Kitabı oku: «Einführung Ernährungspsychologie», sayfa 4

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3 Psychologische Schulen und Ansätze: ihre Perspektiven auf ungestörtes/ gestörtes Ernährungsverhalten

Komplexität

„Alle übergewichtigen Menschen haben die psychische Störung x.“ Diese Aussage gibt es im Rahmen von Ernährungspsychologie nicht. Der Traum der Psychosomatik, einen solchen Satz empirisch belegen zu können, hat sich nicht erfüllt. Es gibt die unterschiedlichsten psychischen Ursachen für Adipositas. Und es gibt auch viele Adipöse ohne eine psychische Störung. Wird zu Recht der Ernährungspsychologie das bio-psycho-soziale Gesundheits- und Krankheitsmodell zugrunde gelegt, dann wird damit anerkannt, dass Gesundheit und Krankheit von einer Vielzahl miteinander interagierender Faktoren beeinflusst werden, die sich permanent im Lauf der Zeit verändern. Es wird auch anerkannt, dass diese Interaktionen von Individuum zu Individuum unterschiedlich sind.

Perspektiven und Ausschnitte

Angesichts dieser Komplexität bietet es sich an, aus unterschiedlichen Perspektiven Ausschnitte aus dieser Komplexität zu untersuchen. Das Ganze ist nicht untersuchbar, aber bestimmte Segmente aus je unterschiedlichen Perspektiven. Genau das haben die unterschiedlichen psychologischen Schulen bisher getan. Im Rahmen der Psychologie gibt es diverse Schulen und Richtungen, die sich mit gänzlich differenten Grundannahmen und ganz unterschiedlichem methodischen Rüstzeug dem Gegenstand der Psychologie, dem Erleben und Verhalten des Menschen, annähern.

Es wäre ein Grund, sich zu beklagen, dass die Psychologie keine Einheitswissenschaft ist. Aber angesichts der eben beschriebenen Komplexität gibt es vermutlich keine andere Möglichkeit, als nur bestimmte Aspekte und Teile der Komplexität zu untersuchen. Die unterschiedlichen psychologischen Schulen sind dementsprechend notwendige Reduzierungen der Komplexität. Sie stellen gangbare Wege zum Gegenstand der Psychologie dar. Für die Leserin und den Leser mag es verwirrend sein, im Folgenden mit so unterschiedlichen Zugängen zur Psyche des Menschen konfrontiert zu sein. Es mag aber auch spannend und bereichernd sein, so unterschiedliche Perspektiven kennen zu lernen.

3.1 Lerntheorien

Reiz-Reaktion und Kognitionen

Lerntheorien definieren sich darüber, dass sie den klassischen Begriff der Persönlichkeit als Spekulation verabschiedet haben. Die „Persönlichkeit“ des Menschen ist demnach nicht die Summe seiner letztlich invarianten Eigenschaften, sondern das Gesamt seiner Lerngeschichte. Genetische Dispositionen werden von Lerntheoretikern nicht geleugnet, aber sie haben keine zentrale Relevanz in der Forschung. Lerntheorien auf Reiz-Reaktions-Konsequenzen-Verkettungen zu reduzieren, würde dem derzeitigen Stand der Lerntheorien nicht gerecht werden. Aktuelle Lerntheorien beziehen die kognitive Repräsentation von Lernvorgängen mit ein. Es gibt demnach zwei zentrale Arten des Lernens: das Konditionieren und das Lernen mit Hilfe von Denkprozessen.

Beim Klassischen Konditionieren werden im Innern des Organismus ablaufende Prozesse nicht berücksichtigt. Das Lernen wird hierbei erstens als Folge der dem Verhalten vorausgehenden Reize begriffen sowie zweitens der Konsequenzen, die auf das Verhalten folgen. Für die erste Option steht der Name Pawlow, für die zweite der Name Skinner. Pawlow untersuchte die Beziehung zwischen Reiz und Reaktion, Skinner die zwischen Reaktion und Konsequenz.

In den kognitiven Lerntheorien stehen, wie der Begriff bereits ausdrückt, Denkprozesse im Mittelpunkt. Das bedeutet: Auf dargebotene Reize wird über eine kognitive Vermittlung reagiert. Die Reize werden als Informationen verarbeitet und bewertet. Analog dazu werden die Konsequenzen des Verhaltens gedanklich vorweggenommen und dahingehend eingeschätzt, ob sie für die betreffende Person angenehm sind.

