Kitabı oku: «Der schweizerische Robinson», sayfa 10
Inzwischen waren wir an den Rand des Kokoswäldchens gelangt und erkannten vor uns ausgebreitet die große Bucht und zur Linken das Vorgebirge der getäuschten Hoffnung, das früher schon der Endpunkt unsrer Streifereien gewesen war. Wir machten uns aber ohne Aufenthalt an die Fortsetzung unsres glücklichen Streifzugs, dem ein dickes Röhricht von Bambus, in das wir uns nicht hineingetrauten, bald ein natürliches Ziel zu stecken schien. Wir lenkten also links gegen die Warte der betrogenen Hoffnung, wo das lockende Zuckerrohr, das bis an ihre Mitte hinaufwuchs, eine gar zu erfreuliche Beute versprach, als daß wir mit leerer Hand hätten umkehren mögen. Ein mächtiges Bündel von dem süßen Naschwerk also ward dem Esel auf den Wachsbeerensack gebunden, und wir versäumten nicht, uns erquickende Spazierstöcke zu schneiden. Bald jedoch gelangten wir in das Kürbiswäldchen und zu der Schleife zurück, die in Geduld unser wartete. Der Rücken des Esels wurde hier entladen; die Zuckerrohre kamen auf die Schleife, und Meister Graurock mußte sich bequemen, geduldig zu ziehen, was er sanftmütig bis jetzt getragen hatte. Ohne weitere Abenteuer trafen wir noch so ziemlich zu guter Zeit bei den Unsrigen wieder ein, denen wir mit den erbeuteten Schätzen und einer weitläufigen Schilderung unsrer Reise große Freude bereiteten; ganz besondres Glück aber machte bei den Knaben der grüne Papagei. Nach einer köstlichen Mahlzeit bestiegen wir endlich mit Einbruch der Nacht unsre stolze Feigenburg, zogen die Strickleiter empor und begaben uns sämtlich zu der wohlbenötigten Ruhe.
Viertes Kapitel
Das Wrack wird gesprengt. Der Esel desertiert und kehrt mit einem Gefährten wieder zurück. Ein Büffel, ein Schakal und ein Adler werden gefangen und gezähmt. Die Regenzeit bricht herein.
»Lichter machen! Lichter machen!« riefen alle, Mutter und Kinder, am folgenden Morgen, und man ließ mir nicht eher Ruhe, als bis ich ihnen zugesagt hatte, sogleich an die Herstellung von Wachskerzen gehen und mit Beeren der Wachspflanze zu diesem Behuf einen ernstlichen Versuch machen zu wollen. Wir ließen in dem größten unsrer Kessel so viel davon sieden, als er nur fassen konnte, und erhielten in der Tat eine beträchtliche Beute von schönem, wohlriechendem, grünem Wachse, das wir in noch flüssigem Zustande in ein besonderes Gefäß abgossen und alsbald weiter benutzten. Wir hatten nämlich während des Kochens der Beeren eine Anzahl Dochte von ausgefasertem Segeltuch gezwirnt; diese wurden jetzt in die Wachsmasse mehrmals sorgfältig eingetunkt, wieder herausgezogen und an die Luft gehalten, bis das Wachs daran erkaltete und gerann; sobald sie hinreichend mit Wachs bekleidet waren, um tüchtige Kerzen vorzustellen, wurden sie an einer kühlen Stelle aufgehängt, damit sie durch Verdunstung härter würden. Es ist wahr, daß diese Kerzen nicht so glatt, so zierlich gerundet und so gleichmäßig dick ausfielen wie die, die von den Lichterziehern gegossen oder gezogen werden; aber bei Anbruch der Dämmerung, als wir die erste zur vorläufigen Probe ansteckten, brannte sie doch so gut und hell, daß wir uns auf dem Baumschlosse mit aller möglichen Bequemlichkeit bei ihrem Schein entkleiden und zu Bett begeben konnten. Der Erfolg unserer Kerzenmacherei versetzte uns in die beste Laune der Welt und gab uns Mut, alsbald eine zweite, von der Mutter mit Sehnsucht gewünschte Veranstaltung ins Werk zu setzen. Es sollte nämlich, da wir einen ziemlichen Vorrat von Rahm hatten, auch einmal gebuttert werden, und ich mußte dazu die gehörige Vorkehrung treffen.
