Kitabı oku: «Die Wahlverwandtschaften», sayfa 8

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Neigung und Leidenschaft entspringt und nährt sich auch von ihrer Seite.

Warum sollen wir nicht mit Worten aussprechen, was uns jede Stunde gesteht und bekennt?

Sollen wir nicht soviel Vorsicht haben, uns zu fragen, was das werden wird?« »Wenn man auch sogleich nicht darauf antworten kann«, versetzte Eduard, der sich zusammennahm, »so läßt sich doch soviel sagen, daß man eben alsdann sich am ersten entschließt abzuwarten, was uns die Zukunft lehren wird, wenn man gerade nicht sagen kann, was aus einer Sache werden soll«.

»Hier vorauszusehen«, versetzte Charlotte, »bedarf es wohl keiner großen Weisheit, und soviel läßt sich auf alle Fälle gleich sagen, daß wir beide nicht mehr jung genug sind, um blindlings dahin zu gehen, wohin man nicht möchte oder nicht sollte.

Niemand kann mehr für uns sorgen; wir müssen unsre eigenen Freunde sein, unsre eigenen Hofmeister.

Niemand erwartet von uns, daß wir uns in ein Äußerstes verlieren werden, niemand erwartet, uns tadelnswert oder gar lächerlich zu finden«.

»Kannst du mirs verdenken«, versetzte Eduard, der die offne, reine Sprache seiner Gattin nicht zu erwidern vermochte, »kannst du mich schelten, wenn mir Ottiliens Glück am Herzen liegt?

Und nicht etwa ein künftiges, das immer nicht zu berechnen ist, sondern ein gegenwärtiges?

Denke dir aufrichtig und ohne Selbstbetrug Ottilien aus unserer Gesellschaft gerissen und fremden Menschen untergeben – ich wenigstens fühle mich nicht grausam genug, ihr eine solche Veränderung zuzumuten«.

Charlotte ward gar wohl die Entschlossenheit ihres Gemahls hinter seiner Verstellung gewahr.

Erst jetzt fühlte sie, wie weit er sich von ihr entfernt hatte.

Mit einiger Bewegung rief sie aus: »kann Ottilie glücklich sein, wenn sie uns entzweit, wenn sie mir einen Gatten, seinen Kindern einen Vater entreißt?« »Für unsere Kinder, dächte ich, wäre gesorgt«, sagte Eduard lächelnd und kalt; etwas freundlicher aber fügte er hinzu: »wer wird auch gleich das Äußerste denken!« »das Äußerste liegt der Leidenschaft zu allernächst«, bemerkte Charlotte.

»Lehne, solange es noch Zeit ist, den guten Rat nicht ab, nicht die Hülfe, die ich uns biete.

In trüben Fällen muß derjenige wirken und helfen, der am klarsten sieht.

Diesmal bin ichs.

Lieber, liebster Eduard, laß mich gewähren!

Kannst du mir zumuten, daß ich auf mein wohlerworbenes Glück, auf die schönsten Rechte, auf dich so geradehin Verzicht leisten soll?« »Wer sagt das?« versetzte Eduard mit einiger Verlegenheit.

»Du selbst«, versetzte Charlotte; »indem du Ottilien in der Nähe behalten willst, gestehst du nicht alles zu, was daraus entspringen muß?

Ich will nicht in dich dringen; aber wenn du dich nicht überwinden kannst, so wirst du wenigstens dich nicht lange mehr betriegen können«.

Eduard fühlte, wie recht sie hatte.

Ein ausgesprochenes Wort ist fürchterlich, wenn es das auf einmal ausspricht, was das Herz lange sich erlaubt hat; und um nur für den Augenblick auszuweichen, erwiderte Eduard: »es ist mir ja noch nicht einmal klar, was du vorhast«.

»Meine Absicht war«, versetzte Charlotte, »mit dir die beiden Vorschläge zu überlegen.

Beide haben viel Gutes.

Die Pension würde Ottilien am gemäßesten sein, wenn ich betrachte, wie das Kind jetzt ist.

Jene größere und weitere Lage verspricht aber mehr, wenn ich bedenke, was sie werden soll«.

Sie legte darauf umständlich ihrem Gemahl die beiden Verhältnisse dar und schloß mit den Worten: »was meine Meinung betrifft, so würde ich das Haus jener Dame der Pension vorziehen aus mehreren Ursachen, besonders aber auch, weil ich die Neigung, ja die Leidenschaft des jungen Mannes, den Ottilie dort für sich gewonnen, nicht vermehren will«.