3.1.1 Pawlow: Klassisches Konditionieren

Pawlows Hund

Pawlow (1849–1936), ein russischer Physiologe, ist eher zufällig auf das Klassische Konditionieren gestoßen. In seinem berühmten Experiment mit einem Hund gelangte er zur Erkenntnis, dass nicht nur die Bereitstellung von Futter den Hund veranlasst, Speichel zu produzieren. Vielmehr wird der Speichelfluss auch durch einen Glockenton ausgelöst, der zunächst zeitgleich mit dem Futter angeboten wird und dann in einem nächsten Schritt ohne Futtergabe ertönt. Allerdings merkt der Hund irgendwann, dass die Glocke ohne Futtergabe erfolgt und das Verhalten, der Speichelfluss, wird gelöscht. Entscheidend bei dieser Form des Lernens ist die zeiträumliche Nähe des unbedingten und des bedingten Reizes. Dies nennt sich Kontiguität. Für das Lernen ist es günstig, wenn der bedingte Reiz dem unbedingten zeitlich ein wenig vorausgeht (s. Tab. 3.1).

Tab. 3.1: Konditionieren eines bestimmten Reizes


unbedingter Reiz: FutterReaktion: Speichelfluss
bedingter Reiz: GlockentonReaktion: kein Speichelfluss
mehrfaches, gleichzeitiges Anbieten von unbedingtem (Futter) und bedingtem (Glockenton) ReizReaktion: Aufmerksamkeit und Speichelfluss
Angebot bedingter Reiz (Glockenton)Reaktion: Speichelfluss

Werbung

Auch wenn das Klassische Konditionieren eine Lernform umreißt, die vor vielen Jahren entdeckt worden ist, so bedeutet das nicht, dass Klassisches Konditionieren heutzutage keine Relevanz mehr besitzt oder überholt ist. So funktioniert z. B. aktuelle Werbung sehr stark nach dem Prinzip des Klassischen Konditionierens. In der Werbung werden Produkte mit angenehmen und lustvollen Reizen verknüpft: das Eis mit einer Party lustiger junger Menschen, das Auto mit einer attraktiven Frau, ein Convenience-Produkt wie eine Tiefkühlpizza mit einer netten Einladung von Freunden zum gemeinsamen Essen.

Reizentkopplung

In der Verhaltenstherapie wird trotz Weiterentwicklungen immer noch mit dem Klassischen Konditionieren gearbeitet, wie etwa bei der Behandlung der Adipositas. So wird Adipösen empfohlen, Reize zu entkoppeln: d. h. nicht beim Kinobesuch Popcorn zu essen. Es geht hierbei darum, einen Automatismus zu durchbrechen, welcher darin besteht: Ins Kino zu gehen, ist gleichbedeutend mit dem Verzehr von Popcorn.

Es wird ebenfalls empfohlen, Reize zu kontrollieren: nicht hungrig einkaufen zu gehen; mit einer Einkaufsliste einkaufen zu gehen und sich an diese zu halten. Wer hungrig und ohne Einkaufsliste einkaufen geht, läuft Gefahr, große Mengen an Lebensmitteln zu kaufen, die gerade so lecker aussehen oder sich wie die Süßigkeiten vor den Kassen türmen.

3.1.2 Skinner: Operantes Konditionieren

Verstärkung

Skinner (1904–1990) interessierte sich weniger für die Reize, die dem Verhalten vorausgehen. Er ging der Frage nach: Was folgt auf ein bestimmtes Verhalten? Skinners Antwort: Unterschiedliche Formen der Verstärkung. Wenn eine Ratte zufällig auf eine Taste drückt, fällt entweder Futter aus einer Klappe (positive Verstärkung) oder sie bekommt einen elektrischen Schlag (Bestrafung oder aversiver Stimulus). Er unterschied vier Formen von Verstärkung, die in Tabelle 3.2 aufgeführt sind.


Um die möglichen Formen der Verstärkung zu veranschaulichen, soll nun ein Beispiel gegeben werden:

● Wenn jemand zufällig in einem Gespräch eine witzige Bemerkung macht, dann lachen die Anwesenden. Derjenige, der die witzige Bemerkung gemacht hat, freut sich und fühlt sich geschmeichelt, dass er die anderen so gut unterhalten hat. Skinner würde dies als positive Verstärkung begreifen. Der Witzemacher ist belohnt worden. Er wird dann im Sinne Skinners dazu tendieren, häufiger witzige Bemerkungen zu machen.

