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Kitabı oku: «Italienische Reise — Band 2», sayfa 2

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Nachtrag

Päpstliche Teppiche

Die große Aufopferung, zu der ich mich entschloß, eine von dem Gipfel des Bergs bis beinahe ans Meer herabströmende Lava hinter mir zu lassen, ward mir durch den erreichten Zweck reichlich vergolten, durch den Anblick der Teppiche, welche, am Fronleichnamstag aufgehängt, uns an Raffael, seine Schüler, seine Zeit auf das glänzendste erinnerten.

In den Niederlanden hatte das Teppichwirken mit stehendem Zettel, Hautelisse genannt, sich schon auf den höchsten Grad erhoben. Es ist mir nicht bekannt geworden, wie sich nach und nach die Fertigung der Teppiche entwickelt und gesteigert hat. In dem zwölften Jahrhundert mag man noch die einzelnen Figuren durch Stickerei oder auf sonst eine Weise fertig gemacht und sodann durch besonders gearbeitete Zwischenstücke zusammengesetzt haben. Dergleichen finden wir noch über den Chorstühlen alter Domkirchen, und hat die Arbeit etwas ähnliches mit den bunten Fensterscheiben, welche auch zuerst aus ganz kleinen farbigen Glasstückchen ihre Bilder zusammengesetzt haben. Bei den Teppichen vertrat Nadel und Faden das Lot und die Zinnstäbchen. Alle frühen Anfänge der Kunst und Technik sind von dieser Art; wir haben kostbare chinesische Teppiche, auf gleiche Weise gefertigt, vor Augen gehabt.

Wahrscheinlich durch orientalische Muster veranlaßt, hatte man in den handels — und prachtreichen Niederlanden zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts diese kunstreiche Technik schon aufs Höchste getrieben; dergleichen Arbeiten gingen schon wieder nach dem Orient zurück und waren gewiß auch in Rom bekannt, wahrscheinlich nach unvollkommenen, in byzantinischem Sinne gemodelten Mustern und Zeichnungen. Der große und in manchem, besonders auch ästhetischem Sinn freie Geist Leo X. mochte nun auch, was er auf Wänden abgebildet sah, gleichmäßig frei und groß in seiner Umgebung auf Teppichen erblicken, und auf seine Veranlassung fertigte Raffael die Kartone: glücklicherweise solche Gegenstände, welche Christi Bezug zu seinen Aposteln, sodann aber die Wirkungen solcher begabten Männer nach dem Heimgange des Meisters vorstellten.

Am Fronleichnamstage nun lernte man erst die wahre Bestimmung der Teppiche kennen, hier machten sie Kolonnaden und offene Räume zu prächtigen Sälen und Wandelgängen, und zwar indem sie das Vermögen des begabtesten Mannes uns entschieden vor Augen stellen und uns das glücklichste Beispiel geben, wo Kunst und Handwerk in beiderseitiger Vollendung sich auf ihrem höchsten Punkte lebendig begegnen.

Die Raffaelischen Kartone, wie sie bis jetzt in England verwahrt sind, bleiben noch immer die Bewunderung der Welt; einige rühren gewiß von dem Meister allein her, andere mögen nach seinen Zeichnungen, seiner Angabe, andere sogar erst nachdem er abgeschieden war, gefertigt sein. Alles bezeugte große übereintreffende Kunstbestimmung, und die Künstler aller Nationen strömten hier zusammen, um ihren Geist zu erheben und ihre Fähigkeiten zu steigern.

Dies gibt uns Veranlassung, über die Tendenz der deutschen Künstler zu denken, welche Hochschätzung und Neigung gegen seine ersten Werke hinzog und wovon schon damals leise Spuren sich bemerken ließen.

Mit einem talentreichen zarten Jüngling, der im Sanften, Anmutigen, Natürlichen verweilt, fühlt man sich in jeder Kunst näher verwandt, man wagt es zwar nicht, sich mit ihm zu vergleichen, doch im stillen mit ihm zu wetteifern, von sich zu hoffen, was er geleistet hat.

