Kitabı oku: «Lebe. Deinen. Traum.»
Johannes Grassl
Lebe.Deinen.Traum.
Ausstieg aus dem Hamsterrad
Mit einem Vorwort
von Walter Kohl
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86506-709-8
© 2014 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers
Titelfoto: Keko64, fotolia
Satz: Brendow Web & Print, Moers
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Friedhöfe sind die reichsten Plätze unseres Landes!
Jede Menge unerfüllter Träume,
Sehnsüchte und Lebenspläne liegen dort begraben.
Zu viele Menschen, die gelebt wurden, statt selbst zu leben.
Erfülltes Leben aber beginnt mit unseren Träumen.
Wir brauchen eine neue Idee, wofür wir leben wollen!
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Motto
Vorwort von Walter Kohl
I. AUFBRUCH IN DIE FREIE WILDBAHN
I have a dream
Die Sehnsucht nach mehr
Mein Traum – was ist gemeint?
Träumen wie ein Kind
Worauf´s ankommt: Stärke, Vorlieben und Mehrwert zusammenbringen
II. EIN BILD DER ZUKUNFT MALEN
Vom Ende her denken
Das Beispiel Eugene O´Kelly
Aus dem Leben gegriffen I: „Wenn ich noch einmal anfangen könnte …“ - Interview mit Mattias Schipper
Das innere Hamsterrad – warum viele Menschen innerlich leer bleiben
Ein sicheres Fundament für unser Leben: Identität, Selbstwert und Sicherheit erlangen
Im Spannungsfeld Potenzial-Position
III. HAMSTERRAD ADE
Aktivitäten–TÜV: Alles auf den Prüfstand
Freiräume schaffen
Arbeit und Leben – die richtigen Prioritäten setzen
Aus dem Leben gegriffen II: I want my life back. Von Christoph Senn
Schritt für Schritt – unser Aufbruch in ein neues Leben
Veränderung gestalten
Aus dem Leben gegriffen III: Gib nicht auf! Von Armin Ruser
Glück kann man nicht kaufen – vom der Wert von Beziehungen
Worauf es ankommt, wenn man seine Träume leben will – meine persönliche Geschichte
Aus dem Leben gegriffen IV: Leidenschaftlich leben! Von Gaby Wentland
Los!
IV. MARATHON STATT ZWISCHENSPRINT
Hat sich was verändert?
Navigationshilfen zum Ziel
Aus dem Leben gegriffen V: Mein Leben – meine Ziele. Von Siegfried Buchholz
Zum Abschluss: Die beste Zeit ist heute!
Anmerkungen
Weitere Bücher
Vorwort
„Wenn ich noch einmal anfangen könnte … …“ So beginnt ein Kapitel in diesem Buch und zeigt zugleich das zentrale Anliegen von Johannes Grassl auf: Lebe das Leben, das zu dir passt, sei du selbst – kurz „Lebe deinen Traum.“ In diesem Kapitel beschreibt ein beruflich erfolgreicher Mann, wie er viel zu oft in seinem Leben die falschen Kompromisse gemacht hat, wie er sich von übertriebenem Sicherheitsdenken, von der Last gefühlter Verantwortung hat leiten lassen, statt seine eigenen Interessen und Bedürfnisse die Führung seines Lebens übernehmen zu lassen.
Das klingt bekannt, oder? Kennen Sie dieses Gefühl auch? Ich kenne es (leider) nur zu gut. Und dann leuchtet dieser Gedanke in uns auf: Leben wir nicht manchmal zu wenig und werden allzu sehr von den Umständen, den Erwartungen anderer Menschen gelebt? Haben wir den Mut, unser Glück und unsere Lebensfreude in Freiheit und Verantwortung zu gestalten?
In seinem Buch hält uns Johannes Grassl einen Spiegel vor. Er will nicht belehren oder es besser wissen. Nein, er will uns helfen, aus dem Hamsterrad unseres Alltags einmal auszusteigen und wirklich vom Ziel, von unseren Träumen und Sehnsüchten her zu denken, zu fühlen und – ja – zu handeln.
