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Kitabı oku: «Wilhelm Meisters Wanderjahre — Band 3», sayfa 3

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Viertes Kapitel

Des andern Morgens beizeiten trat Friedrich mit einem Hefte in der Hand in Wilhelms Zimmer, und ihm solches überreichend, sprach er: "Gestern abend hatte ich vor allen Euren Tugenden, welche herzuerzählen Ihr umständlich genug wart, nicht Raum, von mir und meinen Vorzügen zu reden, deren ich mich wohl auch zu rühmen habe und die mich zu einem würdigen Mitglied dieser großen Karawane stempeln. Beschaut hier dieses Heft, und Ihr werdet ein Probestück anerkennen."

Wilhelm überlief die Blätter mit schnellen Blicken und sah, leserlich angenehm, obschon flüchtig geschrieben, die gestrige Relation seiner anatomischen Studien, fast Wort vor Wort, wie er sie abgestattet hatte, weshalb er denn seine Verwunderung nicht bergen konnte.

"Ihr wißt", erwiderte Friedrich, "das Grundgesetz unserer Verbindung; in irgendeinem Fache muß einer vollkommen sein, wenn er Anspruch auf Mitgenossenschaft machen will. Nun zerbrach ich mir den Kopf, worin mir's denn gelingen könnte, und wußte nichts aufzufinden, so nahe mir es auch lag, daß mich niemand an Gedächtnis übertreffe, niemand an einer schnellen, leichten, leserlichen Hand. Dieser angenehmen Eigenschaften erinnert Ihr Euch wohl von unsrer theatralischen Laufbahn her, wo wir unser Pulver nach Sperlingen verschossen, ohne daran zu denken, daß ein Schuß, vernünftiger angebracht, auch wohl einen Hasen in die Küche schaffe. Wie oft hab' ich nicht ohne Buch souffliert, wie oft in wenigen Stunden die Rollen aus dem Gedächtnis geschrieben! Das war Euch damals recht, Ihr dachtet, es müßte so sein; ich auch, und es wäre mir nicht eingefallen, wie sehr es mir zustatten kommen könne. Der Abbé machte zuerst die Entdeckung; er fand, daß das Wasser auf seine Mühle sei, er versuchte, mich zu üben, und mir gefiel, was mir so leicht ward und einen ernsten Mann befriedigte. Und nun bin ich, wo's not tut, gleich eine ganze Kanzlei, außerdem führen wir noch so eine zweibeinige Rechenmaschine bei uns, und kein Fürst mit noch so viel Beamten ist besser versehen als unsre Vorgesetzten."

Heiteres Gespräch über dergleichen Tätigkeiten führte die Gedanken auf andere Glieder der Gesellschaft. "Solltet Ihr wohl denken", sagte Friedrich, "daß das unnützeste Geschöpf von der Welt, wie es schien, meine Philine, das nützlichste Glied der großen Kette werden wird? Legt ihr ein Stück Tuch hin, stellt Männer, stellt Frauen ihr vors Gesicht: ohne Maß zu nehmen, schneidet sie aus dem Ganzen und weiß dabei alle Flecken und Gehren dergestalt zu nutzen, daß großer Vorteil daraus entsteht, und das alles ohne Papiermaß. Ein glücklicher geistiger Blick lehrt sie das alles, sie sieht den Menschen an und schneidet, dann mag er hingehen, wohin er will, sie schneidet fort und schafft ihm einen Rock auf den Leib wie angegossen. Doch das wäre nicht möglich, hätte sie nicht auch eine Nähterin herangezogen, Montans Lydie, die nun einmal still geworden ist und still bleibt, aber auch reinlich näht wie keine, Stich für Stich wie Perlen, wie gestickt. Das ist nun, was aus den Menschen werden kann; eigentlich hängt so viel Unnützes um uns herum, aus Gewohnheit, Neigung, Zerstreuung und Willkür, ein Lumpenmantel zusammengespettelt. Was die Natur mit uns gewollt, das Vorzüglichste, was sie in uns gelegt, können wir deshalb weder auffinden noch ausüben."

Allgemeine Betrachtungen über die Vorteile der geselligen Verbindung, die sich so glücklich zusammengefunden, eröffneten die schönsten Aussichten.

Als nun Lenardo sich hierauf zu ihnen gesellte, ward er von Wilhelmen ersucht, auch von sich zu sprechen, von dem Lebensgange, den er bisher geführt, von der Art, wie er sich und andere gefördert, freundliche Nachricht zu erteilen.

