Kitabı oku: «Luzifer junior (Band 1) – Zu gut für die Hölle»

Yazı tipi:


»HUNDERTTAUSEND HEULENDE HÖLLENHUNDE! DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN! WER WAR DAS?«


Mörder kriegen keine Erdnüsse


Mörder kriegen keine Erdnüsse



Ich. Ich war das, Papa.

»BIN ICH DENN NUR VON STÜMPERN UMGEBEN? VERFLUCHT NOCH MAL! WIE SCHALTET MAN DAS DENN AUS? STEVEN? STEVEN!«

»Ja, Chef?«

»DU HAST DOCH DEN GANZEN NEUMODISCHEN QUATSCH HIER INSTALLIERT! WIE SCHALTET MAN DAS AUS?«

»Sie müssen einfach nur die Stopp-Taste drücken.«

»DIE STOPP-TASTE? WELCHES IST DENN DIE STOPP-TASTE? DIE MIT DEM PFEIL?«

»Nein, die daneben. Die mit dem Kästchen.«

Unfassbar, oder? Mein Vater weiß nicht einmal, wie eine stinknormale Stopp-Taste aussieht. Und er ist der oberste Boss hier.

»DAS FUNKTIONIERT NICHT! JETZT IST ES NOCH LAUTER GEWORDEN!«

Klar. Weil ich die Tasten vertauscht habe.

»Kann nicht sein«, sagt Steven. »Mein Computersystem ist das beste der Welt. Wenn man da auf die Stopp-Taste drückt, dann stoppt die Musik auch.«

»Da stoppt überhaupt nichts. Guck doch selbst! Die tanzen da unten! Die haben SPASS! Das geht nicht! Das verstößt gegen die Hauptdirektive! Hier gibt es keinen Spaß! Wir sind das Gegenteil von Spaß! Das muss aufhören! Mach was, Steven! Und zwar sofort! Sonst kannst du für den Rest der Ewigkeit Fenster putzen!«

»Nein, bitte nicht!«, jammert Steven. »Bloß keine Fenster! Lassen Sie mich mal da ran, Chef. Das haben wir gleich.«



»Beeil dich! Wenn sich das rumspricht, kommen wir alle in Teufels Küche! Und ihr wisst genau, was passiert, wenn ich anfange zu kochen!«

Oh ja, das wissen wir. Mir ist jetzt noch schlecht vom letzten Mal. Nichts gegen ein bisschen Schwefel, aber Pfannkuchen muss man nicht unbedingt daraus machen.

»Ich habe den Fehler gefunden«, sagt Steven. »Da hat jemand die Tasten vertauscht.«

»Die Tasten vertauscht? Du meinst absichtlich? Das ist Sabotage! Wer macht denn so was?«



»Hm«, sagt Steven nachdenklich. »Ich kenne hier eigentlich nur einen außer mir, der sich mit Computern auskennt. Und das ist …«



»LUZIE! Diese hinterhältige kleine Kröte!«

Falsch. Ich heiße nicht Luzie, sondern Luzifer. Genau wie er. Luzifer junior, um korrekt zu sein. Und ich bin auch keine Kröte, sondern sein Sohn. Jawohl, ich bin ein Kind des Teufels. Satans Fleisch und Blut. Der Spross des Leibhaftigen, des Höllenfürsten und wie auch immer er sonst noch genannt wird. Ich weiß, das klingt erst mal unglaublich cool. Ist es aber nicht. Wer hat schon gern den fiesesten Typ der Welt zum Vater? Dabei ist er gar nicht so gemein, wie alle immer denken. Das ist nur seine Arbeit. Leute bestrafen, arme Seelen quälen, tagein, tagaus, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, ein echter Knochenjob. Wahrscheinlich wird man da automatisch fies. Obwohl er eigentlich so gut wie gar nichts selbst macht, die Drecksarbeit erledigen seine Angestellten. Es sei denn, es geht darum, mich zu bestrafen, wenn ich Mist gebaut habe. Das übernimmt er jedes Mal höchstpersönlich. Was ziemlich oft vorkommt. Weil ich ihm nicht böse genug bin. Was auch leider stimmt. Ich wäre ja gerne so böse wie er. Aber ich schaffe es einfach nicht. Obwohl ich es immer wieder versuche. Manchmal klappt es sogar. So wie bei den Tierquälern in Abteilung 7b. Okay, bei denen fiel es mir auch nicht schwer, fies zu sein. Ich hasse diese Typen, die sind echt der letzte Abschaum. Und deswegen darf jetzt jeder einzelne dieser Mistkerle pausenlos bis ans Ende der Zeit die Höllenhundkacke in unserem Vorhof wegmachen. Mit bloßen Händen. Ohne Handschuhe. Mit einer Katze auf dem Kopf, die denkt, er wäre ein Kratzbaum. Das war meine Idee. Und da war Papa auch mächtig stolz auf mich. Was heute sicher nicht der Fall sein wird. Denn mit den Jungs von Abteilung 27 ist das anders. Diese Art von Folter hat wirklich niemand verdient. Meine Aktion wird sie sicher nicht retten, aber wenigstens konnten sie mal kurz verschnaufen. Wir befinden uns zwar in der hochoffiziellen Hölle, aber selbst hier sollte ab und zu mal eine Pause erlaubt sein, finde ich. Ist es aber nicht. Und deswegen kriege ich gleich richtig Ärger. Sobald Papa mich erwischt, macht er mich ordentlich zur Schnecke. Und das meine ich wörtlich.