Dabei provoziert Grassl ganz bewusst, aber stets wohl dosiert. „Die Friedhöfe sind die reichsten Plätze unseres Landes! Jede Menge unerfüllter Träume, Sehnsüchte und Lebenspläne liegen dort begraben.“ Ein Zitat, an dem man erst einmal kauen muss. Aber es zeigt uns eines auf: Unsere Endlichkeit und somit unser Auftrag zum Handeln, zum Gestalten. Sind wir die Lenker oder nur die Beifahrer unseres Lebens? Und was ist es genau, das unserem Sinn, unserer Berufung und somit unseren Träumen entspricht?
Von Karl-Heinz Böhm stammt der schöne Satz: „Das Glück ist ein Maßanzug.“ Ich finde diesen Gedanken sehr inspirierend, denn er ist für mich Appell und Mahnung zugleich. Die Schnittmuster anderer Menschen taugen zumeist wenig für unseren eigenen Maßanzug, unser eigenes Glück.
Jeder Weg beginnt mit den ersten Schritten. Durch seine praktischen und anschaulichen Beispiele macht es uns Grassl leicht, seine Impulse in unseren Alltag zu übertragen. Wie gehe ich mit meiner Zeit um? Was heißt Erfolg für mich – und, ganz wichtig, was nicht? Meine innere Stimme: ein Kompass oder ein Ärgernis?
Für mich war die Lektüre dieses Buches ein großer Gewinn, eine Anreicherung mit Gedanken und Impulsen, die im hektischen Getriebe des Alltages nur zu gerne verlorengehen. Ich empfand dieses Buch als eine kleine Reise zu mir selbst, eine Chance zum Innehalten und zur Selbstreflexion.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, ein wenig Nachdenklichkeit und ein „gesundes Stolpern“ über so manche Wahrheiten und alteingefahrenen Gedankenmuster.
In diesem Sinne
Ihr Walter Kohl
I. AUFBRUCH IN DIE FREIE WILDBAHN
I have a dream
Denken Sie einmal daran zurück, als Sie das letzte Mal im Zoo waren und vor dem Löwengehege standen. Erinnern Sie sich an dieses prächtige Tier, seine Ausstrahlung, seine Augen? Früher einmal war er wild und unbezwingbar, heute wirkt er irgendwie zahm und angepasst. Die ursprüngliche Bestimmung dieses Löwen war es nicht, in diesem Käfig im Zoo zu sitzen, sondern in Freiheit zu leben als König der Tiere! Irgendwann aber wurde er herausgenommen aus seinem originalen Zustand und in diesen Käfig gesteckt. Dort fristet er nun sein Dasein, Tag für Tag, Woche für Woche, gefangen im Korsett der immer gleichen Umstände und Abläufe. Der größte Teil seiner früheren Dynamik und Abenteuerlust scheint ihm verloren gegangen zu sein. Äußerlich immer noch ein Löwe, ist tief in ihm drin längst etwas gestorben. Heute ist er – wenn man genau hinsieht – frustriert, einsam und: gelangweilt!
Immer abends, wenn der Zoo geschlossen hat, der Trubel des Tagesgeschäftes sich legt und es ruhig wird um das Gehege, ist in seinem Brüllen seine Sehnsucht nach der Savanne zu hören. Irgendwo in ihm steckt noch das Gen der Freiheit, der Traum vom Abenteuer, die Erinnerung an längst vergangene Zeiten! Er spürt, dass er an einen anderen Ort gehört. Regelmäßig kommt der Wärter, schiebt dem Löwen ein Stück Fleisch durch die Gitterstäbe, und das macht ihn für kurze Zeit ruhig. Die Sehnsucht seines Herzens aber bleibt ungestillt und wartet darauf, erfüllt zu werden.
Vielen von uns ergeht es wie diesem Löwen im Zoo. Im Hamsterrad unserer Umstände, Sachzwänge, privaten wie beruflichen Herausforderungen und aller möglichen Erwartungshaltungen anderer drehen wir täglich unsere Runden. Wir sind getrieben und werden gelebt, anstatt selbst zu leben. Nur wenn es ruhig wird um uns, beginnen wir, auf unser Herz zu hören. Eine innere Stimme meldet sich und fragt: Ist das alles? Ein dumpfes Gefühl von Unzufriedenheit und mangelnder Erfüllung lässt sich nicht verleugnen. Eine Sehnsucht nach „mehr vom Leben“ wird laut in uns. Diese Sehnsucht versuchen wir durch alle möglichen Reize und Ersatzbefriedigungen zu stillen. Mit allenfalls zeitlich begrenztem Erfolg. Die nächste Urlaubsreise, das größere Auto oder ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter können nicht geben, wonach wir wirklich suchen. Wir brauchen eine neue Idee, wofür wir leben wollen.
