Kitabı oku: «Schwarzes Bewusstsein: Das Leben des Steve Biko»

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Johannes Woywodt

Schwarzes Bewusstsein

Das Leben des Steve Biko

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

1. 14. November 1977

2. Unruhige Kindheit

3. Studienjahre - Eine Idee entsteht

4. Black Consciousness - Schwarzes Bewusstsein

5. Biko und die Frauen

6. Gebannt

7. Zimmer 619

8. Fazit

9. Anhang

9.1. Lebensdaten Steve Bikos

9.2. Quellenteil

9.3. Abkürzungsverzeichnis

1. 14. November 1977

Montag, der 14. November 1977 ist ein heißer und windstiller Sommertag. In Pretoria, der Hauptstadt Südafrikas, entfalten die Jacarandabäume ihre fliederfarbene Blütenpracht. Zu Tausenden säumen sie die Straßen in der Innenstadt und spenden kühlenden Schatten. Eine dieser Straßen ist die Paul Kruger Street, an deren nördlichen Verlauf sich die Alte Synagoge befindet. Schon seit den frühen Morgenstunden wird das aus roten und ockerfarbenen Backsteinen erbaute Gotteshaus mit seinen Arkaden von einem Menschenauflauf belagert. Neben schwarzen Südafrikanern1, die politische Lieder singen, befinden sich ebenfalls zahlreiche nationale und internationale Medienvertreter vor Ort. Fotografen und Kameraleute verschiedener Fernsehanstalten versuchen sich Platz zu verschaffen, um die Geschehnisse bestmöglich einzufangen. Streng dreinblickende Polizisten sollen für die nötige Ordnung sorgen. Die Lage der Anwesenden schwankt zwischen Hoffnung und Anspannung.2

Im Inneren des jüdischen Gotteshauses, das seit Beginn der 1950er Jahre Schauplatz für verschiedene Gerichtsverfahren war, ist die Situation nicht anders. Knapp 200 Personen drängen und quetschen sich in die wenigen Sitzreihen. Es ist heiß und stickig. Kaum ein Luftzug durchdringt den Saal. Der einzig funktionierende Deckenventilator ist ausgestellt worden, um die schlechte Akustik doch noch ein wenig zu verbessern. Dennoch nehmen die Anwesenden diese körperlichen Strapazen auf sich, denn sie wollen die gerichtliche Untersuchung keinesfalls verpassen. Diese soll die Hintergründe aufdecken, welche Umstände zum Tod des schwarzen Bürgerrechtlers Bantu Stephen ‘Steve‘ Biko führten. Dessen Leben fand am 12. September 1977 in einer Gefängniszelle in Pretoria ein jähes Ende. Biko ist die 46. Person, die seit 1963 im Gewahrsam der südafrikanischen Polizei auf fragliche Art und Weise verstarb. Nach gerichtsmedizinischem Befund war eine Kopfverletzung die Ursache für den Tod gewesen. Doch wer oder was diese verursacht hat, ist unklar. 13 Verhandlungstage sind für die Untersuchung angesetzt. Ärzte und Polizisten, die für die Haftbedingungen Steve Bikos verantwortlich waren, werden vor dem Gericht aussagen.

Ein plötzliches Blitzlichtgewitter der anwesenden Fotografen entbrennt, als die Angehörigen von Bikos Familie den Saal betreten. Schwarz gekleidet, voller Trauer begeben sich seine Ehefrau, seine Mutter und seine Geschwister auf ihre Sitzplätze und verharren dort. Mit ihnen sind zahlreiche Freunde und Mitstreiter Bikos aus dem In- und Ausland gekommen. Vertreter eines offenen, antirassistischen und menschenfreundlichen Südafrikas. Sie hoffen auf ein wegweisendes Ergebnis. Der südafrikanische Staat solle endlich für seine menschen-verachtende Apartheidspolitik und deren Opfer Farbe bekennen. Ihnen gegenüber sitzen die Vertreter des Establishments, die Beamten der Sicherheitsbehörden, die Polizisten, die Ärzte und ihre Anwälte, die ihrerseits auf ein für sie günstiges Verfahren entgegensehen. Die Stimmung zwischen den Parteien ist nicht nur angespannt, sie ist vielmehr „gedämpft kriegerisch“3.

