Kitabı oku: «Unterirdisches Österreich», sayfa 2

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Wir haben etwas, was wir nicht wollen

Aufgrund des Drucks aus Innsbruck musste der Bund nun handeln, und zwar schnell, drohten doch weitere Sicherungs- und Haftungsprobleme. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage bestätigte Bundeskanzler Viktor Klima, dass die Innsbrucker Stollen im „Eigentum des Bundes stehende Bauten“ seien; eine rasche bundesweite Lösung im Rahmen der angestrebten strukturellen Maßnahmen zur Neuorganisierung der Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Bundes wurde gesucht. „Wir haben etwas, was wir nicht wollen“, hieß es – doch wem geben? Das Bundeskanzleramt spielte den Ball ans Wirtschaftsministerium weiter und für die zuständigen Beamten am Wiener Stubenring kam eigentlich nur ein Weg in Frage: Auch die Stollenanlagen mussten in das geplante „Bundesimmobiliengesetz“ des Jahres 2000 integriert werden. Dieses sah den Verkauf beinahe aller bis zu diesem Zeitpunkt im Wirtschaftsministerium verwalteten Immobilien an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) vor. Doch für eine geordnete Weitergabe der unterirdischen NS-Bauten fehlten zuverlässige Unterlagen – hektische Aktivitäten waren die Folge; eine eigene Stollen-Arbeitsgruppe wurde gegründet. Zur wichtigen Arbeitsgrundlage wurde eine Liste aus dem Jahre 1959, die 560 Luftschutzobjekte aus dem Zweiten Weltkrieg verzeichnete, darunter allerdings auch oberirdische Bauten wie Deckungs- und Splittergräben oder Ein-Mann-Bunker. In fieberhafter Eile, gestützt auf die Auskünfte der einzelnen Bezirkshauptmannschaften und Gemeinden sowie auf Grundbuchsrecherchen und Nachforschungen vor Ort durch die – damals noch existierenden – regionalen Bundesgebäudeverwaltungen, galt es jetzt, die in Frage kommenden Objekte herauszufiltern; das wesentliche Kriterium: Die Rechtsüberleitung von „Deutschem Eigentum“ 1945 zum Eigentum des Bundes sollte nachvollziehbar und gewährleistet sein. Bei allen diesen „unverbücherten“ Stollenobjekten würde der „Eigentumsübergang“ laut Bundesimmobiliengesetz ausdrücklich unter der „Rechtsvermutung, dass der Bund zum Übertragungszeitpunkt Eigentümer war“, erfolgen – eine kleine Hintertür für möglicherweise anders gelagerte Einzelfälle: Sollte jemand beweisen können, dass ein Stollen sein Eigentum – z. B. durch „Ersitzung“ – wäre, müsste die BIG diesen Stollen herausgeben. Ein Befahren und Erkunden der Stollenanlagen war in dieser kurzen Zeit – die Liste musste bis zum November 2000 stehen – ausgeschlossen, auch konnte aus Zeitgründen der historische Hintergrund nicht näher erforscht werden, in manchen Fällen hatte man nicht einmal eine zutreffende Adresse. Hellhörig wurde man nur bei einem Hinweis: Gefahr im Verzug!


Doppelriegeltür in einem Linzer Luftschutzkeller.

Die BIG, ein Mann und 290 Stollen

Am 4. Dezember 2000 passierte das „Bundesimmobiliengesetz“ mit den Stimmen der Koalitionspartner ÖVP und FPÖ das Parlament. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sprach euphorisch von einem „Stück mehr Markt und Kostenwahrheit“, SPÖ-Wohnbausprecherin Doris Bures kritisierte es als „bestenfalls halbherzige Reform“ und Gabriele Moser von den Grünen befürchtete weitere Privatisierungsschritte.