»Wo ist dieser Satansbraten? LUZIE!«

Wo ich bin? Direkt unter seinem Schreibtisch.

»Hihi«, kichert Steven. »Satansbraten. Der war gut, Chef.«

»Fenster, Steven«, knurrt mein Vater. »Ich sage nur: Fenster. LUZIE! KOMM SOFORT HIERHER!«

Ich bin doch schon da. Hier unten. Direkt vor seinen Hufen. Zum Glück habe ich die nicht von ihm geerbt. Ich habe ganz normale Füße. Und keine Hörner. Wobei die bei ihm auch nicht immer zu sehen sind. Sie werden je nach schlechter Laune länger oder kürzer. Jede Wette, jetzt sieht man sie gerade sehr deutlich.

»LUZIE! ICH SAG’S NICHT NOCH MAL! DU WEISST GENAU, WAS PASSIERT, WENN DU NICHT SOFORT HIERHERKOMMST!«

Ja, das weiß ich. Dann krieche ich für den Rest des Tages als glibberige Schnecke durch die Gegend. Aber das passiert auch, wenn ich nicht komme.

»Diese verflixte kleine Mistratte! Na warte! Steven, welche Taste muss ich drücken, wenn ich Cerberus rufen will?«



»Die mit dem kleinen Hund drauf«, antwortet Steven. »Habe ich extra für Sie entworfen, Chef. Sie können ihm aber auch eine Nachricht über HellsApp© schreiben. Das habe ich letzte Woche installiert und jetzt nutzt es schon jeder Zweite hier. Das ist wie SMS, nur schöner.«

»Du immer mit deiner modernen Technik«, knurrt mein Vater. »Wieso soll ich denn meinem Höllenhund eine SMS schreiben, wenn ich genauso gut nach ihm brüllen kann? CERBERUS! SOFORT ZU MIR! BEI FUSS!«

Okay, das war’s dann für mich. Cerberus findet jeden. Er ist der beste Höllenhund, der hier rumläuft. Und der liebste. Das darf mein Vater aber nicht wissen. Er denkt, Cerberus schnappt jeden Ausreißer, weil er ihn fressen will. Dabei will er einfach nur gestreichelt werden. Weil aber alle Angst vor ihm haben, streichelt ihn natürlich keiner, und aus Enttäuschung beißt er sie dann. Bei mir weiß er aber ganz genau, dass er gestreichelt wird. Er hat übrigens keine drei Köpfe, wie immer alle denken. Es sind nur zwei, einer vorne und einer hinten, oder umgekehrt. Jedenfalls ist einer süßer als der andere. Aber welcher das ist, sage ich nicht, sonst wird der andere eifersüchtig.

Keine Minute später höre ich Cerberus’ fröhliches Bellen.

»Da bist du ja endlich«, brummt mein Vater. »Ich habe einen Auftrag für dich. Luzie hat sich mal wieder einen seiner dummen Scherze erlaubt. Such ihn und bring ihn sofort hierher. Du darfst ihm auch ruhig unterwegs irgendwas abbeißen. Wächst ja wieder nach.«



Das stimmt. Ich bin nämlich wie Papa unsterblich. Das habe ich herausgefunden, als ich mal mit den Bombenbauern aus Abteilung 47 gespielt habe, und mein Kopf explodiert ist. Unsichtbar bin ich aber leider nicht.