An dieser wird sich bis zum 30. November 1977, dem letzten Verhandlungstag, nichts ändern. Zudem wächst die Ungewissheit. Die Ungewissheit, zu welchem Ergebnis die Untersuchung des vorsitzenden Richters Marthinus Prins kommen wird. Werden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden oder ist Steve Biko umsonst gestorben? Nur eines eint alle Anwesenden: die Erinnerungen an den Toten. Doch wer war Steve Biko, der bis heute, neben Nelson Mandela, einer der meist verehrten Südafrikaner ist? Aufschluss soll diese Kurzbiographie liefern, die sich mit ausgewählten Aspekten aus dem Leben Steve Bikos befassen wird. Neben der Berücksichtigung seines Privatlebens wird dieser Text ebenso die Ideen des Black Consciousness Movements (BCM) diskutieren, mit denen zusammen Biko in den 1960er und 1970er Jahren die Hoffnung der schwarzen Südafrikaner auf eine Überwindung der Apartheid verkörperte. Ob diese Ideen auch nach dem Ende der Apartheid noch für die Südafrikaner von Bedeutung sind, soll ebenfalls thematisiert werden. Anhand des Lebens und Wirkens Steve Bikos soll ein exemplarischer Einblick in eines der schwierigsten Kapitel südafrikanischer Geschichte gewährt werden.

2. Unruhige Kindheit

Tarkastad ist ein kleines verschlafenes Städtchen der südafrikanischen Provinz Eastern Cape. Am gleichnamigen Fluss Tarka auf einer hügeligen, weitläufigen Hochebene gelegen, hat die Ortschaft schon längst ihre Bedeutung verloren. Die alten Häuser aus dem 19. Jahrhundert, als Tarkastad noch ein wichtiger Militärstandort war, verblassen zusehends und wirken heute unbewohnt. Eben hier wurde am 18. Dezember 1946, einem Sommertag, Bantu Stephen ‘Steve‘ Biko als das drittälteste von vier Kindern der Eheleute Mathew Mzingaye und Alice Nokuzola ‘Mamcethe‘ Biko geboren. Seinen Geburtsort sollte der junge Steve Biko allerdings kaum kennen lernen, da die ersten Lebensjahre von ständigen Ortswechseln geprägt waren. Vier verschiedene Städte in vier Jahren – Queenstown, Port Elizabeth, Fort Cox und schließlich King William‘s Town. Rastlosigkeit und ständige Veränderungen prägten das Familienleben. Selten bestand für die Familie die Möglichkeit an einem Ort längere Zeit zu bleiben. Erst in Ginsberg, einer Siedlung für schwarze Südafrikaner, die in direkter Nachbarschaft zum Zentrum von King William‘s Town liegt, fand das mehrjährige Umziehen ein Ende.4

Doch Ruhe kehrte auch hier nicht in die Familie ein. Bikos Vater Mzingaye, der als Polizist den Lebensunterhalt für die Familie verdiente und gleichzeitig per Fernstudium Jura studierte, erkrankte 1950 schwer. Kurze Zeit darauf starb er. Ein Schicksalsschlag für die Familie. Insbesondere für Mamcethe Biko, die nun als alleinerziehende Mutter von vier Kindern für den Lebensunterhalt verantwortlich war. Mit schlecht bezahlten Jobs versuchte sie ihrer Familie über die Runden zu verhelfen. Durch das tägliche Arbeiten der Mutter waren die Kinder schon früh gezwungen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Vor allem der erstgeborenen Tochter Bukelwa und dem zweitgeboren Sohn Khaya oblag es, sich um die jüngeren Geschwister Steve und Nobandile zu kümmern.5

Trotz des frühen Todes seines Vaters und dem Fehlen der Mutter beschreibt Steves jüngere Schwester Nobandile die gemeinsame Kindheit als eine sehr schöne und fröhliche Zeit. Vor allem die Art und Weise wie der junge Steve Biko seine Mitmenschen in Gesprächen zum Lachen brachte, ist ihr dabei in Erinnerung geblieben.6 Ein Charakterzug, der von späteren Freunden und Wegbegleitern bestätigt wurde. Die Erledigung alltäglicher häuslicher Dinge wie das Füttern der hauseigenen Hühner oder Botengänge für Verwandte langweilten ihn. Deshalb versuchte er diese zu vermeiden. Lieber vertrieb er seine Zeit mit Fußball spielen oder dem Aushecken von Streichen. Andererseits zeigte der junge Steve Biko schon im Alter von sechs Jahren Verantwortungsbewusstsein, als er auf dem täglichen Schulweg seine jüngere Schwester Nobandile früh zum Kindergarten brachte und sie nach dem Ende der Schule wieder abholte.7

