Kitabı oku: «Heidi kann brauchen, was es gelernt hat», sayfa 2

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»Nein, das andere hat mir nicht mehr Freude gemacht als der alte Herr

Doktor.«

Die beiden Männer mußten ein wenig lachen, und der Herr Doktor sagte, das hätte er nicht gedacht.

Als die Sonne halb hinter die Berge hinabsteigen wollte, stand der Gast auf, um seine Rückreise nach dem Dörfli anzutreten und dort Quartier zu nehmen. Der Großvater packte die Kuchenschachtel, die große Wurst und das Tuch unter seinen Arm, der Herr Doktor nahm das Heidi an die Hand, und so wanderten sie den Berg hinunter bis zur Geißenpeter-Hütte. Hier mußte das Heidi Abschied nehmen. Es sollte drinnen bei der Großmutter warten, bis es wieder abgeholt würde vom Großvater, welcher seinen Gast nach dem Dörfli hinunter geleiten wollte. Als der Herr Doktor dem Heidi die Hand zum Abschied bot, fragte es: »Wollen Sie etwa gern morgen mit den Geißen auf die Weide hinaufgehen?«, denn das war das Schönste, was es kannte.

»Es bleibt dabei, Heidi«, erwiderte er, »wir gehen zusammen.«

Nun gingen die Männer weiter, und das Heidi trat bei der Großmutter ein. Erst schleppte es mit Anstrengung die Kuchenschachtel mit, dann mußte es wieder hinaus, um die Wurst zu holen, denn der Großvater hatte alles vor der Tür niedergelegt. Nachher mußte es erst noch einmal hinaus, das große Tuch zu holen. Es brachte alles so nahe an die Großmutter heran als nur möglich, damit sie recht alles berühren könne und wisse, was es sei. Das Tuch legte es ihr auf die Knie.

»Es ist alles aus Frankfurt, von der Klara und der Großmama«, berichtete es der hocherstaunten Großmutter und der verwunderten Brigitte, der die Überraschung so in die Glieder gefahren war, daß sie unbeweglich zugeschaut hatte, wie das Heidi mit der größten Anstrengung die schweren Gegenstände hereingeschleppt und nun alles vor ihren Augen ausgebreitet hatte.

»Aber gelt, Großmutter, die Kuchen freuen dich furchtbar stark? Sieh nur, wie weich sie sind!« rief das Heidi immer wieder, und die Großmutter bestätigte: »Ja, ja, gewiß, Heidi, was sind das auch für gute Leute!« Dann strich sie wieder mit der Hand über das warme, weiche Tuch und sagte: »Aber das ist etwas Herrliches für den kalten Winter! Das ist etwas so Prächtiges, daß ich nie geglaubt hätte, ich könnte in meinem Leben dazu kommen.«

Das Heidi aber mußte sich sehr verwundern, daß die Großmutter an dem grauen Tuch noch mehr Freude haben konnte als an den Kuchen. Die Brigitte stand immer noch vor der Wurst, die auf dem Tische lag, und schaute sie fast mit Verehrung an. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie eine solche Riesenwurst gesehen, und diese sollte sie nun selbst besitzen und einmal sogar anschneiden; das kam ihr unglaublich vor. Sie schüttelte den Kopf und sagte zaghaft: »Man wird doch noch den Öhi fragen müssen, wie das gemeint sei.«

Aber das Heidi sagte ganz ohne Zweifel:

»Das ist zum Essen gemeint und gar nicht anders.«

Jetzt kam der Peter hereingestolpert: »Der Almöhi kommt hinter mir drein, das Heidi soll…«; er konnte nicht mehr weiter. Seine Blicke waren auf den Tisch gefallen, wo die Wurst lag, und der Anblick hatte ihn so überwältigt, daß er kein Wort mehr fand. Aber das Heidi hatte schon gemerkt, was kommen sollte, und gab schnell der Großmutter die Hand. Der Almöhi ging zwar jetzt nie mehr an der Hütte vorbei, ohne schnell hereinzutreten und die Großmutter zu grüßen, und sie freute sich auch immer, wenn sie seinen Schritt hörte, denn er hatte jedesmal ein ermunterndes Wort für sie; aber heute war es spät geworden für das Heidi, das alle Morgen mit der Sonne draußen war. Der Großvater aber sagte: »Das Kind muß seinen Schlaf haben«, und dabei blieb er. So rief er durch die offene Tür der Großmutter nur eine gute Nacht zu und nahm das heranspringende Heidi bei der Hand, und unter dem flimmernden Sternenhimmel hin wanderten die beiden ihrer friedlichen Hütte zu.