Mein Plan war bald fertig; ich füllte einen großen ausgehöhlten Flaschenkürbis mit Rahm und band den Deckel sorgfältig zu, so daß die Flüssigkeit nicht ausrinnen konnte; hierauf legte ich das Gefäß auf ein großes Stück Segeltuch, dessen vier Zipfel an Pflöcken aufgehängt waren und die belastete Mitte wie eine Art von Sack zu der notwendigen Bewegung frei ließen; jeder der vier Knaben mußte nun an einem Zipfel sachte hin- und herziehen, daß das Tuch in eine schaukelnde Bewegung kam, und da sie dieses Geschäft mit Leichtigkeit und sogar sitzend verrichten konnten, so brachten sie es unter vielerlei Spaßen und gellendem Singsang in kurzem so weit, daß ich hoffen konnte, die Sahne geronnen zu sehen, und wirklich beim Öffnen der geschaukelten Kalebasse zu allgemeiner Freude recht ordentliche Butter fand.
Um ein gewaltiges schwerer ward mir eine andere Arbeit, die mir schon lange fast unentbehrlich erschienen war. Ich hatte nämlich oft bemerkt, daß unsere Schleife für unser Zugvieh teils zu schwer, teils überhaupt zu wenig bequem sei, und daher schon längst beabsichtigt, mit einigen Rädern, die wir vom Wracke erbeutet, einen kleinen Karren zu bauen. Ich glaubte nun, vor dem Beginn meiner Arbeit, alle Formen und Sorten von Wagen und Karren in unsrer Heimat genug betrachtet zu haben, um mit Erfolg ein ordentliches Fuhrwerk einrichten zu können. Aber, als ich nun Axt und Säge, Holz und Eisen, Bohrer und Hammer, Nägel und Schrauben zusammengeschleppt hatte, wußte ich, die Wahrheit zu sagen, kaum, wie ich anfangen, und gar viel weniger, wie ich fortfahren und gehörig vollenden sollte; woraus ich sah, wie sehr viel erfordert wird, um sagen zu können, daß man eine Sache hinreichend erkannt habe, und wie bedeutsam die Behauptung ist, eine Sache so gut zu kennen, als hätte man sie selbst gemacht.
Nach mancher Anstrengung und zahlreichen Mißgriffen stümperte und pfuschte ich endlich eine Art zweirädrigen Leiterwagen zusammen, der uns übrigens in der Folge von großem Nutzen war, um unsre Ernte heimzubringen.
Da uns indessen Zeltheim eigentlich mehr zum Zufluchtsort dienen sollte, indem dort neben andern Vorräten auch unsre Waffen und unser Schießbedarf lagen, so waren wir hauptsächlich darauf bedacht, diesen Ort durch Anlegung einer dichten Hecke von Stachelpflanzen einigermaßen gegen das Eindringen wilder Tiere, ja sogar gegen den Überfall eines Trupps von Wilden sicherzustellen, insofern wir je einen solchen zu befürchten haben sollten. Auch die Umgebung der Brücke, die übrigens durch Wegnahme einiger Bretter unzugänglich gemacht werden konnte, wurde befestigt und hinter einer kleinen Verschanzung unsre zwei Kanonen von der Pinasse zur Vorsicht aufgestellt.
Unter allen den anstrengenden Arbeiten indes war auch das Bedürfnis zurückgekehrt, wieder einmal nach dem Wracke zu fahren, indem besonders unsre Kleider, wovon ich noch einige Kisten voll auf dem Schiffe wußte, einer Erneuerung bedurften. Dazu kam der Wunsch, womöglich noch ein paar Kanonen zu retten, um sowohl zu Wasser als zu Land hinter unsrer Schutzhecke uns im Notfalle gehörig verteidigen zu können.