"Sie erinnern sich gar wohl, mein Bester", versetzte Lenardo, "in welchem wundersamen, leidenschaftlichen Zustande Sie mich den ersten Augenblick unserer neuen Bekanntschaft getroffen; ich war versunken, verschlungen in das wunderlichste Verlangen, in eine unwiderstehliche Begierde, es konnte damals nur von der nächsten Stunde die Rede sein, vom schweren Leiden, das mir bereitet war, das mir selbst zu schärfen ich mich so emsig erwies. Ich konnte Sie nicht bekannt machen mit meinen früheren Jugendzuständen, wie ich jetzt tun muß, um Sie auf den Weg zu führen, der mich hierher gebracht hat.

Unter den frühsten meiner Fähigkeiten, die sich nach und nach durch Umstände entwickelten, tat sich ein gewisser Trieb zum Technischen hervor, welcher jeden Tag durch die Ungeduld genährt wurde, die man auf dem Lande fühlt, wenn man bei größeren Bauten, besonders aber bei kleinen Veränderungen, Anlagen und Grillen ein Handwerk ums andere entbehren muß und lieber ungeschickt und pfuscherhaft eingreift, als daß man sich meistermäßig verspäten ließe. Zum Glück wanderte in unserer Gegend ein Tausendkünstler auf und ab, der, weil er bei mir seine Rechnung fand, mich lieber als irgendeinen Nachbar unterstützte; er richtete mir eine Drechselbank ein, deren er sich bei jedem Besuch mehr zu seinem Zwecke als zu meinem Unterricht zu bedienen wußte. So auch schaffte ich Tischlerwerkzeug an, und meine Neigung zu dergleichen ward erhöht und belebt durch die damals laut ausgesprochene überzeugung: es könne niemand sich ins Leben wagen, als wenn er es im Notfall durch Handwerkstätigkeit zu fristen verstehe. Mein Eifer ward von den Erziehern nach ihren eigenen Grundsätzen gebilligt; ich erinnere mich kaum, daß ich je gespielt habe, denn alle freien Stunden wurden verwendet, etwas zu wirken und zu schaffen. Ja ich darf mich rühmen, schon als Knabe einen geschickten Schmied durch meine Anforderungen zum Schlösser, Feilenhauer und Uhrmacher gesteigert zu haben.

Das alles zu leisten mußten denn freilich auch erst die Werkzeuge erschaffen werden, und wir litten nicht wenig an der Krankheit jener Techniker, welche Mittel und Zweck verwechseln, lieber Zeit auf Vorbereitungen und Anlagen verwenden, als daß sie sich recht ernstlich an die Ausführung hielten. Wo wird uns jedoch praktisch tätig erweisen konnten, war bei Auszierung der Parkanlagen, deren kein Gutsbesitzer mehr entbehren durfte; manche Moos — und Rindenhütte, Knittelbrücken und Bänke zeugten von unserer Emsigkeit, womit wir eine Urbaukunst in ihrer ganzen Roheit mitten in der gebildeten Welt darzustellen eifrig bemüht gewesen.

Dieser Trieb führte mich bei zunehmenden Jahren auf ernstere Teilnahme an allem, was der Welt so nütze und in ihrer gegenwärtigen Lage so unentbehrlich ist, und gab meinen mehrjährigen Reisen ein eigentlichstes Interesse.

Da jedoch der Mensch gewöhnlich auf dem Wege, der ihn herangebracht, fortzuwandern pflegt, so war ich dem Maschinenwesen weniger günstig als der unmittelbaren Handarbeit, wo wir Kraft und Gefühl in Verbindung ausüben; deswegen ich mich auch besonders in solchen abgeschlossenen Kreisen gern aufhielt, wo nach Umständen diese oder jene Arbeit zu Hause war. Dergleichen gibt jeder Vereinigung eine besondere Eigentümlichkeit, jeder Familie, einer kleinen, aus mehreren Familien bestehenden Völkerschaft den entschiedensten Charakter; man lebt in dem reinsten Gefühl eines lebendigen Ganzen.

Dabei hatte ich mir angewöhnt, alles aufzuzeichnen, es mit Figuren auszustatten und so, nicht ohne Aussicht auf künftige Anwendung, meine Zeit löblich und erfreulich zuzubringen.