»LOS! SUCH LUZIE!«, befiehlt mein Vater seinem Höllenhund. Im nächsten Augenblick höre ich, wie Cerberus’ Krallen an der Frontseite des Schreibtischs scharren.

»DOCH NICHT DA!«, brüllt mein Vater. »DUMMER HUND! DUMMER, DUMMER HUND!«

Cerberus läuft um den Schreibtisch herum und fängt an, aufgeregt zu bellen. Er hat mich entdeckt und versucht, an Papas Beinen vorbei zu mir zu kommen. Dann springt er auf Papas Schoß und kläfft zu mir herunter.

»WAS SOLL DENN DAS JETZT?«, poltert mein Vater los. »NEIN, JETZT WIRD NICHT GESCHMUST! HÖRST DU NICHT? DU SOLLST LUZIE SUCHEN! RUNTER VON MIR! SOFORT!« Er rollt mit seinem Stuhl ein Stück zurück. Cerberus springt von seinem Schoß und stürzt fröhlich kläffend auf mich zu. Okay, das war’s dann wohl für mich.



Cerberus schleckt mir das Gesicht ab und ich kraule ihn kräftig an beiden Hinterköpfen. »Ja, lieber Hund«, sage ich lachend. »Hast du mich gefunden? Gut gemacht! Du bist der Beste!«

Das Gesicht meines Vaters schiebt sich von oben in mein Blickfeld. Aus seiner Nase zischt gelber Schwefelrauch. Seine Hand schnappt mich am Kragen und er zieht mich mit einem Ruck aus meinem Versteck.

»SAG MAL, SPINNST DU JETZT KOMPLETT, ODER WAS?«, poltert er los. »WIE OFT HABE ICH DIR SCHON GESAGT, DU SOLLST DIE FINGER VON DER PLAYLIST FÜR ABTEILUNG 27 LASSEN?«

»Äh … Moment …«, sage ich, an seinem ausgestreckten Arm in der Luft baumelnd. »Genau 1382 Mal.«

Hatte ich schon erwähnt, dass ich ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis habe? Wo das herkommt, weiß ich nicht – Papa vergisst ja schon nach fünf Minuten, wen er zum Frühstück gegessen hat.

»ABER MINDESTENS!«, brüllt er schnaubend. »UND WIE KOMMT ES DANN BITTESCHÖN DAZU



Er zeigt auf den Monitor von Abteilung 27. Die Jungs tanzen immer noch ausgelassen fröhlich und haben jede Menge Spaß.

»DA LÄUFT METALLICA!«, brüllt mein Vater weiter. »SOLL DA ETWA METALLICA LAUFEN? STEHT DAS SO IM BESTRAFUNGSPLAN FÜR ABTEILUNG 27? ICH GLAUBE NICHT!«

»Öh … keine Ahnung, was da steht«, sage ich. »Du weißt doch, ich lese nicht so gern.«

»DEINE FRECHEN BEMERKUNGEN KANNST DU DIR SPAREN! ICH ZEIG DIR, WAS DA STEHT!«

Er wühlt mit seiner freien Hand in einem Stapel Papier auf dem Schreibtisch herum.

»STEVEN! WO SIND DENN DIESE VERFLIXTEN BESTRAFUNGSPLÄNE AUF EINMAL HINGEKOMMEN? GESTERN WAREN SIE DOCH NOCH HIER!«

»Die digitalisiere ich gerade«, antwortet Steven. »Sie wissen doch, unser nächstes Großprojekt, die papierlose Hölle. Erinnern Sie sich? Das haben wir bei der letzten Jahressitzung beschlossen.«

»DAS IST MIR SCHNURZPIEPEGAL, WAS IHR DA BESCHLOSSEN HABT! ICH WILL DIE BESTRAFUNGSPLÄNE! AUF PAPIER! UND ZWAR JETZT GLEICH!«

»Ja, Chef. Kein Problem, Chef. Sofort, Chef«, sagt Steven und wühlt hektisch in einer Schublade herum.

»Die papierlose Hölle«, grummelt mein Vater vor sich hin, während er wartet und ich immer noch an seinem Arm baumle. »Was denn noch alles? Zuerst dieses verfluchte Finsternet und jetzt das. Die spinnen doch da oben. Und mich fragt natürlich wieder mal keiner. Das ist so …«

»Hier, Chef!«, unterbricht ihn Steven und drückt ihm ein Blatt Papier in die Hand. »Der Bestrafungsplan für Abteilung 27!«

Mein Vater hält mir das Blatt vor die Nase.

