Kitabı oku: «Die Wahlverwandtschaften», sayfa 5
"Des Maurers Arbeit", fuhr der Redner fort, "zwar jetzt unter freiem Himmel, geschieht, wo nicht immer im Verborgnen, doch zum Verborgnen.
Der regelmäßig aufgeführte Grund wird verschüttet, und sogar bei den Mauern, die wir am Tage aufführen, ist man unser am Ende kaum eingedenk.
Die Arbeiten des Steinmetzen und Bildhauers fallen mehr in die Augen, und wir müssen es sogar noch gutheißen, wenn der Tüncher die Spur unserer Hände völlig auslöscht und sich unser Werk zueignet, indem er es überzieht, glättet und färbt.
Wem muß also mehr daran gelegen sein, das, was er tut, sich selbst recht zu machen, indem er es recht macht, als dem Maurer?
Wer hat mehr als er das Selbstbewußtsein zu nähren Ursach?
Wenn das Haus aufgeführt, der Boden geplattet und gepflastert, die Außenseite mit Zieraten überdeckt ist, so sieht er durch alle Hüllen immer noch hinein und erkennt noch jene regelmäßigen, sorgfältigen Fugen, denen das Ganze sein Dasein und seinen Halt zu danken hat.
Aber wie jeder, der eine übeltat begangen, fürchten muß, daß, ungeachtet alles Abwehrens, sie dennoch ans Licht kommen werde, so muß derjenige erwarten, der insgeheim das Gute getan, daß auch dieses wider seinen Willen an den Tag komme.
Deswegen machen wir diesen Grundstein zugleich zum Denkstein. Hier in diese unterschiedlichen gehauenen Vertiefungen soll verschiedenes eingesenkt werden zum Zeugnis für eine entfernte Nachwelt.
Diese metallnen zugelöteten Köcher enthalten schriftliche Nachrichten; auf diese Metallplatten ist allerlei Merkwürdiges eingegraben; in diesen schönen gläsernen Flaschen versenken wir den besten Wein, mit Bezeichnung seines Geburtsjahrs; es fehlt nicht an Münzen verschiedener Art, in diesem Jahre geprägt: alles dieses erhielten wir durch die Freigebigkeit unseres Bauherrn.
Auch ist hier noch mancher Platz, wenn irgendein Gast und Zuschauer etwas der Nachwelt zu übergeben Belieben trüge".
Nach einer kleinen Pause sah der Geselle sich um; aber wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt: niemand war vorbereitet, jedermann überrascht, bis endlich ein junger, munterer Offizier anfing und sagte: "wenn ich etwas beitragen soll, das in dieser Schatzkammer noch nicht niedergelegt ist, so muß ich ein paar Knöpfe von der Uniform schneiden, die doch wohl auch verdienen, auf die Nachwelt zu kommen".
Gesagt, getan!
Und nun hatte mancher einen ähnlichen Einfall.
Die Frauenzimmer säumten nicht, von ihren kleinen Haarkämmen hineinzulegen; Riechenfläschchen und andre Zierden wurden nicht geschont; nur Ottilie zauderte, bis Eduard sie durch ein freundliches Wort aus der Betrachtung aller der beigesteuerten und eingelegten Dinge herausriß.
Sie löste darauf die goldne Kette vom Halse, an der das Bild ihres Vaters gehangen hatte, und legte sie mit leiser Hand über die anderen Kleinode hin, worauf Eduard mit einiger Hast veranstaltete, daß der wohlgefugte Deckel sogleich aufgestürzt und eingekittet wurde.
Der junge Gesell, der sich dabei am tätigsten erwiesen, nahm seine Rednermiene wieder an und fuhr fort: "wir gründen diesen Stein für ewig, zur Sicherung des längsten Genusses der gegenwärtigen und künftigen Besitzer dieses Hauses.
Allein indem wir hier gleichsam einen Schatz vergraben, so denken wir zugleich, bei dem gründlichsten aller Geschäfte, an die Vergänglichkeit der menschlichen Dinge; wir denken uns eine Möglichkeit, daß dieser festversiegelte Deckel wieder aufgehoben werden könne, welches nicht anders geschehen dürfte, als wenn das alles wieder zerstört wäre, was wir noch nicht einmal aufgeführt haben.
Aber eben, damit dieses aufgeführt werde: zurück mit den Gedanken aus der Zukunft, zurück ins Gegenwärtige!