Wie der Löwe sind auch wir nicht für den Käfig, sondern für die freie Wildbahn gemacht. Wie wäre es, auszubrechen und den Wind der Freiheit wieder zu genießen? Das Leben noch einmal zu beginnen und unserem Herzen eine zweite Chance zu geben? Zurückzuerobern, was uns im Laufe der Jahre verloren gegangen ist?
Klingt das zu verrückt? In diesem Buch lade ich Sie ein auf eine Reise. Eine Reise, die mit Ihren Träumen und Ihrer Bestimmung zu tun hat. Eine Reise, die Sie vielleicht schon immer einmal unternehmen wollten, bei der Sie es bisher aber nicht wagten, die ersten Schritte zu gehen. Eine Reise, die uns in neues Land, eine neue Dimension von Leben führen soll. Wie jede Reise besteht auch dieser Weg aus einzelnen Schritten, die Stück für Stück Veränderung bringen. Lassen Sie uns einfach mal beginnen …
Die Sehnsucht nach mehr
Es war Freitagnachmittag, und ich war unterwegs zu einem Vortrag irgendwo in Deutschland. Wie so oft würde ich das Wochenende damit verbringen, zu ganz unterschiedlichen Menschen zu sprechen. Ein Netzwerk von Führungskräften hatte mich eingeladen, einen Vortrag zum Thema „Lebe Deinen Traum“ zu halten. Ein Thema, über das ich gerne und oft spreche, weil es mich seit vielen Jahren begleitet und mein eigenes Leben prägt. Ein Thema, das bei vielen Menschen eine Herzens-Sehnsucht anspricht. So war es auch diesmal. Der Veranstaltungsort war gefüllt mit Menschen aller Altersgruppen aus den verschiedensten beruflichen Bereichen. Dynamische Anzugträger mittleren Alters, junge Erwachsene am Anfang ihres (Berufs-)Lebens, gereifte Persönlichkeiten mit viel Lebenserfahrung, kurz: Männer und Frauen „quer durch den Kuchen“. Diese Leute kamen nicht meinetwegen. Keine der Personen hatte ich je zuvor gesehen, und ich vermute, niemand hatte vorher von mir gehört. All diese Menschen kamen, weil sie angezogen wurden von den drei Worten in der Überschrift der Einladung: Lebe Deinen Traum!
Beim Vortrag schien es mir, als würde mir aus den Augen der Zuhörer die Sehnsucht nach Leben, Traum und Abenteuer förmlich entgegenspringen. Es war, als würden meine Worte durch den Kopf direkt in das Herz dieser Menschen fallen. Wie eine Saat auf vorbereiteten Boden, wie ein Tropfen Wasser auf den trockenen Schwamm. So ergeht es mir praktisch jedes Mal, wenn ich über dieses Thema spreche. Diese drei Worte üben eine besondere Faszination auf die Menschen aus. Ganz unabhängig von äußeren Umständen wie beruflichem Erfolg, gesellschaftlichem Status oder dem Stand des Bankkontos. Sie setzen unsere Fantasie in Gang, sie berühren Saiten in unserer Persönlichkeit, die nur darauf warten, bespielt zu werden, und vielleicht schon lange nicht mehr zum Klingen gebracht wurden.
Diese Sehnsucht der Menschen nach Leben bewegt mich. Sie bewegt mich deshalb so sehr, weil sie auf etwas bis dato Unerfülltes hinweist. Eine Dimension von Leben, nach der wir uns sehnen, die wir aber noch nicht ergriffen haben. Wir stehen vor diesem Thema und schauen es fasziniert, verwundert und zugleich irritiert an. Wie etwas Fremdes, von dem wir aber spüren, dass es eigentlich Teil unseres Lebens sein sollte.