● Wenn jemand dagegen beim gemeinsamen Abendessen einen unappetitlichen Witz erzählt und die anderen sich beschweren, wäre dies für Skinner eine aversive Verstärkung. Er ist für sein Verhalten bestraft worden. Die anderen, die seinen Witz nicht hören wollen, teilen dies ihm mit und wenden sich eventuell von ihm ab, meiden ihn den ganzen Abend. Oder unterbrechen ihn, wenn er zum Sprechen ansetzt. Dies führt dazu, dass der Witzereißer seltener oder gar keine unappetitlichen Witze mehr erzählt.

Tab. 3.2: Die vier Formen der Verstärkung nach Skinner


DarbietungEntfernung
Positiver StimulusPositive Verstärkung: Damit wird eine Reaktion positiv verstärkt.Indirekte Bestrafung: Damit wird die Reaktion seltener auftreten.
Aversiver StimulusDirekte Bestrafung: Die Reaktion verschwindet oder tritt seltener auf.Negative Verstärkung: Ein aversiver Stimulus bleibt aus, die Reaktion wird damit auf eine andere Weise positiv verstärkt.

● Es kann auch sein, dass jemand eine ganze Serie von Witzen erzählt. Zu Anfang lachen alle, doch ab dem fünften Witz ermüden die Anwesenden und lachen nicht mehr oder nur noch höflich. Skinner würde dies als ein Entfernen einer positiven Verstärkung begreifen. Der Witzeerzähler wird aufhören, Witze zu erzählen.

● Derjenige, der beim Abendessen zunächst einen Ekel erregenden Witz erzählt hat, verstummt zunächst, macht dann im Verlauf des Abends mehrere gute Witze. Die anderen werden ihm nicht mehr ins Wort fallen, sie werden ihn nicht mehr schneiden. Eine aversive Verstärkung ist ausgeblieben. Dies wird als negative Verstärkung begriffen. Der Witzemacher fühlt sich dann wieder wohler und wird wieder mehr Witze erzählen.

Essen als Verstärker

In diesem Beispiel ist das Essen bereits aufgetaucht, aber nur am Rande. Wie ist Essen im Rahmen des Operanten Konditionierens zu verstehen? Essen ist einer der bedeutsamsten positiven Verstärker. Egal, was immer an negativen Dingen geschehen ist, danach kann man sich mit Essen trösten und beruhigen. Das geht auch, wenn etwas Positives davor stattgefunden hat. Nach einer bestandenen Prüfung kann man denken: „Jetzt habe ich mir die Jumbo-Pizza richtig verdient.“ Dieser nahezu immer und jederzeit verfügbare positive Verstärker – man kann auch unauffällig in der Vorlesung einen Schokoriegel essen – ist schwer durch andere Verstärker ersetzbar.


Wenn bei der Behandlung der Adipositas etwa folgender Selbstverstärker gewählt wird: „Mit dem Geld, das ich beim Essen spare, kann ich in einem Jahr für zwei Wochen nach Griechenland fliegen“, dann ist Griechenland möglicherweise zu weit weg und noch zu lange hin. Der Kühlschrank dagegen ist in greifbarer Nähe. Das macht das Abnehmen so schwer.

Skinner war nicht nur ein empirisch arbeitender Psychologe, er war auch ein Utopist, der seinen Ideen in einem Roman, Walden Two, Gestalt verlieh:

„In ‚Walden Two‘ – wird eine imaginäre Gemeinschaft von ungefähr tausend Leuten beschrieben, die ein Idealleben führen. Sie haben sich in einer angenehmen, ländlichen Umgebung angesiedelt und arbeiten pro Tag nur ein paar Stunden, ohne jedoch dazu gezwungen zu werden. Ihre Kinder werden von Fachkräften so erzogen, daß man sie wirksam auf ihr zukünftiges Leben vorbereitet. Das Essen ist gut, und Gesundheitswesen wie ärztliche Behandlung sind ausgezeichnet. Es gibt viel Freizeit und viele Möglichkeiten, sie zu genießen. Kunst, Musik und Literatur stehen in Blüte, und auch die wissenschaftliche Forschung kann sich sehen lassen. Das Leben in Walden Two ist nicht nur ideal, sondern scheint auch durchführbar. Es liegt in Reichweite aller intelligenten, unvoreingenommenen Menschen, vorausgesetzt, sie wenden die Prinzipien an, die sich heute durch die wissenschaftliche Erforschung des menschlichen Verhaltens im Hinblick auf Planung einer neuen Kultur abzeichnen. Manche Leser mögen dieses Buch für eine ironische Fabel halten, doch stellt es in Wirklichkeit eine ernsthafte Alternative dar.“ (Skinner 1974, 35)