Nicht mit gleichem Behagen wenden wir uns an den vollendeten Mann; denn wir ahnen die furchtbaren Bedingungen, unter welchen allein sich selbst das entschiedenste Naturell zum Letztmöglichen des Gelingens erheben kann, und wollen wir nicht verzweifeln, so müssen wir uns zurückwenden und uns mit dem Strebenden, dem Werdenden vergleichen.

Dies ist die Ursache, warum die deutschen Künstler Neigung, Verehrung, Zutrauen zu dem älteren, Unvollkommenen wendeten, weil sie sich daneben auch für etwas halten konnten und sich mit der Hoffnung schmeicheln durften, das in ihrer Person zu leisten, wozu dennoch eine Folge von Jahrhunderten erforderlich gewesen.

Kehren wir zu Raffaels Kartonen zurück und sprechen aus, daß sie alle männlich gedacht sind; sittlicher Ernst, ahnungsvolle Größe walten überall, und obgleich hie und da geheimnisvoll, werden sie doch denjenigen durchaus klar, welche von dem Abschiede des Erlösers und den wundervollen Gaben, die er seinen Jüngern hinterließ, aus den heiligen Schriften genugsam unterrichtet sind.

Nehmen wir vor allen die Beschämung und Bestrafung des Ananias vor Augen, da uns denn jederzeit der kleine, dem Mark Anton nicht unbillig zugeschriebene Kupferstich, nach einer ausführlichen Zeichnung Raffaels, die Nachbildung der Kartone von Dorigny und die Vergleichung beider hinlänglichen Dienst leisten.

Wenig Kompositionen wird man dieser an die Seite setzen können; hier ist ein großer Begriff, eine in ihrer Eigentümlichkeit höchst wichtige Handlung in ihrer vollkommensten Mannigfaltigkeit auf das klarste dargestellt.

Die Apostel als fromme Gabe das Eigentum eines jeden, in den allgemeinen Besitz dargebracht, erwartend; die heranbringenden Gläubigen auf der einen, die empfangenden Dürftigen auf der andern Seite, und in der Mitte der Defraudierende gräßlich bestraft: eine Anordnung, deren Symmetrie aus dem Gegebenen hervorgeht und welche wieder durch die Erfordernisse des Darzustellenden nicht sowohl verborgen als belebt wird; wie ja die unerläßliche symmetrische Proportion des menschlichen Körpers erst durch mannigfaltige Lebensbewegung eindringliches Interesse gewinnt.

Wenn nun bei Anschauung dieses Kunstwerkes der Bemerkungen kein Ende sein würde, so wollen wir hier nur noch ein wichtiges Verdienst dieser Darstellung auszeichnen. Zwei männliche Personen, welche herankommend zusammengepackte Kleidungsstücke tragen, gehören notwendig zu Ananias; aber wie will man hieraus erkennen, daß ein Teil davon zurückgeblieben und dem Gemeingut unterschlagen worden? Hier werden wir aber auf eine junge hübsche Weibsperson aufmerksam gemacht, welche mit einem heitern Gesichte aus der rechten Hand Geld in die linke zählt; und sogleich erinnern wir uns an das edle Wort: "Die Linke soll nicht wissen, was die Rechte gibt", und zweifeln nicht, daß hier Saphira gemeint sei, welche das den Aposteln einzureichende Geld abzählt, um noch einiges zurückzubehalten, welches ihre heiter listige Miene anzudeuten scheint. Dieser Gedanke ist erstaunenswürdig und furchtbar, wenn man sich ihm hingibt. Vor uns der Gatte, schon verrenkt und bestraft am Boden in gräßlicher Zuckung sich windend; wenig hinterwärts, das Vorgehende nicht gewahr werdend, die Gattin, sicher arglistig sinnend, die Göttlichen zu bevorteilen, ohne Ahnung, welchem Schicksal sie entgegengeht. Überhaupt steht dieses Bild als ein ewiges Problem vor uns da, welches wir immer mehr bewundern, je mehr uns dessen Auflösung möglich und klar wird. Die Vergleichung des Mark-Antonischen Kupfers, nach einer gleich großen Zeichnung Raffaels, und des größeren von Dorigny, nach dem Karton, führt uns abermals in die Tiefe der Betrachtung, mit welcher Weisheit ein solches Talent bei einer zweiten Behandlung derselben Komposition Veränderungen und Steigerungen zu bewirken gewußt hat. Bekennen wir gern, daß ein solches Studium uns zu den schönsten Freuden eines langen Lebens gedient hat.