Eduard schien ihr Beifall zu geben, nur aber, um einigen Aufschub zu suchen.

Charlotte, die darauf ausging, etwas Entscheidendes zu tun, ergriff sogleich die Gelegenheit, als Eduard nicht unmittelbar widersprach, die Abreise Ottiliens, zu der sie schon alles im stillen vorbereitet hatte, auf die nächsten Tage festzusetzen.

Eduard schauderte, er hielt sich für verraten und die liebevolle Sprache seiner Frau für ausgedacht, künstlich und planmäßig, um ihn auf ewig von seinem Glücke zu trennen.

Er schien ihr die Sache ganz zu überlassen; allein schon war innerlich sein Entschluß gefaßt.

Um nur zu Atem zu kommen, um das bevorstehende unabsehliche Unheil der Entfernung Ottiliens abzuwenden, entschied er sich, sein Haus zu verlassen, und zwar nicht ganz ohne Vorbewußt Charlottens, die er jedoch durch die Einleitung zu täuschen verstand, daß er bei Ottiliens Abreise nicht gegenwärtig sein, ja sie von diesem Augenblick an nicht mehr sehen wolle.

Charlotte, die gewonnen zu haben glaubte, tat ihm allen Vorschub.

Er befahl seine Pferde, gab dem Kammerdiener die nötige Anweisung, was er einpacken und wie er ihm folgen solle, und so, wie schon im Stegreife, setzte er sich hin und schrieb.

»Das Übel, meine Liebe, das uns befallen hat, mag heilbar sein oder nicht, dies nur fühle ich: wenn ich im Augenblicke nicht verzweifeln soll, so muß ich Aufschub finden für mich, für uns alle.

Indem ich mich aufopfre, kann ich fordern.

Ich verlasse mein Haus und kehre nur unter günstigern, ruhigern Aussichten zurück.

Du sollst es indessen besitzen, aber mit Ottilien.

Bei dir will ich sie wissen, nicht unter fremden Menschen.

Sorge für sie, behandle sie wie sonst, wie bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher und zarter.

Ich verspreche, kein heimliches Verhältnis zu Ottilien zu suchen.

Laßt mich lieber eine Zeitlang ganz unwissend, wie ihr lebt; ich will mir das Beste denken.

Denkt auch so von mir.

Nur, was ich dich bitte, auf das innigste, auf das lebhafteste: mache keinen Versuch, Ottilien sonst irgendwo unterzugeben, in neue Verhältnisse zu bringen!

Außer dem Bezirk deines Schlosses, deines Parks, fremden Menschen anvertraut, gehört sie mir, und ich werde mich ihrer bemächtigen.

Ehrst du aber meine Neigung, meine Wünsche, meine Schmerzen, schmeichelst du meinem Wahn, meinen Hoffnungen, so will ich auch der Genesung nicht widerstreben, wenn sie sich mir anbietet«.

Diese letzte Wendung floß ihm aus der Feder, nicht aus dem Herzen.

Ja, wie er sie auf dem Papier sah, fing er bitterlich an zu weinen.

Er sollte auf irgendeine Weise dem Glück, ja dem Unglück, Ottilien zu lieben, entsagen!

Jetzt fühlte er, was er tat.

Er entfernte sich, ohne zu wissen, was daraus entstehen konnte.

Er sollte sie wenigstens jetzt nicht wiedersehen; ob er sie je widersähe, welche Sicherheit konnte er sich darüber versprechen?

Aber der Brief war geschrieben; die Pferde standen vor der Tür; jeden Augenblick mußte er fürchten, Ottilien irgendwo zu erblicken und zugleich seinen Entschluß vereitelt zu sehen.

Er faßte sich; er dachte, daß es ihm doch möglich sei, jeden Augenblick zurückzukehren und durch die Entfernung gerade seinen Wünschen näher zu kommen.

Im Gegenteil stellte er sich Ottilien vor, aus dem Hause gedrängt, wenn er bliebe.

Er siegelte den Brief, eilte die Treppe hinab und schwang sich aufs Pferd.

Als er beim Wirtshause vorbeitritt, sah er den Bettler in der Laube sitzen, den er gestern nacht so reichlich beschenkt hatte.

Dieser saß behaglich an seinem Mittagsmahle, stand auf und neigte sich ehrerbietig, ja anbetend vor Eduarden.