Diese Neigung, diese ausgebildete Gabe benutzt' ich nun aufs beste bei dem wichtigen Auftrag, den mir die Gesellschaft gab, den Zustand der Gebirgsbewohner zu untersuchen und die brauchbaren Wanderlustigen mit in unsern Zug aufzunehmen. Mögen Sie nun den schönen Abend, wo mich mannigfaltige Geschäfte drängen, mit Durchlesung eines Teils meines Tagebuchs zubringen? Ich will nicht behaupten, daß es gerade angenehm zu lesen sei; mir schien es immer unterhaltend und gewissermaßen unterrichtend. Doch wir bespiegeln ja uns immer selbst in allem, was wir hervorbrachten."

Fünftes Kapitel

Lenardos Tagebuch

Montag, den 15.

Tief in der Nacht war ich nach mühsam erstiegener halber Gebirgshöhe eingetroffen in einer leidlichen Herberge und ward schon vor Tagesanbruch aus erquicklichem Schlaf durch ein andauerndes Schellen — und Glockengeläute zu meinem großen Verdruß aufgeweckt. Eine große Reihe Saumrosse zog vorbei, eh' ich mich hätte ankleiden und ihnen zuvoreilen können. Nun erfuhr ich auch, meinen Weg antretend, gar bald, wie unangenehm und verdrießlich solche Gesellschaft sei. Das monotone Geläute betäubt die Ohren; das zu beiden Seiten weit über die Tiere hinausreichende Gepäck (sie trugen diesmal große Säcke Baumwolle) streift bald einerseits an die Felsen, und wenn das Tier, um dieses zu vermeiden, sich gegen die andere Seite zieht, so schwebt die Last über dem Abgrund, dem Zuschauer Sorge und Schwindel erregend, und, was das Schlimmste ist, in beiden Fällen bleibt man gehindert, an ihnen vorbeizuschleichen und den Vortritt zu gewinnen.

Endlich gelangt' ich an der Seite auf einen freien Felsen, wo St. Christoph, der mein Gepäck kräftig einhertrug, einen Mann begrüßte, welcher stille dastehend den vorbeiziehenden Zug zu mustern schien. Es war auch wirklich der Anführer; nicht nur gehörte ihm eine beträchtliche Zahl der lasttragenden Tiere, andere hatte er nebst ihren Treibern gemietet, sondern er war auch Eigentümer eines geringern Teils der Ware; vornehmlich aber bestand sein Geschäft darin, für größere Kaufleute den Transport der ihrigen treulich zu besorgen. Im Gespräch erfuhr ich von ihm, daß dieses Baumwolle sei, welche aus Mazedonien und Cypern über Triest komme und vom Fuße des Berges auf Maultieren und Saumrossen zu diesen Höhen und weiter bis jenseits des Gebirgs gebracht werde, wo Spinner und Weber in Unzahl durch Täler und Schluchten einen großen Vertrieb gesuchter Waren ins Ausland vorbereiteten. Die Ballen waren bequemeren Ladens wegen teils anderthalb, teils drei Zentner schwer, welches letztere die volle Last eines Saumtiers ausmacht. Der Mann lobte die Qualität der auf diesem Wege ankommenden Baumwolle, verglich sie mit der von Ost — und Westindien, besonders mit der von Cayenne, als der bekanntesten; er schien von seinem Geschäft sehr gut unterrichtet, und da es mir auch nicht ganz unbekannt geblieben war, so gab es eine angenehme und nützliche Unterhaltung. Indessen war der ganze Zug vor uns vorüber, und ich erblickte nur mit Widerwillen auf dem in die Höhe sich schlängelnden Felsweg die unabsehliche Reihe dieser bepackten Geschöpfe, hinter denen her man schleichen und in der herankommenden Sonne zwischen Felsen braten sollte. Indem ich mich nun gegen meinen Boten darüber beschwerte, trat ein untersetzter, munterer Mann zu uns heran, der auf einem ziemlich großen Reff eine verhältnismäßig leichte Bürde zu tragen schien. Man begrüßte sich, und es war gar bald am derben Händeschütteln zu sehen, daß St. Christoph und dieser Ankömmling einander wohl bekannt seien; da erfuhr ich denn sogleich über ihn folgendes. Für die entfernteren Gegenden im Gebirge, woher zu Markte zu gehen für jeden einzelnen Arbeiter zu weit wäre, gibt es eine Art von untergeordnetem Handelsmann oder Sammler, welcher Garnträger genannt wird. Dieser steigt nämlich durch alle Täler und Winkel, betritt Haus für Haus, bringt den Spinnern Baumwolle in kleinen Partien, tauscht dagegen Garn ein oder kauft es, von welcher Qualität es auch sein möge, und überläßt es dann wieder mit einigem Profit im größern an die unterhalb ansässigen Fabrikanten.