Juli

Korrespondenz

Rom, den 5. Juli 1787

Mein jetziges Leben sieht einem Jugendtraume völlig ähnlich, wir wollen sehen, ob ich bestimmt bin, ihn zu genießen, oder zu erfahren, daß auch dieses, wie so vieles andre, nur eitel ist. Tischbein ist fort, sein Studium aufgeräumt, ausgestäubt und ausgewaschen, so daß ich nun gerne drin sein mag. Wie nötig ist's, in der jetzigen Zeit ein angenehmes Zuhause zu haben. Die Hitze ist gewaltig. Morgens mit Sonnenaufgang steh' ich auf und gehe nach der Acqua acetosa, einem Sauerbrunnen, ungefähr eine halbe Stunde von dem Tor, an dem ich wohne, trinke das Wasser, das wie ein schwacher Schwalbacher schmeckt, in diesem Klima aber schon sehr wirksam ist. Gegen acht Uhr bin ich wieder zu Hause und bin fleißig auf alle Weise, wie es die Stimmung nur geben will. Ich bin recht wohl. Die Hitze schafft alles Flußartige weg und treibt, was Schärfe im Körper ist, nach der Haut, und es ist besser, daß ein übel jückt, als daß es reißt und zieht. Im Zeichnen fahr' ich fort, Geschmack und Hand zu bilden, ich habe Architektur angefangen ernstlicher zu treiben, es wird mir alles erstaunend leicht (das heißt der Begriff, denn die Ausübung erfordert ein Leben). Was das Beste war: ich hatte keinen Eigendünkel und keine Prätension, ich hatte nichts zu verlangen, als ich herkam. Und nun dringe ich nur drauf, daß mir nichts Name, nichts Wort bleibe. Was schön, groß, ehrwürdig gehalten wird, will ich mit eignen Augen sehn und erkennen. Ohne Nachahmung ist dies nicht möglich. Nun muß ich mich an die Gipsköpfe setzen. (Die rechte Methode wird mir von Künstlern angedeutet. Ich halte mich zusammen, was möglich ist.) Am Anfang der Woche konnt' ich's nicht absagen, hier und da zu essen. Nun wollen sie mich hier — und dahin haben; ich lasse es vorübergehn und bleibe in meiner Stille. Moritz, einige Landsleute im Hause, ein wackerer Schweizer sind mein gewöhnlicher Umgang. Zu Angelika und Rat Reiffenstein geh' ich auch; überall mit meiner nachdenklichen Art, und niemand ist, dem ich mich eröffnete. Lucchesini ist wieder hier, der alle Welt sieht und den man sieht wie alle Welt. Ein Mann, der sein Metier recht macht, wenn ich mich nicht sehr irre. Nächstens schreib' ich dir von einigen Personen, die ich bald zu kennen hoffe.

"Egmont" ist in der Arbeit, und ich hoffe, er wird geraten. Wenigstens hab' ich immer unter dem Machen Symptome gehabt, die mich nicht betrogen haben. Es ist recht sonderbar, daß ich so oft bin abgehalten worden, das Stück zu endigen, und daß es nun in Rom fertig werden soll. Der erste Akt ist ins Reine und zur Reife, es sind ganze Szenen im Stücke, an die ich nicht zu rühren brauche.