Obgleich dieser nicht immer einfachen, aber größtenteils unbeschwerten Kindheit wurde Biko schon in seinen jungen Jahren mit den Auswirkungen der Apartheidspolitik konfrontiert. Hierfür genügten zunächst nur zwei Blicke. Einen in die staubigen Straßen seines Townships. Über 800 Familien schwarzer Südafrikaner lebten auf wenigen Quadratkilometern in Ginsberg zusammen. In einigen Straßen mangelte es an Häusern. Nur ein geringer Bruchteil der Bewohner verfügte über direkten Zugang zu Elektrizität, Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Viele der Haushalte mussten sich Toiletten und Trinkwasserbrunnen teilen. Der andere Blick richtete sich zum Fluss, dem Buffalo River, und der dahinter verlaufenden Schienentrasse. Obwohl nur ein Steinwurf entfernt trennten diese beiden Linien die unterschiedlichen Lebensverhältnisse. Hier die ärmlichen schwarzen Wohnsiedlungen. Dort das Zentrum von King William´s Town mit den Vierteln der wohlhabenden weißen Südafrikaner. Ein Bild, das symbolhaft für die gesellschaftliche Entwicklung Südafrikas im 20. Jahrhundert stand. Ob in Kapstadt, Durban, Pretoria oder Johannesburg – die Verhältnisse glichen sich überall. Sie waren das Ergebnis einer jahrzehntelang betriebenen Trennung der Bevölkerungsgruppen, deren Grundstein schon in den 1910er und 1920er Jahren gelegt wurde.

In diesen zwei Dekaden mussten bereits Steve Bikos Großeltern und Eltern miterleben, wie aufeinanderfolgende Regierungen die gesellschaftliche Spaltung anhand der ethnischen Zugehörigkeit forcierten. Stück für Stück wurden alle nicht-weißen Südafrikaner die Rechte und Freiheiten entzogen oder stark eingeschränkt. Zunächst kam die Enteignung des Landes. Per Gesetz. Native Lands Act der Regierung Louis Botha 1913.8 Nur noch sieben Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes wurde den Schwarzen in ausgewiesenen Reservaten als Besitz zuerkannt, obwohl diese mehr als zwei Drittel der Bevölkerung ausmachten.9 Keine zehn Jahre später folgte die räumliche Trennung in den Städten. Es war eine staatlich verordnete Segregation, die den weißen Südafrikaner die Zentren der Städte als Lebensraum vorbehielt. Schwarze hingegen mussten sich fortan an den Rändern der Stadt ansiedeln. Ihnen wurde nur ein befristetes und eingeschränktes Aufenthaltsrecht, beispielsweise zum täglichen Arbeiten, in den Stadtzentren gewährt.10 Schließlich begann ab Ende der 1920er Jahre der zunehmende Eingriff des Staates in das Privatleben. Auch hier sollte klar zwischen Schwarz und Weiß getrennt werden, indem u. a. der Sexualverkehr zwischen beiden Bevölkerungsgruppen strafrechtlich verfolgt wurde.11

Schon bevor Steve Biko als Junge durch die Straßen seines Townships ging, offenbarte sich Südafrika also als ein Land der gesellschaftlichen Trennung mit krassen Gegensätzen und Rissen. Doch waren diese nur ein Bruchteil dessen, was später die Apartheid ausmachte. Ursprünglich war die Apartheid nur Bestandteil eines Wahlprogramms des Parteienbündnis aus National Party (NP) und Afrikaner Party (AP). Parteien, die sich im Milieu der weißen Afrikaans sprechenden Südafrikaner etabliert hatten. Inhaltlich sah das Programm eine Verschärfung der bereits bestehenden Gesetze vor. Die in Südafrika lebenden Bevölkerungsgruppen sollten gemäß ihrer „rassischen“ Zugehörigkeit zukünftig eine noch striktere getrennte Entwicklung durchlaufen - Apartheid. Ziel war es die bereits bestehende Vorherrschaft der weißen Südafrikaner gegenüber den Bevölkerungsgruppen der Schwarzen, Coloureds (Farbige/Mischlinge) und Asiaten (vor allem Indern) dauerhaft zu festigen. Weiterhin sollten letztgenannte konsequent von der Teilnahme am politischen Leben und deren Einrichtungen ausgeschlossen werden.12 Mit diesen Forderungen konnte sich die Koalition aus NP und AP erfolgreich als vielversprechende Alternative zu den etablierten Parteien präsentieren. Neue Wählerschichten konnten gewonnen werden und am 26. Mai 1948 hatten die zwei Parteien ihre Ziele erreicht - Wahlsieg und Regierungsübernahme.13