Eben diese Gestalt war ihm gestern erschienen, als er Ottilien am Arm führte; nun erinnerte sie ihn schmerzlich an die glücklichste Stunde seines Lebens.

Seine Leiden vermehrten sich; das Gefühl dessen, was er zurückließ, war ihm unerträglich; nochmals blickte er nach dem Bettler: »o du Beneidenswerter!« rief er aus; »du kannst noch am gestrigen Almosen zehren und ich nicht mehr am gestrigen Glücke!« Ottilie trat ans Fenster, als sie jemanden wegreiten hörte, und sah Eduarden noch im Rücken.

Es kam ihr wunderbar vor, daß er das Haus verließ, ohne sie gesehen, ohne ihr einen Morgengruß geboten zu haben.

Sie ward unruhig und immer nachdenklicher, als Charlotte sie auf einen weiten Spaziergang mit sich zog und von mancherlei Gegenständen sprach, aber des Gemahls, und wie es schien vorsätzlich, nicht erwähnte. Doppelt betroffen war sie daher, bei ihrer Zurückkunft den Tisch nur mit zwei Gedecken besetzt zu finden.

Wir vermissen ungern gering scheinende Gewohnheiten, aber schmerzlich empfinden wir erst ein solches Entbehren in bedeutenden Fällen. Eduard und der Hauptmann fehlten, Charlotte hatte seit langer Zeit zum erstenmal den Tisch selbst angeordnet, und es wollte Ottilien scheinen, als wenn sie abgesetzt wäre.

Die beiden Frauen saßen gegeneinander über; Charlotte sprach ganz unbefangen von der Anstellung des Hauptmanns und von der wenigen Hoffnung, ihn bald wiederzusehen.

Das einzige tröstete Ottilien in ihrer Lage, daß sie glauben konnte, Eduard sei, um den Freund noch eine Strecke zu begleiten, ihm nachgeritten.

Allein da sie von Tische aufstanden, sahen sie Eduards Reisewagen unter dem Fenster, und als Charlotte einigermaßen unwillig fragte, wer ihn hieher bestellt habe, so antwortete man ihr, es sei der Kammerdiener, der hier noch einiges aufpacken wolle.

Ottilie brauchte ihre ganze Fassung, um ihre Verwunderung und ihren Schmerz zu verbergen.

Der Kammerdiener trat herein und verlangte noch einiges.

Es war eine Mundtasse des Herrn, ein paar silberne Löffel und mancherlei, was Ottilien auf eine weitere Reise, auf ein längeres Außenbleiben zu deuten schien.

Charlotte verwies ihm sein Begehren ganz trocken: sie verstehe nicht, was er damit sagen wolle; denn er habe ja alles, was sich auf den Herrn beziehe, selbst im Beschluß.

Der gewandte Mann, dem es freilich nur darum zu tun war, Ottilien zu sprechen und sie deswegen unter irgendeinem Vorwande aus dem Zimmer zu locken, wußte sich zu entschuldigen und auf seinem Verlangen zu beharren, das ihm Ottilie auch zu gewähren wünschte; allein Charlotte lehnte es ab, der Kammerdiener mußte sich entfernen, und der Wagen rollte fort.

Es war für Ottilien ein schrecklicher Augenblick.

Sie verstand es nicht, sie begriff es nicht; aber daß ihr Eduard auf geraume Zeit entrissen war, konnte sie fühlen.

Charlotte fühlte den Zustand mit und ließ sie allein.

Wir wagen nicht, ihren Schmerz, ihre Tränen zu schildern.

Sie litt unendlich.

Sie bat nur Gott, daß er ihr nur über diesen Tag weghelfen möchte; sie überstand den Tag und die Nacht, und als sie sich wiedergefunden, glaubte sie, ein anderes Wesen anzutreffen.

Sie hatte sich nicht gefaßt, sich nicht ergeben, aber sie war nach so großem Verluste noch da und hatte noch mehr zu befürchten.

Ihre nächste Sorge, nachdem das Bewußtsein wiedergekehrt, war sogleich, sie möchte nun, nach Entfernung der Männer, gleichfalls entfernt werden.

Sie ahnte nichts von Eduards Drohungen, wodurch ihr der Aufenthalt neben Charlotten gesichert war; doch diente ihr das Betragen Charlottens zu einiger Beruhigung.

Diese suchte das gute Kind zu beschäftigen und ließ sie nur selten, nur ungern von sich; und ob sie gleich wohl wußte, daß man mit Worten nicht viel gegen eine entschiedene Leidenschaft zu wirken vermag, so kannte sie doch die Macht der Besonnenheit, des Bewußtseins, und brachte daher manches zwischen sich und Ottilien zur Sprache.

