Kitabı oku: «Baupläne der Schöpfung», sayfa 6

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Neuronale Vorgänge lassen sich klassifizieren. In solche, die grundsätzlich zum Bewusstsein keinen Zugang haben, und in solche, die uns bewusst sind. Offenbar beurteilen wir eine Entscheidung als frei, wenn sie auf der bewussten Abwägung von Variablen gründet, also auf der rationalen Verhandlung von bewusstseinsfähigen Inhalten. Selbst wenn dieser Entscheidungsvorgang auf vorgegebenen neuronalen Prozessen beruht.

Singer steht der epigenetischen Freiheit offen gegenüber. Obwohl er sie nicht zur Freiheit erhebt. Denn unterschiedlich ist nach ihm die Herkunft der Variablen und die Art ihrer Verhandlung: genetische Faktoren, frühe Prägungen, soziale Lernvorgänge und aktuelle Auslöser, zu denen auch Wünsche und Emotionen zählen, wirken stets untrennbar zusammen und legen das Ergebnis fest, gleich, ob sich Entscheidungen in eher unbewusste oder bewusste Motive verkleiden.

Genetische Dispositionen können Fehlschaltungen bedingt haben, die das Speichern oder Abrufen sozialer Regeln erschweren. Oder soziale Regeln werden nicht rechtzeitig und tief genug eingeprägt. Oder es wurden von der Norm abweichende Regeln erlernt. Oder die Fähigkeit zu rationaler Abwägung wurde wegen fehlgeleiteter Prägung ungenügend ausdifferenziert.

In der Argumentation gegen den freien Willen scheint die Genetik stärker bemüht zu werden als die Epigenetik. Diese Einsicht führt zu einer humaneren, weniger diskriminierenden Beurteilung von Mitmenschen, die das Pech hatten, einem Zufall ausgeliefert gewesen zu sein, dessen funktionelle Architektur ihnen kein angepasstes Verhalten erlaubt. Menschen mit problematischen Verhaltensmustern als schlecht oder böse abzuurteilen, bedeutet nichts anderes, als das Ergebnis einer schicksalhaften Entwicklung des Organs, das unser Wesen ausmacht, zu bewerten. Auch nicht die feine englische Art.

Sind Sie noch normal?

Als Neurophysiologe ist Wolf Singer der Meinung: Vorschaltungen legen uns fest. Wir sollten aufhören, von Freiheit zu reden. Stopp. Gleichzeitig räumt er ein, dass es die Gesellschaft in der Hand hat, diese Vorschaltungsmuster festzulegen. Das moralische Vorwissen hängt von der Gruppe, von der Bevölkerung ab, in dem sich der einzelne Mensch befindet. Von seinem Soziotop.

Die Gesellschaft darf nicht davon ablassen, sagt Singer, Verhalten zu bewerten, sie muss weiterhin versuchen, durch Erziehung, Belohnung und Sanktionen Entscheidungsprozesse derart zu beeinflussen, dass unerwünschte Entscheidungen unwahrscheinlicher werden. Allerdings – nach welchem Code findet die Prägung der sogenannten normalen Gesellschaft statt? Wer ist denn heute noch normal?

Zwar weiß man um die Wichtigkeit von Ethik und Moral, die konkrete Einforderung dieser Spielregeln wird aber rasch ironisiert.

Wenn unser Tun und Denken mit dem Ablauf neuronaler Prozesse zu erklären ist, die sich nach dem Muster einer ausgeglichenen Haushaltsbilanz selbst organisiert, dann kommt jenen Determinanten enorme Bedeutung zu, die diese ausgeglichene neuronale Haushaltsbilanz beeinflussen.

Schopenhauers ganz bestimmte Ahnung

Die großen Denker haben sich alle den Kopf zerbrochen. Arthur Schopenhauer wollte mit seiner Schrift über die Willensfreiheit beweisen, dass Charakter und Motiv unsere Handlungen restlos bestimmen.

Konsequenterweise müsste man fordern: Wer die Willensfreiheit bestreitet, muss im Grunde das Strafrecht abschaffen.