Am ersten gelegenen Tage fuhr ich daher mit den drei ältern Knaben nach dem Wrack, wo wir noch alles ziemlich unverletzt, aber von Wind und Wetter doch manches schon loser gemacht und auseinanderklaffend fanden. Die Matrosenkisten und die Kriegsvorräte mußten in besonders reichlichem Maße herhalten; hingegen beschränkten wir uns auf eine Batterie Vierpfünder, indem das schwerere Geschütz nicht von der Stelle zu bringen war und wir auch jene nur nach und nach ans Land schaffen konnten. Wir kehrten zu dem Zwecke mehrmals nach dem Wracke zurück und beluden jedesmal unsre Pinasse und unser Tonnenschiff mit so viel Laden, Fenstern, Türen, Eisenwerk und andern Kostbarkeiten, als sie nur zu tragen vermochten. Endlich, nachdem alles Brauchbare rein ausgeplündert war, entschloß ich mich, das Wrack in die Luft zu sprengen, in der Hoffnung, daß Wind und See uns wohl einen großen Teil des Holzwerks an den Strand schaffen würden, das wir da leicht auffischen und zu allfälligen Bauten aufbewahren könnten. Wir rollten daher ein Pulverfaß, das wir absichtlich zurückgelassen hatten, in den untern Raum des Wracks, steckten behutsam einen Stock mit einem Stück brennender Lunte tief in den aufgeschlagenen fürchterlichen Schlund und fuhren dann rasch, mit aufgespannten Segeln, zu den Unsrigen zurück. Da ich die Entzündung der Pulvertonnen nicht vor Eintritt der Nacht erwartete, trugen wir unser Abendessen auf eine kleine Landspitze, von wo aus wir das Wrack ungehindert beobachten konnten. Bald nach Einbruch der Dunkelheit verkündeten denn auch ein majestätischer Donner und eine prächtige Feuersäule das Entzünden der Tonne und das Zertrümmern des Wracks. In diesem Augenblick schien mehr als je das vereinende Band, das uns an die geliebte Heimat knüpfte, für immer und unerbittlich zerrissen. Wir begaben uns schweigend in unser Zelt, und statt des Jubels, auf den die Knaben sich gefreut hatten, glaubte ich ein verhaltenes Seufzen und Schluchzen zu bemerken, das ich übrigens nur mit Mühe zu unterdrücken vermochte. Ein alter, redlicher und wohltätiger Freund gleichsam war mit dem Schiffe uns fortgerafft.
Die Ruhe der Nacht dämpfte indessen unsre allseitigen Empfindungen genug, um uns am folgenden Morgen wieder Lust zu machen, uns nach den Spuren der Ungeheuern Zertrümmerung in der Nähe umzusehen. – Das Wrack war verschwunden, das Ufer lag voll Holzwerk, und in der See schwamm eine Menge von Bruchstücken aller Art, zwischen denen ich mit Freuden auch die Schwimmtonnen entdeckte, an die ich große kupferne Kessel, die ich zu einer Zuckersiederei bestimmt, befestigt hatte. Einstweilen glaubten wir diese jedoch am zuverlässigsten zur Verwahrung des Pulvers benutzen zu können, indem wir die Pulverfässer damit zudeckten und den übrigen Raum mit Moos und Erde sorgfältig verstopften. Mehrere Tage lang waren wir nun beschäftigt, alle die Stangen, Bughölzer, Laden und Latten aufzufischen und am Ufer aufzutürmen. Die Mutter freute sich besonders darüber, daß das gefährliche Pulver so gut verwahrt sei, aber noch angenehmer war ihr die Entdeckung, daß, ganz in der Nähe dieser Stelle, zwei von unsern Enten und eine der Gänse gebrütet hatten, die mit einer ansehnlichen Zahl von Jungen aufgescheucht schnatternd ins Freie schwammen. Wir versäumten nicht, durch hingeworfene Krumen und Zwieback die fröhlichen Tiere wieder anzulocken, und über diesem angenehmen Geschäft erwachte in uns allen eine so gewaltige Sehnsucht, wieder einmal zu dem Federvieh und zu allen Genüssen von Falkenhorst umzukehren, daß wir gleich auf den folgenden Tag unsre Abreise in die freundlichen Gefilde festlegten.
Auf dem Wege dahin bemerkten wir, daß die zwei neugepflanzten Reihen von Obstbäumen bei weitem nicht stark genug seien, um durch eigene Kraft in geradem Wuchs emporzuschießen, und so beschlossen wir, so bald als möglich einen Streifzug nach dem Vorgebirge der getäuschten Hoffnung zu machen und Bambusrohr zu Stützen für unsere Bäumchen herbeizuschaffen; überdies ging unser Kerzenvorrat zu Ende, und endlich war eine Bruthenne da, für die wir Eier aufzusuchen wünschten.
An einem schönen Morgen zogen wir denn früh mit der ganzen Haushaltung von Falkenhorst ab. Zum leichteren Fortkommen wurde statt der Schleife der Wagen bespannt, und für die Schwächeren hatte ich ein paar Bretter als Sitze darauf gebunden; allerlei Geräte zu den bevorstehenden Verrichtungen, Mundvorrat, eine Flasche Wein aus des Kapitäns Flaschenfutter, ein paar Gefäße für Wasser und endlich der nötige Schießbedarf wurden teils auf den Wagen gepackt, teils, nach Bedürfnis, von uns selbst getragen.
Ohne viel Bedenken führte ich mein liebes Völkchen die neugefundene Straße durch das Strauchwerk von Kartoffeln, Maniok und Goyaven zu den Wachsbeeren und zu den Federharzbäumen; denn jedermann war begierig, diese Dinge, von denen Fritz und ich so viel erzählt hatten, endlich selbst zu sehen und zu plündern.