Beschlossen hatten die Abgeordneten ein 2,4 Milliarden Euro schweres Paket, das die bereits 1992 gegründete, bisher jedoch nur mit Fruchtgenussrechten ausgestattete Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zu einem wahren Immobilienriesen, dem größten Immobilieneigentümer Österreichs, wachsen ließ: Etwa 5.000 Häuser und Grundstücke, Büro- und Amtsgebäude, Schulen, Universitäten, Wohnungen und „Spezialimmobilien“ wie Kirchen, Schlösser oder eben Stollen wechselten aus dem Eigentum der Republik in jenes der BIG. Abgewickelt wurde das Geschäft in vier Tranchen, finanziert über die Begebung von Anleihen am internationalen Kapitalmarkt. Das Ziel: eine marktorientierte, erfolgreiche Bewirtschaftung dieser Immobilien, die sowohl den Verkauf nicht mehr benötigter Liegenschaften als auch die Neuerrichtung von Bundesgebäuden vorsieht, vor allem von Schulen, Universitäten und Bürogebäuden – „Raum für die Zukunft“ ist die ambitionierte Devise.

Um diese Vorgänge weiß auch BIG-Mitarbeiter Karl Lehner bestens Bescheid, als er am 8. Jänner 2001 in sein Büro in der Neulinggasse 29 im 3. Wiener Gemeindebezirk kommt. Es ist Montag, der Weihnachtsurlaub ist vorbei und der erfahrene Techniker und „Hochbauer“ ist gespannt, was da Neues auf ihn zukommt. Die Unterlagen liegen bereits auf seinem Schreibtisch – eine 35 A4-Seiten umfassende Liste mit der harmlosen Ziffer „A.1.2“ –, die Liste der Stollenanlagen, die mit Stichtag 1. Jänner 2001 als Superädifikate ins Eigentum der BIG wechselten: 290 Objekte, fein säuberlich nach Bundesländern aufgelistet, das Danaergeschenk der Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium. Karl Lehner traut seinen Augen nicht: Von Stollen war in den Gesprächen vor Weihnachten nie die Rede gewesen, die Überraschung ist groß. Was nun? Karl Lehner, seit 1971 in der Bundesbaudirektion Wien und seit 1996 in der BIG tätig, ist klassischer „Hochbauer“, sein Spezialgebiet die Instandhaltung von Bauwerken. Und er ist ein Einzelkämpfer, der sich plötzlich 290 Stollen gegenübersieht – mysteriösen unterirdischen Objekten, die, er ahnt es noch nicht, sein Berufsleben in den nächsten zehn Jahren bestimmen werden.

Karl Lehner, Leiter, gleichzeitig aber auch einziger Mitarbeiter der „Abteilung Stollen“ in der BIG, beginnt die Liste zu studieren. Auf den ersten Blick bietet sich ihm eine bunte Palette quer über Österreich: vom Luftschutzstollen in der Mizzi-Langer-Wand in Wien-Rodaun bis zum Stollen unter dem Kloster Riedenburg in Bregenz, von einer Stollenanlage in Neusiedl/​Zaya bis zum Luftschutzraum unter der Klosterruine Arnoldstein. Es ist eine faszinierende Mischung: vom klassischen Luftschutzbau zum alten Bergwerksstollen, von der ehemaligen unterirdischen Waffenschmiede bis zum Bunker. Unter dieser großen Anzahl von Stollenanlagen befinden sich auch einige, die eindeutig nicht im Besitz des Bundes sind, wie z. B. der bei Roggendorf in der Nähe von Melk für das NS-Geheimprojekt „Quarz“ errichtete unterirdische Komplex oder der in privater Hand befindliche Wilhelm-Erb-Stollen in Schwaz.

Noch verbindet BIG-Underground-Chef Karl Lehner mit den vorliegenden dürren Daten keine konkreten Bilder und Vorstellungen, ja, die tatsächliche Dimension des Problems ist unklar, denn es fehlt an wichtigen Basis-Informationen: Wo befinden sich die Eingänge zu diesen Anlagen? Wer sind die Ansprechpartner, gibt es überhaupt welche? Und vor allem bewegt eine Frage: Wie ist der Erhaltungszustand dieser Anlagen und was gilt es zu tun? Wo ist bereits Feuer am Dach? Auch er weiß, dass nach dem Grubenunglück von Lassing am 17. Juli 1998 die Welt des österreichischen Bergwesens eine andere geworden ist. Eine neue Sensibilität hat Einzug gehalten: genauere Dokumentation, exakte Information sind notwendig geworden, vor allem aber eine zuverlässige Einschätzung des Sicherheitsrisikos – die Oberlieger wollen ruhig schlafen können.