Eine Vergeltung

Am anderen Morgen in der Frühe stieg der Herr Doktor vom Dörfli den Berg hinan in der Gesellschaft des Peter und seiner Geißen. Der freundliche Herr versuchte ein paarmal mit dem Geißbuben ein Gespräch anzuknüpfen, aber es gelang ihm nicht, kaum daß er als Antwort auf einleitende Fragen unbestimmte, einsilbige Worte zu hören bekam. Der Peter ließ sich nicht so leicht in ein Gespräch ein. So wanderte die ganze schweigende Gesellschaft bis hinauf zur Almhütte, wo schon erwartend das Heidi stand mit seinen beiden Geißen, alle drei munter und fröhlich wie der frühe Sonnenschein auf allen Höhen.

»Kommst mit?« fragte der Peter, denn als Frage oder als Aufforderung sprach er jeden Morgen diesen Gedanken aus.

»Freilich, natürlich, wenn der Herr Doktor mitkommt«, gab das Heidi zurück.

Der Peter sah den Herrn ein wenig von der Seite an.

Jetzt trat der Großvater hinzu, das Mittagsbrotsäckchen in der Hand.

Erst grüßte er den Herrn mit aller Ehrerbietung, dann trat er zum

Peter hin und hing ihm das Säckchen um.

Es war schwerer als sonst, denn der Öhi hatte ein schönes Stück von dem rötlichen Fleische hineingelegt. Er hatte gedacht, vielleicht gefalle es dem Herrn droben auf der Weide und er nehme dann gern sein Mittagsmahl gleich dort mit den Kindern ein. Der Peter lächelte fast von einem Ohr bis zum andern, denn er ahnte, daß da drinnen etwas Ungewöhnliches versteckt sei.

Nun wurde die Bergfahrt angetreten. Das Heidi wurde ganz von seinen Geißen umringt, jede wollte zunächst bei ihm sein, und eine schob die andere immer ein wenig seitwärts. So wurde es eine Zeitlang mitten in dem Rudel mit fortgeschoben. Aber jetzt stand es still und sagte ermahnend: »Nun müßt ihr artig vorauslaufen, aber dann nicht immer wiederkommen und mich drängen und stoßen. Ich muß jetzt ein wenig mit dem Herrn Doktor gehen.« Dann klopfte es dem Schneehöppli, das sich immer am nächsten zu ihm hielt, zärtlich auf den Rücken und ermahnte es noch besonders, nun recht folgsam zu sein. Dann arbeitete es sich aus dem Rudel heraus und ging nun neben dem Herrn Doktor her, der es gleich bei der Hand faßte und festhielt. Er mußte jetzt nicht mit Mühe nach einem Gespräch suchen wie vorher, denn das Heidi fing gleich an und hatte ihm so viel zu erzählen von den Geißen und ihren merkwürdigen Einfällen und von den Blumen oben und den Felsen und Vögeln, daß die Zeit unvermerkt dahinging und sie ganz unerwartet oben auf der Weide anlangten. Der Peter hatte im Hinaufgehen öfters seitwärts auf den Herrn Doktor Blicke geworfen, die diesem einen rechten Schrecken hätten beibringen können; er sah sie aber glücklicherweise nicht.

Oben angelangt, führte das Heidi seinen guten Freund gleich auf die schönste Stelle, wohin es immer ging und sich auf den Boden setzte und umherschaute, denn da gefiel es ihm am besten. Es tat, wie es gewohnt war, und der Herr Doktor ließ sich gleich auch neben Heidi auf den sonnigen Weideboden nieder. Ringsum leuchtete der goldene Herbsttag über die Höhen und das weite grüne Tal. Von den unteren Alpen tönten überall die Herdenglocken herauf, so lieblich und wohltuend, als ob sie weit und breit den Frieden einläuteten. Auf dem großen Schneefelde drüben blitzten funkelnd und flimmernd goldene Sonnenstrahlen hin und her, und der graue Falknis hob seine Felsentürme in alter Majestät hoch in den dunkelblauen Himmel hinauf. Der Morgenwind wehte leise und wonnig über die Alp und bewegte nur sachte die letzten blauen Glockenblümchen, die noch übriggeblieben waren von der großen Schar des Sommers und nun noch wohlig ihre Köpfchen im warmen Sonnenscheine wiegten. Obenhin flog der große Raubvogel in weiten Bogen umher, aber er krächzte heute nicht. Mit ausgebreiteten Flügeln schwamm er ruhig durch die Bläue und ließ sich's wohl sein. Das Heidi guckte dahin und dorthin. Die lustig nickenden Blumen, der blaue Himmel, der fröhliche Sonnenschein, der vergnügte Vogel in den Lüften, alles war so schön, so schön! Heidis Augen funkelten vor Wonne. Nun schaute es nach seinem Freunde, ob er auch alles recht sehe, was so schön war. Der Herr Doktor hatte bis jetzt still und gedankenvoll um sich geblickt. Wie er nun den freudeglänzenden Augen des Kindes begegnete, sagte er:

»Ja, Heidi, es könnte schön sein hier, aber was meinst du? Wenn einer ein trauriges Herz hierher brächte, wie müßte er es wohl machen, daß er an all dem Schönen sich freuen könnte?«

»Oh, oh!« rief das Heidi ganz fröhlich aus. »Hier hat man gar nie ein trauriges Herz, nur in Frankfurt.«

Der Herr Doktor lächelte ein wenig, aber das ging schnell vorüber.

Dann sagte er wieder: »Und wenn einer käme und alles Traurige aus

Frankfurt mit hier heraufbrächte, Heidi; weißt du da auch noch etwas,

das ihm helfen könnte?«

»Man muß nur alles dem lieben Gott sagen, wenn man gar nicht mehr weiß, was machen«, sagte das Heidi ganz zuversichtlich.

»Ja, das ist schon ein guter Gedanke, Kind«, bemerkte der Herr Doktor. »Wenn es aber von ihm selbst kommt, was so ganz traurig und elend macht, was kann man da dem lieben Gott sagen?«

Das Heidi mußte nachdenken, was dann zu machen sei; es war aber ganz

zuversichtlich, daß man für alle Traurigkeit eine Hilfe vom lieben

Gott erhalten könne. Es suchte seine Antwort in seinen eigenen

Erlebnissen.

»Dann muß man warten«, sagte es nach einer Weile mit Sicherheit, »und nur immer denken: jetzt weiß der liebe Gott schon etwas Freudiges, das dann nachher aus dem anderen kommt, man muß nur noch ein wenig still sein und nicht fortlaufen. Dann kommt auf einmal alles so, daß man ganz gut sehen kann, der liebe Gott hatte die ganze Zeit nur etwas Gutes im Sinn gehabt; aber weil man das vorher noch nicht so sehen kann, sondern immer nur das furchtbar Traurige, so denkt man, es bleibe dann immer so.«

»Das ist ein schöner Glaube, den mußt du festhalten, Heidi«, sagte der Herr Doktor. Eine Weile schaute er schweigend auf die mächtigen Felsenberge hinüber und in das sonnenleuchtende grüne Tal hinab, dann sagte er wieder:

»Siehst du, Heidi, es könnte einer hier sitzen, der einen großen Schatten auf den Augen hätte, so daß er das Schöne gar nicht aufnehmen könnte, das ihn hier umgibt. Dann möchte doch wohl das Herz traurig werden hier, doppelt traurig, wo es so schön sein könnte. Kannst du das verstehen?«

Jetzt schoß dem Heidi etwas Schmerzliches in sein frohes Herz. Der große Schatten auf den Augen brachte ihm die Großmutter in Erinnerung, die ja nie mehr die helle Sonne und all das Schöne hier oben sehen konnte. Das war ein Leid in Heidis Herzen, das immer neu erwachte, sobald die Sache ihm wieder ins Bewußtsein kam. Es schwieg eine Weile ganz still, denn das Weh hatte es so mitten in die Freude hineingetroffen. Dann sagte es ernsthaft:

»Ja, das kann ich schon verstehen. Aber ich weiß etwas: Dann muß man die Lieder der Großmutter sagen, die machen einem wieder ein wenig helle und manchmal so hell, daß man ganz fröhlich wird. Das hat die Großmutter gesagt.«

»Welche Lieder, Heidi?« fragte der Herr Doktor.

»Ich kann nur das von der Sonne und dem schönen Garten und noch von dem andern langen die Verse, die der Großmutter lieb sind, denn die muß ich immer dreimal lesen«, erwiderte das Heidi.

»So sag mir einmal diese Verse, die möchte ich auch hören«, und der

Herr Doktor setzte sich zurecht, um aufmerksam zuzuhören.