Auch säumten wir nicht, bedeutende Vorräte zu sammeln. Es wurden zwei Säcke mit Wachsbeeren gefüllt und einstweilen an einem sicheren Orte versteckt, um sie bei unsrer Rückkehr mitzunehmen. Als wir dann bei den Gummibäumen anlangten, machten wir so viele Einschnitte in mehrere der kräftigsten Stämme, als wir Näpfe zur Sammlung des Saftes mitgebracht hatten, die wir dann zur Aufnahme der herabträufelnden Flüssigkeit hinstellten.
Indem wir die Näpfe ihrem Schicksale unbesorgt überließen, brach unser Zug wieder auf, und wir gelangten in das Kokoswäldchen, wo wir unsre Richtung etwas links und mehr gegen die Stelle der Zuckerrohre nahmen, damit wir am Rande des Wäldchens zwischen diesen und den Bambusrohren in gleicher Entfernung zu lagern kämen. Dieser Strich wurde so glücklich getroffen, daß wir beim Heraustreten ins Freie links den ersten und rechts den zweiten dieser Rohrbüsche vor uns hatten und zwischen beiden hindurch die prächtige Bucht erblickten, an der das Vorgebirge der getäuschten Hoffnung hinaus in die See lief. Der Anblick war auf diesem Standpunkte so schön und reizend, daß wir beschlossen, den wohlgelegenen Ort zum Mittelpunkt für unsre Streifereien zu wählen: ja es hätte wenig gefehlt, so wäre der Plan gemacht worden, unsre Wohnung von Falkenhorst hieher zu verlegen, wenn wir nicht die Sicherheit auf dem hohen Baume und die mannigfaltigen dort schon eingerichteten Bequemlichkeiten in Erwägung gezogen und so endlich dem alten Wohnplatze sein Recht gelassen hätten.
Gleich wurden jetzt unsre zwei Zugtiere ausgespannt und in das fette, saftige Gras entlassen, das unter dem beschatteten Dache von verschiedenen Palmenarten emporgesproßt war. Wir selbst bereiteten uns von dem mitgebrachten Vorrat ein kurzes Mittagsmahl in dem schattigen Gehölze, und dann ging es an das Schneiden, Säubern und Binden von Bambus- und Zuckerrohr, wovon wir mäßige Bündel verfertigten, die wir auf unserm Wagen bequem nach Hause schaffen konnten. Die Arbeit erweckte bei der Jugend, zufolge des knappen Mittagstisches, in anderthalb Stündchen wieder Eßlust, und obschon das Aussaugen der Zuckerrohre ihnen eine Zeitlang genug tat, so fingen sie doch endlich an, sich nach etwas Derberem umzusehen. Da nun die Mutter unsre mitgebrachten Vorräte nicht vor dem Nachtessen preisgeben wollte, so warfen die Knaben ihr zärtliches Verlangen auf die Kokosnüsse, die hin und wieder an den Palmen uns entgegenlachten. Sie suchten aber vergeblich auf der Erde nach abgefallenen, genießbaren Früchten, und ein Versuch von Fritz und Jack, an den gewaltigen Stämmen hinanzuklimmen, mißlang ebenso. Verdrießlich und erhitzt blieben sie endlich vor den unbezwingbaren Bäumen stehen und starrten erbost in die hoch oben nickenden Nußbündel hinauf.
»Halt«, rief ich plötzlich, »was fällt mir da ein! Wo habe ich doch das gesehen —! Auf einer Abbildung muß es gewesen sein. Natürlich! Kinder, ich hab‘s! Ihr sollt hinaufkommen, und ganz gemütlich obendrein.«
Die Jungen spitzten mächtig die Ohren. »Gemütlich?« meinte Jack zweifelnd. »So viel Ansprüche mache ich gar nicht mal. Wenn ich nur mit Ach und Krach oben ankomme, will ich krähen vor Freude.«
»Also, paßt auf, ihr Herren! Fritz, hole mir Stricke vom Wagen. – So, nun komm her, du sollst den Anfang machen.« Ich fesselte ihn nun an den Fußknöcheln, aber so lose, daß er noch winzige Schritte machen konnte. Dann knüpfte ich sorgfältig ein kräftiges Seil zum Ring in der Höhe seiner Hüften um ihn und den Baum herum, doch weit genug, daß er sich noch leicht schräg vom Baum abstemmen konnte. »So, nun kann‘s losgehen«, sagte ich dann.
