Kitabı oku: «Briefe aus der Schweiz», sayfa 4
Martinach, gegen Neun
Wir sind tief in die Nacht geritten, und der Herweg hat uns länger geschienen als der Hinweg, wo wir von einem Gegenstand zu dem andern gelockt worden sind. Auch habe ich aller Beschreibungen und Reflexionen für heute herzlich satt, doch will ich zwei schöne noch geschwind in der Erinnerung festsetzen. An der Pisse vache kamen wir in tiefer Dämmerung wieder vorbei. Die Berge, das Thal und selbst der Himmel waren dunkel und dämmernd. Graulich und mit stillem Rauschen sah man den herabschießenden Strom von allen andern Gegenständen sich unterscheiden, man bemerkte fast gar keine Bewegung. Es war immer dunkler geworden. Auf einmal sahen wir den Gipfel einer sehr hohen Klippe, völlig wie geschmolzen Erz im Ofen, glühen und rothen Dampf davon aufsteigen. Dieses sonderbare Phänomen wirkte die Abendsonne, die den Schnee und den davon aufsteigenden Nebel erleuchtete.
Sion, den 8. Nov. nach drei Uhr
Wir haben heute früh einen Fehlritt gethan und uns wenigstens um drei Stunden versäumet. Wir ritten vor Tag von Martinach weg, um bei Zeiten in Sion zu sein. Das Wetter war außerordentlich schön, nur daß die Sonne, wegen ihres niedern Standes, von den Bergen gehindert war, den Weg den wir ritten zu bescheinen; und der Anblick des wunderschönen Wallisthals machte manchen guten und muntern Gedanken rege. Wir waren schon drei Stunden die Landstraße hinan, die Rhone uns linker Hand, geritten; wir sahen Sion vor uns liegen und freuten uns auf das bald zu veranstaltende Mittagessen, als wir die Brücke, die wir zu passiren hatten, abgetragen fanden. Es blieb uns, nach Angabe der Leute, die dabei beschäftigt waren, nichts übrig, als entweder einen kleinen Fußpfad, der an den Felsen hinging, zu wählen, oder eine Stunde wieder zurück zu reiten und alsdann über einige andere Brücken der Rhone zu gehen. Wir wählten das letzte und ließen uns von keinem üblen Humor anfechten, sondern schrieben diesen Unfall wieder auf Rechnung eines guten Geistes, der uns bei der schönsten Tagszeit durch ein so interessantes Land spazieren führen wollte. Die Rhone macht überhaupt in diesem engen Lande böse Händel.
Wir mußten, um zu den andern Brücken zu kommen, über anderthalb Stunden durch die sandigen Flecke reiten, die sie durch Überschwemmungen sehr oft zu verändern pflegt, und die nur zu Erlen und Weidengebüschen zu benutzen sind. Endlich kamen wir an die Brücken, die sehr bös, schwankend, lang und von falschen Klüppeln zusammen gesetzt sind. Wir mußten einzeln unsere Pferde, nicht ohne Sorge, darüber führen. Nun ging es an der linken Seite des Wallis wieder nach Sion zu. Der Weg an sich war meistentheils schlecht und steinig, doch zeigte uns jeder Schritt eine Landschaft die eines Gemähldes werth gewesen wäre. Besonders führte er uns auf ein Schloß hinauf, wo herunter sich eine der schönsten Aussichten zeigte, die ich auf dem ganzen Wege gesehen habe. Die nächsten Berge schossen auf beiden Seiten mit ihren Lagen in die Erde ein, und verjüngten durch ihre Gestalt die Gegend gleichsam perspectivisch. Die ganze Breite des Wallis von Berg zu Berg lag bequem anzusehen unter uns; die Rhone kam, mit ihren mannichfaltigen Krümmen und Buschwerken, bei Dörfern, Wiesen und angebauten Hügeln vorbeigeflossen; in der Entfernung sah man die Burg von Sion und die verschiedenen Hügel die sich dahinter zu erheben anfingen; die letzte Gegend ward wie mit einem Amphitheaterbogen durch eine Reihe von Schneegebirgen geschlossen, die wie das übrige Ganze von der hohen steinig der Weg war, den wir zu reiten hatten, so erfreulich fanden wir die noch ziemlich grünen Reblauben die ihn bedeckten. Die Einwohner, denen jedes Fleckchen Erdreich kostbar ist, pflanzen ihre Weinstöcke gleich an ihre Mauern die ihre Güter von dem Wege scheiden; sie wachsen zu außerordentlicher Dicke und werden vermittelst Pfählen und Latten über den Weg gezogen, so daß er fast eine aneinanderhängende Laube bildet. In dem untern Theil war meistens Wiesewachs, doch fanden wir auch, da wir uns Sion näherten, einigen Feldbau. Gegen diese Stadt zu wird die Gegend durch wechselnde Hügel außerordentlich mannichfaltig, und man wünschte eine längere Zeit des Aufenthalts genießen zu können. Doch unterbricht die Häßlichkeit der Städte und der Menschen die angenehmen Empfindungen, welche die Landschaft erregt, gar sehr. Die scheußlichen Kröpfe haben mich ganz und gar üblen Humors gemacht. Unsern Pferden dürfen wir wohl heute nichts mehr zumuthen, und denken deßwegen zu Fuße nach Seyters zu gehen. Hier in Sion ist das Wirthshaus abscheulich, und die Stadt hat ein widriges schwarzes Ansehn.