Als nun die Unbequemlichkeit, hinter den Maultieren herzuschlendern, abermals zur Sprache kam, lud mich der Mann sogleich ein, mit ihm ein Seitental hinabzusteigen, das gerade hier von dem Haupttale sich trennte, um die Wasser nach einer andern Himmelsgegend hinzuführen. Der Entschluß war bald gefaßt, und nachdem wir mit einiger Anstrengung einen etwas steilen Gebirgskamm überstiegen hatten, sahen wir die jenseitigen Abhänge vor uns, zuerst höchst unerfreulich; das Gestein hatte sich verändert und eine schiefrige Lage genommen; keine Vegetation belebte Fels und Gerölle, und man sah sich von einem schroffen Niederstieg bedroht. Quellen rieselten von mehreren Seiten zusammen; man kam sogar an einem mit schroffen Felsen umgebenen kleinen See vorbei. Endlich traten einzeln und dann mehr gesellig Fichten, Lärchen und Birken hervor, dazwischen sodann zerstreute ländliche Wohnungen, freilich von der kärglichsten Sorte, jede von ihren Bewohnern selbst zusammengezimmert aus verschränkten Balken, die großen, schwarzen Schindeln der Dächer mit Steinen beschwert, damit sie der Wind nicht wegführe. Unerachtet dieser äußern traurigen Ansicht war der beschränkte innere Raum doch nicht unangenehm; warm und trocken, auch reichlich gehalten, paßte er gar gut zu dem frohen Aussehen der Bewohner, bei denen man sich alsobald ländlich gesellig fühlte.

Der Bote schien erwartet, auch hatte man ihm aus dem kleinen Schiebefenster entgegengesehen, denn er war gewohnt, wo möglich immer an demselben Wochentage zu kommen; er handelte das Gespinst ein, teilte frische Baumwolle aus; dann ging es rasch hinabwärts, wo mehrere Häuser in geringer Entfernung nahe stehen. Kaum erblickt man uns, so laufen die Bewohner begrüßend zusammen, Kinder drängen sich hinzu und werden mit einem Eierbrot, auch einer Semmel hoch erfreut. Das Behagen war überall groß und vermehrt, als sich zeigte, daß St. Christoph auch dergleichen aufgepackt und also gleichfalls die Freude hatte, den kindlichsten Dank einzuernten; um so angenehmer für ihn, als er sich, wie sein Geselle, mit dem kleinen Volke gar wohl zu betun wußte.

Die Alten dagegen hielten gar mancherlei Fragen bereit; vom Krieg wollte jedermann wissen, der glücklicherweise sehr entfernt geführt wurde und auch näher solchen Gegenden kaum gefährlich gewesen wäre. Sie freuten sich jedoch des Friedens, obgleich in Sorge wegen einer andern drohenden Gefahr; denn es war nicht zu leugnen, das Maschinenwesen vermehre sich immer im Lande und bedrohe die arbeitsamen Hände nach und nach mit Untätigkeit. Doch ließen sich allerlei Trost — und Hoffnungsgründe beibringen.

Unser Mann wurde dazwischen wegen manches Lebensfalles um Rat gefragt, ja sogar mußte er sich nicht allein als Hausfreund, sondern auch als Hausarzt zeigen; Wundertropfen, Salze, Balsame führte er jederzeit bei sich.

In die verschiedenen Häuser eintretend fand ich Gelegenheit, meiner alten Liebhaberei nachzuhängen und mich von der Spinnertechnik zu unterrichten. Ich ward aufmerksam auf Kinder, welche sich sorgfältig und emsig beschäftigten, die Flocken der Baumwolle auseinanderzuzupfen und die Samenkörner, Splitter von den Schalen der Nüsse nebst andern Unreinigkeiten wegzunehmen; sie nennen es erlesen. Ich fragte, ob das nur das Geschäft der Kinder sei, erfuhr aber, daß es in Winterabenden auch von Männern und Brüdern unternommen werde.

Rüstige Spinnerinnen zogen sodann, wie billig, meine Aufmerksamkeit auf sich; die Vorbereitung geschieht folgendermaßen: Es wird die erlesene oder gereinigte Baumwolle auf die Karden, welche in Deutschland Krempel heißen, gleich ausgeteilt, gekardet, wodurch der Staub davongeht und die Haare der Baumwolle einerlei Richtung erhalten, dann abgenommen, zu Locken festgewickelt und so zum Spinnen am Rad zubereitet.