»Ja, aber wie denn nur?« fragte Fritz völlig verblüfft. »Mit zusammengebundenen Füßen? Wie kann ich da den Stamm ordentlich umklammern?«
»Sollst du auch nicht, mein Junge. Du sollst daran in die Höhe gehen wie die Indier. Paß auf. Stell‘ deine Füße auswärts, ganz dicht an den Baum. Nun fasse den losen Strick, mit dem du um den Stamm gegürtet bist, und schiebe ihn, so hoch du kannst, an dem Baum in die Höhe, so daß er auf einen der knotigen Vorsprünge zu liegen kommt. Halte dich nun fest und gehe gleichzeitig Schrittchen für Schrittchen in die Höhe, stemme dabei die Sohlen deiner Füße an den Stamm – merkst du was? Wenn sie nicht gefesselt wären, könntest du sie nicht stemmen. Nun hebe dich mit dem Strick wieder zu einem Knoten, zieh an, geh Schrittchen. Lehne dich jetzt fest nach rückwärts gegen den Gurtstrick – merkst du was? Du stehst, unten angestemmt, oben angelehnt, ruhst dich aus. He? Was meinst du? Wird‘s nun gehen? Siehst du wohl? Was hab ich gesagt!«
Fritz fing an zu strahlen. Er hatte begriffen und klomm, zog, stemmte sich und schritt langsam, aber stetig an dem eben noch so unzugänglichen Baum in die Höhe. Die anderen Jungen standen und starrten mit offenen Mäulern dem allgemach verschwindenden Bruder nach. Jack kam zuerst wieder zu sich.
»Potz Kuckuck!« rief er, »das ist ein Hauptspaß, da muß ich auch hinauf! Vater, bitte, bitte, mache mir auch so eine indische Sache zurecht! Hier ist gleich noch so ein schöner Baum.«
In wenigen Minuten war das Kerlchen wie sein Vorgänger ausgerüstet und begann gleichfalls das große Werk von neuem. Ich freute mich, zu sehen, daß er, wenn auch beträchtlich langsamer als sein viel stärkerer Bruder, in die Höhe ging und endlich gleich diesem im Wipfel anlangte. Beide hieben nun mit ihrem im Gürtel mitgeführten Handbeil so tapfer auf die Trauben der Kokosnüsse ein, daß sie herabfielen wie Hagel und wir hohe Zeit hatten, auf die Seite zu springen, wenn wir nicht unsre Hirnschädel mutwillig preisgeben wollten. Glücklich gelangten die Jungen wieder herunter, und wir waren alle außer uns vor Freuden, daß dieses große gymnastische Wagestück so trefflich abgelaufen war.
»Nun könnten wir doch aber auch noch ein paar von unsern Nüssen aufschmausen«, bat Franz. »Es bleiben ja noch genug zum Mitnehmen.«
»Gewiß können wir das, mein Kleiner. Gebt einmal her.«
»Ja, was ist denn das?« meinte Fritz, der sich sofort ans Öffnen begeben hatte, nach einigen Minuten. »Das Zeug von Bast sitzt ja schauderhaft fest. Das war doch sonst nicht.«
»Aha«, sagte ich, »da haben wir‘s. Das sind die frisch abgehauenen Nüsse, deren rauhe Hülle noch nicht mürbe geworden ist. Sie sind noch nicht völlig reif, also sehr widerstandsfähig. Aber wartet – ich weiß Rat. Die braven Inder müssen wieder helfen. Freut euch, daß mein gutes Gedächtnis sich aufblättern läßt wie ein Buch. Da war ein Ding, das hieß Kokosspieß. Beschrieben war‘s und abgebildet auch. Kommt, das werden wir gleich haben. Sucht mir einen Stock von festem Holz.« Nach einigen Minuten war das Verlangte zur Stelle. »So. Hier haben wir einen Baumstumpf, dahinein treiben wir unsern Stecken. Merkt, daß ich ihn am obern Ende gespitzt habe, und nun gebt acht.« Mit beiden Händen faßte ich die Nuß, stieß sie kräftig gegen meinen Stab und brachte so mit Leichtigkeit den Bast herunter. Die Jungen waren entzückt. »Das geht erstaunlich schnell«, riefen sie, »die Fetzen fliegen ja nur so.«
Jeder enthülste nun auf die neugelernte Art eine der widerspenstigen Nüsse. Sogar die Mutter mußte einige Stöße tun.