Seyters, den 8. Nov. Nachts
Da wir bei einbrechendem Abend erst von Sion weggegangen, sind wir bei Nacht unter einem hellen Sternhimmel hier angekommen. Wir haben einige schöne Aussichten darüber verloren, merk' ich wohl. Besonders wünschten wir das Schloß Tourbillion, das bei Sion liegt, erstiegen zu haben; es muß von da aus eine ganz ungemein schöne Aussicht sein. Ein Bote, den wir mitnahmen, brachte uns glücklich durch einige böse Flecke, wo das Wasser ausgetreten war. Bald erreichten wir die Höhe und hatten die Rhone immer rechts unter uns. Mit verschiedenen astronomischen Gesprächen verkürzten wir den Weg, und sind bei guten Leuten, die ihr Bestes thun werden uns zu bewirthen, eingekehret. Wenn man zurück denkt, kommt einem so ein durchlebter Tag, wegen der mancherlei Gegenstände, fast wie eine Woche vor. Es fängt mir an recht leid zu thun, daß ich nicht Zeit und Geschick habe, die merkwürdigsten Gegenden auch nur linienweise zu zeichnen; es ist immer besser als alle Beschreibungen für einen Abwesenden.
Seyters, den 9ten
Noch ehe wir aufbrechen, kann ich Ihnen einen guten Morgen bieten. Der Graf wird mit mir links in's Gebirg nach dem Leukerbad zu gehen, der Freund indessen die Pferde hier erwarten und uns morgen in Leuk wieder antreffen.
Leukerbad, den 9ten, am Fuß des Gemmiberges
In einem kleinen bretternen Haus, wo wir von sehr braven Leuten gar freundlich aufgenommen worden, sitzen wir in einer schmalen und niedrigen Stube, und ich will sehen, wie viel von unserer heutigen sehr interessanten Tour durch Worte mitzutheilen ist. Von Seyters stiegen wir heute früh drei Stunden lang einen Berg herauf, nachdem wir vorherSteinen und Kies Felder, Wiesen und Gärten, die denn nach und nach kümmerlich, wenn es allenfalls noch möglich ist, von den Leuten wieder hergestellt und nach ein paar Generationen vielleicht wieder verschüttet werden. Wir hatten einen grauen Tag mit abwechselnden Sonnenblicken. Es ist nicht zu beschreiben, wie mannichfaltig auch hier das Wallis wieder wird; mit jedem Augenblick biegt und verändert sich die Landschaft. Es scheint alles sehr nah beisammen zu liegen, und man ist doch durch große Schluchten und Berge getrennt. Wir hatten bisher noch meist das offene Wallisthal rechts neben uns gehabt, als sich auf einmal ein schöner Anblick in's Gebirg vor uns aufthat.
Ich muß, um anschaulicher zu machen was ich beschreiben will, etwas von der geographischen Lage der Gegend, wo wir uns befinden, sagen. Wir waren nun schon drei Stunden aufwärts in das ungeheure Gebirg gestiegen, das Wallis von Bern trennet. Es ist eben der Stock von Bergen, der in Einemfort vom Genfersee bis auf den Gotthard läuft, und auf dem sich in dem Berner Gebiet die großen Eis- und Schnee-Massen eingenistet haben. Hier sind oben und unten relative Worte des Augenblicks. Ich sage, unter mir auf einer Fläche liegt ein Dorf, und eben diese Fläche liegt vielleicht wieder an einem Abgrund, der viel höher ist als mein Verhältniß zu ihr. Wir sahen, als wir um eine Ecke herumkamen und bei einem Heiligenstock ausruhten, unter uns am Ende einer schönen grünen Matte, die an einem ungeheuren Felsschlund herging, das Dorf Inden mit {ed. – ???}.