Schopenhauer hatte zwar die Idee, die Willensfreiheit zu verabschieden, eliminierte dabei aber nicht gleichzeitig Begriffe wie Schuld und Verantwortung. Er gab der königlichen norwegischen Gesellschaft der Wissenschaft auf ihre Frage: »Lässt die Freiheit des menschlichen Willens sich aus dem Selbstbewusstsein beweisen?« eine Antwort, die in der Schrift Über die Freiheit des menschlichen Geistes am 26. Januar 1839 preisgekrönt wurde (mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Schopenhauer der Einzige war, der auf diese Frage geantwortet hatte).

Mit der Nüchternheit des Logikers und der Genauigkeit des Naturwissenschaftlers entwarf Schopenhauer ein Menschenbild, das für sittliche Autonomie keinen Raum mehr zu lassen schien. Und er wusste, welche Tragweite das hatte. Schopenhauer wollte den Menschen keine Ausnahmestelle in der Natur zuteilen – was ihm neben der pessimistischen Tendenz seiner Philosophie den Ruf als Menschenfeind eingetragen hat. Jede Tat erklärt er als unausbleibliches Ergebnis von Charakter und Motiven. Aus derselben Notwendigkeit heraus, mit der ein Stein aufgrund der Schwerkraft zu Boden fällt, handelt ein Mensch mit bestimmten charakterlichen Anlagen unter bestimmten Umständen. Er ist, wie er ist. Basta.

Die Resultate der Hirnforschung legen nahe, dass es zu jedem Handlungsentschluss, zu jedem Wollen eine physiologische Entsprechung gäbe, die durch Versuchsanordnungen im Gehirn sichtbar gemacht wird. Und das stimmt auch mit Schopenhauers Idee überein, dem Charakter müsse etwas Körperliches zugrunde liegen. Zorn braucht eine Faust.

Der US-amerikanische Physiologe Benjamin Libet untersuchte das Gehirn und behauptete, es habe schon Sekunden vor einer Handlung eine unbewusste Entscheidung gefällt, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Sie offenbart sich also erst im Nachhinein und stand schon fest, bevor wir das gewusst haben. Das Hirn trickst uns aus. Du glaubst, du sitzt am Steuer, in Wahrheit lenkt schon lange der Autopilot.

Und das wird als weiteres Argument gegen die christliche Ethik verwendet: Wenn nämlich unsere Entscheidungen schon determiniert sind, dann fällt die gesamte Diskussion um Moral und Schuldfrage zusammen, und die europäische Geistesgeschichte hätte ein Hauptthema ihrer gedanklichen Reflexionen verloren.

Genau hier soll das Verständnis der christlichen Ethik erneuert werden. Denn selbst wenn Entscheidungen – im Augenblick förmlich unfrei – noch im Unbewussten festgelegt werden, so unterliegen andererseits diese Entscheidungen anderen Determinanten, die aus einem Vorwissen, aus einem Vorbewusstsein herrühren.

Das ist teilweise genetisch bestimmt, teilweise epigenetisch geformt. Prägephasen in entscheidenden Entwicklungsmomenten, Identifikationsprozesse mit Idolen, der Stallgeruch einer intakten Familie. Das macht jene Entscheidungshilfen aus, aus denen, wenn zunächst noch unbewusst, der einzelne Mensch seine Taten folgen lässt. Demnach gibt es Freiheit sehr wohl, nur geboren aus einem komplexeren Hintergrund.

Wäre es leicht, könnte man es sich ja aussuchen.

Das Gewissen und die Entscheidung

Die mechanistische Auffassung des freien Willens kann zu Grabe getragen werden. Ohne dass die christliche Ethik darunter leidet. Denn es ereignet sich noch ein weiteres Detail. Selbst wenn eine Entscheidung unbewusst gefällt worden ist und erst später in das Bewusstsein zurückschleicht, wird sie dann, beim Auftauchen, auf ihre Richtigkeit abgetastet. Wobei neben den Prägungen der Kindheit eine weitere Schicht Erkenntnis dazukommt: das Bewusstwerden der Tat.