Stollen in der Mizzi-Langer-Wand in Wien-Rodaun.




Erbaut für das Geheimprojekt „Quarz“: der Stollenkomplex bei Loosdorf.

Angesichts der gewaltigen Immobilienfülle, die es zu bewirtschaften gilt, sind die Stollen für die BIG zwangsläufig nur ein Randthema – allerdings eines, wie sich rasch zeigen wird, mit Potenzial für Ärger und hohe Kosten. Für Karl Lehner, den „Ein-Mann-Betrieb Stollen“, beginnt mit dem Jahreswechsel 2000/​2001 jedoch vorerst ein Abenteuer, eine Entdeckungsreise in unterirdische Welten, von deren Vielfalt und Ausdehnung, von deren dramatischer Geschichte und schicksalsschwerer Bedeutung für Zehntausende von Menschen er an diesem Anfangspunkt noch kaum etwas ahnt. Das Auffallende an der wie erwähnt in aller Eile erstellten Liste ist, dass sie gleichsam klinisch frei von Begleitinformation ist – da gibt es keinerlei Hinweise auf die historische Bedeutung einer Stollenanlage, ihr Status im Rahmen der NS-Luftschutzbauten bzw. der Rüstungsindustrie verbirgt sich hinter nüchternen Grundstücksnummern und Einlagezahlen und selbst diese sind nicht immer verlässlich: Da sind inzwischen Grundstücke zusammengelegt oder geteilt worden, Änderungen bei den Katastralgemeinden nicht berücksichtigt. Nicht selten wird daher die bloße Lokalisierung eines Stollens zur Herausforderung für das detektivische Gespür von Projektleiter Karl Lehner und seinen Helfern. Die Stollen sind wie erwähnt für ihn absolutes Neuland – ein Aufgabenbereich, der ihn nun auch unter Tag beschäftigen wird. Einer der ersten Schritte: sich vertraut machen mit dem traditionellen Wortschatz des Bergbaus. So nennt sich der Eingang zu einem Stollen „Mundloch“, die unterirdischen Röhren werden nicht gegraben, sondern „aufgefahren“, man begeht Stollen auch nicht, sondern „befährt“ sie, und wenn man am Ende eines Stollens angekommen ist, steht man vor seiner „Ortsbrust“; man blickt nicht zur Decke, sondern zur „Firste“; die Stollenwand nennt sich gar „Ulme“; „Überlagerung“ bezeichnet die Stärke des Gebirges über dem Stollen. Karl Lehner lernt schnell, bald ist er mit diesem Vokabular auf Du und Du.

Kein Spielraum für Interpretationen

In diesem Schwebezustand der Unklarheiten tut sich wenige Wochen später Entscheidendes: Die Unterlagen zu den Stollen – aus dem Wirtschaftsministerium ist dazu ein ansehnlicher Akt, u. a. auch mit den OGH-Urteilen, eingetroffen – stapeln sich auf den Schreibtischen der BIG-Rechtsabteilung. Nach erster Durchsicht wird rasch klar: Hier gilt es in der Sekunde zu handeln! An den beiden zum Stollenthema vorliegenden OGH-Entscheidungen werde man nicht rütteln können, um das enorme Haftungsrisiko zu senken, müsse man sofort alles tun, was das Gefahrenpotential verringern könne. Fix ist: Die Stollen sind nicht mehr im Eigentum des Bundes, die Sorgfaltspflicht als Eigentümer, das ist jetzt allen schmerzhaft klar bewusst, liegt von nun an bei der BIG, sie muss von nun an auch für die Kosten allfälliger Sicherungsmaßnahmen aufkommen. Auch tritt die BIG mit der Übernahme der Eigentümerschaft an den Stollen in die „Rechtsverhältnisse des Bundes mit Dritten“ ein, sie übernimmt also allfällige bestehende Pflichten des Bundes; nur für eventuell vor der Eigentumsübertragung angefallene Schadenersatzansprüche haften der Bund und die BIG als „Solidarschuldner“ gemeinsam.