Ich habe über allerlei Kunst so viel Gelegenheit zu denken, daß mein "Wilhelm Meister" recht anschwillt. Nun sollen aber die alten Sachen voraus weg; ich bin alt genug, und wenn ich noch etwas machen will, darf ich mich nicht säumen. Wie du dir leicht denken kannst, hab' ich hundert neue Dinge im Kopfe, und es kommt nicht aufs Denken, es kommt aufs Machen an; das ist ein verwünschtes Ding, die Gegenstände hinzusetzen, daß sie nun einmal so und nicht anders dastehen. Ich möchte nun recht viel von der Kunst sprechen, doch ohne die Kunstwerke was will man sagen? Ich hoffe, über manche Kleinheit wegzurücken, drum gönnt mit meine Zeit, die ich hier so wunderbar und sonderbar zubringe, gönnt mir sie durch den Beifall eurer Liebe.

Ich muß diesmal schließen und wider Willen eine leere Seite schicken.

Die Hitze des Tages war groß, und gegen Abend bin ich eingeschlafen.

Rom, den 9. Juli

Ich will künftig einiges die Woche über schreiben, daß nicht die Hitze des Posttags oder ein andrer Zufall mich hindre, euch ein vernünftiges Wort zu sagen. Gestern hab' ich vieles gesehen und wieder gesehen, ich bin vielleicht in zwölf Kirchen gewesen, wo die schönsten Altarblätter sind.

Dann war ich mit Angelika bei dem Engländer Moore, einem Landschaftsmaler, dessen Bilder meist trefflich gedacht sind. Unter andern hat er eine Sündflut gemalt, das etwas Einziges ist. Anstatt daß andere ein offnes Meer genommen haben, das immer nur die Idee von einem weiten, aber nicht hohen Wasser gibt, hat er ein geschlossenes hohes Bergtal vorgestellt, in welches die immer steigenden Wasser endlich auch hereinstürzen. Man sieht an der Form der Felsen, daß der Wasserstand sich dem Gipfel nähert, und dadurch, daß es hinten quervor zugeschlossen ist, die Klippen alle steil sind, macht es einen fürchterlichen Effekt. Es ist gleichsam nur grau in grau gemalt, das schmutzige aufgewühlte Wasser, der triefende Regen verbinden sich aufs innigste, das Wasser stürzt und trieft von den Felsen, als wenn die ungeheuren Massen sich auch in dem allgemeinen Elemente auflösen wollten, und die Sonne blickt wie ein trüber Mond durch den Wasserflor durch, ohne zu erleuchten, und doch ist es nicht Nacht. In der Mitte des Vordergrundes ist eine flache isolierte Felsenplatte, auf die sich einige hülflose Menschen retten in dem Augenblick, daß die Flut heranschwillt und sie bedecken will. Das Ganze ist unglaublich gut gedacht. Das Bild ist groß. Es kann 7-8 Fuß lang und 5-6 Fuß hoch sein. Von den andern Bildern, einem herrlich schönen Morgen, einer trefflichen Nacht, sag' ich gar nichts.

Drei volle Tage war Fest auf Ara coeli wegen der Beatifikation zweier Heiligen aus dem Orden des heiligen Franziskus. Die Dekoration der Kirche, Musik, Illumination und Feuerwerk des Nachts zog eine große Menge Volks dahin. Das nah gelegene Kapitol war mit erleuchtet und die Feuerwerke auf dem Platz des Kapitols abgebrannt. Das Ganze zusammen machte sich sehr schön, obgleich es nur ein Nachspiel von St. Peter war. Die Römerinnen zeigen sich bei dieser Gelegenheit, von ihren Männern oder Freunden begleitet, des Nachts weiß gekleidet mit einem schwarzen Gürtel und sind schön und artig. Auch ist im Korso jetzt des Nachts häufiger Spaziergang und Fahrt, da man des Tags nicht aus dem Hause geht. Die Hitze ist sehr leidlich und diese Tage her immer ein kühles Windchen wehend. Ich halte mich in meinem kühlen Saale und bin still und vergnügt.