Freiheit

Mit welchen Mitteln möchte Skinner also die ideale Welt errichten? Mit dem Verstärkungslernen, lautet die Antwort. Diese Antwort impliziert, dass Menschen keine eigenen Entscheidungen treffen, was sie tun und lassen wollen, sondern von außen gesteuert werden. Wenn sich demnach jemand fragen könnte: Was ist Freiheit für Skinner? – dann würde Skinner sagen: Es gibt sie gar nicht. Skinner würde über den Begriff der menschlichen Freiheit nur milde lächeln. Wir tun das, für das wir z. B. positiv verstärkt werden. Verstärkung richtet sich nach Skinner aber nicht nur an die simple Bedürfnisbefriedigung:

„Wir mögen eine Lebensweise insofern, als wir durch sie verstärkt werden. Wir schätzen eine Umwelt, in der sowohl natürliche als auch soziale Verstärker reichlich vertreten und leicht zu erreichen sind.“ (Skinner 1974, 42)

Um zu veranschaulichen, wie Skinner die Praxis mit Verstärkungslernen modellieren möchte, soll noch ein Beispiel vorgestellt werden:


„Es waren mehrere Pfleger und ein Zeitaufwand von dreißig Minuten nötig, um dreißig schizophrene Frauen zu veranlassen, zur Essenszeit im Speisesaal zu erscheinen. Nun veränderte man die Kontingenzen. Die Pfleger sollten nicht mehr versuchen, die Patientinnen in den Speisesaal zu bringen. Jede Patientin, die innerhalb einer halben Stunde nach dem Läuten einer Klingel den Speisesaal betrat, konnte essen, während alle anderen nichts zu essen bekamen. Bei der ersten Mahlzeit erschienen nur ein paar Patientinnen im Speisesaal, doch am Ende waren es alle. Hierauf wurde die zulässige Zeit von einer halben Stunde auf fünf Minuten verkürzt.“ (Skinner 1974, 25)

Adipositas

Wie lässt sich der Ansatz von Skinner auf die bedeutsamste Essstörung, die Adipositas, beziehen? Wenn Essen einen sehr wichtigen positiven Verstärker darstellt, dann ist klar, dass es schwierig ist, Adipositas zu behandeln. Ziel von Skinner müsste es dann sein, den Verstärker Essen durch andere Verstärker zu ersetzen: Der Partner oder die Partnerin reagiert positiv auf die Abnahmebemühungen. Er oder sie überrascht die adipöse Person mit einem Kurzurlaub in Paris.

3.1.3 Das Menschenbild und das Forschungsprogramm des Konditionierens


Was verbindet die Ansätze von Pawlow und Skinner? Dass Menschen von außen beeinflusst werden können. Dies wird als Konditionieren definiert. Diese Beeinflussung fußt auf dem naturwissenschaftlichem Modell von Ursache und Wirkung, das wiederum mit einem bestimmten Menschenbild verbunden ist: Der Mensch ist machbar.

Konditionieren bezieht, wie oben erwähnt, genetische Einflüsse wenig ein. Im Rahmen des Konditionierens spielen die Umwelteinflüsse die überragende Rolle (s. Abb. 3.1). Pawlow und Skinner strebten diese Modellierung des Menschen nach dem naturwissenschaftlichen Erklärungsmodell an (s. Abb. 3.2). Man variiere die Ursachen und erhalte spezifische Wirkungen, nämlich bestimmte Verhaltensweisen. In der Sprache des Laborexperiments heißt das dann: systematische Variation des Treatments oder der unabhängigen Variable, um eine spezifische abhängige Variable zu erzeugen.