So war es für diese ein großer Trost, als jene gelegentlich mit Bedacht und Vorsatz die weise Betrachtung anstellte: »wie lebhaft ist«, sagte sie, »die Dankbarkeit derjenigen, denen wir mit Ruhe über leidenschaftliche Verlegenheiten hinaushelfen!

Laß uns freudig und munter in das eingreifen, was die Männer unvollendet zurückgelassen haben; so bereiten wir uns die schönste Aussicht auf ihre Rückkehr, indem wir das, was ihr stürmendes, ungeduldiges Wesen zerstören möchte, durch unsre Mäßigung erhalten und fördern«.

»Da Sie von Mäßigung sprechen, liebe Tante«, versetzte Ottilie, »so kann ich nicht bergen, daß mir dabei die Unmäßigkeit der Männer, besonders was den Wein betrifft, einfällt.

Wie oft hat es mich betrübt und geängstigt, wenn ich bemerken mußte, daß reiner Verstand, Klugheit, Schonung anderer, Anmut und Liebenswürdigkeit selbst für mehrere Stunden verlorengingen und oft statt alles des Guten, was ein trefflicher Mann hervorzubringen und zu gewähren vermag, Unheil und Verwirrung hereinzubrechen drohte!

Wie oft mögen dadurch gewaltsame Entschließungen veranlaßt werden!« Charlotte gab ihr recht, doch setzte sie das Gespräch nicht fort; denn sie fühlte nur zu wohl, daß auch hier Ottilie bloß Eduarden wieder im Sinne hatte, der zwar nicht gewöhnlich, aber doch öfter, als es wünschenswert war, sein Vergnügen, seine Gesprächigkeit, seine Tätigkeit durch einen gelegentlichen Weingenuß zu steigern pflegte.

Hatte bei jener Äußerung Charlottens sich Ottilie die Männer, besonders Eduarden, wieder herandenken können, so war es ihr um desto auffallender, als Charlotte von einer bevorstehenden Heirat des Hauptmanns wie von einer ganz bekannten und gewissen Sache sprach, wodurch denn alles ein andres Ansehn gewann, als sie nach Eduards frühern Versicherungen sich vorstellen mochte.

Durch alles dies vermehrte sich die Aufmerksamkeit Ottiliens auf jede Äußerung, jeden Wink, jede Handlung, jeden Schritt Charlottens. Ottilie war klug, scharfsinnig, argwöhnisch geworden, ohne es zu wissen.

Charlotte durchdrang indessen das einzelne ihrer ganzen Umgebung mit scharfem Blick und wirkte darin mit ihrer klaren Gewandtheit, wobei sie Ottilien beständig teilzunehmen nötigte.

Sie zog ihren Haushalt ohne Bänglichkeit ins Enge; ja, wenn sie alles genau betrachtete, so hielt sie den leidenschaftlichen Vorfall für eine Art von glücklicher Schickung.

Denn auf den bisherigen Wege wäre man leicht ins Grenzenlose geraten und hätte den schönen Zustand reichlicher Glücksgüter, ohne sich zeitig genug zu besinnen, durch ein vordringliches Leben und Treiben, wo nicht zerstört, doch erschüttert.

Was von Parkanlagen im Gange war, störte sie nicht.

Sie ließ vielmehr dasjenige fortsetzen, was zum Grunde künftiger Ausbildung liegen mußte; aber dabei hatte es auch sein Bewenden. Ihr zurückkehrender Gemahl sollte noch genug erfreuliche Beschäftigung finden.

Bei diesen Arbeiten und Vorsätzen konnte sie nicht genug das Verfahren des Architekten loben.

Der See lag in kurzer Zeit ausgebreitet vor ihren Augen und die neuentstandenen Ufer zierlich und mannigfaltig bepflanzt und beraset.

An dem neuen Hause ward alle rauhe Arbeit vollbracht, was zur Erhaltung nötig war, besorgt, und dann machte sie einen Abschluß da, wo man mit Vergnügen wieder von vorn anfangen konnte.

Dabei war sie ruhig und heiter; Ottilie schien es nur; denn in allem beobachtete sie nichts als Symptome, ob Eduard wohl bald erwartet werde oder nicht.

Nichts interessierte sie an allem als diese Betrachtung.