Im Folgenden werde ich versuchen, dieser Sehnsucht in uns nachzuspüren und ihr den notwendigen Raum zu verschaffen, damit sie sich bemerkbar machen kann. Sie kann uns den Weg zeigen zu bisher unberührtem Terrain, zu mehr Erfüllung und Wirksamkeit, zu dem Leben, für das wir eigentlich geboren wurden. Alle folgenden Gedanken, Impulse und Fragen sollen dazu dienen, ihr Gehör zu verschaffen.
Jede Persönlichkeit ist einzigartig und jede Lebenssituation individuell. Deshalb gibt es nur wenige fertige Antworten, aber viele gute Fragen. Ich hoffe, dass dieses Buch einige davon aufwirft und wir den Mut haben, uns ihnen zu stellen. Dann wird jeder einzigartige Antworten finden.
Mein Traum – was ist gemeint?
Bild der Zukunft
Was bedeutet es, einen Traum zu leben? Ist das nicht viel zu unkonkret? „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, lautet das Zitat eines ehemaligen Bundeskanzlers.
Deshalb brauchen wir zunächst ein klares Verständnis, worum es geht. Nähern wir uns also dem Begriff. Traum in dem Sinne, wie ich ihn im Folgenden verwenden möchte, könnte man auch mit Vision beschreiben. Das Wort Vision kommt vom lateinischen visio und bedeutet Anblick, Erscheinung. Es geht darum, mit dem inneren Auge etwas zu sehen, das momentan noch nicht realisiert ist. Mit anderen Worten: Ein Traum ist ein Bild von der Zukunft. Und zwar eines, das begeistert!
Genau darum geht es: Ich möchte, dass wir im Folgenden ein begeisterndes Bild von unserer Zukunft entwerfen. Eine Skizze, wie unser Leben zukünftig aussehen soll, die wir dann, während wir auf dem Weg der Realisierung unterwegs sind, Schritt für Schritt in bunten Farben ausmalen.
Aufbruch aus dem Status quo
Ein Traum im hier verstandenen Sinn liegt immer außerhalb unserer momentanen Lebenswirklichkeit. Das heißt, es geht um einen Aufbruch aus dem Status quo hinein in etwas Neues. Deshalb bringt ein Traum immer Veränderung mit sich, gehört es zu seinem Charakter, uns herauszufordern. Das macht ihn so spannend, unwägbar – und hindert zugleich viele daran, sich auf Träume einzulassen.
Dabei geht es zunächst noch nicht um eine Veränderung unserer äußeren Umstände, sondern um eine Veränderung, die in unserem Inneren beginnt. Sie müssen weder morgen Ihren Job kündigen noch ihr Umfeld hinter sich lassen. Zunächst steht eine Neuausrichtung unserer bisherigen Denkmuster an. Träume sind innovativ und besitzen schöpferische Kraft, sie bringen neues Leben hervor.
Von innen nach außen
Wir dürfen an dieser Stelle ermutigt sein: Einen Traum zu leben ist machbarer, als es zunächst scheint! Vor der Veränderung äußerer Umstände kommt die Berücksichtigung unserer inneren Wünsche und Vorstellungen. Die Umgestaltung des großen Ganzen beginnt mit kleinen Schritten und ist innerhalb unserer momentanen Lebenssituation und des beruflichen Kontextes möglich. Einen Traum zu leben beginnt damit, an genau der Stelle, an der ich heute bin, meine Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte ernst zu nehmen und sie schrittweise, im Rahmen dessen, was möglich ist, umzusetzen. Damit wird mein Traum, das große Bild der Zukunft, heruntergebrochen auf gangbare Schritte, die eine sukzessive positive Veränderung des eigenen Lebens darstellen. Der Weg zum Traum ist ein Prozess, ein Prozess, der in uns beginnt und von innen nach außen verläuft.
Träumen wie ein Kind
Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang!
Konrad Adenauer
Jeder Mensch wird mit Träumen geboren. Ihre Hochkonjunktur haben diese in der Zeit unserer Kindheit. Als Kinder gehen wir in unseren Träumen geradezu auf – bis diese uns dann Stück für Stück aberzogen und abgewöhnt werden, bis wir sie aufgrund äußerer Umstände, Erwartungshaltungen anderer Menschen oder Sachzwängen aufgeben und vergessen. Nach einigen Jahren unseres Lebens, spätestens mit Mitte 20, sind wir endlich so weit auf Linie gebracht, unserem Leben eine „vernünftige“, das heißt möglichst berechenbare Richtung zu geben.