Abb. 3.1: Die Beeinflussbarkeit des Menschen von außen im Rahmen des Konditionierens

Watson

Das, was den Menschen ausmacht, ist demnach von außen bestimmbar. Die Theoretiker des Konditionierens träumten gar von der spezifischen Herstellbarkeit des Menschen. Watson (1878–1958), der die Lerntheorie von Pawlow zu einer eigenen psychologischen Schule ausbaute, dem Behaviorismus, meinte:

„Geben Sie mir ein Dutzend gesunder Kinder, wohlgebildet, und meine eigene besondere Welt, in der ich sie erziehe! Ich garantiere Ihnen, daß ich blindlings eines davon auswähle und es zum Vertreter irgendeines Berufs erziehe, sei es Arzt, Richter, Künstler, Kaufmann, oder auch Bettler, Dieb, ohne Rücksicht auf seine Talente, Neigungen, Fähigkeiten, Anlagen, Rasse oder Vorfahren.“ (Watson 1930, 134f)


Abb. 3.2: Die Modellierung des Menschen nach dem naturwissenschaftlichen Erklärungsmodell

Dieser Traum, den andere auch als Albtraum bezeichnen könnten, blieb allerdings eine Vision: Der Mensch lässt sich nicht herstellen, zumindest nicht mit den Mitteln des Konditionierens. Dafür ist z. B. die genetische Komponente zu stark. Dafür spielen Kognitionen und Intentionen eine zu bedeutsame Rolle. Das Menschenbild der Lerntheorien von Pawlow und Skinner ist zu einfach. Menschen reagieren nicht nur auf Reize oder auf Verstärkungen. Sie verfolgen auch Ziele, planen und gestalten ihre Umwelt.


Die heutige Genforschung verfolgt diesen Traum der Lerntheorien von Pawlow und Skinner auch, nur mit anderen Mitteln. Ob sich dieser neue Traum realisieren lässt, wird sich zeigen. Ob die Realisierung dessen wünschenswert ist, ist umstritten. Sie ist z. B. verbunden mit einer ethischen Frage: Darf sich der Mensch sozusagen aufschwingen zum gottähnlichen Gestalter des eigenen Schicksals?

Da die Programmatik Watsons nicht aufgegangen ist, bleibt dann zu vermuten, dass andere Variablen auf die abhängige Variable Einfluss nehmen, die weder variiert noch kontrolliert worden sind. Vermutlich ist die menschliche Persönlichkeit zu komplex, um wirklich alle Variablen berücksichtigen zu können.


Folgende weitere Kennzeichen besitzt das Forschungsprogramm der klassischen Lerntheorien:

Labor: Die Forschung fand überwiegend im Labor statt, da dort unter kontrollierten Bedingungen die unabhängige Variable systematisch variiert wird und so ausschließlich der Einfluss der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable untersucht werden kann.

Tierversuch: Bei den klassischen Lerntheorien erfolgte die Untersuchungen von Lerngesetzen vor allem an Tieren wie Ratten und Tauben. Die Ergebnisse der Tierexperimente wurden auf den Menschen übertragen. Ob das wissenschaftlich vertretbar ist, darüber haben bereits zahlreiche Kontroversen stattgefunden.

● Als strenge Naturwissenschaftler zählte für die frühen Lerntheoretiker nur das beobachtbare Verhalten. Alles andere wie Seelenschau bzw. Introspektion, was Teile der Psychologie vor den Lerntheoretikern betrieben hatten, galt ihnen als obskur.

● Daraus ergibt sich ein bestimmtes Menschenbild: das der Black Box. Das bedeutet, dass innere Prozesse des Menschen keine Berücksichtigung finden. Spätere Lerntheoretiker haben dieses Modell wieder verworfen, indem z. B. Kognitionen als innere Prozesse Berücksichtigung fanden.

3.1.4 Kognitive Lerntheorien

Selbstverstärkung

Mit Hilfe der Lerntheorie von Skinner wurde eben versucht, Ideen zur Behandlung der Adipositas zu entwickeln. Um bei diesem Thema zu bleiben: Es wäre auch denkbar, dass sich eine Person vornimmt, sich dann eine Reise zu gönnen, wenn sie um fünf Kilogramm abgenommen hat. Das wäre aber dann nicht Fremdverstärkung, sondern Selbstverstärkung. Skinner hätte diesen Begriff nicht akzeptiert. Für Skinner ist Verstärkung etwas, das von außen kommt. Selbstverstärkung hingegen bedeutet, dass sich jemand überlegt, wie er sich verstärken kann. Das Denken bzw. Kognitionen sind für diese Form der Verstärkung unabdingbar. Für Denken wird auch der Begriff der Informationsverarbeitung verwendet.