Laßt und nach begangenem heutigem Feste unsre Arbeit sogleich fördern, damit keiner von den Gewerken, die auf unserm Grunde fortarbeiten, zu feiern brauche, daß der Bau eilig in die Höhe steige und vollendet werde und aus den Fenstern, die noch nicht sind, der Hausherr mit den Seinigen und seinen Gästen sich fröhlich in der Gegend umschaue, deren aller sowie sämtlicher Anwesenden Gesundheit hiermit getrunken sei!"
Und so leerte er ein wohlgeschliffenes Kelchglas auf einen Zug aus und warf es in die Luft; denn es bezeichnet das übermaß einer Freude, das Gefäß zu zerstören, dessen man sich in der Fröhlichkeit bedient.
Aber diesmal ereignete es sich anders: das Glas kam nicht wieder auf den Boden, und zwar ohne Wunder.
Man hatte nämlich, um mit dem Bau vorwärtszukommen, bereits an der entgegengesetzten Ecke den Grund völlig herausgeschlagen, ja schon angefangen, die Mauern aufzuführen, und zu dem Endzweck das Gerüst erbaut, so hoch, als es überhaupt nötig war.
Daß man es besonders zu dieser Feierlichkeit mit Brettern belegt und eine Menge Zuschauer hinaufgelassen hatte, war zum Vorteil der Arbeitsleute geschehen.
Dort hinauf flog das Glas und wurde von einem aufgefangen, der diesen Zufall als ein glückliches Zeichen für sich ansah.
Er wies es zuletzt herum, ohne es aus der Hand zu lassen, und man sah darauf die Buchstaben E und O in sehr zierlicher Verschlingung eingeschnitten: es war eins der Gläser, die für Eduarden in seiner Jugend verfertigt worden.
Die Gerüste standen wieder leer, und die leichtesten unter den Gästen stiegen hinauf, sich umzusehen, und konnten die schöne Aussicht nach allen Seiten nicht genugsam rühmen; denn was entdeckt der nicht alles, der auf einem hohen Punkte nur um ein Geschoß höher steht! Nach dem Innern des Landes zu kamen mehrere neue Dörfer zum Vorschein, den silbernen Streifen des Flusses erblickte man deutlich, ja selbst die Türme der Hauptstadt wollte einer gewahr werden.
An der Rückseite, hinter den waldigen Hügeln, erhoben sich die blauen Gipfel eines fernen Gebirges, und die nächste Gegend übersah man im ganzen.
"Nun sollten nur noch", rief einer, "die drei Teiche zu einem See vereinigt werden; dann hätte der Anblick alles, was groß und wünschenswert ist".
"Das ließe sich wohl machen", sagte der Hauptmann; "denn sie bildeten schon vorzeiten einen Bergsee".
"Nur bitte ich, meine Platanen – und Pappelgruppe zu schonen", sagte Eduard, "die so schön am mittelsten Teiche steht".
"Sehen Sie", – wandte er sich zu Ottilien, die er einige Schritte vorführte, indem er hinabwies – "diese Bäume habe ich selbst gepflanzt".
"Wie lange stehen sie wohl schon?" fragte Ottilie.
"Etwa so lange", versetzte Eduard, "als Sie auf der Welt sind.
Ja, liebes Kind, ich pflanzte schon, da Sie noch in der Wiege lagen".
Die Gesellschaft begab sich wieder in das Schloß zurück.
Nach aufgehobener Tafel wurde sie zu einem Spaziergang durch das Dorf eingeladen, um auch hier die neuen Anstalten in Augenschein zu nehmen.
Dort hatten sich auf des Hauptmanns Veranlassung die Bewohner vor ihren Häusern versammelt; sie standen nicht in Reihen, sondern familienweise natürlich gruppiert, teils, wie es der Abend forderte, beschäftigt, teils auf neuen Bänken ausruhend.
Es ward ihnen angenehmen Pflicht gemacht, wenigstens jeden Sonntag und Festtag diese Reinlichkeit, diese Ordnung zu erneuern.
Eine innere Geselligkeit mit Neigung, wie sie sich unter unseren Freunden erzeugt hatte, wird durch eine größere Gesellschaft immer nur unangenehm unterbrochen.
Alle vier waren zufrieden, sich wieder im großen Saale allein zu finden; doch ward dieses häusliche Gefühl einigermaßen gestört, indem ein Brief, der Eduarden überreicht wurde, neue Gäste auf morgen ankündigte.
"Wie wir vermuteten", rief Eduard Charlotten zu; "der Graf wird nicht ausbleiben, er kommt morgen".
"Da ist also auch die Baronesse nicht weit", versetzte Charlotte.