Dabei sind unsere Träume wertvoll. Sie wohnen noch immer in jedem von uns, und wir sollten sie entdecken und leben. Wie wäre es, neu zu träumen und unserem Herzen eine zweite Chance zu geben? Die Büchse der Kindheit nochmals zu öffnen und wieder einzutauchen in diese Zeit des unbeschwerten und hoffnungsvollen Lebens?
Es ist gar nicht so schwer. Schauen wir doch mal den Jungen im Bild genauer an. Zunächst lebt dieser in seinem Inneren etwas, das äußerlich noch nicht realisiert ist. Er trägt ein Bild der Zukunft seines Lebens mit sich. In diesem Fall das Bild, als Pilot über den Wolken zu fliegen. In seiner Vorstellung stecken Freiheit, Freude und Abenteuer – und kaum Rationalität. Seine Begeisterung für das, was er gerne tun möchte, stellt die logischen Denkmuster und das Abwägen menschlicher Möglichkeiten zur Realisierung dieses Traumes völlig in den Hintergrund. Das ist das Faszinierende an Träumen: Sie öffnen eine Dimension von Leben, die wir aus rationalen Erwägungen heraus kaum ergreifen würden. Träume sind revolutionär. Sie stellen den Status quo infrage, öffnen die Box unserer momentanen Lebenssituation und wagen es, uns in unserem bisherigen Leben herauszufordern.
Interessant ist, dass der Junge bereits ausgerüstet ist: Fliegerkappe, Brille, Schal und Pilotenjacke sitzen wie angegossen. Das hat etwas mit unseren Fähigkeiten und Begabungen zu tun. Jeder Mensch ist mit einzigartigen Stärken und Vorlieben ausgestattet. Stärken sind Dinge, die wir gut machen. Vorlieben sind Dinge, die wir gerne machen. In der Regel passen die in uns wohnenden Träume mit unserer „Ausrüstung“ zusammen. Wenn wir uns im Rahmen unserer Stärken und Vorlieben bewegen, fallen uns Dinge leichter. Wir bewegen uns in dem, was wir gut und gerne tun – das motiviert und verschafft eine gewisse Souveränität.
Und noch etwas steckt in diesem Bild vom jugendlichen Piloten: Obwohl nicht sichtbar, scheint es mir, als ob dieser Junge in wohlwollenden und liebevollen Beziehungen lebt, die ihm Geborgenheit und das feste Vertrauen geben, die Träume seines Lebens realisieren zu können. Er strahlt ein Grundvertrauen aus, das ihm Sicherheit gibt.
Dieses Bild beinhaltet viele Parallelen zu uns im Hier und Heute. In jedem von uns wartet ein kleiner Junge, ein kleines Mädchen darauf, in die Freiheit entlassen zu werden. Der Aufbruch in die freie Wildbahn – er beginnt in uns.
Dazu eine Geschichte: Ein Bauer fand eines Tages ein Adlerei und brachte dieses in den Hühnerstall. Sogleich erbarmte sich ein Huhn und nahm sich voll mütterlicher Fürsorge des neu entdeckten Schatzes an. Nach einiger Zeit des Brütens und Bemutterns war es dann so weit: Das junge Adlerküken schlüpfte und erblickte zum ersten Mal das Licht der großen weiten Welt. Von großen und kleinen Hühnern umgeben, lag die Annahme nahe, selbst ein Huhn zu sein. So lebte der kleine Adler mitten unter den Hühnern, benahm sich wie ein Huhn, fraß wie ein Huhn und hatte seine eigentliche Identität nie kennengelernt. Eines schönen Hühner-Tages aber, während er gerade damit beschäftigt war, auf dem Hof Krümel zu picken, hörte er hoch am Himmel den Schrei eines Adlers, der dort seine Kreise zog. Dieser Schrei löste etwas in seinem Inneren aus. Eine tief verborgene Identität wurde berührt und zu neuem Leben erweckt. Der kleine Adler spürte, dass er zu mehr geboren war, als unter den Hühnern ein armseliges Dasein zu fristen, ab und zu ein Ei zu legen und früher oder später im Suppentopf zu landen. In ihm stand etwas auf, das ihn dazu brachte, seine wahre Bestimmung zu entdecken. Er begann, seine Flügel zu trainieren, erst unbeholfen, mit der Zeit aber immer sicherer und souveräner. Eines Tages schließlich war es so weit: Aus dem verkappten Huhn war wieder der Adler geworden, der sich aufschwang in die Lüfte, um endlich das Leben zu leben, für das er geboren wurde.