Heidi legte seine Hände ineinander und besann sich noch ein Weilchen:

»Soll ich dort anfangen, wo die Großmutter sagt, daß einem wieder eine

Zuversicht ins Herz kommt?«

Der Herr Doktor nickte bejahend.

Jetzt begann Heidi:

»Ihn, ihn laß tun und walten,

Er ist ein weiser Fürst

Und wird es so gestalten,

Daß du dich wundern wirst,

Wenn er, wie ihm gebühret,

Mit wunderbarem Rat

Das Werk hinausgeführet,

Das dich bekümmert hat.

Er wird zwar eine Weile

Mit seinem Trost verziehn

Und tun an seinem Teile,

Als hätt' in seinem Sinn

Er deiner sich begeben,

Als sollt'st du für und für

In Angst und Nöten schweben,

Als fragt' er nichts nach dir.

Wird's aber sich begeben,

Daß du ihm treu verbleibst,

So wird er dich erheben,

Da du's am mind'sten gläubst.

Er wird dein Herz erlösen

Von der so schweren Last,

Die du zu keinem Bösen

Bisher getragen hast.«

Heidi hielt plötzlich inne, es war nicht sicher, daß der Herr Doktor auch noch zuhöre. Er hatte die Hand über seine Augen gebreitet und saß unbeweglich da. Es dachte, er sei vielleicht ein wenig eingeschlafen; wenn er dann wieder erwachte und noch mehr Verse hören wollte, würde er es schon sagen. Jetzt war alles still. Der Herr Doktor sagte nichts, aber er schlief doch nicht. Er war in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Da stand er als ein kleiner Junge neben dem Sessel seiner lieben Mutter; die hatte ihren Arm um seinen Hals gelegt und sagte ihm das Lied vor, das er eben von Heidi hörte und das er so lange nicht mehr vernommen hatte. Jetzt hörte er die Stimme seiner Mutter wieder und sah ihre guten Augen so liebevoll auf ihm ruhen, und als die Worte des Liedes verklungen waren, hörte er die freundliche Stimme noch andere Worte zu ihm sprechen. Die mußte er gern hören und ihnen weit nachgehen in seinen Gedanken, denn noch lange Zeit saß er so da, das Gesicht in seine Hand gelegt, schweigend und regungslos. Als er sich endlich aufrichtete, sah er, wie das Heidi in Verwunderung nach ihm blickte. Er nahm die Hand des Kindes in die seinige.

»Heidi, dein Lied war schön«, sagte er, und seine Stimme klang froher, als sie bis jetzt geklungen hatte. »Wir wollen wieder hierherkommen, dann sagst du mir's noch einmal.«

Während dieser ganzen Zeit hatte der Peter genug zu tun gehabt, seinem Ärger Luft zu machen. Da war das Heidi seit vielen Tagen nicht mit auf der Weide gewesen, und nun, da es endlich einmal wieder mit war, saß der alte Herr die ganze Zeit neben ihm, und der Peter konnte gar nicht an das Heidi herankommen. Das verdroß ihn sehr stark. Er stellte sich in einiger Entfernung hinter dem ahnungslosen Herrn auf, so daß dieser ihn nicht sehen konnte, und hier machte er erst eine große Faust und schwang sie drohend in der Luft herum, und nach einiger Zeit machte er zwei Fäuste, und je länger das Heidi neben dem Herrn sitzen blieb, je schrecklicher ballte der Peter seine Fäuste und streckte sie immer höher und drohender in die Luft hinauf hinter dem Rücken des Bedrohten.

Unterdessen war die Sonne dahin gekommen, wo sie steht, wenn man zu Mittag essen muß; das kannte der Peter genau. Auf einmal schrie er aus allen Kräften zu den zweien hinüber:

»Man muß essen!«

Heidi stand auf und wollte den Sack herbeiholen, damit der Herr Doktor auf dem Platze, wo er saß, sein Mittagsmahl abhalten könne. Aber er sagte, er habe keinen Hunger, er wünsche nur ein Glas Milch zu trinken, dann wolle er gern noch ein wenig auf der Alp umhergehen und etwas weiter hinaufsteigen. Da fand das Heidi, dann habe es auch keinen Hunger und wolle auch nur Milch trinken, und nachher wolle es den Herrn Doktor hinaufführen zu den großen, moosbedeckten Steinen hoch oben, wo der Distelfink einmal fast hinuntergesprungen wäre und wo alle die würzigen Kräutlein wuchsen. Es lief zum Peter hinüber und erklärte ihm alles und daß er nun erst eine Schale Milch vom Schwänli nehmen müsse für den Herrn Doktor und dann noch eine, die wolle es für sich haben. Der Peter schaute erst eine Weile sehr erstaunt das Heidi an, dann fragte er:

»Wer muß haben, was im Sack ist?«

»Das kannst du haben, aber zuerst mußt du die Milch geben, und hurtig«, war Heidis Antwort.