Währenddem war der Mittag schon lange vorübergegangen, und da wir beschlossen hatten, die Nacht in dieser anmutigen Gegend zuzubringen, so wurden wir einig, uns eine leichte Waldhütte aus Zweigen und Blättern zu errichten, um uns so gut als möglich gegen Tau und kühle Windzüge zu schützen.
Während wir damit beschäftigt waren und als eben diese Arbeit zu unserm Vergnügen ihrem Ende nahte, wurden wir plötzlich durch eine ganz außerordentliche Lebhaftigkeit unseres Eselchens gestört, das bis dahin ruhig in der Nähe geweidet hatte, nun aber plötzlich in Feuer und Flamme gesetzt schien, die Nase hoch in den Wind hob, ein entsetzliches y-ah! vernehmen ließ und allerlei lustige Sprünge machte. Ehe wir uns aber recht besinnen konnten, ob alle diese Wunderzeichen auf Gutes oder Böses deuteten, nahm der Grauschimmel in vollem Galopp reißaus. Unglücklicherweise waren in diesem Augenblick unsre Hunde beiseite geschlichen und hatten sich in die Zuckerrohre begeben, so daß wir den Esel in den Büschen von Bambus verschwinden sahen, ehe wir diese zurückrufen konnten. Eine Zeitlang verfolgten wir noch seine Spur, verloren sie aber bald gänzlich, so daß wir uns für heute zur Rückkehr entschlossen.
Dieses Ereignis verursachte mir doppelte Sorge; vorerst bedauerte ich den Verlust des Esels, der uns bei unsern Wanderungen unentbehrlich war; sodann glaubte ich seinen plötzlichen Schrecken der Nähe irgendeines wilden Tieres zuschreiben zu müssen. Ich ließ daher vor unsrer Hütte ein gewaltiges Feuer bereiten; weil ich jedoch unsern Vorrat nicht für die ganze Nacht hinreichend hielt, so kam ich auf den Gedanken, durch eine Anzahl Fackeln zu helfen, wozu ich mehrere Zuckerrohre mit Lianen zusammenband, und da ich keine ausgepreßten hatte, so nahm ich geradezu noch volle und vermutete richtig, daß sie nur desto besser und langsamer brennen würden und dennoch ein erhellendes Licht geben mußten. Einige Dutzend dieser Fackeln von fünf bis sechs Fuß Länge wurden rechts und links vor den Eingang unsrer Hütte gesteckt und in der Mitte das Feuer angemacht, an dem die Mutter vorerst unser Nachtessen bereitete, das uns dann aber auch trefflich vor der kühlen Nachtluft schützte. Angekleidet und die geladenen Gewehre neben uns legten wir uns auf das weiche Moos, das von den Knaben gesammelt und in der Hütte ausgebreitet worden war, und da wir sämtlich sehr ermüdet waren, so überfiel bald der Schlaf die lieben Meinigen. Ich selbst suchte mich wach zu erhalten, unterhielt das Feuer und zündete nachher auch die Fackeln an, die ein so helles Feuer verbreiteten, daß ich uns gegen alle Anfälle reißender Tiere gesichert hielt und mich bis zum Morgen ebenfalls einem erquickenden Schlafe überließ.
Am andern Morgen wurde beim Frühstück der Plan zu unserm bevorstehenden Tagewerk entworfen. Ich hatte vergebens gehofft, daß die Nacht und die erwärmende Flamme bei unsrer Hütte den entflohenen Esel wieder herbeilocken würden, und beschloß daher, mit einem der Knaben und den zwei Doggen durch das Röhricht von Bambus den Flüchtling aufzusuchen, gegen den Abend jedoch wieder bei der Waldhütte einzutreffen, wo die Mutter inzwischen mit den übrigen Knaben uns erwarten und Zuckerrohr und Kokosnüsse einsammeln würde, damit wir am folgenden Tage wieder nach Falkenhorst heimkehren könnten. Da ich nötig fand, beide Hunde zugleich auf diesen Streifzug zu nehmen, so schien es mir am ratsamsten, daß nur Jack mich begleiten, die andern zum Schutze der Mutter und Fränzchens zurückbleiben sollten.
Jubelnd machte sich Jack bereit; gut bewaffnet und mit Mundvorrat wohl versehen betraten wir das Gebüsch von Bambusrohr, in dem wir eine Zeitlang mit Hilfe der Hunde mühsam der Spur des Esels folgten. Wir gelangten endlich auf eine weite Ebene und an den Strand der großen Bucht, in die sich hier ein ziemlich beträchtlicher Fluß ergoß, dessen Ufer durch einen hohen Bergrücken begrenzt war. Dieser ließ nur einen schmalen steinigen Zwischenraum übrig, mußte aber bei hohem Wasserstande unzugänglich sein.