Diese Geschichte hat viel mit unserem Leben zu tun. Wenn es um unsere Träume geht, dann muss der Zweikampf zwischen Kopf und Herz von Letzterem gewonnen werden. In diesem Sinn sollten die Träume und Wünsche der Kindheit nie nur Vergangenheit sein, sondern immer auch Teil unserer Zukunft. So wie die Kindheit mehr herz- als kopforientiert ist, braucht unser Herz auch im späteren Leben immer wieder Gelegenheiten, sich Raum zu verschaffen und gehört zu werden.
Worauf´s ankommt: Stärken, Vorlieben und Mehrwert zusammenbringen
Die Fähigkeiten, die in einem Menschen liegen,
sind größer, als er weiß;
und die Fähigkeiten, die Gott einem Menschen verleihen kann,
sind größer, als er träumt.
Charles H. Spurgeon
In uns liegt ein Potenzial verborgen, das darauf wartet, entdeckt und gelebt zu werden. Wie in der Geschichte vom kleinen Adler, der als falsches Huhn unterwegs war, leben auch viele Menschen an ihrer wahren Bestimmung und ihrem Potenzial vorbei. Oft sind wir in Berufen und Aufgaben gefangen, in die wir gar nicht gehören, die wir nur aufgrund der Erwartungshaltung anderer Menschen (oder weil es sich „halt so“ ergeben hat) übernommen haben. Wie dieser junge Mann, eigentlich ein leidenschaftlicher Handwerker, der aber Lehrer wurde, weil seine Eltern – beides Lehrkräfte – das von ihm erwarteten. Oder die junge Frau, kreativ und musikalisch, die Betriebswirtschaft studiert, weil das vermeintlich sicherer und zukunftstauglicher ist. Oder der ältere Herr, bereits am Ende seiner braven Beamtenlaufbahn, der sein Leben lang viel lieber unternehmerisch tätig gewesen wäre. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Zu oft beeinflussen falsches Sicherheitsdenken und die Erwartungen anderer unseren Werdegang und halten uns davon ab, einen erfüllenden Platz zu finden, an dem wir wirklich einen Unterschied machen können. Oft sind Lebensläufe aufgrund des familiären Umfeldes, der Erwartungen der Eltern oder anderer wichtiger Bezugspersonen vorgespurt. Allzu außergewöhnliche Zukunftsideen werden uns ausgetrieben, noch bevor wir uns an die Umsetzung machen können. Weil der Weg des geringsten Widerstandes leichter ist und die bequem eingerichtete Komfortzone eine zu hohe Attraktivität ausübt, begraben wir das Potenzial in uns, das nur darauf wartet, gehoben und entwickelt zu werden. Zwar können wir an der erreichten Stelle durchaus funktionieren – Glück, Erfüllung und Wirksamkeit aber sehen anders aus.
Ich denke an eine Postkarte, die ich kürzlich in den Händen hielt. Auf dieser Karte sieht man ein nettes kleines Schaf, das mit einer Mischung aus Vorsicht und Neugierde über den Gartenzaun lugt. Darüber die herausfordernde Überschrift: „Und eines Morgens sagte plötzlich eine Stimme: Spring über den Zaun, sei wild und frech, und lebe gefährlich …“ Wie diesem Schaf oder dem zitierten Löwen im Zoo ist uns in vielen Bereichen unseres Lebens die Wildheit abhandengekommen. Wir leben zu brav, zu stromlinienförmig, zu vorhersehbar. Warum nicht öfters etwas Verrücktes wagen? Warum nicht hin und wieder ein Risiko eingehen?