»Los! Vorlesen! Was steht da?«

Da steht:


Bestrafungsplan

Abteilung 27 (Heavy Metal Fans)

Die Inhaftierten haben sich des Vergehens schuldig gemacht, Heavy-Metal-Musik nicht nur zu hören, sondern auch noch gut zu finden. Dafür sieht der Bußkatalog eine Strafe von einhundert Jahren ohne Bewährung vor. In dieser Zeit muss den Verurteilten fortwährend und ausschließlich Volksmusik (wahlweise bayrischen und/oder österreichischen Ursprungs) in einer nicht zu überhörenden Lautstärke vorgespielt werden. Eine Verkürzung der Strafe kann nach frühestens neunundneunzig Jahren beantragt werden – perfekte Jodelkenntnisse vorausgesetzt.

»Hm? Was heißt das?«, hakt mein Vater nach. »Steht da irgendwas von Metallica?«

Ich schüttle den Kopf.

»Da steht dick und fett Volksmusik, oder?«, fragt er.

Ich nicke.

»Ist Metallica etwa eine bayrische oder österreichische Volksmusikkapelle?«

Ich schüttle wieder den Kopf.

»UND WARUM LÄUFT DANN DA UNTEN IN VOLLER LAUTSTÄRKE METALLICA?«, brüllt er und schüttelt mich dabei kräftig durch. »KANNST DU MIR DAS BITTE MAL ERKLÄREN?«

»Weil das nicht fair ist!«, antworte ich.

»FAIR? WIR SIND HIER IN DER HÖLLE, LUZIE! DAS EINZIGE, WAS HIER FAIR IST, IST DER TRITT IN DEN HINTERN, DEN JEDER ZUR BEGRÜSSUNG KRIEGT!«

»Aber die haben doch gar nichts gemacht!«, erwidere ich. »Die haben nur Heavy Metal gehört! Und jetzt werden sie mit Volksmusik dafür bestraft! Volksmusik, Papa! Das ist unmenschlich!«

»Ach, Luzie«, sagt mein Vater und setzt mich seufzend auf dem Boden ab. »Denkst du, das weiß ich nicht? Ich höre doch auch viel lieber Hard Rock. Und du hast vollkommen recht, dafür sollte man nicht in die Hölle kommen. Aber du weißt doch ganz genau, dass das nicht meine Entscheidung ist. Wer in die Hölle kommt und wer nicht, bestimmt einzig und allein der CEO. So wie alles andere hier. Und der CEO hasst Heavy Metal. Deswegen hat er Abteilung 27 gegründet und diese armen Teufel müssen Volksmusik hören.«



Oh Mann. Immer dieser blöde CEO. Das steht für Chronisch Einzigartiger Oberchef. Er wohnt ganz oben, heißt es. Wobei ich ihn noch nie gesehen habe. Eigentlich hat ihn bisher niemand gesehen, den ich kenne. Außer Papa. Der kennt ihn wohl von ganz früher. Und er hat Schiss vor ihm. Echt jetzt. Mein Vater, der Teufel höchstpersönlich, der fieseste und mächtigste Mann der Unterwelt, hat Schiss vor seinem Chef.

»Was glaubst du, was hier los ist, wenn der CEO mitkriegt, dass da unten Metallica läuft?«, fährt mein Vater fort. »Er hasst es, wenn seine Anweisungen nicht haargenau befolgt werden. Egal, wie schwachsinnig sie sind. Auch wenn ich das hier jetzt schon seit über 2000 Jahren mache: Ich bin nicht unkündbar, Luzie.«

»Jetzt übertreibst du aber«, sage ich. »Er wird dich schon nicht wegen ein bisschen Metallica rausschmeißen.«

»Du hast keine Ahnung, wie unberechenbar er ist. Kannst du dich noch an Onkel Azrael erinnern?«

Dunkel. Ganz dunkel. Weil er sich immer nur im Schatten bewegt und einen schwarzen Umhang getragen hat. »Ja«, sage ich. »Komischer Kerl. Hab ihn aber lang nicht gesehen.«

»Genau das ist es ja«, sagt mein Vater. »Er war eine ziemlich große Nummer hier unten, sozusagen meine rechte Hand. Bis er eines Tages in Abteilung 3 aus Versehen eine Erdnuss hat liegen lassen. Du kennst die oberste Direktive für Abteilung 3?«