So rasch hatte der Peter in seinem Leben noch keine Tat vollendet, als er nun diese fertigbrachte, denn er sah immer den Sack vor sich und wußte noch nicht, wie das aussah, was drinnen war und ihm gehörte. Sobald drüben die beiden ruhig ihre Milch tranken, öffnete der Peter den Sack und tat einen Blick hinein. Als er das wundervolle Stück Fleisch gewahr wurde, da schüttelte es den ganzen Peter vor Freude, und er tat noch einen Blick hinein, um sich zu versichern, daß es auch wahr sei. Dann fuhr er mit der Hand in den Sack hinein, um die erwünschte Gabe zum Genuß herauszuholen. Aber auf einmal zog er die Hand wieder zurück, als ob er nicht zugreifen dürfe. Es war dem Peter in den Sinn gekommen, wie er dort hinter dem Herrn gestanden und gegen ihn gefaustet hatte, und nun schenkte ihm derselbe Herr sein ganzes unvergleichliches Mittagsessen. Jetzt reute den Peter seine Tat, denn es war ihm gerade so, wie wenn sie ihn verhinderte, sein schönes Geschenk herauszunehmen und sich daran zu erlaben. Auf einmal sprang er in die Höhe und lief zurück auf die Stelle hin, wo er gestanden hatte. Da streckte er seine beiden Hände ganz flach in die Luft hinauf, zum Zeichen, daß das Fausten nicht mehr gelte, und so blieb er eine gute Weile stehen, bis er das Gefühl hatte, die Sache sei nun wieder ausgeglichen. Dann kam er in großen Sprüngen zu dem Sack zurück, und nun, da das gute Gewissen hergestellt war, konnte er mit vollem Vergnügen in sein ungewöhnlich leckeres Mittagsmahl beißen.

Der Herr Doktor und das Heidi waren lange miteinander herumgewandert und hatten sich sehr gut unterhalten. Jetzt aber fand der Herr, es sei Zeit für ihn zurückzukehren, und meinte, das Kind wolle nun auch gern noch ein wenig bei seinen Geißen bleiben. Aber das kam dem Heidi nicht in den Sinn, denn dann mußte ja der Herr Doktor mutterseelenallein die ganze Alp hinuntergehen. Bis zur Hütte vom Großvater wollte es ihn durchaus begleiten und auch noch ein Stück darüber hinaus. Es ging immer Hand in Hand mit seinem guten Freunde und hatte auf dem ganzen Wege ihm noch genug zu erzählen und ihm alle Stellen zu zeigen, wo die Geißen am liebsten weideten und wo es im Sommer am meisten von den glänzenden gelben Weideröschen und vom roten Tausendgüldenkraut und noch anderen Blumen gebe. Die wußte es nun alle zu benennen, denn der Großvater hatte ihm den Sommer durch alle ihre Namen beigebracht, so, wie er sie kannte. Aber zuletzt sagte der Herr Doktor, nun müsse es zurückkehren. Sie nahmen Abschied, und der Herr ging den Berg hinunter, doch kehrte er sich von Zeit zu Zeit noch einmal um. Dann sah er, wie das Heidi immer noch auf derselben Stelle stand und ihm nachschaute und mit der Hand ihm nachwinkte. So hatte sein eigenes, liebes Töchterchen getan, wenn er von Hause fortging.

Es war ein klarer, sonniger Herbstmonat. Jeden Morgen kam der Herr Doktor zur Alp herauf, und dann ging es gleich weiter auf eine schöne Wanderung. öfters zog er mit dem Almöhi aus, hoch in die Felsenberge hinauf, wo die alten Wettertannen herunternickten und der große Vogel in der Nähe hausen mußte, denn da schwirrte er manchmal sausend und krächzend ganz nahe an den Köpfen der beiden Männer vorbei. Der Herr Doktor hatte ein großes Wohlgefallen an der Unterhaltung seines Begleiters, und er mußte sich immer mehr verwundern, wie gut der Öhi alle Kräutlein ringsherum auf seiner Alp kannte und wußte, wozu sie gut waren, und wieviel kostbare und gute Dinge er da droben überall herauszufinden wußte; so in den harzigen Tannen und in den dunklen Fichtenbäumen mit den duftenden Nadeln, in dem gekräuselten Moos, das zwischen den alten Baumwurzeln emporsproß, und in all den feinen Pflänzchen und unscheinbaren Blümchen, die noch ganz hoch oben dem kräftigen Alpenboden entsprangen.