Umair Haque, einer der aktuell einflussreichsten Management-Vordenker, fordert zu einem Lebens- und Arbeitsstil heraus, der die Grenzen des bisher Vertrauten überschreitet und das persönliche Potenzial stärker berücksichtigt.1 Unsere Art, zu leben, zu arbeiten und unsere Rolle zu spielen, beschert uns zwar materiellen Reichtum, lässt uns aber auf emotionaler Ebene, in Bezug auf Beziehungen und Soziales, physisch und spirituell unerfüllt. Haque plädiert dafür, sich über Folgendes unbedingt klar zu werden: Was ist mein persönliches Potenzial, und wie umfassend, authentisch und intensiv werde ich es im Laufe meines Lebens ausschöpfen? Sein Aufruf: „Erschaffen Sie etwas Gefährliches. Es lohnt sich nicht, nach Mittelmäßigkeit zu streben – sie ist eine einsame Todesfalle, die direkt in das Vergessen führt. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass Sie Ihr Leben nutzen sollten, Ihrer Leidenschaft zu folgen. Nicht halbherzig, zitternd und stockend. Sondern unerbittlich, mit aller Energie. Träumen Sie große Träume, und gehen Sie ein gewaltiges Risiko ein. Setzen Sie Ihr Heim aufs Spiel, bevor es zu einem Einfamilienhaus geworden ist – einem allzu bequemen Ort, wo Sie Ihren Hut an den Nagel hängen und Ihre Beine ausstrecken. Erschaffen Sie etwas Neues: Seien Sie nicht nur Arbeitnehmer, Manager oder ein anderer Typ eines Verwalters der Gegenwart. Seien Sie ein Erbauer, ein Schöpfer und Architekt der Zukunft. Es spielt keine Rolle, ob es eine Sonate, ein Buch, ein Start-up oder ein neuer Frisurenstil ist – erschaffen Sie etwas, das nicht nur fundamental neu ist, sondern auch eine unaufhaltsame Gefahr für die müden, schwerfälligen Beharrungskräfte der Gegenwart … Ziehen Sie Erfüllung und Leidenschaft vor gegenüber Geld und Erfolg. Das Letztere folgt dem Ersten. Ohne Erfüllung und Leidenschaft aber sind Geld und Erfolg schal und leer …“
Wie können wir nun das in uns liegende Potenzial entdecken, und wie sollen wir uns positionieren? Weil jede Person und jedes Leben individuell ist, gibt es keine fertigen Antworten. Aber Orientierungshilfen, anhand derer jeder seinen persönlichen Weg finden und überprüfen kann. Es ist vor allem ein Dreiklang, an dem wir uns orientieren können: Stärken, Vorlieben und Mehrwert. Wenden wir uns zunächst den Stärken und Vorlieben zu. Stärken sind all diejenigen Dinge, die wir besonders gut können und in denen wir besser sind als der Durchschnitt. Unsere Stärken meint unsere Fähigkeiten und Talente. Vorlieben sind die Dinge, die wir gerne tun und die uns Freude machen. Tätigkeiten, bei denen wir die Zeit vergessen. Stärken und Vorlieben können identisch sein, müssen es aber nicht. Manchmal mögen wir bestimmte Dinge, ohne besonders stark darin zu sein. Ich mag es etwa, hin und wieder Fußball zu spielen. Als Stärke würde ich das aber nicht bezeichnen, zum Geldverdienen reicht es jedenfalls nicht aus. Von Albert Einstein ist überliefert, dass er das Violinspiel liebte, allerdings wurde er kein berühmter Geiger, sondern einer der größten Physiker aller Zeiten. Nicht immer also stimmen unsere Stärken mit unseren Vorlieben überein. Jeder von uns aber hat eine Schnittstelle aus beidem. Diese Schnittstelle gilt es zunächst zu entdecken. Folgende Fragen sind dabei hilfreich:
Was kann ich gut?
Was halten andere Leute für meine größten Stärken?
Worin bestätigen mich andere Menschen?
Welche Talente habe ich, die bisher noch nicht entwickelt sind?
Was liebe ich zu tun?
Was macht mir am meisten Spaß?
Wobei vergesse ich die Zeit?
Neben der Selbsteinschätzung ist auch die Fremdwahrnehmung wichtig, wenn wir unsere Stärken definieren wollen. Das heißt, wir beantworten diese Fragen zuerst für uns und suchen dann das Feedback von Menschen in unserem Umfeld. Eine Übereinstimmung von Eigen- und Fremdwahrnehmung gibt uns zusätzliche Bestätigung.