Nicht nur in die Selbstverstärkung fließen Kognitionen mit ein. Die heute übliche verhaltenstherapeutische Behandlung der Adipositas, die den Anspruch hegt, auf Lerntheorien zu fußen, beginnt mit der Selbstbeobachtung, etwa in Form eines Ernährungsprotokolls. Das Ernährungsprotokoll kann darüber Auskunft geben, in welchen Situationen zu welcher Zeit wie viel zu sich genommen wird. Es kann dann klar werden, wie die Ernährungsprobleme genau aussehen. Auf die Selbstbeobachtung folgt die Selbstbewertung. Sie drückt sich in Fragen aus: Muss ich mittags warm und üppig essen? Habe ich nicht immer einen schweren Magen und fühle ich mich nicht dann schlapp und müde? Ginge es mir nicht besser, wenn ich ein Brötchen und einen kleinen Salat essen würde? Der Selbstbewertung schließt sich die Selbstverstärkung an. Alle drei Schritte bestehen aus Kognitionen.

Erwartung – Ziel

Der wichtigste Wegbereiter der kognitiven Lerntheorien war Tolman (1886–1959). Er lancierte die Idee, dass Verhalten nicht durch vorausgehende Reize und die auf die Reaktion erfolgenden Konsequenzen determiniert wird. Vielmehr ging er davon aus, dass Verhalten zielgerichtet ist. Das bedeutet, dass Menschen Verhalten einsetzen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ziele können aber nur vorausgedacht werden. Das Verhalten wird also durch bestimmte Erwartungen determiniert, dass das jeweilige Verhalten für das Individuum zu einem positiv eingeschätzten Ziel führt.

Bandura: Modelllernen

Eine zentrale kognitive Lerntheorie ist die sozial-kognitive nach Bandura. Bandura geht davon aus, dass man am Modell lernt. Man muss nicht selbst etwas tun, sondern man beobachtet andere. So beobachten Kinder ihre Eltern, wie diese sich ernähren, was sie einkaufen etc., und ahmen das eventuell nach.


In den Experimenten von Bandura konnte so ermittelt werden, dass sich Kinder aggressiver verhalten, nachdem sie sich aggressiv zeigende Erwachsene beobachteten. Kinder mit Ängsten vor Hunden sind weniger ängstlich, nachdem sie andere Kinder beobachtet hatten, die offensichtlich keine Angst vor Hunden haben.


Für das Essverhalten kommt dem Modelllernen eine zentrale Rolle zu. Kinder essen das, was ihre Eltern zu sich nehmen. Jugendliche bevorzugen die Lebensmittel, die die Altersgenossen präferieren. Kinder essen in unserer Kultur keine Insekten, weil sie beobachten, dass andere diese ebenfalls nicht essen und Insekten als Lebensmittel verabscheuen. Auch das Verhalten bei Tisch wird im Prinzip von den Eltern übernommen. Zwar können sich die Eltern beschweren, dass sich die Kinder nicht anständig bei Tisch verhalten, dass sie keine rechten Manieren haben. Dennoch folgen die Kinder den Eltern im Groben und letztlich im Wesentlichen. Sie werden in der Regel nicht in das Tischtuch schnäuzen. Sie werden nicht mit den Händen in die Schüsseln greifen, um sich des Salates zu bemächtigen. Sie werden nicht mit vollem Mund reden. All dies gilt in unserer Kultur als ekelerregend.

Rotter: „locus of control“

Um die Bandbreite kognitiver Lerntheorien zu veranschaulichen, soll hier nun kurz Rotter vorgestellt werden. Rotter geht davon aus, dass die Wahl einer Verhaltensweise abhängt von der Erwartung, dass eine Verhaltensweise ein positives Ergebnis haben wird, und danach ausgewählt wird, wie hoch die erwartete Verstärkung bewertet wird. Im Grunde steckt hier noch viel an traditioneller Lerntheorie mit drin. Das Neue besteht darin, dass sich Operantes Konditionieren nicht einfach vollzieht, sondern dass die Verstärkungen kognitiv vermittelt sind. Sie werden antizipiert. Von Rotter stammt auch das Modell des „locus of control“. Er unterscheidet zwischen internem und externem „locus of control“. Intern bedeutet, dass man die Ursachen eines Verhaltens bei sich sucht. Extern meint, dass man äußere Faktoren als Ursachen eines Verhaltens begreift.