"Gewiß nicht!" antwortete Eduard;" sie wird auch morgen von ihrer Seite anlangen.
Sie bitten um ein Nachtquartier und wollen übermorgen zusammen wieder fortreisen".
"Da müssen wir unsere Anstalten beizeiten machen, Ottilie! " sagte Charlotte.
"Wie befehlen Sie die Einrichtung?" fragte Ottilie.
Charlotte gab es im allgemeinen an, und Ottilie entfernte sich.
Der Hauptmann erkundigte sich nach dem Verhältnis dieser beiden Personen, das er nur im allgemeinsten kannte.
Sie hatten früher, beide schon anderwärts verheiratet, sich leidenschaftlich liebgewonnen.
Eine doppelte Ehe war nicht ohne Aufsehn gestört; man dachte an Scheidung.
Bei der Baronesse war sie möglich geworden, bei dem Grafen nicht.
Sie mußten sich zum Scheine trennen, allein ihr Verhältnis blieb; und wenn sie Winters in der Residenz nicht zusammen sein konnten, so entschädigten sie sich Sommers auf Lustreisen und in Bädern.
Sie waren beide um etwas älter als Eduard und Charlotte und sämtlich genaue Freunde aus früher Hofzeit her.
Man hatte immer ein gutes Verhältnis erhalten, ob man gleich nicht alles an seinen Freunden billigte.
Nur diesmal war Charlotten ihre Ankunft gewissermaßen ganz ungelegen, und wenn sie die Ursache genau untersucht hätte: es war eigentlich um Ottiliens willen.
Das gute, reine Kind sollte ein solches Beispiel so früh nicht gewahr werden.
"Sie hätten wohl noch ein paar Tage wegbleiben können", sagte Eduard, als eben Ottilie wieder hereintrat, "bis wir den Vorwerksverkauf in Ordnung gebracht.
Der Aufsatz ist fertig, die eine Abschrift habe ich hier; nun fehlt es aber an der zweiten, und unser alter Kanzellist ist recht krank".
Der Hauptmann bot sich an, auch Charlotte; dagegen waren einige Einwendungen zu machen.
"Geben Sie mirs nur!" rief Ottilie mit einiger Hast.
"Du wirst nicht damit fertig", sagte Charlotte.
"Freilich müßte ich es übermorgen früh haben, und es ist viel", sagte Eduard.
"Es soll fertig sein", rief Ottilie und hatte das Blatt schon in den Händen.
Des andern Morgens, als sie sich aus dem obern Stock nach den Gästen umsahen, denen sie entgegenzugehen nicht verfehlen wollten, sagte Eduard: "wer reitet denn so langsam dort die Straße her?" Der Hauptmann beschrieb die Figur des Reiters genauer.
"So ist ers doch", sagte Eduard; "denn das Einzelne, das du besser siehst als ich, paßt sehr gut zu dem Ganzen, das ich recht wohl sehe.
Es ist Mittler.
Wie kommt er aber dazu, langsam und so langsam zu reiten?" Die Figur kam näher, und Mittler war es wirklich.
Man empfing ihn freundlich, als er langsam die Treppe heraufstieg.
"Warum sind Sie nicht gestern gekommen?" rief ihm Eduard entgegen.
"Laute Feste lieb ich nicht", versetzte jener.
"Heute komm ich aber, den Geburtstag meiner Freundin mit euch im stillen nachzufeiern".
"Wie können Sie denn soviel Zeit gewinnen?" fragte Eduard scherzend.
"Meinen Besuch, wenn er euch etwas wert ist, seid ihr einer Betrachtung schuldig, die ich gestern gemacht habe.
Ich freute mich recht herzlich den halben Tag in einem Hause, wo ich Frieden gestiftet hatte, und dann hörte ich, daß hier Geburtstag gefeiert werde.
'Das kann man doch am Ende selbstisch nennen,' dachte ich bei mir, 'daß du dich nur mit denen freuen willst, die du zum Frieden bewogen hast.
Warum freust du dich nicht auch einmal mit Freunden, die Frieden halten und hegen?' Gesagt, getan!
Hier bin ich, wie ich mir vorgenommen hatte".
"Gestern hätten Sie große Gesellschaft gefunden, heute finden Sie nur kleine", sagte Charlotte.
"Sie finden den Grafen und die Baronesse, die Ihnen auch schon zu schaffen gemacht haben".