Willkommen war ihr daher eine Anstalt, zu der man die Bauerknaben versammelte und die darauf abzielte, den weitläufig gewordenen Park immer rein zu erhalten.

Eduard hatte schon den Gedanken gehegt.

Man ließ den Knaben eine Art von heiterer Montierung machen, die sie in den Abendstunden anzogen, nachdem sie sich durchaus gereinigt und gesäubert hatten.

Die Garderobe war im Schloß; dem verständigsten, genausten Knaben vertraute man die Aufsicht an; der Architekt leitete das Ganze, und ehe man sichs versah, so hatten die Knaben alle ein gewisses Geschick. Man fand an ihnen eine bequeme Dressur, und sie verrichteten ihr Geschäft nicht ohne eine Art von Manöver.

Gewiß, wenn sie mit ihren Scharreisen, gestielten Messerklingen, Rechen, kleinen Spaten und Hacken und wedelartigen Besen einherzogen, wenn andre mit Körben hinterdrein kamen, um Unkraut und Steine beiseitezuschaffen, andre das hohe, große, eiserne Walzenrad hinter sich herzogen, so gab es einen hübschen, erfreulichen Aufzug, in welchem der Architekt eine artige Folge von Stellungen und Tätigkeiten für den Fries eines Gartenhauses sich anmerkte; Ottilie hingegen sah darin nur eine Art von Parade, welche den rückkehrenden Hausherrn bald begrüßen sollte.

Dies gab ihr Mut und Lust, ihn mit etwas Ähnlichem zu empfangen.

Man hatte zeither die Mädchen des Dorfes im Nähen, Stricken, Spinnen und andern weiblichen Arbeiten zu ermuntern gesucht.

Auch diese Tugenden hatten zugenommen seit jenen Anstalten zu Reinlichkeit und Schönheit des Dorfes.

Ottilie wirkte stets mit ein, aber mehr zufällig, nach Gelegenheit und Neigung.

Nun gedachte sie es vollständiger und folgerechter zu machen. Aber aus einer Anzahl Mädchen läßt sich kein Chor bilden wie aus einer Anzahl Knaben.

Sie folgte ihrem guten Sinne, und ohne sichs ganz deutlich zu machen, suchte sie nichts, als einem jeden Mädchen Anhänglichkeit an sein Haus, seine Eltern und seine Geschwister einzuflößen.

Das gelang ihr mit vielen.

Nur über ein kleines, lebhaftes Mädchen wurde immer geklagt, daß sie ohne Geschick sei und im Hause nun ein für allemal nichts tun wolle.

Ottilie konnte dem Mädchen nicht feind sein, denn ihr war es besonders freundlich.

Zu ihr zog es sich, mit ihr ging und lief es, wenn sie es erlaubte.

Da war es tätig, munter und unermüdet.

Die Anhänglichkeit an eine schöne Herrin schien dem Kinde Bedürfnis zu sein.

Anfänglich duldete Ottilie die Begleitung des Kindes; dann faßte sie selbst Neigung zu ihm; endlich trennten sie sich nicht mehr, und Nanny begleitete ihre Herrin überallhin.

Diese nahm öfters den Weg nach dem Garten und freute sich über das schöne Gedeihen.

Die Beeren- und Kirschenzeit ging zu Ende, deren Spätlinge jedoch Nanny sich besonders schmecken ließ.

Bei dem übrigen Obste, das für den Herbst eine so reichliche Ernte versprach, gedachte der Gärtner beständig des Herrn und niemals, ohne ihn herbeizuwünschen.

Ottilie hörte dem guten alten Manne so gern zu.

Er verstand sein Handwerk vollkommen und hörte nicht auf, ihr von Eduard vorzusprechen.

Als Ottilie sich freute, daß die Pfropfreiser dieses Frühjahrs alle so gar schön gekommen, erwiderte der Gärtner bedenklich: »ich wünsche nur, daß der gute Herr viel Freude daran erleben möge.

Wäre er diesen Herbst hier, so würde er sehen, was für köstliche Sorten noch von seinem Herrn Vater her im alten Schloßgarten stehen.

Die jetzigen Herren Obstgärtner sind nicht so zuverlässig, als sonst die Kartäuser waren.

In den Katalogen findet man wohl lauter honette Namen.

Man pfropft und erzieht und endlich, wenn sie Fürchte tragen, so ist es nicht der Mühe wert, daß solche Bäume im Garten stehen«.

Am wiederholtesten aber fragte der treue Diener, fast so oft er Ottilien sah, nach der Rückkunft des Herrn und nach dem Termin derselben.