Ebenso genau kannte der Alte auch das Wesen und Treiben aller Tiere da oben, der großen und der kleinen, und er wußte dem Herrn Doktor ganz lustige Dinge von der Lebensweise dieser Bewohner der Felsenlöcher, der Erdhöhlen und auch der hohen Tannenwipfel zu erzählen.

Dem Herrn Doktor verging die Zeit auf diesen Wanderungen, er wußte gar nicht, wie, und oftmals, wenn er am Abend dem Öhi herzlich die Hand zum Abschiede schüttelte, mußte er von neuem sagen: »Guter Freund, von Ihnen gehe ich nie fort, ohne wieder etwas gelernt zu haben.«

An vielen Tagen aber, und gewöhnlich an den allerschönsten, wünschte der Herr Doktor mit dem Heidi auszuziehen. Dann saßen die beiden öfter miteinander auf dem schönen Vorsprunge der Alp, wo sie am ersten Tage gesessen hatten, und das Heidi mußte wieder seine Liederverse sagen und dem Herrn Doktor erzählen, was es nur wußte. Dann saß der Peter öfter hinter ihnen an seinem Platze, aber er war jetzt ganz zahm und faustete nie mehr.

So ging der schöne Septembermonat zu Ende. Da kam der Herr Doktor eines Morgens und sah nicht so fröhlich aus, wie er sonst immer ausgesehen hatte. Er sagte, es sei sein letzter Tag, er müsse nach Frankfurt zurückkehren; das mache ihm große Mühe, denn er habe die Alp so liebgewonnen, als wäre sie seine Heimat. Dem Almöhi tat die Nachricht sehr leid, denn auch er hatte sich überaus gern mit dem Herrn Doktor unterhalten, und das Heidi hatte sich so daran gewöhnt, alle Tage seinen liebevollen Freund zu sehen, daß es gar nicht begreifen konnte, wie das nun mit einem Male ein Ende nehmen sollte. Es schaute fragend und ganz verwundert zu ihm auf. Aber es war wirklich so. Der Herr Doktor nahm Abschied vom Großvater und fragte dann, ob das Heidi ihn noch ein wenig begleiten werde. Es ging an seiner Hand den Berg hinunter, aber es konnte immer noch nicht recht fassen, daß er ganz fortgehe.

Nach einer Welle stand der Herr Doktor still und sagte, nun sei das Heidi weit genug gekommen, es müsse zurückkehren. Er fuhr ein paarmal zärtlich mit seiner Hand über das krause Haar des Kindes hin und sagte: »Nun muß ich fort, Heidi! Wenn ich dich nur mit mir nach Frankfurt nehmen und bei mir behalten könnte!«

Dem Heidi stand auf einmal ganz Frankfurt vor den Augen, die vielen, vielen Häuser und steinernen Straßen und auch Fräulein Rottenmeier und die Tinette, und es antwortete ein wenig zaghaft: »Ich wollte doch lieber, daß Sie wieder zu uns kämen.«

»Nun ja, so wird's besser sein. So leb wohl, Heidi«, sagte freundlich der Herr Doktor und hielt ihm die Hand hin. Das Kind legte die seinige hinein und schaute zu dem Scheidenden auf. Die guten Augen, die zu ihm niederblickten, füllten sich mit Wasser. Jetzt wandte sich der Herr Doktor rasch und eilte den Berg hinunter.

Das Heidi blieb stehen und rührte sich nicht. Die liebevollen Augen und das Wasser, das es darinnen gesehen hatte, arbeiteten stark in seinem Herzen. Auf einmal brach es in ein lautes Weinen aus, und mit aller Macht stürzte es dem Forteilenden nach und rief, von Schluchzen unterbrochen, aus allen Kräften:

»Herr Doktor! Herr Doktor!«

Er kehrte um und stand still.