Wenn wir unsere Stärken und Vorlieben definiert und die Schnittstelle bestimmt haben, stellt sich die Frage, wie wir damit einen Mehrwert für andere schaffen können. Welchen Nutzen für andere Menschen kann ich kreieren, indem ich tue, was ich gut kann und was ich liebe zu tun?
Wenn jemand handwerklich begabt ist, dabei technikinteressiert und Spaß an Autos hat, kann er einen Mehrwert für andere Menschen schaffen, indem er als Kfz-Mechaniker arbeitet und die Autos anderer Menschen repariert. Ist jemand kreativ und innovativ und liebt es, unternehmerische Ideen zu entwickeln, wird er in einem trockenen Bürojob auf Dauer wenig glücklich sein, kann aber einen entscheidenden Unterschied machen, wenn er Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, die für andere hilfreich sind. Der Verwaltungstyp mit einer Vorliebe für Zahlen und Daten braucht ein entsprechendes berufliches Umfeld, um seine Fähigkeiten wirkungsvoll einsetzen zu können und dabei Freude zu erleben.
Es geht also immer darum, dass unsere Stärken, Vorlieben und ein Mehrwert für andere zusammenkommen. Die Schnittstelle aus diesen drei Bereichen bildet das, was man im Marketing den „Unique Selling Point“ nennt, unser persönliches Alleinstellungsmerkmal. Wenn wir uns in diejenigen Aufgaben und Tätigkeiten investieren, in denen wir gut sind, die wir lieben und aus denen sich ein Nutzen für andere ergibt, verschafft uns das ein hohes Maß an Zufriedenheit.
Der Weg hin zu einem erfüllten Leben beginnt mit einer groben Skizze, einer Ahnung, einem vorsichtigen Tasten in ein neues Land hinein. Die hier skizzierten Stärken und Vorlieben bilden die Leitplanken, innerhalb derer wir uns dabei bewegen. Wir müssen und dürfen verschiedene Dinge probieren. Es ist wie bei der Auswahl von Kleidungsstücken im Geschäft: Im Regal sieht vieles gut aus, aber erst wenn wir die Kleidung tragen, können wir wirklich sagen, ob sie uns steht, zu uns passt und wir uns darin wohlfühlen. Sich bereits früh im Leben und zu Beginn der beruflichen Laufbahn mit diesen Fragen zu beschäftigen ist natürlich hilfreich. Aber auch später, vielleicht in verantwortungsvoller Position oder an dem seit Langem vertrauten Platz, verliert die Thematik nichts an Relevanz. Warum tue ich, was ich tue? Bin ich am richtigen Platz? Was möchte ich durch mein Wirken bewegen, und kann ich das in meiner aktuellen Position? Das sind Fragen, anhand derer wir uns jederzeit und an jedem Ort reflektieren können.
Menschen, die durch ihr Wirken und ihre Innovationen unser Leben geprägt und die Welt verändert haben, waren immer Menschen, die an eine Vision glaubten, sich in ihren Stärken und Vorlieben bewegten, dabei einen Nutzen für Dritte kreierten und in all ihren Prozessen und Herausforderungen nicht aufgaben. Gottlieb Daimler, der Erfinder des Automobils; Steve Jobs, Mitgründer von Apple; Alfred Herrhausen, legendärer Vorstandssprecher der Deutschen Bank – sie und viele andere sind Beispiele dafür. Dabei geht es nicht nur um die wenigen Spitzenführungskräfte und herausragenden Entwickler und Erfinder, sondern quer durch alle Gesellschafts- und Berufsbereiche sind immer diejenigen überdurchschnittlich wirksam und zufrieden, die einer Vision folgen und ihr persönliches Potenzial leben. Dauerhaft erfolgreiche Leute mit einer Erfüllung im Beruf sind Menschen, die tun, was sie lieben, und lieben, was sie tun. Wenn es uns gelingt, dadurch auch noch einen Nutzen für andere zu schaffen, leben wir unser Potenzial. Wir stellen die Weichen, unsere verfügbare Lebenszeit wirksam auszuschöpfen, und schwingen uns wie der Adler in neue Höhen auf.