Martin Hübner, damals verantwortlicher Jurist in der BIG: „Wir erkannten, dass es nicht den geringsten Spielraum für Interpretationen gab!“ Sensibilisiert durch Lassing und die Situation in Innsbruck, hörte man gleichsam die Zeitbombe ticken.

Erste Aufgabe: Es muss so schnell wie möglich jemand gefunden werden, der in der Lage ist, den Fragenkatalog für die dringend zu erstellenden Erstgutachten betreffend den Zustand der Stollenanlagen zu formulieren, und der dann auch noch die darauf basierenden „Über-Gutachten“ zur Bewertung des daraus entspringenden Gefahrenpotenzials erstellen kann.

Eine große Sitzung mit Berg- und Tiefbau-Fachleuten aus ganz Österreich wird anberaumt, allmählich beginnt sich eine mögliche Vorgangsweise abzuzeichnen und es wird vor allem der Mann gefunden, der die Probleme kompetent zu formulieren weiß: Der Geologe Leopold Weber von der Montanbehörde wird nach ersten Gesprächen zum Generalkonsulenten bestellt und im Mai 2001 beauftragt, die Stollen zu befahren und geologisch-geotechnische Gutachten zum Grad der Gefährdung vorzulegen. Weber, ein international anerkannter Bergbaufachmann, der Letzte, der am 17. Juli 1998 die Grube von Lassing vor der Katastrophe noch lebend verlassen konnte, kommt durch Vermittlung von Gerhard Peintinger im Wirtschaftsministerium zur BIG. Der gebürtige Wiener, Jahrgang 1948, hat 1974 mit einer Arbeit über Das Alter der Sideritvererzung im Westteil der Gollrader Bucht promoviert, ist von 1973 bis 1979 Assistent an der Universität Wien und wird danach Geologe bei der Obersten Bergbehörde im Ministerium für Handel, Gewerbe und Industrie. 1986 übernimmt er hier die Leitung der Abteilung Geowissenschaften und Geotechnik (heute Abteilung Rohstoffe). Mit einem Gutachten für die Finanzprokuratur über den Zustand der Innsbrucker Stollen sowie mit einer zweiten Expertise für die Bundesgebäudeverwaltung Salzburg betreffend den oben erwähnten Grill-Stollen in Hallein hat er sich als kenntnisreicher Spezialist für Stollenfragen einen Namen gemacht; mit Elan stürzt er sich auf die neue Aufgabe – auch für ihn eine absolute Herausforderung. Um die Situation von damals zu vergegenwärtigen, bringt Leopold Weber heute einen drastischen Vergleich: Man habe sich in Frühjahr und Sommer 2001 im Stollen-Team der BIG wie nach einem Flugzeugabsturz gefühlt. Überall sieht man sich mit zahlreichen Verletzten konfrontiert, weiß aber nicht um den Grad der Verletzung, sprich das Ausmaß des Sicherheitsrisikos. Denn Stollen ist nicht gleich Stollen: Jedes Stollensystem, so erklärt uns der erfahrene Bergmann, hat seine eigene Dynamik, seine ganz spezielle Charakteristik. Vor allem ist es der Zweck, der das Erscheinungsbild des Stollens geprägt hat: Er bestimmt die Höhe eines Vortriebs, die Art des Ausbaus mit Holz oder Beton. Als Tunnel gelten übrigens Röhren mit einem Querschnitt größer als 20 Quadratmeter, alles, was Querschnitte kleiner als 20 Quadratmeter aufweist, wird zu Recht als „Stollen“ bezeichnet. Und Leopold Weber findet wohl auch das richtige Wort, wenn es um die Art des Zugangs zu einem dieser lost places geht: Er spricht von „respektvoller“ Sicherung der Stollenanlagen.


„Lost place“ in der Unterwelt von Klagenfurt: der Miklinstollen.