Jetzt hatte ihn das Kind erreicht. Die Tränen strömten ihm die Wangen herunter, während es herausschluchzte:

»Ich will gewiß auf der Stelle mit nach Frankfurt kommen und will bei

Ihnen bleiben, so lang Sie wollen, ich muß es nur noch geschwind dem

Großvater sagen.«

Der Herr Doktor streichelte beruhigend das erregte Kind.

»Nein, mein liebes Heidi«, sagte er mit dem freundlichsten Tone, »nicht jetzt auf der Stelle; du mußt noch unter den Tannen bleiben, du könntest mir wieder krank werden. Aber komm, ich will dich etwas fragen: Wenn ich einmal krank und allein bin, willst du dann zu mir kommen und bei mir bleiben? Kann ich denken, daß sich dann noch jemand um mich kümmern und mich liebhaben will?«

»Ja, ja, dann will ich sicher kommen, noch am gleichen Tag, und Sie sind mir auch fast so lieb wie der Großvater«, versicherte das Heidi noch unter fortwährendem Schluchzen.

Jetzt drückte ihm der Herr Doktor noch einmal die Hand, dann setzte er rasch seinen Weg fort. Das Heidi aber blieb auf derselben Stelle stehen und winkte fort und fort mit seiner Hand, solange es nur noch ein Pünktchen von dem forteilenden Herrn entdecken konnte. Als dieser zum letztenmal sich umwandte und nach dem winkenden Heidi und der sonnigen Alp zurückschaute, sagte er leise vor sich hin: »Dort oben ist's gut sein, da können Leib und Seele gesunden, und man wird wieder seines Lebens froh.«

Der Winter im Dörfli

Um die Almhütte lag der Schnee so hoch, daß es anzusehen war, als ständen die Fenster auf dem flachen Boden, denn weiter unten war von der ganzen Hütte gar nichts zu sehen, auch die Haustür war völlig verschwunden. Wäre der Almöhi noch oben gewesen, so hätte er dasselbe tun müssen, was der Peter täglich ausführen mußte, weil es gewöhnlich über Nacht wieder geschneit hatte. Jeden Morgen mußte dieser jetzt aus dem Fenster der Stube hinausspringen, und war es nicht sehr kalt, so daß über Nacht alles zusammengefroren war, so versank er dann so tief in dem weichen Schnee, daß er mit Händen und Füßen und mit dem Kopf auf alle Seiten stoßen und werfen und ausschlagen mußte, bis er sich wieder herausgearbeitet hatte. Dann bot ihm die Mutter den großen Besen aus dem Fenster, und mit diesem stieß und scharrte der Peter nun den Schnee vor sich weg, bis er zur Tür kam. Dort hatte er dann eine große Arbeit, denn da mußte aller Schnee abgegraben werden, sonst fiel entweder, wenn er noch weich war und die Tür aufging, die ganze große Masse in die Küche hinein, oder er fror zu, und nun war man ganz vermauert drinnen, denn durch diesen Eisfelsen konnte man nicht dringen, und durch das kleine Fenster konnte nur der Peter hinausschlüpfen. Für diesen brachte dann die Zeit des Gefrierens viele Bequemlichkeiten mit sich. Wenn er ins Dörfli hinunter mußte, öffnete er nur das Fenster, kroch durch und kam draußen zu ebener Erde auf dem festen Schneefelde an. Dann schob ihm die Mutter den kleinen Schlitten durch das Fenster nach, und der Peter hatte sich nur daraufzusetzen und abzufahren, wie und wo er wollte, er kam jedenfalls hinunter, denn die ganze Alm um und um war dann nur ein großer, ununterbrochener Schlittweg.