Und wenn Ottilie ihn nicht angeben konnte, so ließ ihr der gute Mann nicht ohne stille Betrübnis merken, daß er glaube, sie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr das Gefühl der Unwissenheit, das ihr auf diese Weise recht aufgedrungen ward.

Doch konnte sie sich von diesen Rabatten und Beeten nicht trennen.

Was sie zusammen zum Teil gesäet, alles gepflanzt hatten, stand nur im völligen Flor; kaum bedurfte es noch einer Pflege, außer daß Nanny immer zum Gießen bereit war.

Mit welchen Empfindungen betrachtete Ottilie die späteren Blumen, die sich erst anzeigten, deren Glanz und Fülle dereinst an Eduards Geburtstag, dessen Feier sie sich manchmal versprach, prangen, ihre Neigung und Dankbarkeit ausdrücken sollten!

Doch war die Hoffnung, dieses Fest zu sehen, nicht immer gleich lebendig.

Zweifel und Sorgen umflüsterten stets die Seele des guten Mädchens.

Zu einer eigentlichen, offnen Übereinstimmung mit Charlotten konnte es auch wohl nicht wieder gebracht werden.

Denn freilich war der Zustand beider Frauen sehr verschieden. Wenn alles beim alten blieb, wenn man in das Gleis des gesetzmäßigen Lebens zurückkehrte, gewann Charlotte an gegenwärtigem Glück, und eine frohe Aussicht in die Zukunft öffnete sich ihr; Ottilie hingegen verlor alles, man kann wohl sagen alles; denn sie hatte zuerst Leben und Freude in Eduard gefunden, und in dem gegenwärtigen Zustande fühlte sie eine unendliche Leere, wovon sie früher kaum etwas geahnet hatte.

Denn ein Herz, das sucht, fühlt wohl, daß ihm etwas mangle; ein Herz, das verloren hat, fühlt, daß es entbehre.

Sehnsucht verwandelt sich in Unmut und Ungeduld, und ein weibliches Gemüt, zum Erwarten und Abwarten gewöhnt, möchte nun aus seinem Kreise herausschreiten, tätig werden, unternehmen und auch etwas für sein Glück tun.

Ottilie hatte Eduarden nicht entsagt.

Wie konnte sie es auch, obgleich Charlotte klug genug, gegen ihre eigne Überzeugung die Sache für bekannt annahm und als entschieden voraussetzte, daß ein freundschaftliches, ruhiges Verhältnis zwischen ihrem Gatten und Ottilien möglich sei.

Wie oft aber lag diese nachts, wenn sie sich eingeschlossen, auf den Knieen vor dem eröffneten Koffer und betrachtete die Geburtstagsgeschenke, von denen sie noch nichts gebraucht, nichts zerschnitten, nichts gefertigt.

Wie oft eilte das gute Mädchen mit Sonnenaufgang aus dem Hause, in dem sie sonst alle ihre Glückseligkeit gefunden hatte, ins Freie hinaus, in die Gegend, die sie sonst nicht ansprach.

Auch auf dem Boden mochte sie nicht verweilen.

Sie sprang in den Kahn und ruderte sich bis mitten in den See; dann zog sie eine Reisebeschreibung hervor, ließ sich von den bewegten Wellen schaukeln, las, träumte sich in die Fremde, und immer fand sie dort ihren Freund; seinem Herzen war sie noch immer nahe geblieben, er dem ihrigen.

Daß jener wunderlich tätige Mann, den wir bereits kennengelernt, daß Mittler, nachdem er von dem Unheil, das unter diesen Freunden ausgebrochen, Nachricht erhalten, obgleich kein Teil noch seine Hülfe angerufen, in diesem Falle seine Freundschaft, seine Geschicklichkeit zu beweisen, zu üben geneigt war, läßt sich denken.

Doch schien es ihm rätlich, erst eine Weile zu zaudern; denn er wußte nur zu wohl, daß es schwerer sei, gebildeten Menschen bei sittlichen Verworrenheiten zu Hülfe zu kommen als ungebildeten.

Er überließ sie deshalb eine Zeitlang sich selbst; allein zuletzt konnte er es nicht mehr aushalten und eilte, Eduarden aufzusuchen, dem er schon auf die Spur gekommen war.

Sein Weg führte ihn zu einem angenehmen Tal, dessen anmutig grünen, baumreichen Wiesengrund die Wasserfülle eines immer lebendigen Baches bald durchschlängelte, bald durchrauschte.