In einem ersten Schritt erarbeitet er daher zunächst ein standardisiertes „Pflichtenheft“ für das anstehende Evaluierungsverfahren, das im Juni 2001 vorliegt. Darin entwickelt er insgesamt vier Kategorien zur „Prioritätenreihung“ des Gefährdungsgrades:

Priorität 1: „Die Stollenröhre ist ungenügend oder nicht gesichert, das Gebirge ist nicht standfest. Sicherungsarbeiten sind notwendig. (…) Auf Grund der individuellen Befundung ist Gefahr in Verzug nicht auszuschließen.“

Priorität 2: Stollenzustand wie bei Priorität 1, aufgrund der „individuellen Befundung des Stollensystems ist Gefahr in Verzug jedoch nicht gegeben“.

Priorität 3: „Das Gebirge ist ausreichend standfest oder durch Ausbau dauerhaft gesichert. Sicherungsarbeiten sind nur in geringem Umfang oder gar nicht notwendig. Regelmäßige (z. B. jährliche) Kontrollbefahrungen sind jedoch notwendig.“

Priorität 4: „Nicht überbaute Stollenobjekte, keine Nutzung der Geländeoberfläche, standfestes Gebirge. Mit Ausnahme der (allfälligen) Anbringung von Absperrgittern oder Gittertüren oder einer anderen geeigneten Mundlochsicherung sind keine weiteren Sicherungsarbeiten notwendig. Ausschluss von Tagbrüchen, keine erkennbaren Gefahren, keine weiteren Kontrollbefahrungen notwendig.“

„Sicherungsbedürftig“ sind, so Webers klares Resümee, „jene Stollen- oder Streckenabschnitte von Stollenobjekten“, die „mit Priorität 1 oder Priorität 2 behaftet sind“.

Aufgrund der Vielzahl der Stollenanlagen kommt man im Juli 2001 mit Leopold Weber überein, insgesamt sechs Sachverständige für diese „systematisierte Erstevaluierung“ zu benennen – zusammengefasst in Bundesländergruppen und ausgestattet mit entsprechenden Vollmachten der BIG, übernehmen diese Aufgabe sechs Zivilingenieure, allesamt Absolventen des Instituts für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik der Montanuniversität Leoben. Die Erhebungsergebnisse der sechs Fachleute werden, so der Plan, durch abschließende gutachterliche Stellungnahmen von Leopold Weber ergänzt, der darin auch die jeweilige Priorität benennt und eventuelle Sicherungsmaßnahmen empfiehlt. Wichtige erste Schritte zur Risikoverminderung sollen unkompliziert und rasch erfolgen: Die Zivilingenieure sind ermächtigt, Firmen vor Ort mit dem Anbringen von „wirksamen Verschlüssen“ der Mundlöcher zu beauftragen, damit soll verhindert werden, dass neugierige Jugendliche die Stollen weiter als Abenteuerspielplätze nutzen.

Die Arbeit beginnt also an allen Ecken und Enden. Zu bestimmten Objekte versuchen Karl Lehner und seine Gutachter, von Gemeinden und Bezirkshauptmannschaften „Bestandsunterlagen“ wie alte Baupläne und Akten zu bekommen, und lernen daraus vor allem eines: Gemeindeämter sind keine Archive. Ratloses Achselzucken ist eine häufige Antwort; Originalunterlagen aus den letzten Kriegsjahren fehlen in vielen Fällen überhaupt; findet man tatsächlich noch einen Plan, so handelt es sich meist um einen Projektierungsplan, der mit dem tatsächlichen Stand der Ausführung eines Stollens nur mehr wenig gemeinsam hat. Bleibt noch die Hoffnung, von noch lebenden „Zeitzeugen“ handfeste Informationen und Hinweise oder auch nur Anhaltspunkte zu erhalten – das ist manchmal tatsächlich der Fall, manchmal lässt die Präzision der Erinnerung zu wünschen übrig: Erinnertes und Realität vor Ort passen nach knapp sechs Jahrzehnten nicht mehr exakt zusammen.