Im Verlauf der 1950er Jahre, als Steve Biko gerade die Grundschule besuchte, begann die stufenweise Umsetzung der Apartheid. Auf vielfältige Art und Weise durchdrang diese Politik die südafrikanische Gesellschaft und prägte nachhaltig das Zusammenleben am Kap. Bis heute. Eine wahre Flut aus Gesetzen und Verordnungen regelte fortan das tägliche Verhältnis der Menschen untereinander. Hier sind einige Beispiele: Durch die Einteilung der Bevölkerung nach körperlichen Merkmalen, wie der Hautfarbe, und eines noch drastischeren Verbots gemischter Lebensbeziehungen zwischen allen Bevölkerungsgruppen sollte die „Reinheit der weißen Rasse“ gewährleistet werden.14 Dadurch wurden mitunter ganze Familien auseinandergerissen.15 Weiterhin verschärfte die National Party die räumliche Trennung und Konzentrierung nicht-weißer Südafrikaner durch die Schaffung separater Wohngebiete wie Townships und Homelands. Gleiches betraf die Bewegungsfreiheit, die durch die Einführung von Passgesetzen stark eingeschränkt und kontrolliert wurde.16 Letztendlich wurde diese Politik bis auf die untersten Ebenen des gesellschaftlichen Lebens herunter gebrochen. Verkehrsmittel, Strände, Geschäfte, Parkbänke, Restaurants, Toiletten und die schulische Erziehung wurden dieser Rassentrennungspolitik unterzogen. Mehr als 1.000 dieser Gesetze sollten es im Jahr 1986 sein.17

Die ersten direkten Erfahrungen mit den Gesetzen machte Steve Biko als Teenager. Nachdem er die Grundschule verlassen hatte, besuchte der junge Biko zunächst die Forbes Grant High School. Hier zeichnete sich er sich durch sehr gute Leistungen aus, die gleichwohl auch ein Verdienst seiner Mutter waren. Mamcethe Biko legte bei all ihren vier Kindern größten Wert auf eine gute schulische Erziehung. Trotz der nicht enden wollenden und mäßig bezahlten Arbeitstage, investierte sie die Zeit, die ihr vom Tag übrig blieb in die Ausbildung ihrer Kinder. Dies zahlte sich aus. Sowohl Steve als auch sein älterer Bruder Khaya erhielten von der Gemeinde Ginsberg 1962 ein Stipendium, um die Lovedale Institution in der 50 Kilometer entfernten Kleinstadt Alice zu besuchen. Die Lovedale Institution war eine ehemalige Schule der Glasgower Missionsgesellschaft. Sie war eine der wenigen Schulen in der schwarze Südafrikaner eine gute und allumfassende Ausbildung erhielten. Weiterhin befand sich die Schule in Nachbarschaft zur Universität von Fort Hare, der einzigen für schwarze Studenten bis in die 1960er Jahre. Folglich bot sich für Steve Biko mit dem Stipendium für die Lovedale Institution längerfristig die Möglichkeit, in den Genuss einer guten Ausbildung zu kommen. In einer Zeit, in der die Regierung massive Eingriffe in das Bildungssystem vornahm und weiterführende Bildung wie Sekundarschulen oder Universitäten für Schwarze nur in begrenztem Maße vorgesehen war.