Auf den sanften Anhöhen zogen sich fruchtbare Felder und wohlbestandene Obstpflanzungen hin.

Die Dörfer lagen nicht zu nah aneinander, das Ganze hatte einen friedlichen Charakter, und die einzelnen Partieen, wenn auch nicht zum Malen, schienen doch zum Leben vorzüglich geeignet zu sein.

Ein wohlerhaltenes Vorwerk mit einem reinlichen, bescheidenen Wohnhause, von Gärten umgeben, fiel ihm endlich in die Augen.

Er vermutete, hier sei Eduards gegenwärtiger Aufenthalt, und er irrte nicht.

Von diesem einsamen Freunde können wir soviel sagen, daß er sich im stillen dem Gefühl seiner Leidenschaft ganz überließ und dabei mancherlei Plane sich ausdachte, mancherlei Hoffnungen nährte.

Er konnte sich nicht leugnen, daß er Ottilien hier zu sehen wünsche, daß er wünsche, sie hieher zu führen, zu locken, und was er sich sonst noch Erlaubtes und Unerlaubtes zu denken nicht verwehrte.

Dann schwankte seine Einbildungskraft in allen Möglichkeiten herum.

Sollte er sie hier nicht besitzen, nicht rechtmäßig besitzen können, so wollte er ihr den Besitz des Gutes zueignen.

Hier sollte sie still für sich, unabhängig leben; sie sollte glücklich sein und, wenn ihn eine selbstquälerische Einbildungskraft noch weiter führte, vielleicht mit einem andern glücklich sein.

So verflossen ihm seine Tage in einem ewigen Schwanken zwischen Hoffnung und Schmerz, zwischen Tränen und Heiterkeit, zwischen Vorsätzen, Vorbereitungen und Verzweiflung.

Der Anblick Mittlers überraschte ihn nicht.

Er hatte dessen Ankunft längst erwartet, und so war er ihm auch halb willkommen.

Glaubte er ihn von Charlotten gesendet, so hatte er sich schon auf allerlei Entschuldigungen und Verzögerungen und sodann auf entscheidendere Vorschläge bereitet; hoffte er nun aber von Ottilien wieder etwas zu vernehmen, so war ihm Mittler so lieb als ein himmlischer Bote.

Verdrießlich daher und verstimmt war Eduard, als er vernahm, Mittler komme nicht von dorther, sondern aus eignem Antriebe.

Sein Herz verschloß sich, und das Gespräch wollte sich anfangs nicht einleiten.

Doch wußte Mittler nur zu gut, daß ein liebevoll beschäftigtes Gemüt das dringende Bedürfnis hat, sich zu äußern, das, was in ihm vorgeht, vor einem Freunde auszuschütten, und ließ sich daher gefallen, nach einigem Hin- und Widerreden diesmal aus seiner Rolle herauszugehen und statt des Vermittlers den Vertrauten zu spielen.

Als er hiernach auf eine freundliche Weise Eduarden wegen seines einsamen Lebens tadelte, erwiderte dieser: »o, ich wüßte nicht, wie ich meine Zeit angenehmer zubringen sollte!

Immer bin ich mit ihr beschäftigt, immer in ihrer Nähe.

Ich habe den unschätzbaren Vorteil, mir denken zu können, wo sich Ottilie befindet, wo sie geht, wo sie steht, wo sie ausruht.

Ich sehe sie vor mir tun und handeln wie gewöhnlich, schaffen und vornehmen, freilich immer das, was mir am meisten schmeichelt.

Dabei bleibt es aber nicht; denn wie kann ich fern von ihr glücklich sein!

Nun arbeitet meine Phantasie durch, was Ottilie tun sollte, sich mir zu nähern.

Ich schreibe süße, zutrauliche Briefe in ihrem Namen an mich, ich antworte ihr und verwahre die Blätter zusammen.

Ich habe versprochen, keinen Schritt gegen sie zu tun, und das will ich halten.

Aber was bindet sie, daß sie sich nicht zu mir wendet?

Hat etwa Charlotte die Grausamkeit gehabt, Versprechen und Schwur von ihr zu fordern, daß sie mir nicht schreiben, keine Nachricht von sich geben wolle?

Es ist natürlich, es ist wahrscheinlich, und doch finde ich es unerhört, unerträglich.

Wenn sie mich liebt, wie ich glaube, wie ich weiß, warum entschließt sie sich nicht, warum wagt sie es nicht, zu fliehen und sich in meine Arme zu werfen?