Dieser Ich-war’s-Effekt kann mit anderen Bewusstseinsinhalten zusammenhängen und daraufhin einer Feineinstellung unterzogen werden. Denn der freie Wille ist so wie der genetische Code: nicht erratisch, nicht festgelegt für uns, nicht programmiert für immer, sondern einer kontinuierlichen Plastizität unterworfen. Anders ausgedrückt: Der freie Wille ist nicht in Stein gemeißelt.

Freiheit atmet.

Zwar wird das Gehirn in den Händen der Hirnforscher zum Sitz des Unbewussten, zur Dunkelkammer, die das vorbereitet, was der Mensch später als seine Tat erkennt. Allerdings wirkt diese Erkenntnis über die Dunkelkammer zurück und arbeitet an der nächsten, wenn auch unbewussten, Vorentscheidung mit. Damit wird der Charakter, den Schopenhauer noch als unveränderliche Größe benützt hat, veränderlich und dreidimensional; auch durch das Gewissen.

Der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth sagte vor geraumer Zeit: »Je verabscheuungswürdiger das ist, was jemand getan hat, desto klarer wird die Einsicht, dass die Leute nichts dafür konnten. Sie haben sich nicht freiwillig dazu entschieden, sondern sie wurden aus extrem starken Motiven dazu getrieben.«

Dem muss entgegengesetzt werden: Um überleben zu können und sich permanent einer stets sich ändernden Umgebung anzupassen, hat die Evolution einen zweiten, mobilen Code eingerichtet, der vor allem in Prägeperioden, aber auch später modulierbar bleibt. Auf ihn zu vergessen heißt, nur die halbe Wahrheit zu präsentieren, um – ebenfalls aus vorgefassten Motiven – eine bestimmte Botschaft zu verkünden. Zwar war Schopenhauer noch überzeugt: »Tugend und Laster sind angeboren.« Im Licht der neurobiologischen Ergebnisse könnte man demnach das menschliche Hirn als den Sitz des Bösen ausmachen, der immer so bleibt, wenn er einmal festgeschrieben wurde. Bad brain – your pain.

Auffallend ist allerdings, dass gerade die Neurophysiologen, die um die hohe Plastizität des Gehirns und um den Einfluss, den Stressfaktoren, das Oxytocin, das Prolaktin und die Sexualsteroide wissen müssten, dass genau sie diesen Freiheitsraum unseres Denkens nicht ausreichend würdigen. Möglicherweise deshalb, weil sich niemand aus dem Fenster lehnen will. Der Wind dort ist eisig.

Gibt es eine angeborene Moral?

Vor dem Hintergrund der Vererbung angeeigneter Eigenschaften wird die Mitteilung bemerkenswert, dass auch die Neigung zum Guten vorherbestimmt sein kann. Möglicherweise kommt der Mensch mit einem moralischen Kompass zur Welt. Norden gut, Süden böse, Osten und Westen naja. Ein Leuchtfeuer, das einem von der Wiege bis zur Bahre den richtigen Weg weist. Dorthin, mein Freund, dann wird alles gut.

»Paradigmenwechsel im Strafverfahren! Neurobiologie auf dem Vormarsch« oder »Neuhirnforschung – neues Strafrecht?«, so lauten die Titel von Tagungen, auf denen Hirnforscher und Juristen mit gefletschten Zähnen aneinandergeraten.

»Unser gesamtes Handeln ist durch die Vorschaltungen in unserem Gehirn determiniert«, erklärte Hans Markovic 2007 in einem Spiegel-Streitgespräch. Und beantwortet damit die Frage, inwieweit der Mensch für sein Tun verantwortlich ist. Dem Grundpfeiler des modernen Rechtssystems, dem Strafmaß nach dem Schuldprinzip, liege ein fundamentaler Irrtum zugrunde, lautet die Meinung der bereits zitierten Forscher Wolf Singer aus Frankfurt am Main, Gerhard Roth aus Bremen oder eben Hans Markovic aus Bielefeld. Kein Mensch habe überhaupt die Wahl, moralisch gut oder böse zu agieren. Der freie Wille sei bloße Illusion. Täuscht euch ja nicht, Kameraden!