Aus der Mitte der vier Hausgenossen, die den seltsamen, willkommenen Mann umgeben hatten, fuhr er mit verdrießlicher Lebhaftigkeit heraus, indem er sogleich nach Hut und Reitgerte suchte: "schwebt doch immer ein Unstern über mir, sobald ich einmal ruhen und mir wohltun will!
Aber warum gehe ich aus meinem Charakter heraus!
Ich hätte nicht kommen sollen, und nun werd ich vertrieben.
Denn mit jenen will ich nicht unter einem Dache bleiben; und nehmt euch in acht: sie bringen nichts als Unheil!
Ihr Wesen ist wie ein Sauerteig, der seine Ansteckung fortpflanzt".
Man suchte ihn zu begütigen, aber vergebens.
"Wer mir den Ehstand angreift", rief er aus, "wer mir durch Wort, ja durch Tat diesen Grund aller sittlichen Gesellschaft untergräbt, der hat es mit mir zu tun; oder wenn ich sein nicht Herr werden kann, habe ich nichts mit ihm zu tun.
Die Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur.
Sie macht den Rohen mild, und der Gebildetste hat keine bessere Gelegenheit, seine Milde zu beweisen.
Unauflöslich muß sie sein; denn sie bringt so vieles Glück, daß alles einzelne Unglück dagegen gar nicht zu rechnen ist.
Und was will man von Unglück reden?
Ungeduld ist es, die den Menschen von Zeit zu Zeit anfällt, und dann beliebt er sich unglücklich zu finden.
Lasse man den Augenblick vorübergehen, und man wird sich glücklich preisen, daß ein so lange Bestandenes noch besteht.
Sich zu trennen gibts gar keinen hinlänglichen Grund.
Der menschliche Zustand ist so hoch in Leiden und Freuden gesetzt, daß gar nicht berechnet werden kann, was ein Paar Gatten einander schuldig werden.
Es ist eine unendliche Schuld, die nur durch die Ewigkeit abgetragen werden kann.
Unbequem mag es manchmal sein, das glaub ich wohl, und das ist eben recht.
Sind wir nicht auch mit dem Gewissen verheiratet, das wir oft gerne los sein möchten, weil es unbequemer ist, als uns je ein Mann oder eine Frau werden könnte?" so sprach er lebhaft und hätte wohl noch lange fortgesprochen, wenn nicht blasende Postillons die Ankunft der Herrschaften verkündig hätten, welche wie abgemessen von beiden Seiten zu gleicher Zeit in den Schloßhof hereinfuhren.
Als ihnen die Hausgenossen entgegeneilten, versteckte sich Mittler, ließ sich das Pferd an den Gasthof bringen und ritt verdrießlich davon.
Die Gäste waren bewillkommt und eingeführt; sie freuten sich, das Haus, die Zimmer wieder zu betreten, wo sie früher so manchen guten Tag erlebt und die sie eine lange Zeit nicht gesehn hatten.
Höchst angenehm war auch den Freunden ihre Gegenwart.
Den Grafen sowie die Baronesse konnte man unter jene hohen, schönen Gestalten zählen, die man in einem mittlern Alter fast lieber als in der Jugend sieht; denn wenn ihnen auch etwas von der ersten Blüte abgehn möchte, so erregen sie doch nun mit der Neigung ein entschiedenes Zutrauen.
Auch dieses Paar zeigte sich höchst bequem in der Gegenwart.
Ihre freie Weise, die Zustände des Lebens zu nehmen und zu behandeln, ihre Heiterkeit und scheinbare Unbefangenheit teilte sich sogleich mit, und ein hoher Anstand begrenzte das Ganze, ohne daß man irgendeinen Zwang bemerkt hätte.
Diese Wirkung ließ sich augenblicks in der Gesellschaft empfinden.
Die Neueintretenden, welche unmittelbar aus der Welt kamen, wie man sogar an ihren Kleidern, Gerätschaften und allen Umgebungen sehen konnte, machten gewissermaßen mit unsern Freunden, ihrem ländlichen und heimlich leidenschaftlichen Zustande eine Art von Gegensatz, der sich jedoch sehr bald verlor, indem alte Erinnerungen und gegenwärtige Teilnahme sich vermischten und ein schnelles, lebhaftes Gespräch alle geschwind zusammenverband.
Es währte indessen nicht lange, als schon eine Sonderung vorging.
Die Frauen zogen sich auf ihren Flügel zurück und fanden daselbst, indem sie sich mancherlei vertrauten und zugleich die neuesten Formen und Zuschnitte von Frühkleidern, Hüten und derglichen zu mustern anfingen, genugsame Unterhaltung, während die Männer sich um die neuen Reisewagen, mit vorgeführten Pferden, beschäftigten und gleich zu handeln und zu tauschen anfingen.