Unterstützung kommt von Martin Hübner. „Wir gewannen sehr bald den Eindruck“, so erzählt er heute, „dass es in den Ministerien teilweise zu einer Art Überreaktion gekommen war, was sich darin manifestierte, dass so gut wie jedes unterirdische Gebilde, von dem man wusste – oder vielleicht nur annahm –, dass Menschen während des Zweiten Weltkriegs darin Zuflucht gesucht haben, in die Liste aufgenommen wurde. So gelangte einerseits auch eine Vielzahl von Stollen oder stollenähnlichen Gebilden in das Gesetz, die schon lange Zeit vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, ja selbst vor dem, Anschluss‘, existierten. Das betraf z. B. vier ehemalige Bergwerksstollen im Großraum Waidhofen an der Ybbs, einen weiteren in Hallein. Andererseits wurden auch ehemalige Stollen einer Rüstungsproduktion, die auf dem Areal eines dem damaligem Eigentümer im Jahr 1943 entzogenen Zementwerkes in Ebensee gegraben worden waren, mit in das Gesetz aufgenommen, obwohl der entsprechende Betrieb schon im Jahr 1951 im Rahmen eines Rückstellungsvergleiches samt den errichteten Stollen an den früheren Eigentümer zurückgegeben wurde und dieses Zementwerk auch heute noch betrieben wird und im Eigentum derselben Unternehmerfamilie steht.“ Nach ebenso mühsamen wie umfangreichen Recherchen gelingt es der BIG tatsächlich zu beweisen, dass manche Stollen lange vor der Zeit des Dritten Reiches errichtet worden sind und deshalb keinesfalls „Deutsches Eigentum“ darstellen können. Das OGH-Urteil von 1997 könne daher eindeutig nicht darauf angewendet werden.

Besonders bemerkenswerte Fälle dieser Art sind etwa acht im Stadtgebiet von Linz gelegene Keller, deren Anlegung zumeist auf das späte 19. Jahrhundert zurückgeht und in den sogenannten „Linzer Sanden“ besonders einfach war. Diese Keller westlich der Linzer Altstadt, die sich kilometerlang im Untergrund erstrecken, stehen auch heute oftmals noch im Eigentum von Nachfahren der seinerzeitigen Errichter, wie etwa der traditionsreiche Cembrankeller in der Kellergasse im Eigentum der Weinhändlerfamilie Cembran – es gelingt sogar, ein Foto von der Eröffnung des Kellers im Jahre 191 aufzutreiben. Weiters kann die BIG zeigen, dass der Kapuzinerkeller im Eigentum des Kapuzinerstiftes steht und der Aktienkeller im Eigentum der Brau AG. Auch der „Lieblingsbunker“ der Linzer im Zweiten Weltkrieg, der Limonikeller, in dem an die 10.000 Menschen Platz finden konnten, ist älteren Ursprungs.


Luftschutzstollen in Linz: Diverse Funde vermitteln einen authentischen Eindruck von der Realität des Krieges.

Mit der ersten Novelle zum Bundesimmobiliengesetz 2003 werden daher 34 der ursprünglich übertragenen Stollen wieder aus dem Gesetz und damit aus dem Verantwortungsbereich der BIG herausgenommen, darunter auch solche Kaliber wie der Rosenmayrstollen in Hallein. Neben den Stollen, die schon von der Errichtungszeit her nichts mit dem Dritten Reich zu tun haben können, werden auch nachweislich „ersessene“ Stollen aus dem Gesetz entfernt, weiters auch Stollenanlagen, die während des Zweiten Weltkriegs „eigenverantwortlich“ durch Städte und Gemeinden angelegt worden sind und in deren Eigentum stehen.

Auch die erwähnte riesige Stollenanlage A in Ebensee (siehe dazu das Kapitel „Das unterirdische Amphitheater“) wird nach mehrmonatiger Korrespondenz mit dem Firmenanwalt des Zementwerkes, der der BIG historische Unterlagen zum Rückstellungsvergleich sendet und so nachweist, dass die Stollen dem Zementwerk gehören, aus dem Gesetz gestrichen.

Eliminiert werden nicht zuletzt ehemalige Bergwerksstollen und – als Kuriosum – auch einige Stollen, die von Kraftwerksbetreibern errichtet worden sind.

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
390 s. 235 illüstrasyon
ISBN:
9783990402221
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