Man zeigte mir dabei den Unterschied zwischen links und rechts gedrehtem Garn; jenes ist gewöhnlich feiner und wird dadurch bewirkt, daß man die Saite, welche die Spindel dreht, um den Wirtel verschränkt, wie die Zeichnung nebenbei deutlich macht (die wir leider wie die übrigen nicht mitgeben können).

Die Spinnende sitzt vor dem Rade, nicht zu hoch; mehrere hielten dasselbe mit übereinandergelegten Füßen in festem Stande, andere nur mit dem rechten Fuß, den linken zurücksetzend. Mit der rechten Hand dreht sie die Scheibe und langt aus, so weit und so hoch sie nur reichen kann, wodurch schöne Bewegungen entstehen und eine schlanke Gestalt sich durch zierliche Wendung des Körpers und runde Fülle der Arme gar vorteilhaft auszeichnet; die Richtung besonders der letzten Spinnweise gewährt einen sehr malerischen Kontrast, so daß unsere schönsten Damen an wahrem Reiz und Anmut zu verlieren nicht fürchten dürften, wenn sie einmal anstatt der Gitarre das Spinnrad handhaben wollten.

In einer solchen Umgebung drängten sich neue, eigene Gefühle mir auf, die schnurrenden Räder haben eine gewisse Beredsamkeit, die Mädchen singen Psalmen, auch, obwohl seltener, andere Lieder.

Zeisige und Stieglitze, in Käfigen aufgehangen, zwitschern dazwischen, und nicht leicht möchte ein Bild regeren Lebens gefunden werden als in einer Stube, wo mehrere Spinnerinnen arbeiten.

Dem beschriebenen Rädligarn ist jedoch das Briefgarn vorzuziehen; hiezu wird die beste Baumwolle genommen, welche längere Haare hat als die andere. Ist sie rein gelesen, so bringt man sie, anstatt zu krempeln, auf Kämme, welche aus einfachen Reihen langer, stählerner Nadeln bestehen, und kämmt sie; alsdann wird das längere und feinere Teil derselben mit einem stumpfen Messer bänderweise (das Kunstwort heißt ein Schnitz) abgenommen, zusammengewickelt und in eine Papierdüte getan und diese nachher an der Kunkel befestigt. Aus einer solchen Düte nun wird mit der Spindel von der Hand gesponnen, daher heißt es aus dem Brief spinnen und das gewonnene Garn Briefgarn.

Dieses Geschäft, welches nur von ruhigen, bedächtigen Personen getrieben wird, gibt der Spinnerin ein sanfteres Ansehen als das am Rade; kleidet dies letzte eine große, schlanke Figur zum besten, so wird durch jenes eine ruhige, zarte Gestalt gar sehr begünstigt. Dergleichen verschiedene Charaktere, verschiedenen Arbeiten zugetan, erblickte ich mehrere in einer Stube und wußte zuletzt nicht recht, ob ich meine Aufmerksamkeit der Arbeit oder den Arbeiterinnen zu widmen hätte.

Leugnen aber dürft' ich nicht sodann, daß die Bergbewohnerinnen, durch die seltenen Gäste aufgeregt, sich freundlich und gefällig erwiesen. Besonders freuten sie sich, daß ich mich nach allem so genau erkundigte, was sie mir vorsprachen, bemerkte, ihre Gerätschaften und einfaches Maschinenwerk zeichnete, ja selbst ihre Arme, Hände und hübschen Glieder mit Zierlichkeit flüchtig abschilderte, wie hier neben zu sehen sein sollte. Auch ward, als der Abend hereintrat, die vollbrachte Arbeit vorgewiesen, die vollen Spindeln in dazu bestimmten Kästchen beiseitegelegt und das ganze Tagewerk sorgfältig aufgehoben. Nun war man schon bekannter geworden, die Arbeit jedoch ging ihren Gang; nun beschäftigte man sich mit dem Haspeln und zeigte schon viel freier teils die Maschine, teils die Behandlung vor, und ich schrieb sorgfältig auf.

Der Haspel hat Rad und Zeiger, so daß sich bei jedesmaligem Umdrehen eine Feder hebt, welche niederschlägt, sooft hundert Umgänge auf den Haspel gekommen sind. Man nennt nun die Zahl von tausend Umgängen einen Schneller, nach deren Gewicht die verschiedene Feine des Garns gerechnet wird.