Erst zu Tische kam man wieder zusammen.
Die Umkleidung war geschehen, und auch hier zeigte sich das angekommene Paar zu seinem Vorteile.
Alles, was sie an sich trugen, war neu und gleichsam ungesehen und doch schon durch den Gebrauch zur Gewohnheit und Bequemlichkeit eingeweiht.
Das Gespräch war lebhaft und abwechselnd, wie denn in Gegenwart solcher Personen alles und nichts zu interessieren scheint.
Man bediente sich der französischen Sprache, um die Aufwartenden von dem Mitverständnis auszuschließen, und schweifte mit mutwilligem Behagen über hohe und mittlere Weltverhältnisse hin.
Auf einem einzigen Punkt blieb die Unterhaltung länger als billig haften, indem Charlotte nach einer Jugendfreundin sich erkundigte und mit einiger Befremdung vernahm, daß sie ehstens geschieden werden sollte.
"Es ist unerfreulich", sagte Charlotte, "wenn man seine abwesenden Freunde irgend einmal geborgen, eine Freundin, die man liebt, versorgt glaubt; eh man sichs versieht, muß man wieder hören, daß ihr Schicksal im Schwanken ist, und daß sie erst wieder neue und vielleicht abermals unsichre Pfade des Lebens betreten soll".
"Eigentlich, meine Beste", versetzte der Graf, "sind wir selbst schuld, wenn wir auf solche Weise überrascht werden.
Wir mögen uns die irdischen Dinge und besonders auch die ehlichen Verbindungen gern so recht dauerhaft vorstellen, und was den letzten Punkt betrifft, so verführen uns die Lustspiele, die wir immer wiederholen sehen, zu solchen Einbildungen, die mit dem Gange der Welt nicht zusammentreffen.
In der Komödie sehen wir eine Heirat als das letzte Ziel eines durch die Hindernisse mehrerer Akte verschobenen Wunsches, und im Augenblick, da er erreicht ist, fällt der Vorhang, und die momentane Befriedigung klingt bei uns nach.
In der Welt ist es anders; da wird hinten immer fortgespielt, und wenn der Vorhang wieder aufgeht, mag man gern nichts weiter davon sehen noch hören".
"Es muß doch so schlimm nicht sein", sagte Charlotte lächelnd, "da man sieht, daß auch Personen, die von diesem Theater abgetreten sind, wohl gern darauf wieder eine Rolle spielen mögen".
"Dagegen ist nichts einzuwenden", sagte der Graf.
"Eine neue Rolle mag man gern wieder übernehmen, und wenn man die Welt kennt, so sieht man wohl: auch bei dem Ehestande ist es nur diese entschiedene, ewige Dauer zwischen soviel Beweglichem in der Welt, die etwas Ungeschicktes an sich trägt.
Einer von meinen Freunden, dessen gute Laune sich meist in Vorschlägen zu neuen Gesetzen hervortat, behauptet: eine jede Ehe solle nur auf fünf Jahre geschlossen werden.
Es sei, sagte er, dies eine schöne, ungrade, heilige Zahl und ein solcher Zeitraum eben hinreichend, um sich kennenzulernen, einige Kinder heranzubringen, sich zu entzweien und, was das Schönste sei, sich wieder zu versöhnen.
Gewöhnlich rief er aus: ' wie glücklich würde die erste Zeit verstreichen!
Zwei, drei Jahre wenigstens gingen vergnüglich hin.
Dann würde doch wohl dem einen Teil daran gelegen sein, das Verhältnis länger dauern zu sehen, die Gefälligkeit würde wachsen, je mehr man sich dem Termin der Aufkündigung näherte.
Der gleichgültige, ja selbst der unzufriedene Teil würde durch ein solches Betragen begütigt und eingenommen.
Man vergäße, wie man in guter Gesellschaft die Stunden vergißt, daß die Zeit verfließe, und fände sich aufs angenehmste überrascht, wenn man nach verlaufenem Termin erst bemerkte, daß er schon stillschweigend verlängert sei".
So artig und lustig dies klang und so gut man, wie Charlotte wohl empfand, diesem Scherz eine tiefe moralische Deutung geben konnte, so waren ihr dergleichen äußerungen, besonders um Ottiliens willen, nicht angenehm.