Ich bin fleißig, mein "Egmont" rückt sehr vor. Sonderbar ist's, daß sie eben jetzt in Brüssel die Szene spielen, wie ich sie vor zwölf Jahren aufschrieb, man wird vieles jetzt für Pasquill halten.

Rom, den 16. Juli

Es ist schon weit in der Nacht, und man merkt es nicht, denn die Straße ist voll Menschen, die singend, auf Zithern und Violinen spielend, miteinander wechselnd, auf und ab gehn. Die Nächte sind kühl und erquickend, die Tage nicht unleidlich heiß.

Gestern war ich mit Angelika in der Farnesina, wo die Fabel der Psyche gemalt ist. Wie oft und unter wie manchen Situationen hab' ich die bunten Kopien dieser Bilder in meinen Zimmern mit euch angesehn! Es fiel mir recht auf, da ich sie eben durch jene Kopien fast auswendig weiß. Dieser Saal oder vielmehr Galerie ist das Schönste, was ich von Dekoration kenne, so viel auch jetzt dran verdorben und restauriert ist.

Heute war Tierhetze in dem Grabmal des August. Dieses große, inwendig leere, oben offene, ganz runde Gebäude ist jetzt zu einem Kampfplatz, zu einer Ochsenhetze eingerichtet wie eine Art Amphitheater. Es wird vier — bis fünftausend Menschen fassen können. Das Schauspiel selbst hat mich nicht sehr erbaut.

Dienstag, den 17. Juli, war ich abends bei Albacini, dem Restaurator antiker Statuen, um einen Torso zu sehen, den sie unter den farnesinischen Besitzungen, die nach Neapel gehen, gefunden haben. Es ist ein Torso eines sitzenden Apolls und hat an Schönheit vielleicht nicht seinesgleichen, wenigstens kann er unter die ersten Sachen gesetzt werden, die vom Altertum übrig sind.

Ich speiste bei Graf Fries; Abbate Casti, der mit ihm reist, rezitierte eine seiner Novellen, "Der Erzbischof von Prag", die nicht sehr ehrbar, aber außerordentlich schön, in Ottave rime, geschrieben ist. Ich schätzte ihn schon als den Verfasser meines beliebten "Re Teodoro in Venezia". Er hat nun einen "Re Teodoro in Corsica" geschrieben, wovon ich den ersten Akt gelesen habe, auch ein ganz allerliebstes Werk.

Graf Fries kauft viel und hat unter andern eine Madonna von Andrea del Sarto für 600 Zechinen gekauft. Im vergangenen März hatte Angelika schon 450 drauf geboten, hätte auch das Ganze dafür gegeben, wenn ihr attenter Gemahl nicht etwas einzuwenden gehabt hätte. Nun reut sie's beide. Es ist ein unglaublich schön Bild, man hat keine Idee von so etwas, ohne es gesehn zu haben.

Und so kommt tagtäglich etwas Neues zum Vorschein, was, zu dem Alten und Bleibenden gesellt, ein großes Vergnügen gewährt. Mein Auge bildet sich gut aus, mit der Zeit könnte ich Kenner werden.

Tischbein beschwert sich in einem Briefe über die entsetzliche Hitze in Neapel. Hier ist sie auch stark genug. Am Dienstag soll es so heiß gewesen sein, als Fremde es nicht in Spanien und Portugal empfunden.

"Egmont" ist schon bis in den vierten Akt gediehen, ich hoffe, er soll euch Freude machen. In drei Wochen denke ich fertig zu sein, und ich schicke ihn gleich an Herdern ab.