Die Vermutung, daß unser Esel sich lieber auf dem schwierigen Landwege durchgeholfen, als über den reißenden Fluß gesetzt habe, und die Hoffnung, hinter der Felswand irgend etwas Neues und Wichtiges aufzufinden, ließ mich das Wagstück unternehmen, hier durchzudringen, um von dem niedrigen Wasserstande den möglichsten Vorteil zu ziehen. Wir kletterten also vorwärts und gelangten bald an einen rauschenden Bach, der rechts aus einer Felsenschlucht hervorkam und links sich in den Fluß ergoß, aber ein so tiefes Bett und einen so raschen Lauf hatte, daß wir nur eine einzige Stelle fanden, wo wir ihn glücklich durchwaten und auf das jenseitige Ufer gelangen konnten. Hier bemerkten wir jetzt mit Vergnügen, da der Boden wieder Sand und Erde hielt und nicht mehr aus nacktem Felsen bestand, die Fußtritte des Esels, deutlich erkennbar an dem Abdruck seiner eisenbeschlagenen Hufe. Zu unserm Staunen jedoch lief diese Spur mitten durch ein Gewimmel andrer, ähnlicher Hufformen, die, schwächer und flüchtiger eingedrückt, ganz offenbar einer Herde wilder Einhufer angehören mußten und deren Verfolgung wir nun emsig aufnahmen.
Die Bergreihe zur Rechten zog sich jetzt bald zurück, so daß wir eine fast unabsehbare, nur im Hintergrunde von ein paar Hügeln umzogene Ebene vor uns sahen, in der teils prächtiges Gras, teils hin und wieder zerstreute Wäldchen ein lachendes Bild von Ruhe, Fruchtbarkeit und Milde gewährten.
Ganz in der Ferne glaubten wir ein paar Herden von ansehnlichen Tieren zu bemerken, die mir zwar einmal Kühen und ein andermal Pferden nicht ungleich, aber doch eher wild als zahm und bekannt schienen.
Da wir im Grase die Spuren unseres Esels wieder verloren hatten und ich gleichwohl noch nicht alle Hoffnung aufgeben wollte, so beschloß ich, so unbemerkt als möglich auf eine jener Herden, die uns am nächsten stand, loszugehen und womöglich auszukundschaften, ob er sich etwa ihr zugesellt habe. Dazu hatten wir aber ein Wäldchen von riesigen Bambusgewächsen zu umgehen; als wir durch niedriges Buschwerk an der Ecke desselben herumlenkten, stießen wir, kaum vierzig Schritte weit, auf eine Herde von wilden und furchtbaren Büffeln, die zwar an Zahl nur gering, aber dem Aussehen nach entsetzlich waren und hingereicht hätten, uns auf der Stelle zu vernichten. – Auch erschrak ich so sehr, daß ich kaum daran dachte, den Hahn meines Doppelgewehres in Bereitschaft zu setzen, und dann fast wie versteinert stehenblieb. Zum Glück waren unsere Hunde jetzt noch ein wenig hinter uns, und die Büffel mochten so wenig mit dem Anblicke des Menschen bekannt sein, daß sie ruhig auf ihrer Stelle blieben und uns verwundert anglotzten oder doch höchstens von der Erde, wo sie gelagert waren, aufstanden und nicht im mindesten auf Verteidigung oder Angriff bedacht zu sein schienen.