Rechts gedreht Garn gehen 25 bis 30 auf ein Pfund, links gedreht 60 bis 80, vielleicht auch 90. Der Umgang des Haspels wird ungefähr sieben Viertel Ellen oder etwas mehr betragen, und die schlanke, fleißige Spinnerin behauptete, 4, auch 5 Schneller, das wären 5 000 Umgänge, also 8 bis 9000 Ellen Garn, täglich am Rad zu spinnen; sie erbot sich zur Wette, wenn wir noch einen Tag bleiben wollten.

Darauf konnte denn doch die stille und bescheidene Briefspinnerin es nicht ganz lassen und versicherte: daß sie aus dem Pfund 120 Schneller spinne in verhältnismäßiger Zeit. (Briefgarnspinnen geht nämlich langsamer als das Spinnen am Rade, wird auch besser bezahlt. Vielleicht spinnt man am Rade wohl das Doppelte.) Sie hatte eben die Zahl der Umgänge auf dem Haspel voll und zeigte mir, wie nun das Ende des Fadens ein paarmal umgeschlagen und geknüpft werde; sie nahm den Schneller ab, drehte ihn so, daß er in sich zusammenlief, zog das eine Ende durch und konnte das Geschäft der geübten Spinnerin als vollbracht mit unschuldiger Selbstgefälligkeit vorzeigen.

Da nun hier weiter nichts zu bemerken war, stand die Mutter auf und sagte: da der junge Herr doch alles zu sehen wünsche, so wolle sie ihm nun auch die Trockenweberei zeigen. Sie erklärte mir mit gleicher Gutmütigkeit, indem sie sich an den Webstuhl setzte, wie sie nur diese Art handhabten, weil sie eigentlich allein für grobe Kattune gelte, wo der Einschlag trocken eingetragen und nicht sehr dicht geschlagen wird; sie zeigte mir denn auch solche trockene Ware; diese ist immer glatt, ohne Streifen und Quadrate oder sonst irgendein Abzeichen, und nur fünf bis fünfeinhalbes Viertel Elle breit.

Der Mond leuchtete hell vom Himmel, und unser Garnträger bestand auf einer weitern Wallfahrt, weil er Tag und Stunde halten und überall richtig eintreffen müsse; die Fußpfade seien gut und klar, besonders bei solcher Nachtfackel. Wir von unserer Seite erheiterten den Abschied durch seidene Bänder und Halstücher, dergleichen Ware St. Christoph ein ziemliches Paket mit sich trug; das Geschenk wurde der Mutter gegeben, um es an die Ihrigen zu verteilen.

Dienstags, den 16. Früh.

Die Wanderung durch eine herrliche klare Nacht war voll Anmut und Erfreulichkeit; wir gelangten zu einer etwas größern Hüttenversammlung, die man vielleicht hätte ein Dorf nennen dürfen; in einiger Entfernung davon auf einem freien Hügel stand eine Kapelle, und es fing schon an, wohnlicher und menschlicher auszusehen. Wir kamen an Umzäunungen vorbei, die zwar auf keine Gärten, aber doch auf spärlichen, sorgfältig gehüteten Wieswachs hindeuteten. Wir waren an einen Ort gelangt, wo neben dem Spinnen das Weben ernstlicher getrieben wird.

Unsere gestrige Tagereise, bis in die Nacht hinein verlängert, hatte die rüstigen und jugendlichen Kräfte aufgezehrt; der Garnbote bestieg den Heuboden, und ich war eben im Begriff, ihm zu folgen, als St. Christoph mir sein Reff befahl und zur Türe hinausging. Ich kannte seine löbliche Absicht und ließ ihn gewähren.

Des andern Morgens jedoch war das erste, daß die Familie zusammenlief und den Kindern streng verboten ward, nicht aus der Türe zu gehen, indem ein greulicher Bär oder sonst ein Ungetüm in der Nähe sich aufhalten müsse, denn es habe die Nacht über von der Kapelle her dergestalt gestöhnt und gebrummt, daß Felsen und Häuser hier hüben hätten erzittern mögen, und man riet, bei unserer heutigen längeren Wanderung wohl auf der Hut zu sein. Wir suchten die guten Leute möglichst zu beruhigen, welches in dieser Einöde jedoch schwer erschien.