Sie sollte das, denke ich manchmal, sie könnte das.

Wenn sich etwas auf dem Vorsaale regt, sehe ich gegen die Türe.

Sie soll hereintreten!

Denk ich, hoff ich.

Ach!

Und da das Mögliche unmöglich ist, bilde ich mir ein, das Unmögliche müsse möglich werden.

Nachts, wenn ich aufwache, die Lampe einen unsichern Schein durch das Schlafzimmer wirft, da sollte ihre Gestalt, ihr Geist, eine Ahnung von ihr vorüberschweben, herantreten, mich ergreifen, nur einen Augenblick, daß ich eine Art von Versicherung hätte, sie denke mein, sie sei mein.

Eine einzige Freude bleibt mir noch.

Da ich ihr nahe war, träumte ich nie von ihr; jetzt aber, in der Ferne, sind wir im Traume zusammen, und sonderbar genug: seit ich andre liebenswürdige Personen hier in der Nachbarschaft kennengelernt, jetzt erst erscheint mir ihr Bild im Traum, als wenn sie mir sagen wollte: siehe nur hin und her! Du findest doch nichts Schöneres und Lieberes als mich.

Und so mischt sich ihr Bild in jeden meiner Träume.

Alles, was mir mit ihr begegnet, schiebt sich durch- und übereinander.

Bald unterschreiben wir einen Kontrakt; da ist ihre Hand und die meinige, ihr Name und der meinige; beide löschen einander aus, beide verschlingen sich.

Auch nicht ohne Schmerz sind diese wonnevollen Gaukeleien der Phantasie.

Manchmal tut sie etwas, das die reine Idee beleidigt, die ich von ihr habe, dann fühl ich erst, wie sehr ich sie liebe, indem ich über alle Beschreibung geängstet bin.

Manchmal neckt sie mich ganz gegen ihre Art und quält mich; aber sogleich verändert sich ihr Bild, ihr schönes, rundes, himmlisches Gesichtchen verlängert sich: es ist eine andre.

Aber ich bin doch gequält, unbefriedigt und zerrüttet.

Lächeln Sie nicht, lieber Mittler, oder lächeln Sie auch! O ich schäme mich nicht dieser Anhänglichkeit, dieser, wenn Sie wollen, törigen, rasenden Neigung.

Nein, ich habe noch nie geliebt; jetzt erfahre ich erst, was das heißt.

Bisher war alles in meinem Leben nur ein Vorspiel, nur Hinhalten, nur Zeitvertreib, nur Zeitverderb, bis ich sie kennenlernte, bis ich sie liebte und ganz und eigentlich liebte.

Man hat mir nicht gerade ins Gesicht, aber doch wohl im Rücken den Vorwurf gemacht: ich pfusche, ich stümpere nur in den meisten Dingen.

Es mag sein; aber ich hatte das noch nicht gefunden, worin ich mich als Meister zeigen kann.

Ich will den sehen, der mich im Talent des Liebens übertrifft.

Zwar ist es ein jammervolles, ein schmerzen-, ein tränenreiches; aber ich finde es mir so natürlich, so eigen, daß ich es wohl schwerlich je wieder aufgebe«.

Durch diese lebhaften, herzlichen Äußerungen hatte sich Eduard wohl erleichtert; aber es war ihm auch auf einmal jeder einzelne Zug seines wunderlichen Zustandes deutlich vor die Augen getreten, daß er, vom schmerzlichen Widerstreit überwältigt, in Tränen ausbrach, die um so reichlicher flossen, als sein Herz durch Mitteilung weich geworden war. Mittler, der sein rasches Naturell, seinen unerbittlichen Verstand um so weniger verleugnen konnte, als er sich durch diesen schmerzlichen Ausbruch der Leidenschaft Eduards weit von dem Ziel seiner Reise verschlagen sah, äußerte aufrichtig und derb seine Mißbilligung.

Eduard – hieß es solle sich ermannen, solle bedenken, was er seiner Manneswürde schuldig sei, solle nicht vergessen, daß dem Menschen zur höchsten Ehre gereiche, im Unglück sich zu fassen, den Schmerz mit Gleichmut und Anstand zu ertragen, um höchlich geschätzt, verehrt und als Muster aufgestellt zu werden.

Aufgeregt, durchdrungen von den peinlichsten Gefühlen, wie Eduard war, mußten ihm diese Worte hohl und nichtig vorkommen.

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