Dieser Umstand rettete uns wahrscheinlich das Leben, denn wir hatten jetzt Frist, uns ein wenig zurückzuziehen und unsere Gewehre vollkommen instand zu setzen. Ich wollte mich mit den gewaltigen Bestien durchaus nicht einlassen und dachte nur auf einen sichern Rückzug, als ungeschickterweise jetzt Türk und Bill uns wieder einholten und von den Büffeln alsbald erblickt wurden. Da fingen urplötzlich die schrecklichen Tiere an zu brüllen, daß es uns durch Mark und Bein ging, und wie rasend begannen sie zu stampfen, zu toben, mit den Hörnern in der Erde zu wühlen, so daß ich mit Entsetzen den Augenblick sah, wo sie auf uns losbrechen und nebst den Hunden, die ihnen wohl Schakale oder Wölfe schienen, auch uns beide darniederwerfen, uns zertreten und gänzlich vernichten würden. Die Hunde blieben jedoch bei dieser Gefahr so unerschrocken, daß wir sie umsonst in unsern Hinterhalt zurückriefen; sie machten vielmehr selbst einen Angriff und packten ein junges Büffelkalb, das uns um ein halb Dutzend Schritte näher stand als der übrige Haufe, nach ihrer Art bei den Ohren und zogen es mit Gewalt gegen uns her. Jetzt galt es Ernst, und wollten wir unsere tapferen Verteidiger nicht den wütend anrückenden Büffeln preisgeben, so mußten wir einen Kampf wagen, der eine wahre Tollkühnheit schien und einzig gelingen konnte, wenn unser Feuergewehr die Tiere, die wir nicht alle zu treffen vermochten, doch hinlänglich erschreckte, daß sie reißaus nahmen. Mit zitterndem Herzen drückten wir los, und zu hohem Glücke fuhren ob Knall, Feuer und Rauch die fürchterlichen Bestien wie vor einem Donnerschlag zurück und ergriffen in unbegreiflicher Schnelligkeit eine Flucht, die vielleicht stundenweit ging; eines von den Tieren aber, eine Kuh, und vermutlich die Mutter des angebissenen Kalbes, war durch meinen Schuß verwundet worden und geriet über dem Schmerz in eine solche Raserei, daß sie keinen Augenblick sich zurückwandte, sondern mit dreifacher Wut gegen unsere Doggen heranstürmte und ihnen gewiß den Geraus gemacht haben würde, wenn ich sie nicht mit einem zweiten Schuß so glücklich getroffen hätte, daß sie niedersank, worauf ich ihr, rasch hinzueilend, mit einem Pistolenschuß vollends den Rest gab.
Jetzt erst atmeten wir wieder auf, denn wir hatten einen unvermeidlichen Tod vor uns gesehen. Es blieb uns indessen noch Arbeit genug; denn das Büffelkalb zwischen unsern zwei Hunden gebärdete sich so ungestüm und schlug mit den Füßen so grimmig um sich her, daß ich besorgte, die rüstigen Beißer würden eine schwere Verwundung erhalten, und nötig fand, ihnen schnell zu Hilfe zu kommen. Glücklicherweise fiel Jack auf den Einfall, seine Schleuderkugeln zu gebrauchen, die er mit dem gehörigen Schwung dem zappelnden Kalb so glücklich in die Hinterfüße warf, daß es umfiel und verwickelt blieb, bis wir, schnell hinzulaufend, es mit einem stärkern Strick festbinden konnten und nun auch die Hunde von den angepackten Ohren losmachen durften. Der Büffel war nun völlig in unserer Gewalt, und Jack freute sich zum voraus, den Gefangenen der Mutter und den Brüdern vorzuführen. Es war indessen nicht so leicht, das Tier vom Flecke zu bringen; denn obwohl es augenblicklich wehrlos zu unsern Füßen lag, loderte doch in seinen tückischen Augen eine so bösartige Wildheit, daß wir alle Ursache hatten, sehr vorsichtig mit ihm umzugehen. Ich sann hin und her, bis mir endlich ein zwar etwas grausames, aber sicheres Verfahren einfiel, das in Italien gebräuchlich sein soll. Ich machte nämlich den Strick, womit wir die Beine des Büffels gebunden hatten, an einem Baume fest und ließ die Hunde wieder die Ohren anpacken, um so dessen Kopf festzuhalten; dann faßte ich die Scheidewand der Nasenlöcher, durchschnitt sie mit meinem scharfen, spitzigen Messer und zog einen dünnen Strick hindurch, den ich nachher als Leitseil zu benutzen gedachte. Meine Operation gelang vollkommen, und das Tier schien nach starker Blutung durch den Schmerz, den ihm das Seil bei rascher Bewegung verursachte, einstweilen völlig lenksam. Es machte allerdings mehrfache Versuche, sich gegen die unwillkommene Herrschaft aufzulehnen;, aber ein Ruck an dem Seil in seiner gepeinigten Nase brachte es allemal schnell zur Besinnung. Auch gingen ihm die Hunde mit Knurren und Ankläffen nicht von der Seite. Wir sahen aber deutlich, daß es noch Mühe genug kosten werde, den wilden tückischen Burschen wirklich zu zähmen.
Es blieb uns nur noch übrig, die erledigte Büffelkuh so gut als möglich auszuweiden, wozu es uns aber an dem nötigen Werkzeug mangelte; ich beschränkte mich daher darauf, die Zunge und ein paar hübsche Fleischriemen herauszuschneiden, die wir mit Salz, das wir mit uns genommen, tüchtig einrieben und zum Trocknen an der Sonne ausbreiteten; den Rest überließen wir unsern beiden Doggen, die mit Heißhunger darüber herfielen.