»Ja«, sage ich. »Mörder kriegen keine Erdnüsse.«



»Stimmt genau. Und weißt du, was Onkel Azrael seitdem macht? Er zählt die Schneeflocken über der Arktis. Und wenn er sich auch nur um eine einzige Schneeflocke verzählt, muss er die komplette Ladung für den nächsten Tag aus eigener Tasche bezahlen. Glaub mir, der CEO versteht bei solchen Sachen keinen Spaß.«

Der wird mir immer unsympathischer, dieser komische CEO. Und das werde ich ihm auch sagen, sollte ich ihn irgendwann einmal treffen. Da kann er noch so mächtig und allwissend und der Oberchef sein – mir macht er damit keine Angst.

»Aber müsste er sich dann nicht schon längst beschwert haben?«, frage ich. »Es heißt doch immer, er hört und sieht alles.«

»Na ja«, antwortet mein Vater. »Er ist mittlerweile auf einem Auge so gut wie blind. Und um diese Uhrzeit hat er normalerweise sein Hörgerät ausgeschaltet, damit er in Ruhe stricken kann. Er ist eben auch nicht mehr der Jüngste. Vielleicht haben wir Glück und er hat es ausnahmsweise nicht mitgekriegt.«

»Na, dann ist doch alles in Ordnung«, sage ich und bewege mich unauffällig langsam rückwärts in Richtung Tür. »Falls du mich suchst, ich bin in meinem Zimmer.«

»Nicht so schnell, Freundchen«, knurrt mein Vater und schnappt mich wieder am Kragen. »Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass du hier ohne Strafe rauskommst.«

Doch, genau das habe ich geglaubt. Oder eher gehofft. Offenbar leider vergeblich. Das Schlimmste daran ist aber nicht die Tatsache, dass ich gleich als Schnecke geschätzte zehn Stunden bis zu meinem Zimmer brauchen werde – das Schlimmste ist die mit Sicherheit gleich folgende Ansprache meines Vaters.

»Ich mache mir echt Sorgen um dich, Luzie.« Ja, so fängt es immer an. Aber wenn man sich um jemanden Sorgen macht, bestraft man ihn dann?

»Das war ja heute nicht das erste Mal, dass du Mist gebaut hast.«

Stimmt. Es war das dreihundertsechsundsiebzigste Mal.

»Das Problem ist, dass du einfach zu nett bist. Wir sind hier in der Hölle, Luzie.«

Ach was? Als ob ich nicht wüsste, wo ich wohne.

»Du weißt, ich will in drei- bis vierhundert Jahren in Rente gehen. Und dann möchte ich, dass du den Laden übernimmst.«

Ich kann es kaum erwarten. Dann würde hier nämlich einiges anders laufen. Metallica anstatt Volksmusik, zum Beispiel.

»Das kriege ich da oben aber nie durch, wenn du weiter so lieb bist. Ich weiß auch nicht, woher du das hast, aber dieses … dieses Mitleid muss aufhören. Das kannst du dir in diesem Posten nicht erlauben. Du musst lernen, härter zu werden und Entscheidungen zu treffen, die nicht allen gefallen. Du bist jetzt fast zwölf, also alt genug. Und deswegen wirst du morgen früh am Team-Meeting teilnehmen, damit du das Geschäft langsam besser kennenlernst.«

Oh, das mit dem Team-Meeting ist neu. Nichts dagegen. Da wollte ich immer schon mal Mäuschen spielen. Aber das muss er ja nicht unbedingt wissen. Vielleicht bleibt mir so ja das schleimige Schneckendasein erspart.

»Was? Ich soll zu eurem langweiligen Team-Meeting? Muss das sein?«, stöhne ich.

»Ja, das muss sein«, knurrt mein Vater.

»Na gut«, seufze ich. »Das ist echt gemein. Dann also bis morgen früh.«

Ich bewege mich wieder langsam in Richtung Tür.