Wenn eine Studentin eine Prüfung nicht besteht und nach den Gründen hierfür sucht, so kann sie davon ausgehen, dass das Wetter schlecht war und die Prüferin schlechte Laune hatte (externer locus of control). Sie kann aber auch überlegen, ob die eigene Prüfungsvorbereitung gut genug war (interner locus of control). In der Regel ist ein interner „locus of control“ erfolgversprechender. Sprich: Die Studentin hat größere Chancen, die nächste Prüfung zu bestehen, wenn sie einen internen „locus of control“ hat.

Kasten 3.1: Zusammenfassung der Lerntheorien

● Stichwort: der Pawlow’sche Hund

● Jedes Verhalten kann er- oder verlernt werden.

● Wenn man gelernt hat, zu viel zu essen, kann man dieses Verhalten auch wieder verlernen.

● Lerngesetze bilden die Grundlage der Psychotherapie „Verhaltenstherapie“.

● Namen: Pawlow, Watson, Skinner, Bandura.

3.2 Psychoanalyse

3.2.1 Die Grundannahmen der Psychoanalyse

das Unbewusste

Die Psychoanalyse begreift das Seelenleben als einen dynamischen Prozess, der zudem dauerhaft konfliktreich ist. Sie untersucht nicht nur das Bewusstsein, sondern auch das Unbewusste. Wie kann man aber das Unbewusste untersuchen, wenn es unbewusst ist? Die Antwort lautet: nur indirekt. Das Unbewusste ist nur erkundbar über Fehlleistungen, den Traum und neurotische Symptome.


Was ist eine Fehlleistung? In Der Spiegel (27.09.2004) wird auf Fehlleistungen von Edmund Stoiber hingewiesen: Seinem politischen Gegner bringe er Respekt bei, sagt er. Er wollte aber sagen: Respekt entgegenbringen. Stoiber hat sich versprochen. Er hat, so die Deutung in Der Spiegel, das mitgeteilt, was ein unbewusster Wunsch darstellt, von dem es sich aber nicht schickt, ihn auszusprechen. Im Augenblick des Aussprechens könnte Stoiber sein eigener unbewusster Wunsch klar geworden sein.

Diese Art von Fehlleistung ist von Sigmund Freud (1856–1939), dem Begründer der Psychoanalyse entdeckt worden.


Ein anderes Beispiel für eine Fehlleistung: Bei einem gemeinsamen Abendessen im Freundeskreis wird angestoßen. Anstatt wie alle anderen „Prost“ zu sagen, sagt die Gastgeberin „Tschüss“. Ihr und den anderen wird in diesem Augenblick klar, dass es ihr am liebsten gewesen wäre, wenn die Gäste sich bereits jetzt verabschiedet hätten.

Die Fehlleistung entsteht quasi über eine Schwäche des Ichs. Das Unbewusste setzt sich für einen Augenblick durch. Das, was das Ich ist, wird weiter unten genauer erläutert.

Wozu wird in einem Buch zur „Ernährungspsychologie“ auf das Unbewusste überhaupt eingegangen? Die Antwort lautet: weil es wirkmächtig ist und Verhalten bestimmt, auch wenn dies die betreffende Person nicht merken muss.


Wenn sich zwei Freunde am Morgen in der Mensa treffen und der eine zum anderen sagt: „Du siehst ja furchtbar aus“, dann kann dies der Sprecher als Aussage voller Mitgefühl verstehen. Er vergisst sozusagen den potenziell aggressiven Impuls, der in dieser Aussage stecken kann. Er versteht nicht, warum der so Angesprochene gekränkt ist.

Vieldeutigkeit der Sprache

Der aggressive, unbewusste Impuls aus diesem Beispiel versteckt sich in der Sprache. Der Satz „Du siehst ja furchtbar aus“ könnte ja auch wirklich voller Mitgefühl sein. Er könnte aber auch aus dem schieren Hass geboren sein, weil der Sprecher dieses Satzes den angesprochenen Freund spät abends mit einer Kommilitonin, in die er verliebt ist, in einer Kneipe sitzen sah. So lässt sich festhalten: Das manifest Ausgesprochene muss nicht identisch sein mit dem, was jemand denkt und fühlt. Im latenten Sinngehalt der Sprache steckt das Unbewusste. Das Unbewusste ist in diesem Fall wirkmächtig, weil der Sprecher seinen Unmut und seine Eifersucht zum Ausdruck bringen kann (dem Freund eine reindonnern) und weil sich der angesprochene Freund über diesen Satz wirklich ärgert.