Eine These lautet, das Gehirn sei bei der Geburt wie eine tabula rasa, eine leere Tafel, ein weißes Blatt Papier, das durch Erziehung und Umweltfaktoren durch Zufall und nach Gutdünken beschrieben werden könnte. Wenn dem so wäre, hätte der epigenetische Code, die Verantwortung der Eltern, eine enorme Bedeutung. Der freie Wille würde sich demnach in dem epigenetischen Fenster abspielen, das die Betroffenen beeinflussen, plus Umwelt, Familie und das soziale Netzwerk, in dem sich das Kind befindet.

Der Harvard-Psychologe Marc Hauser hebt die Hand zum Einspruch. Moment! Er behauptet, dass der Mensch sehr wohl mit einem moralischen Echolot auf die Welt käme. Einem angeborenen Sinn für Recht und Unrecht, der sich seit Kain und Abel in der Menschheitsgeschichte entwickelt hat und (ebenfalls epigenetisch geprägt) den späteren Generationen weitervererbt wird.

Ähnliches sagt der Bonner Neurologe Jochen Walter, für den der Moralsinn eine angeborene Struktur ist. Eine, die sich »unter den richtigen Bedingungen richtig entwickelt.«

Hinter dieser Meinung ist die Epigenetik doppelt gefordert: Einerseits spielen die eigenen Prägeerfahrungen eine Rolle, die man nicht unterschätzen sollte. Andererseits bringt das Kind, wenn es den Geburtskanal verlässt, das epigenetische Erbe schon mit sich, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Diese These von einem »Moralsinn« wird vor allem durch die Beobachtung untermauert, dass überall auf der Erde ein mehr oder weniger gleiches Gespür für Gerechtigkeit, Fairness und Dankbarkeit wohnt. Jemandem mit Absicht Schmerz zuzufügen, wird in allen Kulturen als schlimmer erachtet, als wenn das ohne Vorsatz geschieht. Sogar Neugeborene verfügen über diese Grundurteile.

Mit diesem Moralsinn wäre es so wie mit den Urregeln unserer Sprache, die in allen Kulturen gleich sind. Sie haben sich im Laufe der Evolution im menschlichen Gehirn etabliert. Eine faszinierende Idee, die der US-Linguist Noam Chomsky aufstellte. Die naturwissenschaftliche Erklärung liege auch hier in der epigenetischen Prägung, die über Generationen – möglicherweise über Jahrtausende – weitergegeben werde. Chomskys Idee verblüffte nicht nur die Linguistik, sondern die moderne Kognitionswissenschaft überhaupt. »Da Sprache zu den entscheidenden Fähigkeiten des Menschen zählt, lieferte die Annahme einer Universalgrammatik ein neues Erklärungsmodell dafür, wie der menschliche Geist auch in anderer Hinsicht funktionieren kann. Tatsächlich können Menschenkinder nicht nur schon vergleichsweise früh im Leben Wörter brabbeln, vielmehr scheinen sie auch mit einem Grundverständnis für Zahlen und Objekte, Personen und Räumlichkeiten auf die Welt zu kommen.«

Das wäre übrigens eine interessante Deutung von Platons Ideenlehre. Wir tragen ein Vorwissen der Dinge in uns, die sich erst im Laufe des Lebens gegenständlich materialisieren.

Natürlich haben »Babys nicht schon das bürgerliche Gesetzbuch im Kopf, aber im Windelalter, zwischen eineinhalb und drei Jahren, wachsen grundlegende Besitz – und Eigentumsnormen heran, und Erstklässler sind dann bereits in der Lage, die Goldene Regel ›was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu‹ als Urgesetz menschlichen Miteinanders zu sehen.«

Das würde tatsächlich bedeuten, dass es so etwas wie einen Moralsinn gibt, der im Rahmen der Menschheitsgeschichte sich ähnlich entwickelte wie die Sprache und, im Gehirn des Homo sapiens imprägniert, an Hunderte von späteren Generationen weitergegeben wird. Ein Wanderpokal der hehren Motive. Real und doch formbar wie Plastilin. Die Humanisierung über Jahrtausende scheint sich im Gehirn des Menschen epigenetisch niedergeschlagen zu haben und wird in den ersten Lebensjahren abgerufen.