Mitte von der Landschaft liegen. Über der Schlucht drüben gingen wieder Matten und Tannenwälder aufwärts, gleich hinter dem Dorfe stieg eine große Kluft von Felsen in die Höhe, die Berge von der linken Seite schlossen sich bis zu uns an, die von der rechten setzten auch ihre Rücken weiter fort, so daß das Dörfchen mit seiner weißen Kirche gleichsam wie im Brennpunct von so viel zusammenlaufenden Felsen und Klüften dastand. Der Weg nach Inden ist in die steile Felswand gehauen, die dieses Amphitheater von der linken Seite, im Hingehen gerechnet, einschließt. Es ist dieses kein gefährlicher aber doch sehr fürchterlich aussehender Weg. Er geht auf den Lagen einer schroffen Felswand hinunter, an der rechten Seite mit einer geringen Planke von dem Abgrunde gesondert.
Ein Kerl, der mit einem Maulesel neben uns hinab stieg, faßte sein Thier, wenn es an gefährliche Stellen kam, bei'm Schweife, um ihm einige Hülfe zu geben, wenn es gar zu steil vor sich hinunter in den Felsen hinein mußte. Endlich kamen wir in Inden an, und da unser Bote wohl bekannt war, so fiel es uns leicht, von einer willigen Frau ein gut Glas rothen Wein und Brot zu erhalten, da sie eigentlich in dieser Gegend keine Wirthshäuser haben. Nun ging es die hohe Schlucht hinter Inden hinauf, wo wir denn bald den so schrecklich beschriebenen Gemmiberg vor uns sahen, und das Leukerbad an seinem Fuß, zwischen andern hohen, unwegsamen und mit Schnee bedeckten Gebirgen, gleichsam wie in einer hohlen Hand liegen fanden. Es war gegen Drei als wir ankamen; unser Führer schaffte uns bald Quartier. Es ist zwar kein Gasthof hier, aber alle Leute sind so ziemlich, wegen der vielen Badegäste, die hieher kommen, eingerichtet. Unsere Wirthin liegt seit gestern in den Wochen, und ihr Mann macht mit einer alten Mutter und der Magd ganz artig die Ehre des Hauses. Wir bestellten etwas zu essen und ließen uns die warmen Quellen zeigen, die an verschiedenen Orten sehr stark aus der Erde hervorkommen und reinlich eingefaßt sind. Außer dem Dorfe, gegen das Gebirg zu, sollen noch einige stärkere sein. Es hat dieses Wasser nicht den mindesten schwefelichten Geruch, setzt wo es quillt und wo es durchfließt nicht den mindesten Oker noch sonst irgend etwas Mineralisches oder Irdisches an, sondern läßt wie ein anderes reines Wasser keine Spur zurück. Es ist, wenn es aus der Erde kommt, sehr heiß und wegen seiner guten Kräfte berühmt. Wir hatten noch Zeit zu einem Spaziergang gegen den Fuß des Gemmi, der uns ganz nah zu liegen schien. Ich muß hier wieder bemerken, was schon so oft vorgekommen, daß wenn man mit Gebirgen umschlossen ist, einem alle Gegenstände so außerordentlich nahe scheinen. Wir hatten eine starke Stunde über herunter gestürzte Felsstücke und dazwischen geschwemmten Kies hinauf zu steigen, bis wir uns an dem Fuß des ungeheuren Gemmibergs, wo der Weg an steilen Klippen aufwärts gehet, befanden. Es ist dieß der Übergang in's Berner Gebiet, wo alle Kranken sich müssen in Sänften herunter tragen lassen. Hieß' uns die Jahrszeit nicht eilen, so würde wahrscheinlicher Weise morgen ein Versuch gemacht werden, diesen so merkwürdigen Berg zu besteigen: so aber werden wir uns mit der bloßen Ansicht für dießmal begnügen müssen. Wie wir zurückgingen, sahen wir dem Gebräude der Wolken zu, das in der jetzigen Jahrszeit in diesen Gegenden äußerst interessant ist. Über das schöne Wetter haben wir bisher ganz vergessen, daß wir im November leben; es ist auch, wie man uns im Bernschen voraussagte, hier der Herbst sehr gefällig. Die frühen Abende und Schnee verkündende Wolken erinnern uns aber doch manchmal, daß wir tief in der Jahrszeit sind. Das wunderbare Wehen, das sie heute Abend verführten, war außerordentlich schön. Als wir vom Fuß des Gemmiberges zurückkamen, sahen wir, aus der Schlucht von Inden herauf, leichte Nebelwolken sich mit großer Schnelligkeit bewegen. Sie wechselten bald rückwärts bald vorwärts, und kamen endlich aufsteigend dem Leukerbad so nah, daß wir wohl sahen, wir mußten unsere Schritte verdoppeln, um bei hereinbrechender Nacht nicht in Wolken eingewickelt zu werden. Wir kamen auch glücklich zu Hause an, und während ich dieses hinschreibe, legen sich wirklich die Wolken ganz ernstlich in einen kleinen artigen Schnee aus einander. Es ist dieser der erste, den wir haben, und, wenn wir auf unsere gestrige warme Reise von Martinach nach Sion, auf die noch ziemlich belaubten Rebengeländer zurückdenken, eine sehr schnelle Abwechslung. Ich bin in die Thüre getreten, ich habe dem Wesen der Wolken eine Weile zugesehen, das über alle Beschreibung schön ist.