Sie wußte recht gut, daß nichts gefährlicher sei als ein allzufreies Gespräch, das einen strafbaren oder halbstrafbaren Zustand als einen gewöhnlichen, gemeinen, ja löblichen bahandelt; und dahin gehört doch gewiß alles, was die eheliche Verbindung antastet.
Sie suchte daher nach ihrer gewandten Weise das Gespräch abzulenken; da sie es nicht vermochte, tat es ihr leid, daß Ottilie alles so gut eingerichtet hatte, um nicht aufstehen zu dürfen.
Das ruhig aufmerksame Kind verstand sich mit dem Haushofmeister durch Blick und Wink, daß alles auf das trefflichste geriet, obgleich ein paar neue, ungeschickte Bedienten in der livree staken.
Und so fuhr der Graf, Charlottens Ablenken nicht empfindend, über diesen Gegenstand sich zu äußern fort.
Ihm, der sonst nicht gewohnt war, im Gespräch irgend lästig zu sein, lastete diese Sache zu sehr auf dem Herzen, und die Schwierigkeiten, sich von seiner Gemahlin getrennt zu sehen, machten ihn bitter gegen alles, was eheliche Verbindung betraf, die er doch selbst mit der Baronesse so eifrig wünschte.
"Jener Freund", so fuhr er fort, "tat noch einen andern Gesetzvorschlag: eine Ehe sollte nur alsdann für unauflöslich gehalten werden, wenn entweder beide Teile oder wenigstens der eine Teil zum drittenmal verheiratet wäre.
Denn was eine solche Person betreffe, so bekenne sie unwidersprechlich, daß sie die Ehe für etwas Unentbehrliches halte.
Nun sei auch schon bekannt geworden, wie sie sich in ihren frühern Verbindungen betragen, ob sie Eigenheiten habe, die oft mehr zur Trennung Anlaß geben als üble Eigenschaften.
Man habe sich also wechselseitig zu erkundigen; man habe ebensogut auf Verheiratete wie auf Unverheiratete achtzugeben, weil man nicht wisse, wie die Fälle kommen können".
"Das würde freilich das Interesse der Gesellschaft sehr vermehren", sagte Eduard; "denn in der Tat jetzt, wenn wir verheiratet sind, fragt niemand weiter mehr nach unsern Tugenden noch unsern Mängeln".
"Bei einer solchen Einrichtung", fiel die Baronesse lächelnd ein, "hätten unsere lieben Wirte schon zwei Stufen glücklich überstiegen und könnten sich zu der dritten vorbereiten".
"Ihnen ists wohl geraten", sagte der Graf; "hier hat der Tod willig getan, was die Konsistorien sonst nur ungern zu tun pflegen". "Lassen wir die Toten ruhen", versetzte Charlotte mit einem halb ernsten Blicke.
"Warum?" versetzte der Graf, "da man ihrer in Ehren gedenken kann.
Sie waren bescheiden genug, sich mit einigen Jahren zu begnügen für mannigfaltiges Gute, das sie zurückließen".
"Wenn nur nicht gerade", sagte die Baronesse mit einem verhaltenen Seufzer, "in solchen Fällen das Opfer der besten Jahre gebracht werden müßte!" "Jawohl", versetzte der Graf, "man müßte darüber verzweifeln, wenn nicht überhaupt in der Welt so weniges eine gehoffte Folge zeigte.
Kinder halten nicht, was sie versprechen, junge Leute sehr selten, und wenn sie Wort halten, hält es ihnen die Welt nicht".
Charlotte, welche froh war, daß das Gespräch sich wendete, versetzte heiter: " nun!
Wir müssen uns ja ohnehin bald genug gewöhnen, das Gute stück – und teilweise zu genießen".
"Gewiß", versetzte der Graf, "Sie haben beide sehr schöner Zeiten genossen.
Wenn ich mir die Jahre zurückerinnere, da Sie und Eduard das schönste Paar bei Hof waren; weder von so glänzenden Zeiten noch von so hervorleuchtenden Gestalten ist jetzt die Rede mehr.
Wenn Sie beide zusammen tanzten, aller Augen waren auf Sie gerichtet, und wie umworben beide, indem Sie sich nur ineinander bespiegelten!" "Da sich so manches verändert hat", sagte Charlotte, "können wir wohl soviel Schönes mit Bescheidenheit anhören".
"Eduarden habe ich doch oft im stillen getadelt", sagte der Graf, "daß er nicht beharrlicher war; denn am Ende hätten seine wunderlichen Eltern wohl nachgegeben; und zehn frühe Jahre gewinnen ist keine Kleinigkeit".