Der Garnbote erklärte nunmehr, daß er eiligst sein Geschäft abtun und alsdann kommen wolle, uns abzuholen, denn wir hätten heute einen langen und beschwerlichen Weg vor uns, weil wir nicht mehr so im Tale nur hinabschlendern, sondern einen vorgeschobenen Gebirgsriegel mühsam überklettern würden. Ich entschloß mich daher, die Zeit so gut als möglich zu nutzen und mich von unsern guten Wirtsleuten in die Vorhalle des Webens einführen zu lassen.

Beide waren ältliche Leute, in späteren Tagen noch mit zwei, drei Kindern gesegnet; religiöse Gefühle und ahnungsvolle Vorstellungen ward man an ihrer Umgebung, Tun und Reden gar bald gewahr. Ich kam gerade zum Anfang einer solchen Arbeit, dem übergang vom Spinnen zum Weben, und da ich zu keiner weitern Zerstreuung Anlaß fand, so ließ ich mir das Geschäft, wie es eben gerade im Gange war, in meine Schreibtafel gleichsam diktieren.

Die erste Arbeit, das Garn zu leimen, war gestern verrichtet. Man siedet solches zu einem dünnen Leimwasser, welches aus Stärkemehl und etwas Tischlerleim besteht, wodurch die Fäden mehr Halt bekommen. Früh waren die Garnstränge schon trocken, und man bereitete sich zu spulen, nämlich das Garn am Rade auf Rohrspulen zu winden. Der alte Großvater, am Ofen sitzend, verrichtete diese leichte Arbeit, ein Enkel stand neben ihm und schien begierig, das Spulrad selbst zu handhaben. Indessen steckte der Vater die Spulen, um zu zetteln, auf einen mit Querstäben abgeteilten Rahmen, so daß sie sich frei um perpendikulär stehende starke Drähte bewegten und den Faden ablaufen ließen. Sie werden mit gröberm und feinerm Garn in der Ordnung aufgesteckt, wie das Muster oder vielmehr die Striche im Gewebe es erfordern. Ein Instrument (das Brittli), ungefähr wie ein Sistrum gestaltet, hat Löcher auf beiden Seiten, durch welche die Fäden gezogen sind; dieses befindet sich in der Rechten des Zettlers, mit der Linken faßt er die Fäden zusammen und legt sie, hin und wider gehend, auf den Zettelrahmen. Einmal von oben herunter und von unten herauf heißt ein Gang, und nach Verhältnis der Dichtigkeit und Breite des Gewebes macht man viele Gänge. Die Länge beträgt entweder 64 oder nur 32 Ellen. Beim Anfang eines jeden Ganges legt man mit den Fingern der linken Hand immer einen oder zwei Fäden herauf und ebensoviel herunter und nennt solches die Rispe; so werden die verschränkten Fäden über die zwei oben an dem Zettelrahmen angebrachten Nägel gelegt. Dieses geschieht, damit der Weber die Fäden in gehörig gleicher Ordnung erhalten kann. Ist man mit dem Zetteln fertig, so wird das Gerispe unterbunden und dabei ein jeder Gang besonders abgeteilt, damit sich nichts verwirren kann; sodann werden mit aufgelöstem Grünspan am letzten Gang Male gemacht, damit der Weber das gehörige Maß wieder bringe; endlich wird abgenommen, das Ganze in Gestalt eines großen Knäuels aufgewunden, welcher die Werfte genannt wird.

Mittwoch, den 17.

Wir waren früh vor Tage aufgebrochen und genossen eines herrlichen verspäteten Mondscheins. Die hervorbrechende Helle, die aufgehende Sonne ließ uns ein besser bewohntes und bebautes Land sehen. Hatten wir oben, um über Bäche zu kommen, Schrittsteine oder zuweilen einen schmalen Steg, nur an der einen Seite mit Lehne versehen, angetroffen, so waren hier schon steinerne Brücken über das immer breiter werdende Wasser geschlagen; das Anmutige wollte sich nach und nach mit dem Wilden gatten, und ein erfreulicher Eindruck ward von den sämtlichen Wanderern empfunden.