Gezeichnet und illuminiert wird auch fleißig. Man kann s nicht aus dem Hause gehn, nicht die kleinste Promenade machen, ohne die würdigsten Gegenstände zutreffen. Meine Vorstellung, mein Gedächtnis füllt sich voll unendlich schöner Gegenstände.

Rom, den 20. Juli. 20

Ich habe recht diese Zeit her zwei meiner Kapitalfehler, die mich mein ganzes Leben verfolgt und gepeinigt haben, entdecken können. Einer ist, daß ich nie das Handwerk einer Sache, die ich treiben wollte oder sollte, lernen mochte. Daher ist gekommen, daß ich mit so viel natürlicher Anlage so wenig gemacht und getan habe. Entweder es war durch die Kraft des Geistes gezwungen, gelang oder mißlang, wie Glück und Zufall es wollten, oder wenn ich eine Sache gut und mit überlegung machen wollte, war ich furchtsam und konnte nicht fertig werden. Der andere, nah verwandte Fehler ist, daß ich nie so viel Zeit auf eine Arbeit oder Geschäft wenden mochte, als dazu erfordert wird. Da ich die Glückseligkeit genieße, sehr viel in kurzer Zeit denken und kombinieren zu können, so ist mir eine schrittweise Ausführung nojos und unerträglich. Nun, dächt' ich, wäre Zeit und Stunde da, sich zu korrigieren. Ich bin im Land der Künste, laßt uns das Fach durcharbeiten, damit wir für unser übriges Leben Ruh' und Freude haben und an was anders gehen können.

Rom ist ein herrlicher Ort dazu. Nicht allein die Gegenstände aller Art sind hier, sondern auch Menschen aller Art, denen es Ernst ist, die auf den rechten Wegen gehen, mit denen man sich unterhaltend gar bequem und schleunig weiter bringen kann. Gott sei Dank, ich fange an, von andern lernen und annehmen zu können.

Und so befinde ich mich an Leib und Seele wohler als jemals! Möchtet ihr es an meinen Produktionen sehen und meine Abwesenheit preisen. Durch das, was ich mache und denke, häng' ich mit euch zusammen, übrigens bin ich freilich sehr allein und muß meine Gespräche modifizieren. Doch das ist hier leichter als irgendwo, weil man mit jedem etwas Interessantes zu reden hat.

Mengs sagt irgendwo vom Apoll von Belvedere, daß eine Statue, die zu gleich großem Stil mehr Wahrheit des Fleisches gesellte, das Größte wäre, was der Mensch sich denken könnte. Und durch jenen Torso eines Apolls oder Bacchus, dessen ich schon gedacht, scheint sein Wunsch, seine Prophezeiung erfüllt zu sein. Mein Auge ist nicht genug gebildet, um in einer so delikaten Materie zu entscheiden; aber ich bin selbst geneigt, diesen Rest für das Schönste zu halten, was ich je gesehn habe. Leider ist es nicht allein nur Torso, sondern auch die Epiderm ist an vielen Orten weggewaschen, er muß unter einer Traufe gestanden haben.

Sonntags, den 22. Juli,

aß ich bei Angelika; es ist nun schon hergebracht, daß ich ihr Sonntagsgast bin. Vorher fuhren wir nach dem Palast Barberini, den trefflichen Leonard da Vinci und die Geliebte des Raffaels, von ihm selbst gemalt, zu sehen. Mit Angelika ist es gar angenehm, Gemälde zu betrachten, da ihr Auge sehr gebildet und ihre mechanische Kunstkenntnis so groß ist. Dabei ist sie sehr für alles Schöne, Wahre, Zarte empfindlich und unglaublich bescheiden.