»Netter Versuch«, sagt mein Vater und lacht höhnisch. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass das schon deine Strafe war.«

»Hätte ja sein können«, sage ich. »Aber mach mich bitte diesmal nicht so schleimig, das geht immer so schwer wieder ab.«

»Ich werde dich überhaupt nicht schleimig machen«, sagt mein Vater fies grinsend. »Heute probieren wir mal was ganz Neues. Die Idee hatte ich gestern Abend während der Sportschau. Bist du bereit?«

»Nein! Warte! Ich …«

Aber da ist es schon zu spät. Mein Vater schnippt mit dem Finger, es ertönt ein lauter Knall und um mich herum erscheint eine gelbe, nach Schwefel stinkende Wolke. Als sie sich verzieht, sehe ich meinen Vater von ziemlich weit unten vor mir stehen. Ganz so winzig wie eine Schnecke bin ich nicht, aber immer noch ziemlich klein. Ich versuche, mich zu bewegen, aber es funktioniert nicht. Offenbar habe ich weder Arme noch Beine. Ich rolle meine Augen nach oben und unten, nach links und nach rechts, aber ich kann nichts von mir sehen.

Mein Vater lacht laut los und schlägt sich dabei auf die Schenkel.

»Was … was bin ich?«, frage ich verwirrt.

»Das ist gut!«, grölt mein Vater. »Das ist wirklich saugut! Steven! Haben wir einen Spiegel?«

»Nein«, antwortet Steven. »Aber Sie könnten ein Foto mit ihrem Schrei-Phone machen.«

»Stimmt«, sagt mein Vater und greift nach seinem Schrei-Phone. »Wie ging das noch gleich? Kamera öffnen und auf den roten Kreis drücken, oder?«

»Genau«, sagt Steven.

Mein Vater richtet das Schrei-Phone auf mich und drückt ab. Ein schmerzerfüllter Schrei ertönt, wie bei allen Funktionen dieser Modellreihe. Mein Vater hält das Ergebnis vor meine Augen. Ich muss ein Kichern unterdrücken. Dieser Mann ist einfach zu doof, wenn es um moderne Technik geht – er hat ein Foto von sich selbst gemacht.

»Super, Papa«, sage ich. »Jetzt sehe ich endlich genauso aus wie du.«

Er schaut sich verwundert das Foto an.

»Was? Wieso …«

»Sie haben die Selfie-Funktion eingeschaltet, Chef«, sagt Steven grinsend. »Wahrscheinlich noch von gestern, als Sie das Profilbild für Hellbook gemacht haben.«

»Hunderttausend heulende Höllenhunde«, knurrt mein Vater. »Ich hätte mich niemals darauf einlassen sollen, diesen ganzen neumodischen Kram hier einzuführen. Und wie schalte ich diese verdammte Selfie-Funktion wieder aus?«

Steven drückt einmal kurz auf das Display, wieder ertönt ein Schrei.

»Ist eigentlich ganz einfach, Chef«, sagt er.

»Ach ja?«, knurrt mein Vater. »So einfach wie Fensterputzen?«



Er schießt noch ein Foto und hält mir das Schrei-Phone entgegen. Okay, diesmal hat es geklappt. Ich sehe mich. Und ich bin …

»Ein Fußball?«

»Ja!«, sagt mein Vater. »Ein absoluter Brüller, oder? Dass mir das nicht früher eingefallen ist!«

»Spitzenwitz, Papa«, sage ich betont unbegeistert. »Wenn ich sterben könnte, würde ich wahrscheinlich gleich vor Lachen tot umfallen.«

»Kannst du nicht!«, erwidert er. »Du bist ein Ball! Bälle können nicht umfallen!«

»Haha. Noch so ein Witz und ich kugle mich vor Lachen. Kannst du mir vielleicht mal verraten, wie ich jetzt zu meinem Zimmer kommen soll?«

»Ach, das ist doch überhaupt kein Problem. Steven, mach mal die Tür auf!«

Steven öffnet die Tür. Mein Vater dreht mich mit dem Gesicht zum Ausgang. »Schön stillhalten!«, sagt er.

Ich höre, wie er drei Schritte zurücktritt.

»Was hast du vor?«, frage ich argwöhnisch. »Du willst mich doch wohl hoffentlich nicht … AAAAAAAAAH!«

Ich sause durch die Luft und drehe mich dabei gefühlte tausendmal um mich selbst. Dann krache ich an den Türpfosten, knalle draußen gegen die Wand und kullere den Flur entlang.



»KEINE SORGE!«, brüllt mir mein Vater hinterher. »JEDER, DER EINEN FUSSBALL AUF DEM BODEN LIEGEN SIEHT, TRITT AUTOMATISCH DAGEGEN! UND IRGENDWANN WIRST DU SICHER AN DEINEM ZIMMER VORBEI GEKICKT! WIR SEHEN UNS DANN MORGEN FRÜH! SIEBEN UHR! SEI PÜNKTLICH!«

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