über den Berg herüber, aus einer andern Flußregion, kam ein schlanker, schwarzlockiger Mann hergeschritten und rief schon von weitem, als einer, der gute Augen und eine tüchtige Stimme hat: "Grüß' Euch Gott, Gevatter Garnträger!" Dieser ließ ihn näher herankommen, dann rief auch er mit Verwunderung: "Dank' Euch Gott, Gevatter Geschirrfasser! Woher des Landes? welche unerwartete Begegnung!" Jener antwortete herantretend: "Schon zwei Monate schreit' ich im Gebirg herum, allen guten Leuten ihr Geschirr zurechtzumachen und ihre Stühle so einzurichten, daß sie wieder eine Zeitlang ungestört fortarbeiten können." Hierauf sprach der Garnbote, sich zu mir wendend: "Da Ihr, junger Herr, so viel Lust und Liebe zu dem Geschäft beweist und Euch sorgfältig drum bekümmert, so kommt dieser Mann gerade zur rechten Zeit, den ich Euch in diesen Tagen schon still herbeigewünscht hatte, er würde Euch alles besser erklärt haben als die Mädchen mit allem guten Willen; er ist Meister in seinem Geschäft und versteht, was zur Spinnerei und dergleichen gehört, vollkommen anzugeben, auszuführen, zu erhalten, wiederherzustellen, wie es not tut und es jeder nur wünschen mag."

Ich besprach mich mit ihm und fand einen sehr verständigen, in gewissem Sinne gebildeten, seiner Sache völlig gewachsenen Mann, indem ich einiges, was ich dieser Tage gelernt hatte, mit ihm wiederholte und einige Zweifel zu lösen bat; auch sagt' ich ihm, was ich gestern schon von den Anfängen der Weberei gesehen. Jener rief dagegen freudig aus: "Das ist recht erwünscht, da komm' ich gerade zur rechten Zeit, um einem so werten, lieben Herrn über die älteste und herrlichste Kunst, die den Menschen eigentlich zuerst vom Tiere unterscheidet, die nötige Auskunft zu geben. Wir gelangen heute gerade zu guten und geschickten Leuten, und ich will nicht Geschirrfasser heißen, wenn Ihr nicht sogleich das Handwerk so gut fassen sollt wie ich selbst."

Ihm wurde freundlicher Dank gezollt, das Gespräch mannigfaltig fortgesetzt, und wir gelangten, nach einigem Rasten und Frühstück, zu einer zwar auch unter — und übereinander, doch besser gebauten Häusergruppe. Er wies uns an das beste. Der Garnbote ging mit mir und St. Christoph nach Abrede zuerst hinein, sodann aber, nach den ersten Begrüßungen und einigen Scherzen, folgte der Schirrfasser, und es war auffallend, daß sein Hereintreten eine freudige überraschung in der Familie hervorbrachte. Vater, Mutter, Töchter und Kinder versammelten sich um ihn; einem am Weberstuhl sitzenden, wohlgebildeten Mädchen stockte das Schiffchen in der Hand, das just durch den Zettel durchfahren sollte, ebenso hielt sie auch den Tritt an, stand auf und kam später, mit langsamer Verlegenheit ihm die Hand zu reichen. Beide, der Garnbote sowohl als der Schirrfasser, setzten sich bald durch Scherz und Erzählung wieder in das alte Recht, welches Hausfreunden gebührt, und nachdem man sich eine Zeitlang gelabt, wendete sich der wackere Mann zu mir und sagte: "Sie, mein guter Herr, dürfen wir über diese Freude des Wiedersehens nicht hintansetzen: wir können noch tagelang miteinander schnacken; Sie müssen morgen fort. Lassen wir den Herrn in das Geheimnis unserer Kunst sehen; Leimen und Zetteln kennt er, zeigen wir ihm das übrige vor, die Jungfrauen da sind mir ja wohl behülflich. Ich sehe, an diesem Stuhl ist man beim Aufwinden." Das Geschäft war der jüngeren, zu der sie traten. Die ältere setzte sich wieder an ihren Webstuhl und verfolgte mit stiller, liebevoller Miene ihre lebhafte Arbeit.

Ich betrachtete nun sorgfältig das Aufwinden. Zu diesem Zweck läßt man die Gänge des Zettels nach der Ordnung durch einen großen Kamm laufen, der eben die Breite des Weberbaums hat, auf welchen aufgewunden werden soll; dieser ist mit einem Einschnitt versehen, worin ein rundes Stäbchen liegt, welches durch das Ende des Zettels durchgesteckt und in dem Einschnitt befestigt wird. Ein kleiner Junge oder Mädchen sitzt unter dem Weberstuhle und hält den Strang des Zettels stark an, während die Weberin den Weberbaurn an einem Hebel gewaltsam umdreht und zugleich achtgibt, daß alles in der Ordnung zu liegen komme. Wenn alles aufgewunden ist, so werden durch die Rispe ein runder und zwei flache Stäbe, Schienen, gestoßen, damit sie sich halte, und nun beginnt das Eindrehen.

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Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
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