Ernst Joachim Lampe, ein deutscher Rechtswissenschaftler und ehemaliger Hochschullehrer an der Universität Bielefeld, hat das konkret beschrieben: »Aug’ um Aug’ – im biblischen Israel galt Rache als absolut legitim. Bis weit ins Mittelalter herrschte in Europa Faustrecht und Fehde. Erst 1495, beim Reichstag zu Worms, gelang es im Heiligen Römischen Reich, die Rache per Privatkrieg im ganzen Reich zumindest auf dem Papier abzuschaffen – von nun an sollte ewiger Landfrieden herrschen. Ähnlich entwickelten sich, soweit bekannt, in anderen Regionen der Welt die Regelwerke über Jahrhunderte hinweg, vom intuitiven Urrecht zu jener Rechtsordnung, die teilweise das Leben ihrer Bürger bis ins kleinste Detail regeln soll.«

Die Parallele zwischen historischer und kindlicher Entwicklung des Rechtsbewusstseins sieht Ernst Joachim Lampe als starkes Indiz dafür, dass menschliche Rechtsordnung auf universell angeborenen, vorrechtlichen Überzeugungen aufbaut.

John Mikhail, Professor für Recht an der Georgetown University, sagt: »Die Menschen sind Juristen aus Intuition.« (Der Spiegel, Nr. 31, 2007)

Aber wo wäre dieser embryonale Sittenkodex gespeichert? Nach der Dechiffrierung des menschlichen Genoms war man immer mehr enttäuscht, dass die Basenpaare unserer Gene nicht jene Geheimnisse beinhalteten, die im Besonderen die Mediziner beschäftigten: Wie läuft die Embryogenese ab, warum altern wir, wie entwickeln sich Krankheiten, warum bekommt man Krebs? Es ist, als hätte man beim Bergsteigen gedacht, den Gipfel schon bezwungen zu haben, als sich plötzlich – dahinter – ein weiterer Gipfel und dann die ganzen Alpen offenbart.

Forscher stehen immer vor einem Berg Fragen.

Dabei erschien in den biologischen Fächern hinter dem genetischen Code die epigenetische Ordnung, die ein klares Muster aufweist: Methyl-, Acetyl – und Phosphat-Reste, die die Lagerung der DNA ununterbrochen verändern. Das Genom als kleine Kugel unzähliger Magneten, die permanent ihre Pole verändern und damit erst den Lebensprozess in Gang bringen. Diese elektrische Ladung trägt die Fähigkeit in sich, auf Eindrücke von außen zu reagieren, sie in andere Ladungsverhältnisse umzusetzen und diese neue magnetische Ordnung zu speichern.

Die Evolution der Ethik scheint auf diesem Prinzip zu beruhen.

Zeitgenossen, die Wert darauf legen, ihre Gottgläubigkeit in einem intellektuell vernünftigen Freiraum leben zu dürfen, weisen mit Recht darauf hin: Es war auf der ganzen Welt immer das Vorwissen um Transzendentes, das letztlich die Evolution der Humanität vorantrieb. Und das ist auch der Auftrag der Religionen: mitzuarbeiten – möglicherweise federführend –, um die Epigenetik unseres Bewusstseins für eine humanere Welt zu formieren.

Gegen die Ursünde zu kämpfen, hatte die vorwissenschaftliche Weisheit der Menschen schon seit Jahrtausenden im Sinn. Den Griechen war die wirkliche Sünde nicht so sehr das Übertreten eines Gebotes (obwohl das später von der römischen Rechtsordnung kultiviert wurde), sondern vor allem die Anmaßung, die Hybris – die Versuchung, die Götter übertölpeln zu wollen.