"Ich muß mich seiner anehmen", fiel die Baronesse ein.
"Charlotte war nicht ganz ohne Schuld, nicht ganz rein von allem Umhersehen, und ob sie gleich Eduarden von Herzen liebte und sich ihn auch heimlich zum Gatten bestimmte, so war ich doch Zeuge, wie sehr sie ihn manchmal quälte, sodaß man ihn leicht zu dem unglücklichen Entschluß drängen konnte, zu reisen, sich zu entfernen, sich von ihr zu entwöhnen".
Eduard nickte der Baronesse zu und schien dankbar für ihre Fürsprache.
"Und dann muß ich eins", fuhr sie fort, "zu Charlottens Entschuldigung beifügen: der Mann, der zu jener Zeit um sie warb, hatte sich schon lange durch Neigung zu ihr ausgezeichnet und war, wenn man ihn näher kannte, gewiß liebenswürdiger, als ihr andern gern zugestehen mögt".
"Liebe Freundin", versetzte der Graf etwas lebhaft, "bekennen wir nur, daß er Ihnen nicht ganz gleichgültig war, und daß Charlotte von Ihnen mehr zu befürchten hatte als von einer andern.
Ich finde das einen sehr hübschen Zug an den Frauen, daß sie ihre Anhänglichkeit an irgendeinen Mann solange noch fortsetzen, ja durch keine Art von Trennung stören oder aufheben lassen".
"Diese gute Eigenschaft besitzen vielleicht die Männer noch mehr", versetzte die Baronesse; "wenigstens an Ihnen lieber Graf, habe ich bemerkt, daß niemand mehr Gewalt über Sie hat als ein Frauenzimmer, dem Sie früher geneigt waren.
So habe ich gesehen, daß Sie auf die Fürsprache einer solchen sich mehr Mühe gaben, um etwas auszuwirken, als vielleicht die Freundin des Augenblicks von Ihnen erlangt hätte".
"Einen solchen Vorwurf darf man sich wohl gefallen lassen", versetzte der Graf; "doch was Charlottens ersten Gemahl betrifft, so konnte ich ihn deshalb nicht leiden, weil er mir das schöne Paar auseinandersprengte, ein wahrhaft prädestiniertes Paar, das, einmal zusammengegeben, weder fünf Jahre zu scheuen, noch auf eine zweite oder gar dritte Verbindung hinzusehen brauchte".
"Wir wollen versuchen", sagte Charlotte, "wieder einzubringen, was wir versäumt haben".
"Da müssen Sie sich dazuhalten", sagte der Graf.
"Ihre ersten Heiraten", fuhr er mit einiger Heftigkeit fort, "waren doch so eigentlich rechte Heiraten von der verhaßten Art, und leider haben überhaupt die Heiraten – verzeihen Sie mir einen lebhafteren Ausdruck – etwas Tölpelhaftes; sie verderben die zartesten Verhältnisse, und es liegt doch eigentlich nur an der plumpen Sicherheit, auf die sich wenigstens ein Teil etwas zugute tut.
Alles versteht sich von selbst, und man scheint sich nur verbunden zu haben, damit eins wie das andere nunmehr seiner Wege gehe". In diesem Augenblick machte Charlotte, die ein für allemal dies Gespräch abbrechen wollte, von einer kühnen Wendung Gebrauch; es gelang ihr.
Die Unterhaltung ward allgemeiner, die beiden Gatten und der Hauptmann konnten daran teilnehmen; selbst Ottilie ward veranlaßt sich zu äußern, und der Nachtisch ward mit der besten Stimmung genossen, woran der in zierlichen Fruchtkörben aufgestellte Obstreichtum, die bunteste, in Prachtgefäßen schön verteilte Blumenfülle den vorzüglichsten Anteil hatte.
Auch die neuen Parkanlagen kamen zur Sprache, die man sogleich nach Tische besuchte.
Ottilie zog sich unter dem Vorwande häuslicher Beschäftigung zurück; eigentlich aber setzte sie sich nieder zur Abschrift.
Der Graf wurde von dem Hauptmann unterhalten; später gesellte sich Charlotte zu ihm.
Als sie oben auf die Höhe gelangt waren und der Hauptmann gefällig hinuntereilte, um den Plan zu holen, sagte der Graf zu Charlotten: "dieser Mann gefällt mir außerordentlich.
Er ist sehr wohl und im Zusammenhang unterrichtet.
Ebenso scheint seine Tätigkeit sehr ernst und folgerecht.
Was er hier leistet, würde in einem höhern Kreise von viel Bedeutung sein".