Wenn der Klient die Ernährungsberatung mit einem „Danke-Sagen“ verlässt, so muss das nicht heißen, dass sich die betreffende Person wirklich bedanken will. Das „Danke“ kann gesagt werden, um vom Ärger abzulenken, den der Klient empfindet: Just in dieser Stunde hat ihm die Ernährungsberaterin mitgeteilt, dass er sich nach seinem Herzinfarkt auf keinen Fall mehr so ernähren könne wie die letzten 30 Jahre. Er müsse den hohen Fett- und Alkoholkonsum massiv reduzieren. Damit will die Ernährungsberaterin ihm das wegnehmen, was ihm so viel Freude bereitet. Er weiß, dass sie Recht hat. Genau das macht ihn noch wütender. Aber da sie Recht hat, kann er sich ja nicht wütend zeigen. Deshalb bedankt er sich.

Wenn die Ernährungsberaterin nicht mitbekommt, dass in dem „Danke“ sehr viel Wut steckt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser Ernährungsberatung kein Erfolg beschieden sein wird.

Wenn von der Vielschichtigkeit von Sprache ausgegangen wird, wenn unterschieden wird zwischen manifestem (offenkundigem) und latentem (verborgenem) Sinngehalt der Sprache, dann ist die Ebene der naturwissenschaftlichen Erklärung verlassen. Naturwissenschaftliches Erklären lässt sich als „Wenn-dann-Satz“ fassen. Mit dem Erklären ist gemeint: Entweder das eine oder das andere ist richtig. Wird von der Vielschichtigkeit von Sprache ausgegangen, dann gibt es stets mehrere Interpretationsfolien nebeneinander.


Die Ernährungsberaterin muss davon ausgehen, dass das „Danke“ möglicherweise genau das Gegenteil bedeutet hat. Sie muss aber auch ihren Blick darauf richten, dass das „Danke“ aufrichtig war. Aber vermutlich ist die richtige Interpretation die, dass in dem „Danke“ einerseits etwas Aufrichtiges steckt: „Ich möchte mich bedanken, weil Sie mich vor einem zweiten Herzinfarkt bewahren wollen.“ Es enthält andererseits: „Sie Idiotin, Sie wollen mein ganzes Leben umkrempeln und mir alles nehmen, was mir lieb und teuer ist.“ Zudem kann es beinhalten: „Ich ertrage es einfach nicht, dass mich jemand belehren will. Ich dachte, ich hätte die Schulbank vor 35 Jahren endgültig verlassen.“

Erklären vs. Verstehen

Zu einem guten Anteil stützt sich die Psychoanalyse auf die geisteswissenschaftliche Psychologie, die zwischen Erklären und Verstehen unterscheidet. Der deutsche Philosoph Dilthey hat dies um 1900 so formuliert:

„Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir. Denn in der inneren Erfahrung sind auch die Vorgänge des Erwirkens, die Verbindung der Funktionen als einzelne Glieder des Seelenlebens zu einem Ganzen gegeben. Der erlebte Zusammenhang ist hier das erste, das Distinguieren der einzelnen Glieder desselben ist das Nachkommende.“ (1957, 22)

Dieses etwas komplizierte Zitat will sagen, dass beim Verstehen ein Sinnzusammenhang, etwas Ganzheitliches im Vordergrund steht. Das Zergliedern, das Aufteilen in Funktionen und Variablen würde diesen Sinnzusammenhang zerstören.


Um ein Beispiel für naturwissenschaftliches Erklären zu nennen: Ein Dozent möchte wissen, warum sich eine halbe Stunde nach Beginn seiner Vorlesung der Vorlesungssaal fast immer vollständig geleert hat. In der nächsten Sitzung verteilt er einen Fragebogen, in dem er u. a. erhebt:

● Beginnt für Sie um 8.30 Uhr eine andere wichtige Vorlesung?

● Sind Sie durch die Vorlesung überfordert?

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