Mit 16 Jahren kam Biko nun nach Alice, um sich weiterzubilden. Lange sollte er aber nicht von seiner neuen Umgebung profitieren. Ganze drei Monate blieb er vor Ort. Dann war das Kapitel Lovedale Institution schon wieder beendet. Bikos Bruder Khaya wurde von der Polizei festgenommen, da er verdächtigt wurde mit dem verbotenen Pan Africanist Congress (PAC) zu sympathisieren.18 Der PAC verfolgte wie der African National Congress (ANC) mit vorerst friedlichen Mitteln des passiven Widerstandes und zivilem Ungehorsams die Apartheid zu bekämpfen. Nach deren beider Verbot im April 1960 versuchten beide Gruppen aus dem Untergrund heraus den Staat mit gewaltsamen Aktionen zum Einlenken zu bewegen. Sabotageakte und Anschläge folgten, die sich jedoch nicht gegen Personen richteten. Obwohl Steve Biko zum damaligen Zeitpunkt in keiner Verbindung zum PAC stand, wurde er auf Grund der Anschuldigungen gegen seinen Bruder mit inhaftiert. Im örtlichen Polizeirevier kam Biko erstmals in Kontakt mit den südafrikanischen Sicherheitsbehörden und ihren Verhörmethoden: Mehrere Polizisten um ihn herum im Befragungsraum. Sie wirkten einschüchternd in der Enge des Raumes. Lange Verhöre und kaum Pausen. Ständig wiederholte Fragen auf die er keine Antwort wusste. Zunehmende Drohungen seitens der Polizisten. Sowie eine sekündlich wachsende Unruhe über den Verbleib seines Bruders Khaya. Später rekapitulierte Biko diesen Tag wie folgt: „They [die Polizei] […] sent me in first for a sort of heavy grilling, seven people around me. […] They were talking about things I was doing with “friends”; I didn’t know about this. This was how I got a glimpse into what was going to happen to my brother. I never saw him thereafter. He just disappeared.”19 Zehn Monate vergingen, bis sich Steve und Khaya Biko wiedersahen. Khaya war einer noch längerfristigen Inhaftierung, nur dank einer erfolgreichen Berufung, entgangen. Trotz alledem muss Steve Bikos älterer Bruder dermaßen von Strapazen im Gefängnis gekennzeichnet gewesen sein, dass dies nachhaltig auf Steve einwirkte.

Doch Khaya Biko war nicht der Einzige, der Konsequenzen zu ertragen hatte. Als Steve Biko nach seiner unschuldigen Verhaftung seinen Schulbesuch in der Lovedale Institution fortsetzen wollte, wurde er von der Direktion suspendiert. Kurze Zeit später folgte gar der Verweis von der Schule wegen der Unterstützung verbotener Organisationen. Infolgedessen konnte Steve Biko über ein Jahr lang nicht zur Schule gehen. Erst 1964, als das neue Schuljahr begann, setzte er seine Ausbildung fort.20 Allerdings hinterließ diese persönlich negative Erfahrung bleibende Eindrücke. Biko begann sich zusehends zu politisieren. Sein Ärger richtete sich insbesondere gegen die vorherrschenden Autoritäten, ihren Einfluss und ihre Willkür Entscheidungen über den Einzelnen oder eine Gruppe zu fällen, die dadurch das Leben der Betroffenen maßgeblich beeinflussten. So wie bei ihm selbst. Deswegen war es nicht weiter verwunderlich, dass sich sein frühes Engagement vor allem aus der Verarbeitung des ungerechtfertigten Verweises von der Lovedale Institution ergab. Sie war eine Initialzündung, sich mit der Situation der Schwarzen auseinanderzusetzen. Dafür boten die politischen Ereignisse in den frühen 1960er Jahren genügend Anlass.

Als Sekundarschüler bekam er mit, wie die südafrikanische Polizei am 21. März 1960 eine friedliche Demonstration in Sharpeville bei Johannesburg brutal und gewaltsam niederschlug. 69 Tote. Viele davon wurden beim Weglaufen von hinten erschossen. Der Ausnahmezustand der daraufhin von der Regierung verhängt wurde und das später folgende Verbot von ANC und PAC. Mit 15 Jahren wurde er Zeuge wie ANC und PAC ihren bewaffneten Kampf begannen und wie der Apartheidsstaat daraufhin mit einer Verschärfung der Gesetze reagierte. Eineinhalb Jahre später, 1963, als Steve Biko die Schule zwangsweise ruhen lassen musste, folgte die Verhaftung führender Vertreter des ANC wie Nelson Mandela oder Walter Sisulu. Im Juni 1964 schließlich, als er seine schulische Bildung im St. Francis College in Mariannhill in der Nähe von Durban wieder aufgenommen hatte, wurden diese im Rivonia-Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt.21 Dies waren einschneidende Erlebnisse für den jungen Biko, die seine Politisierung mitgeprägt haben.

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