Charlotte vernahm des Hauptmanns Lob mit innigem Behagen.
Sie faßte sich jedoch und bekräftigte das Gesagte mit Ruhe und Klarheit.
Wie überrascht war sie aber, als der Graf fortfuhr: "diese Bekanntschaft kommt mir sehr zu gelegener Zeit.
Ich weiß eine Stelle, an die der Mann vollkommen paßt, und ich kann mir durch eine solche Empfehlung, indem ich ihn glücklich mache, einen hohen Freund auf das allerbeste verbinden".
Es war wie ein Donnerschlag, der auf Charlotten herabfiel.
Der Graf bemerkte nichts; denn die Frauen, gewohnt, sich jederzeit zu bändigen, behalten in den außerordentlichsten Fällen immer noch eine Art von scheinbarer Fassung.
Doch hörte sie schon nicht mehr, was der Graf sagte, indem er fortfuhr: "wenn ich von etwas überzeugt bin, geht es bei mir geschwind her.
Ich habe schon meinen Brief im Kopfe zusammengestellt, und mich drängts, ihn zu schreiben.
Sie verschaffen mir einen reitenden Boten, den ich noch heute abend wegschicken kann".
Charlotte war innerlich zerrissen.
Von diesen Vorschlägen sowie von sich selbst überrascht, konnte sie kein Wort hervorbringen.
Der Graf fuhr glücklicherweise fort, von seinen Planen für den Hauptmann zu sprechen, deren Günstiges Charlotten nur allzusehr in die Augen fiel.
Es war Zeit, daß der Hauptmann herauftrat und seine Rolle vor dem Grafen entfaltete.
Aber mit wie andern Augen sah sie den Freund an, den sie verlieren sollte!
Mit einer notdürftigen Verbeugung wandte sie sich weg und eilte hinunter nach der Mooshütte.
Schon auf halbem Wege stürzten ihr die Tränen aus den Augen, und nun warf sie sich in den engen Raum der kleinen Einsiedelei und überließ sich ganz einem Schmerz, einer Leidenschaft, einer Verzweiflung, von deren Möglichkeit sie wenig Augenblicke vorher auch nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte.
Auf der andern Seite war Eduard mit der Baronesse an den Teichen hergegangen.
Die kluge Frau, die gern von allem unterrichtet sein mochte, bemerkte bald in einem tastenden Gespräch, daß Eduard sich zu Ottiliens Lobe weitläufig herausließ, und wußte ihn auf eine so natürliche Weise nach und nach in den Gang zu bringen, daß ihr zuletzt kein Zweifel übrigblieb, hier sei eine Leidenschaft nicht auf dem Wege, sondern wirklich angelangt.
Verheiratete Frauen, wenn sie sich auch untereinander nicht lieben, stehen doch stillschweigend miteinander, besonders gegen junge Mädchen, im Bündnis.
Die Folgen einer solchen Zuneigung stellten sich ihrem weltgewandten Geiste nur allzugeschwind dar.
Dazu kam noch, daß sie schon heute früh mit Charlotten über Ottilien gesprochen und den Aufenthalt dieses Kindes auf dem Lande, besonders bei seiner stillen Gemütsart, nicht gebilligt und den Vorschlag getan hatte, Ottilien in die Stadt zu einer Freundin zu bringen, die sehr viel an die Erziehung ihrer einzigen Tochter wende und sich nur nach einer gutartigen Gespielin umsehe, die an die zweite Kindesstatt eintreten und alle Vorteile mitgenießen solle.
Charlotte hatte sichs zur überlegung genommen.
Nun aber brachte der Blick in Eduards Gemüt diesen Vorschlag bei der Baronesse ganz zur vorsätzlichen Festigkeit, und um so schneller dieses in ihr vorging, um desto mehr schmeichelte sie äußerlich Eduards Wünschen.
Denn niemand besaß sich mehr als diese Frau, und diese Selbstbeherrschung in außerordentlichen Fällen gewöhnt uns, sogar einen gemeinen Fall mit Verstellung zu behandeln, macht uns geneigt, indem wir soviel Gewalt über uns selbst üben, unsre Herrschaft auch über die andern zu verbreiten, um uns durch das, was wir äußerlich gewinnen, für dasjenige, was wir innerlich entbehren, gewissermaßen schadlos zu halten. An diese Gesinnung schließt sich meist eine Art heimlicher Schadenfreude über die Dunkelheit der andern, über das Bewußtlose, womit sie in eine Falle gehen.