Angelika Kauffmann, Selbstbildnis. Zeichnung

Nachmittags war ich beim Chevalier d'Agincourt, einem reichen Franzosen, der seine Zeit und sein Geld anwendet, eine Geschichte der Kunst von ihrem Verfall bis zur Auflebung zu schreiben. Die Sammlungen, die er gemacht hat, sind höchst interessant. Man sieht, wie der Menschengeist während der trüben und dunkeln Zeit immer geschäftig war. Wenn das Werk zusammenkommt, wird es sehr merkwürdig sein.

Jetzt habe ich etwas vor, daran ich viel lerne; ich habe eine Landschaft erfunden und gezeichnet, die ein geschickter Künstler, Dies, in meiner Gegenwart koloriert; dadurch gewöhnt sich Auge und Geist immer mehr an Farbe und Harmonie. Überhaupt geht es gut. Fort, ich treibe nur, wie immer, zuviel. Meine größte Freude ist, daß mein Auge sich an sichern Formen bildet und sich an Gestalt und Verhältnis leicht gewöhnt und dabei mein alt Gefühl für Haltung und Ganzes recht lebhaft wiederkehrt. Auf übung käme nun alles an.

Montag, den 23. Juli,

bestieg ich abends die Trajanische Säule, um des unschätzbaren Anblicks zu genießen. Von dort oben herab, bei untergehender Sonne, nimmt sich das Koliseum ganz herrlich aus, das Kapitol ganz nahe, der Palatin dahinter, die Stadt, die sich anschließt. Ich ging erst spät und langsam durch die Straßen zurück. Ein merkwürdiger Gegenstand ist der Platz von Monte Cavallo mit dem Obelisk.

Dienstag, den 24. Juli

Nach der Villa Patrizzi, um die Sonne untergehen zu sehen, der frischen Luft zu genießen, meinen Geist recht mit dem Bilde der großen Stadt anzufüllen, durch die langen Linien meinen Gesichtskreis auszuweiten und zu vereinfachen, durch die vielen schönen und mannigfaltigen Gegenstände zu bereichern. Diesen Abend sah ich den Platz der Antoninischen Säule, den Palast Chigi vom Mond erleuchtet, und die Säule, von Alter schwarz, vor dem helleren Nachthimmel, mit einem weißen glänzenden Piedestal. Und wie viel andere unzählige schöne einzelne Gegenstände trifft man auf so einer Promenade an. Aber wie viel dazu gehört, sich nur einen geringen Teil von allem diesem zuzueignen! Es gehört ein Menschenleben dazu, ja das Leben vieler Menschen, die immer stufenweis voneinander lernen.

Eingang zur Villa Chigi in Ariccia. Zeichnung von Goethe

Mittwoch, den 25. Juli

Ich war mit dem Grafen Fries, die Gemmensammlung des Prinzen von Piombino zu sehen.

Freitag, den 27sten.

Übrigens helfen mir alle Künstler, alt und jung, um mein Talentchen zuzustutzen und zu erweitern. In der Perspektiv und Baukunst bin ich vorgerückt, auch in der Komposition der Landschaft. An den lebendigen Kreaturen hängt's noch, da ist ein Abgrund, doch wäre mit Ernst und Applikation hier auch weiterzukommen.

Ich weiß nicht, ob ich ein Wort von dem Konzert sagte, das ich zu Ende voriger Woche gab. Ich lud diejenigen Personen dazu, die mir hier manches Vergnügen verschafft haben, und ließ durch die Sänger der komischen Oper die besten Stücke der letzten Intermezzen aufführen. Jedermann war vergnügt und zufrieden.

Nun ist mein Saal schön aufgeräumt und aufgeputzt; es lebt sich bei der großen Wärme aufs angenehmste darin. Wir haben einen trüben, einen Regentag, ein Donnerwetter, nun einige heitere, nicht sehr heiße Tage gehabt.