Eigentlich ist es noch nicht Nacht, aber sie verhüllen abwechselnd den Himmel und machen dunkel. Aus den tiefen Felsschluchten steigen sie herauf, bis sie an die höchsten Gipfel der Berge reichen; von diesen angezogen scheinen sie sich zu verdicken und von der Kälte gepackt in Gestalt des Schnees niederzufallen. Es ist eine unaussprechliche Einsamkeit hier oben, in so großer Höhe doch noch wie in einem Brunnen zu sein, wo man nur vorwärts durch die Abgründe einen Fußpfad hinaus vermuthet. Die Wolken, die sich hier in diesem Sacke stoßen, die ungeheuren Felsen bald zudecken und in eine undurchdringliche öde Dämmerung verschlingen, bald Theile davon wieder als Gespenster sehen lassen, geben dem Zustand ein trauriges Leben. Man ist voller Ahnung bei diesen Wirkungen der Natur. Die Wolken, eine dem Menschen von Jugend auf so merkwürdige Lufterscheinung, ist man in dem platten Lande doch nur als etwas Fremdes, Überirdisches anzusehen gewohnt. Man betrachtet sie nur als Gäste, als Streichvögel, die, unter einem andern Himmel geboren, von dieser oder jener Gegend bei uns augenblicklich vorbeigezogen kommen; als prächtige Teppiche, womit die Götter ihre Herrlichkeit vor unsern Augen verschließen. Hier aber ist man von ihnen selbst wie sie sich erzeugen eingehüllt, und die ewige innerliche Kraft der Natur fühlt man sich ahnungsvoll durch jede Nerve bewegen. Auf die Nebel, die bei uns eben diese Wirkungen hervorbringen, gibt man weniger Acht; auch weil sie uns weniger vor's Auge gedrängt sind, ist ihre Wirthschaft schwerer zu beobachten. Bei allen diesen Gegenständen wünscht man nur länger sich verweilen und an solchen Orten mehrere Tage zubringen zu können; ja ist man ein Liebhaber von dergleichen Betrachtungen, so wird der Wunsch immer lebhafter, wenn man bedenkt, daß jede Jahrszeit, Tagszeit und Witterung neue Erscheinungen, die man gar nicht erwartet, hervorbringen muß. Und wie in jedem Menschen, auch selbst dem gemeinen, sonderbare Spuren übrig bleiben, wenn er bei großen ungewöhnlichen Handlungen etwa einmal gegenwärtig gewesen ist; wie er sich von diesem einen Flecke gleichsam größer fühlt, unermüdlich eben dasselbe erzählend wiederholt, und so, auf jene Weise, einen Schatz für sein ganzes Leben gewonnen hat: so ist es auch dem Menschen, der solche große Gegenstände der Natur gesehen und mit ihnen vertraut geworden ist. Er hat, wenn er diese Eindrücke zu bewahren, sie mit andern Empfindungen und Gedanken, die in ihm entstehen, zu verbinden weiß, gewiß einen Vorrath von Gewürz, womit er den unschmackhaften Theil des Lebens verbessern und seinem ganzen Wesen einen durchziehenden guten Geschmack geben kann.
Ich bemerke, daß ich in meinem Schreiben der Menschen wenig erwähne; sie sind auch unter diesen großen Gegenständen der Natur, besonders im Vorbeigehen, minder merkwürdig. Ich zweifle nicht, daß man bei längerm Aufenthalt gar interessante und gute Leute finden würde. Eins glaub' ich überall zu bemerken: je weiter man von der Landstraße und dem größern Gewerbe der Menschen abkömmt, je mehr in den Gebirgen die Menschen beschränkt, abgeschnitten und auf die allerersten Bedürfnisse des Lebens zurückgewiesen sind, je mehr sie sich von einem einfachen, langsamen, unveränderlichen Erwerbe nähren; desto besser, willfähriger, freundlicher, uneigennütziger, gastfreier bei ihrer Armuth hab' ich sie gefunden.