Das Alte Testament kannte bereits diese Versuchung des Menschengeschlechts, die bis heute eine Gefahr darstellt, den ganzen Planeten zu pulverisieren. Auf der Suche nach dem Urübel unserer Schöpfung wählten die alten Semiten eine Geschichte, die das Problem in Worte kleidete: Es war eine Kraft, die neben dem Schöpfer sich aufbaute und deren Absicht es war, die eigenen Grenzen zu durchbrechen, um selbst Schöpfer zu werden – sicut erit deus. Ihr werdet sein wie Gott. Die Geschichte vom Apfel und dem Baum der Erkenntnis beschreibt die Folgen. Je höher sich die Zivilisationen entwickeln, umso deutlicher kommt diese Versuchung aus den menschlichen Abgründen hervor. Es ist aber auch nicht alles schlecht, was auf den ersten Blick düster anmutet.

Politische Ereignisse und naturwissenschaftliche Erkenntnisse beeinflussen philosophisches Denken. Die Entdeckung der Epigenetik wird in Zukunft den philosophischen Diskurs bereichern. Die großen Themenkomplexe des freien Willens, der persönlichen Schuld, die Interaktion zwischen Subjekt und Objekt und die geheimnisvolle Frage, warum jemand an Gott glaubt und ein anderer nicht – das alles darf man auch von Seiten der Epigenetik beleuchten.

Forschen, vorausgehen, Fragen stellen und Antworten suchen. Das ist der Pioniergeist, der den Menschen ausmacht und zu Höchstleistungen antreibt. Ich habe mich zeit meines Lebens mit dem Sinn des Lebens und anderen Lappalien auseinandergesetzt. Ja, ich habe Antworten gefunden. Antworten, die mir das Leben erleichtert haben. Die mir Zuversicht in schwierigen Zeiten gaben, ebenso wie Glück in den richtigen Momenten.

Natürlich ist das die größte Frage von allen. Die Frage, die über allem steht. Und je mehr man sich mit dieser Frage beschäftigt, desto eher wird eines klar. Es sind vier Wörter, die den Sinn vorgeben und das Sein bestimmen. Vier Wörter, die gleichzeitig beruhigen und glücklich machen. Der große Pan lebt.

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Die Entstehung einer Religion

Den Glauben brauchen nur Idioten. Kniet nieder und tut, was ihr nicht lassen könnt. Betet und seid still, ihr habt es nicht anders verdient. Karl Marx wollte uns das 1843 weismachen, indem er Religion als »Opium des Volkes« herabwürdigte. Gott-Junkies brauchen eine Droge, um ihren Verstand zu trüben und glücklich zu bleiben. Marx war ein Adept Feuerbachs, daher rührt seine Abneigung gegen das Kreuz.

»… weil die Einbildungskraft ihr Herz und ihr Kopf ist, so greifen sie, in der Praxis unbefriedigt, notwendig zur Theorie, aber zur Theorie des Jenseits, zur Religion.«

Lenin hat das 60 Jahre später noch deftiger ausgedrückt:

»Die Religion ist eine Art geistigen Fusels, in dem die Sklaven des Kapitals ihr Menschenantlitz und ihre Ansprüche auf ein halbwegs menschenwürdiges Leben ersäufen.«

Na sdorowje, meine Herren! Den Kelch lasse ich nicht vorübergehen, ich muss hier energisch widersprechen. Religion ist kein Wodka für Stümper, die den Rubel anbeten, nein, Religion entsteht aus einer Möglichkeit heraus. Aus dem Feinsinn einer Ahnung. Wenn eine Botschaft von übergeordneter Bedeutung Gestalt annimmt, um sich mitzuteilen. Christen nennen das eben Offenbarung. Alles Weitere dient der Überlieferung. Damit die Menschen es nicht vergessen.

Die soziologische Nachzeichnung einer Religionsgenese muss nicht automatisch gegen einen transzendenten Ursprung sprechen. Anders würde es in unserem Mesokosmos nicht gehen. Einen Golden Retriever kann man auch nicht mit dem Handy anrufen, um ihm zu sagen, hey, Max, hol dir dein Leckerli um halb drei im Wohnzimmer ab. Man muss es ihm so vermitteln, dass er es versteht.

Verschiedene menschliche Modelle, die sich des »Extraterrestrischen« bedienen, wurden entwickelt.

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