Sonntag, den 29. Juli 1787,

war ich mit Angelika in dem Palast Rondanini. Ihr werdet euch aus meinen ersten römischen Briefen einer Meduse erinnern, die mir damals schon so sehr einleuchtete, jetzt nun aber mir die größte Freude gibt. Nur einen Begriff zu haben, daß so etwas in der Welt ist, daß so etwas zu machen möglich war, macht einen zum doppelten Menschen. Wie gern sagt' ich etwas drüber, wenn nicht alles, was man über so ein Werk sagen kann, leerer Windhauch wäre. Die Kunst ist deshalb da, daß man sie sehe, nicht davon spreche, als höchstens in ihrer Gegenwart. Wie schäme ich mich alles Kunstgeschwätzes, in das ich ehmals einstimmte. Wenn es möglich ist, einen guten Gipsabguß von dieser Meduse zu haben, so bring' ich ihn mit, doch sie müßte neu geformt werden. Es sind einige hier zu Kaufe, die ich nicht möchte; denn sie verderben mehr die Idee, als daß sie uns den Begriff gäben und erhielten. Besonders ist der Mund unaussprechlich und unnachahmlich groß.

Montag, den 30sten,

blieb ich den ganzen Tag zu Hause und war fleißig. "Egmont" rückt zum Ende, der vierte Akt ist so gut wie fertig. Sobald er abgeschrieben ist, schick' ich ihn mit der reitenden Post. Welche Freude wird mir's sein, von euch zu hören, daß ihr dieser Produktion einigen Beifall gebt! Ich fühle mich recht jung wieder, da ich das Stück schreibe; möchte es auch auf den Leser einen frischen Eindruck machen. Abends war ein kleiner Ball in dem Garten hinter dem Hause, wozu wir auch eingeladen wurden. Ungeachtet jetzt keine Jahrszeit des Tanzes ist, so war man doch ganz lustig. Die italienischen Mäuschen haben ihre Eigentümlichkeiten, vor zehn Jahren hätten einige passieren können, nun ist diese Ader vertrocknet, und es gab mir diese kleine Feierlichkeit kaum so viel Interesse, um sie bis ans Ende auszuhalten. Die Mondnächte sind ganz unglaublich schön; der Aufgang, eh' sich der Mond durch die Dünste heraufgearbeitet hat, ganz gelb und warm, come il sole d'Inghilterra, die übrige Nacht klar und freundlich. Ein kühler Wind, und alles fängt an zu leben. Bis gegen Morgen sind immer Partien auf der Straße, die singen und spielen, man hört mancherlei Duette, so schön und schöner als in einer Oper oder Konzert.

Dienstag, den 31. Juli,

wurden einige Mondscheine aufs Papier gebracht, dann sonst allerlei gute Kunst getrieben. Abends ging ich mit einem Landsmann spazieren, und wir stritten über den Vorzug von Michelangelo und Raffael; ich hielt die Partie des ersten, er des andern, und wir schlossen zuletzt mit einem gemeinschaftlichen Lob auf Leonard da Vinci. Wie glücklich bin ich, daß nun alle diese Namen aufhören, Namen zu sein, und lebendige Begriffe des Wertes dieser trefflichen Menschen nach und nach vollständig werden.

Nachts in die komische Oper. Ein neues Intermezz, "L'Impresario in angustie", ist ganz vortrefflich und wird uns manche Nacht unterhalten, so heiß es auch im Schauspiele sein mag. Ein Quintett, da der Poeta sein Stück vorliest, der Impresar und die prima donna auf der einen Seite ihm Beifall geben, der Komponist und die seconda donna auf der andern ihn tadeln, worüber sie zuletzt in einen allgemeinen Streit geraten, ist gar glücklich. Die als Frauenzimmer verkleideten Kastraten machen ihre Rollen immer besser und gefallen immer mehr. Wirklich für eine kleine Sommertruppe, die sich nur so zusammengefunden hat, ist sie recht artig. Sie spielen mit einer großen Natürlichkeit und gutem Humor. Von der Hitze stehen die armen Teufel erbärmlich aus.

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28 eylül 2017
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