuchung des „Parks“ stellten Karl und ich fest, dass der Weg zwar rechts herum durch ein Gebüsch einen Buckel hinaufführte, aber dann zugewachsen war. Es gab nur einen Ausweg. Rechts durch das Gestrüpp führte ein Trampelpfad zu einem großen Loch im Zaun. Der Zaun war verrostet und bestand nur aus größeren und kleineren Löchern. Von einem großen Loch aus führte ein Weg über die Felder nach Augzin. In Augzin gab es einen Schuhmacher und inoffiziellen Uhrmacher. Ersterer war besonders wichtig, weil er weit und breit der einzige war.
Der Weg führte über die Felder. Im Winter waren die Felder umgepflügt, dann war es beschwerlich zu laufen, oder man durfte nicht auf den frisch ausgekeimten Winterweizen treten. Im Frühjahr waren die Felder nass und matschig und kaum begehbar. Im Sommer durfte man nicht durch die Felder, weil man das Getreide schonen musste.
Nur nach der Ernte durften wir barfuss über die Stoppeln laufen. Das hört sich nicht so schön an, aber nach kurzer Zeit hatten wir gelernt, wie man unbeschadet durch die spitzen Stoppeln laufen kann. Wir liefen trotzdem zu jeder Jahreszeit zu Fuß diesen Weg. Nur den Anfang des Weges verlegten wir regelmäßig, damit unsere Spuren nicht zu offensichtlich wurden.
Im linken rückwärtigen Ende des Hauses lag die Küche mit einem kleinen Nebenzimmer. Die Küche hatte für uns Kinder riesige Ausmaße. Der Herd war aus Ziegelsteinen gemauert und hatte drei Feuerstellen, zwei Backöfen, einen Waschkessel und mindestens drei oder vielleicht sogar fünf Kochstellen, bei denen man die Ringe entfernte und die Kochtöpfe einsetzte, damit sie direkt auf der Flamme saßen.
Über dem Herd hing eine riesige schwarz verrußte Esse. Der ganze Fußboden war mit Klinkern gepflastert. In der Ecke gegenüber dem Herd stand zwischen zwei großen Fenstern eine gusseiserne Wasserpumpe mit einem Pumpenschwengel. Darunter befand sich ein Loch in der Wand, durch das das Wasser hinauslief, wenn man die Küche geputzt hatte oder das Geschirr gespült hatte. Einen Ausguss im heutigen Sinne gab es nicht. Draußen lief die Brühe dann in einer schmalen Rinne vom Haus weg ins Gestrüpp.
Gegenüber unserer Küche wohnte Frau Pralow mit ihrer Tochter Hannelore. Die Tochter hatte bemerkenswert schöne Zöpfe.
Am rechten Ende des Gutshauses wohnte die Frau des Vorarbeiters Kolbow. Ihr Sohn bildete sich ein, etwas Besonderes zu sein. Er war schon in der 5. Klasse und musste nachmittags in die Schule. Außerdem war er viel stärker als mein Bruder Karl und ich zusammen. Das zeigte er uns recht oft. Danach ärgerte er sich jedes Mal furchtbar, weil Karl und ich nicht mehr mit ihm spielen wollten.
Wir drei Jungs hatten eine Treppe höher ein Zimmer unter dem Dach. Im Sommer war es dort erträglich, weil die Bäume Schatten auf das Haus warfen. Im Winter fror oft das Wasser in der Emailwaschschüssel. So kalt wurde es da oben. Das hatte auch seine Vorteile. Uns war gefrorenes Wasser lieber als eiskaltes, da wir uns dann morgens nicht waschen konnten. In der Küche bekamen wir dann etwas warmes Wasser fürs Gesicht und zum Zähneputzen.
Oben im Haus über der Küche befand sich noch eine Dachkammer, in der zeitweise eine Henne brütete. Zum Füttern der Henne durften wir mit hinauf und zusehen. Die Henne sah unheimlich dick aus, wenn sie aufgeplustert auf den Eiern saß. Dabei vollbrachte sie das Kunststück mehr als zwanzig Eier unter ihren Flügeln zu verstecken. Der eigentliche Hühnerstall war in einem Teil des Pferdestalls untergebracht, wo auch Pralows und Kolbows ihre Hühner hielten.
Vor dem Haus befand sich das Rondell mit einem schütteren Grasbewuchs. Diesen hielten die zahlreichen Hühner kurz. Zu beiden Seiten des Rondells wuchsen in einem Schneebeerengestrüpp große Robinien, die so groß waren, dass sie auch dem Gutshaus Schatten spendeten.
Der Weg um das Rondell war nicht gepflastert. Auf der Hausabgewandten, sonnigen Seite des Rondells, wo die Hühner ihre Sandbäder nahmen, hatten sie große Mulden in den Sand gewühlt. Da die Hühner den Sand nicht verkotet hatten, nahmen wir Kinder dort auch gelegentlich ein Sand- und Sonnenbad oder spielten dort.