Der Öhi war nicht auf der Alm den Winter; er hatte Wort gehalten. Sobald der erste Schnee gefallen war, hatte er Hütte und Stall abgeschlossen und war mit dem Heidi und den Geißen nach dem Dörfli hinuntergezogen. Dort stand in der Nähe der Kirche und des Pfarrhauses ein weitläufiges Gemäuer, das war in alter Zeit ein großes Herrenhaus gewesen, was man noch an vielen Stellen sehen konnte, obschon jetzt das Gebäude überall ganz oder halb zerfallen war. Da hatte einmal ein tapferer Kriegsmann gewohnt; der war in spanische Dienste gegangen und hatte da viele tapfere Taten verrichtet und viele Reichtümer erbeutet. Dann war er heimgekommen nach dem Dörfli und hatte aus seiner Beute ein prächtiges Haus errichtet; darinnen wollte er nun wohnen. Aber es ging gar nicht lange, so konnte er es in dem stillen Dörfli nicht mehr aushalten vor Langweile, denn er hatte zu lange draußen in der lärmvollen Welt gelebt. Er zog wieder hinaus und kam gar niemals mehr zurück. Als man nach vielen, vielen Jahren sicher wußte, daß er tot war, übernahm ein ferner Verwandter unten im Tal das Haus, aber es war schon am Verfallen, und der neue Besitzer wollte es nicht mehr aufbauen. So zogen arme Leute in das Haus, die wenig dafür bezahlen mußten, und wenn ein Stück abfiel von dem Gebäude, so ließ man es liegen. Seit jener Zeit waren nun wieder viele Jahre darübergegangen. Schon als der Öhi mit seinem jungen Buben Tobias hergekommen war, hatte er das verfallene Haus bezogen und darin gelebt. Seither hatte es meistens leer gestanden, denn wer nicht verstand, vorweg dem Verfalle ein wenig zu begegnen und die Löcher und Lücken, wo sie entstanden, gleich irgendwie zu stopfen und zu flicken, der konnte da nicht bleiben. Der Winter droben im Dörfli war lang und kalt. Dann blies und wehte es von allen Seiten durch die Räume, daß die Lichter auslöschten und die armen Leute vom Frost geschüttelt wurden. Aber der Öhi wußte sich zu helfen. Gleich nachdem er zu dem Entschluß gekommen war, den Winter im Dörfli zuzubringen, hatte er das alte Haus wieder übernommen und war den Herbst durch öfter heruntergekommen, um darin alles so herzurichten, wie es ihm gefiel. Um die Mitte des Oktobermonats war er dann mit dem Heidi heruntergezogen.

Kam man von hinten an das Haus heran, so trat man gleich in einen offenen Raum ein, da war auf einer Seite die ganze Wand und auf der anderen die halbe eingefallen. Über dieser war noch ein Bogenfenster zu sehen, aber das Glas war längst weg daraus, und dicker Efeu rankte sich darum und hoch hinauf bis zur Decke, die noch zur Hälfte fest war. Die war schön gewölbt, und man konnte gut sehen, das war die Kapelle gewesen. Ohne Tür kam man weiter in eine große Halle hinein, da waren hier und da noch schöne Steinplatten auf dem Boden, und zwischendurch wuchs das Gras dicht empor. Da waren die Mauern auch alle halb weg und große Stücke der Decke dazu, und hätten da nicht ein paar dicke Säulen noch ein festes Stück der Decke getragen, so hätte man denken müssen, diese könne jeden Augenblick auf die Köpfe derer niederfallen, die darunter standen. Hier hatte der Öhi einen Bretterverschlag ringsum gemacht und den Boden dick mit Streu belegt, denn hier in der alten Halle sollten die Geißen logieren. Dann ging es durch allerlei Gänge, immer halb offen, daß einmal der Himmel hereinguckte und einmal wieder die Wiese und der Weg draußen. Aber zuvörderst, wo die schwere, eichene Tür noch fest in den Angeln hing, kam man in eine große, weite Stube hinein, die war noch gut. Da waren noch die vier festen Wände mit dem dunkeln Holzgetäfel ohne Lücken, und in der einen Ecke stand ein ungeheurer Ofen, der ging fast bis an die Decke hinauf, und auf die weißen Kacheln waren große, blaue Bilder hingemalt. Da waren alte Türme darauf, mit hohen Bäumen ringsum, und unter den Bäumen ging ein Jäger dahin mit seinen Hunden. Dann war wieder ein stiller See unter weitschattigen Eichen, und ein Fischer stand daran und hielt seine Rute weit in das Wasser hinaus. Um den ganzen Ofen herum ging eine Bank, so daß man da gleich hinsetzen und die Bilder studieren konnte. Hier gefiel es dem Heidi sogleich. Sowie es mit dem Großvater in die Stube eingetreten war, lief es auf den Ofen zu, setzte sich auf die Bank und fing an die Bilder zu betrachten. Aber wie es, auf der Bank weiter gleitend, bis hinter den Ofen gelangte, nahm eine neue Erscheinung seine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag: In dem ziemlich großen Raume zwischen dem Ofen und der Wand waren vier Bretter aufgestellt, so wie zu einem Apfelbehälter. Darinnen lagen aber nicht Äpfel, da lag unverkennbar Heidis Bett, ganz so, wie es oben auf der Alm gewesen war: ein hohes Heulager mit dem Leintuch und dem Sack als Decke darauf. Das Heidi jauchzte auf:

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